Predigt am Sonntag, 16. Juni 1996

Pfr. Winrich Scheffbuch

 

2. Sonntag nach Trinitatis - 1. Korinther 9, 16-23, REIHE VI
veröffentlicht in: Zuversicht und Stärke, 1990, Heft 4, S.42ff

(Im Anschluss an diese schriftliche Form ist die Nachschrift der gehaltenen Predigt zu lesen!)


I. Zum Verständnis des Textes

1. Die Nötigung zum Evangelisieren

Es mag viele Prediger geben, die sich ihren Beruf freiwillig gewählt haben. Bei Paulus war das anders. Er wurde vom auferstandenen Christus berufen und genötigt, sein Zeuge zu sein. "Es wird dir schwer sein, wider den Stachel zu löcken!" (Apg 26,14). Das Wort vom "Evangelisieren" ist ein typisch ntl. Missionswort. Damit ist nicht alles und jedes im Dienst des Apostels gemeint, sondern ganz gezielt die Predigt des Evangeliums", dass ihr euch bekehren sollt von diesen falschen Göttern zu dem lebendigen Gott... !" (Apg 14,15). Den bei uns so wichtigen Unter- schied, als ob die Evangelisation sich nicht an Christen, sondern vor allem an Nichtchristen wende, gibt es im NT nicht. In der Mission wie in der Gemeinde wird dasselbe Evangelium verkündigt. Paulus macht darin keinen Unterschied. Das verkündigte Wort wirkt Rettung in Vollmacht.
Für den Zwang zum Evangelisieren gebraucht Paulus ein griechisches Wort, das den Zwang des Schicksals ausdrückt. Paulus kann seinem Auftrag nicht entrinnen. Es ist ein göttliches Muss, dem er sich nicht entziehen darf. Sonst droht ihm Gottes Verdammnis. Man wird an Jeremia 20,9 erinnert: "Es war in meinen Gebeinen wie ein Feuer verschlossen, und ich konnte es nicht aushalten." So geht es bei Paulus nicht um eine innere Begeisterung, um eine Lust, sondern um den Auftrag, den er nicht nach seinem Belieben lassen und aufgeben kann. Man denke an die Berufung Jeremias (1,7-9) oder an die Apostel Petrus und Johannes: "Wir können's ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben!" (Apg 4,20).

2. Gebunden und doch frei

Paulus hat sich oft als "Knecht Jesu Christi" bezeichnet. Nun benützt er gerade auch hier beim Evangelisieren das Wort vom "Sklaven". Er drückt damit den bedingungslosen Gehorsam seinem Herrn gegenüber aus. Es ist nicht ein privates Hobby, dem man sich nach Lust und Laune unterzieht. Es geht vielmehr um einen verpflichtenden Dienstauftrag. Er bezeichnet sich als einen beauftragten Haushalter, der das Evangelium verwaltet. Es ist ihm befohlen. Es ist ein Amtsgeschäft, das einem oft sehr hart und schwer werden kann. Der Auftrag kann zur "Last des Herrn" werden (Sach 9,1; Hab 1,1).
Seinen freiwilligen Beitrag bringt er ein, indem er auf eine auch ihm zustehende Entlohnung aus freien Stücken verzichtet. Er predigt das Evangelium kostenlos, aus lauter Liebe zu seinem Herrn Jesus Christus. Freiwillig dient er als Knecht Jesu Christi und liefert sich den Menschen aus, die er erreichen will. Darum prägt nicht ein lästiger Zwang den Apostel, sondern die Freiheit in Dienst und Opfer.

3. Richtige und falsche Rücksichtnahme auf Menschen

Es gibt zwei Wege, die Paulus wählen kann, um Menschen zum Glauben an Jesus Christus zu führen. Da ist der judenchristliche Weg, der bewusst den Reichtum des jüdischen Gesetzes zu bewahren sucht. Um der Juden willen hat Paulus Timotheus beschnitten. Um etliche aus den Juden zu retten, wäre er sogar bereit gewesen, sein eigenes Leben zu opfern.
Für Paulus steht aber daneben der Weg der Heiden, die ohne jüdisches Gesetz gerecht werden, allein durch den Glauben an Jesus Christus. Leidenschaftlich hat er sich dagegen gewehrt, dass ihnen das Joch des Gesetzes und damit der Beschneidung auferlegt wird.
Er konnte Schwachen gegenüber schwach sein. Die Art des Zugangs zu den Menschen kann wechseln. Das entscheidende Wunder geschieht allein durch Gottes freie Gnade, die Menschen am Evangelium Anteil gibt. Es gibt vielfältige Methoden, wie wir Menschen das Evangelium nahe bringen. Immer muss Gott einzelne herausretten. Paulus selbst jagt in großer Demut diesem Ziel nach.

