06. Juni1985
29.
Ludwig-Hofacker-Konferenz
Persönlicher Kontakt ist nötig
Viele Menschen unserer
Zeit haben sich dem Glauben, der Gemeinde und der Kirche entfremdet. Für die
Gemeinden ist es darum nötig, neue Wege und Formen zu finden, ihnen nachzugehen
und sie wieder anzusprechen.
Die Einladungen zu
kirchlichen Veranstaltungen erreichen wenige und setzen nur einzelne in
Bewegung. Die Distanz zum Angebot der Gemeinde ist groß. Es fehlen
Zwischenglieder, Brücken zu den entfernten Gemeindegliedern. Sie lassen sich
zwar manchmal zu Großveranstaltungen einladen, doch der Mangel an persönlichen
Kontakten hindert sie dann oft daran, Schritte in die Gemeinde hinein zu tun.
Mit der Flut des Papiers,
das in die Häuser gelangt, werden die Einladungen der Gemeinde häufig
weggeschwemmt. Wir brauchen darum Formen der persönlichen Kontaktaufnahme und
sollten die Möglichkeiten nutzen, die uns durch die Technik gegeben sind. Eine
dieser Möglichkeiten ist das Telefon. Heute ist in fast jedem Haushalt ein
Telefonanschluß vorhanden. Er kann gezielt benutzt werden, um Menschen in der
Gemeinde mit dem Angebot der Kirche und mit der Botschaft des Evangeliums
vertraut zu machen. Der Kontakt über das Telefon ist ein Weg zur persönlichen Evangelisation.
Die Schwelle beim Hausbesuch ist hoch
Wer einem Besuchsdienst
angehört oder schon einmal Hausbesuche gemacht hat weiß, wie schwer es ist, an einer Haustür zu klingeln und
wie viele innere Hemmungen vorher zu überwinden sind. Dieser Dienst ist jedoch
nötig und darf in einer Gemeinde nicht vernachlässigt werden. Eine gute
Ergänzung dazu wäre ein „Telefon-Besuchsdienst“. Das Telefon soll den
persönlichen Kontakt, den persönlichen Besuch nicht ersetzen, es kann aber eine
persönliche Begegnung vorbereiten.
Wenn jemand direkt an der
Haustür steht, ist das Misstrauen in der Regel groß, denn zu viele wollen etwas
anbieten oder verkaufen. Man fühlt sich leicht überrumpelt und darum versucht,
den Besucher abzuweisen. Oft ist auch der Zeitpunkt für einen Besuch ungünstig.
Vielleicht nimmt die Familie gerade eine Mahlzeit ein oder sieht gemeinsam ein
Fernsehprogramm an.
Hausbesuche an dieser
unverhofften Begegnung.
Durch das Telefon kommen
wir direkt in die Wohnung und bleiben nicht an der Haustür stehen. Der am
Telefon Besuchte fühlt sich nicht überfordert, da er das Gespräch jederzeit
leicht beenden kann. Auch das Umfeld spielt beim telefonischen Besuch nicht die
Rolle, die es beim direkten Besuch hat. Für den Anrufenden und für den
Angerufenen ist die Schwelle zum Gespräch nicht so hoch, und die Gefahr, dass
der Besucher nicht aus einer inneren Haltung heraus, sondern durch ungünstige
Umstände abgewiesen wird, ist geringer.
Das Telefon wird zu wenig missionarisch genutzt
Jesus hat uns beauftragt,
zu anderen hinzugehen, und wir dürfen die modernen technischen Mittel gebrauchen,
um dieses Hingehen zu verwirklichen.
Der telefonische Kontakt
im persönlichen Bereich kann als Dienst im Auftrag Jesu gesehen werden:
Wir rufen Menschen an, die
in der Nachbarschaft zugezogen sind, stellen uns vor und wünschen ihnen, dass
sie sich gut eingewöhnen. Wir erzählen mit ein paar Sätzen von der Gemeinde, in
der sie nun wohnen. Wir schließen mit einem guten Wunsch und drücken die
Hoffnung aus, sie einmal persönlich kennen zu lernen. Eine solche
Kontaktaufnahme kann bei Neuzugezogenen die Basis für eine spätere persönliche
Begegnung schaffen.
Wenn in einer Gemeinde
eine Veranstaltung geplant ist, könnte eine „Besuchsaktion per Telefon“ durchgeführt
werden, bei der es Gemeindeglieder übernehmen, andere in ihrer Umgebung auf
diese Weise einzuladen. Eine solche Aktion müsste natürlich organisiert werden.
Man müsste feststellen, in welchen Haushalten Telefonanschlüsse vorhanden sind.
Die Gemeinde müsste in Bezirke eingeteilt werden, um zu klären, wer die Anrufe
in welchem Bereich übernimmt. Die Gemeindeglieder, die diesen Telefondienst zu
tun bereit sind, sollten von einer Gruppe von Betern begleitet werden.
Kontakte mit einsamen und kranken Menschen
Ein weiterer Bereich des
Telefondienstes könnten Anrufe bei kranken und einsamen Menschen sein. Wer aus
irgendeinem Grunde zurückgezogen lebt, scheut oft zunächst die persönliche
Begegnung eines Besuches, ist aber dankbar für ein paar Sätze am Telefon.
Die Erfahrung zeigt, dass
der Wunsch nach einem persönlichen Besuch über das Telefon ausgesprochen wird, dass
die Begegnung dann aber vorbereitet und erwartet ist.
In der Gemeinde könnte
eine Telefondienstgruppe gebildet werden, deren Mitarbeiter die Aufgabe haben,
regelmäßig – evtl. einmal in der Woche – einen einsamen oder kranken Menschen
anzurufen. Der so hergestellte und gepflegte Kontakt kann dazu führen, dass
beim Angerufenen ein Fragen wach wird, dass er sich öffnet und vielleicht auch
bereit wird, sich mit den Fragen des Glaubens, mit den Aussagen des Evangeliums
einzulassen.
Jeder Telefonanschluß ist
Angebot zu einem Kontakt, den wir nutzen können. Wenn in einer Gemeinde
Menschen bereit sind, diesen Telefonbesuchsdienst zu übernehmen, ist es nötig, dass
sie sich darüber austauschen. In Zurüstungen könnten Hilfen erarbeitet werden
zu Fragen, die sich vor allem am Anfang stellen: Wie kann ich ein Gespräch
beginnen? Wie rede ich den anderen an? Wie stelle ich mich vor? Wovon rede ich?
Jeder, der einen Dienst in
der Gemeinde tut, braucht die Erfahrung des anderen zur Korrektur und zur
Ermutigung.
„Ruf doch mal an“
Sollten wir diesen Hinweis
nicht auch für unseren Dienst in den Gemeinden aufnehmen und über das Telefon
Verbindungen zu Menschen knüpfen, die in Not sind oder den Kontakt zur Gemeinde
im Augenblick nicht haben?
Es wäre gewiss gut, wenn
sich mehrere Christen einer Gemeinde zu diesem Telefondienst zusammentun
würden, um einander in dieser Aufgabe zu bestärken und zu ermutigen. Ziel des
Telefonbesuchsdienstes sollte es letztlich sein, den Weg zu einem persönlichen
Besuch vorzubereiten.