II. Überlegungen zur Predigt

1. Missionsdienst zwischen Lust und Frust

Viele Predigten bleiben bei dem Text leider oft nur beim professionellen Pfarramt stehen. Das ist aber unverzeihlich. Das Evangelisieren, der Auftrag, allen
Menschen die befreiende Nachricht von der Siegesmacht Jesu weiterzusagen, ist allen Gläubigen, der ganzen Gemeinde, aufgetragen. Das Evangelium von Jesus ist die wichtigste Sache, die einem Menschen für das Leben und für das Sterben überbracht werden kann.
Praktisch spielt aber bei den Christen die Motivation eine entscheidende Rolle. Man evangelisiert, wenn es "einem Spaß macht" oder wenn man den Eindruck hat, dass "dies heute ankommt".
Für Paulus war es nicht entscheidend, welche Gefühle er dabei empfand. Er spricht nie davon, dass ihm sein Dienst "Lust und Freude" bereite. Er spricht vom Zwang, der in seiner Berufung erkennbar wurde. Weil Jesus in seiner großen Barmherzigkeit ihm dieses Amt übertrug, wird er nicht müde.

Evangelisieren will nur, wer aus Dankbarkeit über die erlebte Rettung durch Jesus nun dies vielen bekannt will. In diesem Dienst erlebt man viele Tiefen, Anfechtungen, und auch Enttäuschungen. Wer so tut, als ob man dabei immer Freude hätte, der kennt den Dienst noch wenig.
Aber Boten Jesu ordnen sich dem Dienst freiwillig unter und akzeptieren den Zwang. Es bleibt für sie das unbegreifliche Wunder, dass sie von Jesus Christus herausgegriffen wurden. Darum wollen sie, dass noch viele das erfahren. Jeder ist dazu verpflichtet, ob er Zahnarzt oder Hausfrau, Prediger oder Ingenieur ist.
Man kann es an den Rettungsaktionen illustrieren, die für Menschen gewagt werden. Mit Blaulicht rasen die Rettungsfahrzeuge durch die Straßen. Das ist nötig, um einen Verletzten zu bergen. Es wird z. B. viel Geld gesammelt, um ein Kind in den USA operieren zu lassen. Für ein Menschenleben lohnt sich das. Für Paulus lohnt sich der aufreibende und schwere Evangelisationsdienst, weil damit Menschen für die Ewigkeit gerettet werden. Paulus war von der Liebe Jesus überwältigt. Er wollte sich an seine Auferstehungskraft binden, weil dadurch ein neues Leben ihm geschenkt war. Darin lag seine Bindung an den Dienst des Evangelisierens. Das musste er nun weitersagen, weil er wusste, welche Befreiung dadurch bei Menschen geschah. Er konnte von seinem Auftrag nicht lassen. Er war ihm ganz ausgeliefert. Das Evangelium ist schließlich wichtiger, als die Nachrichten im Radio oder in der Zeitung, auf die man im Notfall verzichten kann.

2. Flexibel in den Methoden

An Paulus fällt auf, wie entschlossen eindeutig er seinen evangelistischen Dienst versteht. Gleichzeitig ist er aber in den Methoden, wie er seinen Dienst ausrichtet, sehr anpassungsfähig, flexibel und enorm kreativ. Die Methoden bleiben dem Auftrag untergeordnet. Sie stehen nicht in der Mitte, sondern sind von Jesus und der durch ihn angebotenen Rettung bestimmt. Alle Methoden haben nur ein Ziel, etliche selig zu machen.
Das Wort des Paulus hat auch unsäglich viel Unheil angestiftet. Man hat aus dem Evangelium heute vielerorts eine Knetmasse gemacht, die beliebig und willkürlich verformt werden kann. Oft erinnert dies an eine Maskerade, wenn das Evangelium jedem politischen und gesellschaftlichen Modetrend angepasst wird. Man glaubt darin die Rechtfertigung zu finden, als ob der Mensch das Maß aller Dinge sei, auch für das Evangelium.
Für Paulus sind das miese Tricks. Er lehnt solche Fälschungen ab (2. Kor 4,1). Er lässt nicht die Tagesordnung der Welt, auch nicht die Schlagzeilen der Zeitung, seine Verkündigung bestimmen. Er wollte nicht ein Chamäleon sein, das sich einem "verkehrten Geschlecht" anbiedert. Er hängt sein Mäntelchen nicht nach dem Wind menschlicher Zustimmung. Nie war er korrupt geworden durch Lob und Tadel der Einflussreichen und Mächtigen. Er buhlte nicht um die Gunst der Menschen. Nie wollte er es allen recht machen. Er wollte alle retten.

3. Grenzen der Anpassung

Traut Paulus dem Heiligen Geist nichts zu? Doch. Nur weiß er um das Hindernis im Dienst, das durch seine eigene Person im Wege steht. Darum hat er sich selbst zum Knecht gemacht. So wie Jesus sich selbst entäußerte und Knechtsgestalt annahm (Phil 2,7). Ein Jünger steht nicht über seinem Meister.
Wer Menschen gewinnen will, muss sich auf Menschen einlassen. Nur dann kann man gehört werden, wenn man zuerst selbst sorgfältig hinhört. Bereitschaft ist nötig, auf Menschen zuzugehen. Sich selbst kann Paulus völlig hingeben. Er sucht nicht seine Selbstverwirklichung, sondern die Rettung der Verlorenen.
Darum hat seine Anpassungsfähigkeit nur eine völlig klare Grenze, die man bei Paulus nun wirklich nicht übersehen kann: Es ist die Treue zum Evangelium, die Bindung an das Gesetz Christi. Diese stand und steht auch heute nicht zur Disposition. Wer sie preisgibt, ist ein betrügerischer Haushalter (l. Kor 4,2).
Das hat konkrete Auswirkungen auf den Dienst. Wenn Menschen gewonnen werden sollen, dann müssen Methoden und Formen angepasst gebraucht werden. Paulus war stolz darauf, ein Pharisäer zu sein. Gerne erinnerte er sich an die Herkunft seiner Familie aus dem Geschlecht Benjamin. Aber als er auf dem Areopag in Athen predigte, erinnerte nichts mehr an seine alte jüdische Herkunft.
Er beschnitt den Timotheus und unterzog sich in Jerusalem einem Gelübde. Ihm bedeuteten alle diese Traditionen sehr viel. Und doch hat er sie alle dem einen Ziel untergeordnet: Wenn nur Menschen selig werden!

4. Die Haltung des Knechtes

Wer wirklich Menschen erreichen will, muss sich ihnen ganz ausliefern. Allen, auch den Snobs, den Anhängern der neuen Moral, den Zweiflern und Schwärmern. Aber das Evangelium wird deswegen noch lange nicht verfälscht werden dürfen. Es ist sehr bezeichnend, dass Paulus den häufig zitierten Satz eben nicht sagt: "... den Griechen ein Grieche!" Er konnte das nicht, so wenig er dem Lügner auch ein Lügner wurde, dem Mörder ein Mörder oder gar dem Atheisten ein Atheist. So wenig die Kirche den Nationalsozialisten zuliebe einfach nazistisch werden durfte, so wenig ist uns eine Verfälschung des Evangeliums heute erlaubt.
Ein Musterbeispiel ist die Missionsansprache in Athen, wo Paulus feinfühlig mit dem Menschen denkt, aber ohne Schonung vom Gericht spricht. Das Evangelium wäre weder rettende noch befreiende Botschaft, wenn es nicht den Hörer verändern und erneuern wollte. Das Evangelium will bekehren - oder es ist kraftlos.

Wir müssen uns mit den Menschen und ihren Nöten identifizieren, wenn wir ihnen ihre Leere und geistliche Not bewusst machen wollen. Und es braucht eine sehr demütige Art, wenn wir ihnen die Befreiung Christi zuteil werden lassen wollen. Vielleicht aus einem schlechten Gewissen heraus benützen Prediger gerne den Text und reden vom Recht der Bezahlung ihres Gehalts. Ich halte das für wirklich unwichtig und nebensächlich. Es ist an der Mitte vorbei, ganz ähnlich, wie wenn manche aus dem Text nur den Hinweis auf das Arbeitsverhältnis des Paulus herausgreifen, um dann mit vielen Zitaten über Arbeitslosigkeit und Recht auf Arbeit zu reden. Für Paulus war die Liebe die Mitte, mit der er Christus verpflichtet war und sich darum ganz Menschen auslieferte. Aus Treue zu Jesus, um des Evangeliums willen, konnte er sich Menschen sehr anpassen. Aber er vergaß darüber nie, dass er ihnen die Befreiung Christi zu bringen hatte.

III. Zur Predigt

Menschen für Jesus gewinnen

Michael Griffith, der frühere Leiter der Überseeischen Missionsgemeinschaft, erzählt von einem Japaner, der in den USA in eine Familie eingeladen wurde. Er wollte es ganz recht machen. Darum kam er eine halbe Stunde zu spät. Das ist in Japan Sitte, um ja die Gastgeber nicht bei den Vorbereitungen zu stören. Jetzt war es aber sehr ungeschickt, denn die Familie wollte essen. Die Hausfrau war völlig verzweifelt, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. Das gute Essen auf dem Herd war schon angeschmort. Bevor man sich an den Tisch setzte, fragte der Hausherr den japanischen Gast noch, ob er kurz ins Bad wollte. Der Japaner war überwältigt von so viel Güte. In Japan nimmt man vor jeder festlichen Mahlzeit ein Bad. Es ist dann ein besonderes Vertrauenszeichen, wenn der Gastgeber dafür sogar sein eigenes Badezimmer anbietet. Nach einer guten Stunde kommt dann endlich der Japaner fröhlich, frisch gestriegelt aus dem Bad. Die amerikanischen Gastgeber sind mit ihrer Geduld am Ende. Sie haben ja nicht wissen können, dass ihr Gast nach japanischem Verständnis so gute Manier hat.
Wie viel schwerer ist es dann, das Evangelium Menschen zu sagen, die es überhaupt nicht kennen! Denen es ganz fremd ist? Können die verstehen, was wir meinen und empfinden? Soll man überhaupt denen von Jesus sagen? In unseren Gemeinden sind viele ängstlich, zurückhaltend.

1. Das Beste niemandem vorenthalten!

Eine große Missionsbewegung ist in unseren Tagen entstanden. Aus den armen Gemeinden der Dritten Welt sind 36 000 Missionare ausgesandt, um in fremden Kulturen und Völkern, wo das Evangelium noch unbekannt ist, von der Erlösung durch Jesus zu sagen. Wenn man sie fragen würde, würden sie alle sagen: "Wir müssen. Wir können nicht anders."
Warum evangelisieren wir so wenig? Wer Jesus im Glauben erkannt hat, der wird nichts Größeres und Wichtigeres in der Weit mehr kennen, als zu evangelisieren. Das kann man nur von Mund zu Mund. Viele müssen erleben, wie Jesus aus Dunkelheit" Hoffnungslosigkeit und Bindungen befreit.
Wir kennen Missionare, die große Opfer in heißen Ländern auf sich nehmen. Sie tun das gerne, weil Gott ihnen die Last aufs Herz legte. Sie müssen andere retten. Genau so sprach Paulus. Aber eigentlich müsste das ja bei uns allen so sein.
Die wunderbare, befreiende Tatsache, dass Jesus Menschen aus Finsternis und Sünde zum neuen Leben führt" steht unwandelbar fest. Da gibt es nichts anzupassen. Jesus, der für die Schuld der Welt starb, ist auferstanden und kann heute Menschen bekehren. Das Evangelium selbst steht nicht zur Debatte. Es geht aber darum, wie man es den Menschen vermittelt.
Paulus "macht" sich zum Knecht. Er liefert sich Menschen aus. Freiwillig und demütig gibt er sich ihnen zum Dienst hin. Wer heute jungen Leuten das Evangelium sagen will, muss gut zuhören können und viel Zeit haben. Ohne Liebe und Geduld geht es auch nicht. Wie soll man anders Knecht sein?
Der Gründer der China-Inland-Mission, Hudson Taylor, trug nach chinesischer Sitte einen Zopf und die Landestracht. Missionare in Indien schmückten sich mit der Brahmanenschnur, wurden Vegetarier und trugen das Kastenzeichen auf der Stirn. Andere, etwa in Afrika, heirateten eine schwarze Frau. Doch darin lag nicht das Entscheidende. Die einheimischen Leute sind da sehr hellhörig und merken schnell, ob das nur eine äußerliche Kostümierung ist. Die richtige Anpassung reicht viel tiefer. Da wird plötzlich wichtig, ob man stundenlang reden kann, ohne auf die Uhr zu schauen. Ob man im Gedränge und Schweißgeruch auf der Matte sitzen kann und sich nicht ekelt.

2. Ohne Opfer geht es nicht!

Zum Weitersagen des Evangeliums gehört nicht allein eine methodische Ausbildung, sondern auch eine fortwährende Selbstverleugnung. Es geht um Liebe, die sich in den anderen hineindenkt und mit ihm fühlt. Ob er nun krank, depressiv oder verbittert ist.
Paulus war durch Jesus frei geworden. Er hat von ihm gelernt, auf Menschen voller Liebe zuzugehen. Er konnte seinen Hunger vergessen, wenn jemand ihn brauchte. Er konnte mitfühlen und empfinden wie der, der ihm gegenüber saß.
Paulus waren die jüdischen Bräuche des Gesetzes vertraut und lieb. Er war daheim im atl. Gottesdienst. Und doch konnte er in der Begegnung mit den Heiden das alles weglassen. Er feierte den Sonntag und nicht mehr den Sabbat. Dabei war er fröhlich, nie gezwungen. Durch Jesus fühlte er sich innerlich ganz frei.
Und wie hat Paulus die Brücke schlagen können zu den hellenistischen Frauen, zu römischen Sklaven! Dazu schaute er ihnen auf den Mund und verstand, was sie um- trieb und belastete.
Paulus hatte große Grundsätze in seinem Missionsdienst. Doch nie blieb er stur dabei. Das Wichtigste war für ihn, Menschen für Jesus zu gewinnen. So beweglich blieb er in Organisationsfragen und auch in den Methoden.
Oft wird das Wort zitiert: "Den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche." Aber das steht ja nicht da. Paulus hätte das auch nie gekonnt, den Griechen ein Grieche zu werden. Im damaligen hellenistischen Denken vollzog sich eine Art, mit Göttern umzugehen, die Paulus ein Grauen war. Auch die griechische Philosophie und das griechische Denken bereiteten ihm Not. Man glaubte an die Macht des Guten im Menschen. Man vertraute darauf, sich aus eigener Kraft erlösen zu können.
Das muss uns schlaflose Nächte bereiten, wie wir die vielen jungen Menschen heute wieder mit dem Evangelium von Jesus erreichen.

3. Wenn nur einige gerettet werden!

Es geht nicht um äußerliche Großzügigkeiten. Aus einer tiefen Bindung heraus war Paulus sehr frei. Paulus lebte im Gesetz Christi. Ihm hatte er sich ausgeliefert. Sein Sklave und Knecht wollte er sein. Darum war er auch ganz dem Evangelium verpflichtet. Dies konnte nicht dem Geschmack der Leute angepasst werden.
Und darum hatte er sich ganz seinem Auftrag verschrieben, Menschen für die Ewigkeit zu retten. Er wollte nicht bei den Leuten ankommen, sondern sie bekehren aus der Gewalt Satans zu Jesus Christus. Wenn uns das bewegt, dann treibt uns nicht mehr die eigene Ehre um. Dann suchen wir die Erbauung der Gemeinde. Nichts soll uns mehr gefangen nehmen und binden.
Man hat in den letzten Jahren manchmal den Eindruck bekommen können, als ob angesichts der riesigen bedrängenden Weltnöte die Evangelisation nebensächlich geworden sei. Nun, dass humanitäre Hilfe wichtig sei, wird von niemand bestritten. Sie ist dringend nötig. Niemand will die Bedeutung der Entwicklungshilfe schmälern. Aber warum muss in den Kirchen Entwicklungshilfe zu Lasten der Evangelisation, oft auch anstelle der Verkündigung des Evangeliums geschehen? Schade, wenn viele durch uns abgestoßen wurden. Nur weil wir unsere Sache so eigenmächtig vertreten haben. Dabei missionieren wir doch nicht, um das christliche Abendland zu retten oder die Kirchenaustritte zu stoppen. Wir haben auch nicht den Hintergedanken, andere zu bessern oder zu erziehen. Von Jesus muss geredet werden. Wenn nur Menschen durch Jesus gerettet werden! Heute! Wie viele haben wir zu Jesus gebracht?

IV. Zur Liturgie

Schriftlesung
Apostelgeschichte 4,13-22 oder Jeremia 20

Liedvorschläge

EG 241 Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
263 Sonne der Gerechtigkeit
225 Komm, sag es allen weiter

Neue Lieder
Noch dringt Jesu frohe Botschaft


 


Wörtlich nachgeschriebene Predigt von Pfr. Winrich Scheffbuch am 16.6.1996 über 1. Korinther 9,16-23.
Die stilistischen und satzbaumäßigen Unebenheiten der gehaltenen Predigt wurden beibehalten!




Paulus spricht hier von sich selber. Er war im Streit mit dieser Gemeinde. Übrigens, es ist interessant dass diese Christengemeinde nicht vorbildlich war. Es waren viele Missstände, auch die Tatsache, dass es die Zungenrede gab. Es herrschten viele Unklarheiten in dieser Gemeinde. Paulus hat viel geklärt von diesen Unklarheiten. Er redet hier von seinem Amt und vom Weitersagen des Evangeliums.
Denn dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen; denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predige! Täte ich's aus eigenem Willen, so erhielte ich Lohn. Tue ich's aber nicht aus eigenem Willen, so ist mir doch das Amt anvertraut. Was ist denn nun mein Lohn? Dass ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium nicht Gebrauch mache.
(Paulus will sagen: das ist so reichmachend, so beglückend, wenn einer versteht , was es um unser Amt ist im Weitersagen des Evangeliums - unbezahlt und gratis - so wird man überreich beschenkt.)
Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne. Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden - obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne.
(ist ihnen aufgefallen, dass dies gar nicht da steht: den Juden ein Jude, den Griechen ein Grieche.)
Denen, die ohne Gesetz in dem ich wie einer ohne Gesetz geworden - obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.

Neulich habe ich in einer Buchhandlung gestandenen und habe die Neuerscheinungen studiert. Und da kam ich auch an den Schrank, wo oben drüberstand: Esoterik. Da habe ich gestaunt: was wird da heute in jeder Buchhandlung angeboten! Christliche Bücher findet man in einer normalen Buchhandlung fast nicht mehr. Aber da war alles vertreten. Und ich habe gedacht, die können die Bücher ja nur anbieten, wenn ein Interesse da ist. Also da sind unzählige Menschen in der Reichweite dieser Buchhandlung, die interessieren sich für ewigliche Dinge. Wenn ich die Bücher ansehe, muss ich denken, das ist ja schrecklich: Von der Heilkraft der Steine. Von den Sternen, und von Sternzeichen, von allem möglichen Unsinn. Und dann - wenn das Interesse so groß ist, wo sind jetzt eigentlich die Christen, die auf diese heiß-hungrigen Menschen zugehen und sagen: Wir haben euch Verlässlicheres, Gewisseres zu sagen. Übrigens, wir haben nicht nur eine Lehre anzubieten, sondern eine Wirklichkeit, keine Magie, sondern den lebendigen Herrn Jesus Christus, der in euer Leben tritt.
Also der Hunger nach Gott ist groß. Wer hat denn das behauptet, es sei kein Hunger nach Gott in unserer Zeit. Menschen würden sich nicht interessieren. Wir haben doch als Christen die beste Sache der Welt.
Was machen Unternehmungen heute für einen Aufwand, bis sie einen Bigmac, ein Pepsi-Cola den Menschen anpreisen ?
Wir, die jedoch nicht bloß eine Lehre oder eine Gedankenwelt den Menschen anbieten, sondern Menschen den ewigen Gott, der zu jedem Menschen eine unsichtbare Verbindung hat, der jeden Menschen geschaffen hat und schuf, den jeder Mensch erfahren kann, - die beste Sache der Welt vertreten wir, - den lebendigen Herrn Himmels und der Erde, dessen Wort wahr und gewiss ist.

Ich will es noch mal von der anderen Seite her sagen: Es dauert nicht mehr sehr lange. Es ist eigentlich nur eine ganz kurze Zeitspanne, dann haben Sie alle ihr irdisches Leben abgeschlossen. Manche von uns werden das Jahresende nicht mehr erleben. Manche werden noch ein paar Jahre draufsetzen. Die jungen Leute werden noch ein paar Jahrzehnte haben. Aber es wird wie im Fluge gehen. Auf einmal ist völlig unwichtig, welche Abi-Note man hatte. Welche Karriere man hatte. Wie reich man ist. Unsere Beziehungen, unser Haus und alles, was uns in dieser Welt so wichtig war. Ob gesund oder krank, Zahnweh oder andere Schmerzen. Alles wird unwichtig sein. Es wird nur eine Frage sein, wenn ich vor dem lebendigen Gott stehe: Gibt es einen Weg, mein Leben aus dem Gericht zu lösen. Es wäre toll, wenn man einer Beziehung hätte zudem unbestechlich Richter, der uns durchschaut, vor dem jedes Wort, das wir hier geredet haben, offenbar ist.
Wenn wir stehen vor jenem Throne, dann ist das wichtig, ob Sie ihr Leben mit Gott in Ordnung gebracht haben. Das ist das Allerwichtigste.
Ich bitte sehr: heute - machen Sie in ihrem Leben klare Sache. Legen sie sich abends nicht schlafen, bevor sie nicht mit Gott Frieden gemacht haben. Bevor sie nicht alles geklärt haben, was nicht recht war. Wo sie gesündigt haben.
Dass sie Gott zum Freund haben und nicht zum Feind. Das ist die allerwichtigste Sache. Und dann - und dann in der Ewigkeit: Dann wird es uns erschreckend deutlich werden. Ich denke, es wird keiner unter uns sein, der dann nicht sagt: Wir hätten eigentlich viel mehr Menschen noch ansprechen müssen, noch mehr vom Ernst des Gerichtes reden müssen.
Das hat der Herr Jesus erzählt, - so erschütternd, - bei der Geschichte, bei der es einem unter die Haut fährt, vom reichen Mann in armen Lazarus, wie der bittet.
Ja, da muss man doch Boten schicken. Wenn es doch so gefährlich ist, wenn es ein Gericht gibt.
Unter den Christen gibt es eine große Gleichgültigkeit in dieser Frage.
Sogar hinein bis in die bibeltreuen Kreise. Manche sagen und behaupten ganz fest und steif, das sei alles gar nicht so schlimm, denn es gebe nochmals eine Generalamnestie. Die Menschen wüssten dies bloß noch nicht. Gott hätte es uns in seiner Güte noch vorenthalten
Wenn sie nur oberflächlich die Bibel einmal gelesen haben, - es genügt, sie brauchen nur ein paar Seiten zu lesen. Dann werden sie merken, dass fast auf jeder Seite der Bibel der unheimliche Ernst hervortritt. Man muss sein Leben mit Gott in Ordnung bringen. Man muss sich bekehren, man muss umkehren. Solange noch Zeit ist. Gott will heute von uns angerufen sein.
Gott will Gehorsam und keine frommen Lieder von uns. Und der will, dass wir ihm dienen.
Und sehen Sie, das wird bei uns immer wieder vergessen und versäumt. Und wir haben es den Freunden noch gar nicht richtig gesagt. Vielleicht sind die anderen Leute sogar verführt, weil wir manchmal so tun, und auch so locker und leicht alles nehmen.
Das Evangelium hat eine Dringlichkeit. Da heißt es: heute, jetzt,- Wenn ihr seine Stimme hört.
Bring dein Leben mit Gott in Ordnung. Dies ist ein Ruf, - so steht es in der Bibel, und Jesus hat es mit unzähligen Geschichten und Beispielgeschichten unterstrichen. Man kann verworfen sein.
Immer wieder, - wenn ich an dieser Stelle komm, - mir wird es so schwer, dass ich Ihnen das sagen muss, - aber ich muss es Ihnen sagen, verworfen, - das steht oft in der Bibel: verloren, - das steht schon bei den Propheten, dass ein Gericht über das Volk Israel geht.
Obwohl man schon viel erreicht hat bei den Leuten. Es kann dennoch sein: Bei Gott verworfen und verloren für Gott.
Und das ist die Dringlichkeit des Evangeliums.
Und darum ist es so wichtig, dass wir merken: wir haben einen Auftrag.
Wir müssen alle vom Evangelium weitersagen. Und nicht nur, weil wir die Menschen warnen, sondern weil wir sagen: heute ist die wunderbare Zeit, wo Gott in seiner Güte auf uns wartet.

So habe ich sie heute begrüßt: Kommt her zu mir alle, sagt Jesus, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.
Macht doch Ordnung, bringt es doch zu Recht. Nehmt doch die Chance wahr. Und der will dir doch begegnen, dieser Herr, der in der Natur und in der Schöpfung draußen alles so wunderbar gemacht hat. Und gestaltet hat. Der möchte doch machtvoll in dein Leben in eingreifen. Und dort wirken.
Aber wir erleben immer wieder, dass dieses Weitersagen merkwürdigerweise uns sehr schwer fällt. Es fällt nicht nur Ihnen schwer, sondern es fällt allen schwer. Uns Theologen natürlich am allermeisten. Wir wagen uns ja überhaupt nicht aus den geschützten Mauern heraus und wir können das ja überhaupt nicht.
Wir reden draußen vielleicht zum Sparpaket oder zu Friedensverhandlungen. Aber das Evangelium, wo es verhandelt wird in der Welt, dort wo die Menschen leben, denken, mit ihrem Suchen sind ?
Jetzt aber, wie macht man das eigentlich?
Viele sagen: Das ist ein Problem der Methode. Wie kann ich denn das weitersagen. Paulus gibt uns hier ein paar Ratschläge. Ohne ein weites Herz, ohne Liebe geht es nicht.
Und ich habe mir überlegt, mit wie vielen Menschen werden Sie in den nächsten Tagen zusammenkommen. Also da sind ganz viele Leute, die eine große Meinung von Ihnen haben. Wenn sie diese in den nächsten Tagen treffen, vielleicht bei der Arbeit oder im Freundeskreis oder in Ihrem Haus, das sind sogar vielleicht viele Menschen dabei, die Ihnen viel abnehmen, die viel auf Ihr Wort geben. Und wenn man das alles addiert, und denkt an die Menschen, die wir treffen, also keine große Evangelisation in Stuttgart könnte so ein weites Echo haben, also wenn wir sagen: So in den nächsten Tagen, die vielen Kontakte die wir haben, die rein menschlich gegebenen Kontakte, die Menschen, die uns ganz natürlich begegnen, wollen wir nutzen, um das Evangelium weiter zu sagen.
Aber wie macht man denn das? Achten Sie mal drauf, auch wenn der Paulus hier vom Predigen spricht, da gibt es bei uns immer ein falsches Denken. Da steht sonst in der Bibel immer das Wort vom Zeugnis geben.
Zeugnis geben heißt ja nur, so wie ein Zeuge Zeugnis geben in einem Prozess zum Sachverhalt. Der kann stottern, der kann mit einem Sprachfehler reden, der kann leise reden. Das alles ist gar nicht wichtig. Es muss überzeugend und es muss echt sein. Und es muss wahr sein.
Also das Wort muss es sein.
Aber da gibt es noch etwas Wichtiges dabei, was Paulus erwähnt: Es muss voller Liebe sein.
Denken Sie mal an sich. Sie wollen sich selber nicht schulmeisterlich belehren lassen. Sie wollen auf keinen hören, der sie von oben herab verdonnert.
Es ist unglücklich, dass ich heute von der Kanzel oben herab einen Monolog halte. Dass das Unglücklichste.

Die Evangelisation ist nicht die Form, die am meisten bezweckt und bewirkt.
Vielmehr der zwischenmenschliche Kontakt von Mensch zu Mensch. Er ist die aller wunderbarste Form, bei der die meisten Menschen zum Glauben gekommen sind in den letzten 2000 Jahren.
Man kann dabei von Jesus lernen: Wie er auf dem Brunnenrand saß und mit der Frau von Samarien sprach. Jesus hatte dabei nicht gesagt, so, jetzt erst einmal den Mund halten, und ich erzähle dir etwas. Sondern Jesus hat bloß ganz geschickt Fragen gestellt. Und die Frau ist selber drauf gekommen. Das ist das trickreichste Geheimnis, dass man einen anderen bloß zum Nachdenken führt. Dass man am Ende ihm bloß noch sagen muss: Ja , und hier ist Jesus, - und der wartet auf dich.
Ich vermute, wenn sie Liebe haben zu den Menschen, und auf sie zugehen mit Liebe, und wenn sie geduldig und barmherzig sind, werden sie eine Fülle von Entdeckungen machen. Es wird etwas geöffnet werden.
Es ist gar nicht so, dass sie die Frucht ihres Gespräches merken. Zum Glück, - denn sie würden nämlich stolz werden. Sie würden sich darauf etwas einbilden. Aber das hat ja Jesus uns gesagt, dass das Weizenkorn, das ausgesetzt wird, Frucht tragen wird. Wir sollten gar nicht so begierig sein, gleich den Halm und die Ähre dran sehen zu wollen.
Gehen Sie hin, und das ist die machtvollste Evangelisation, gehen Sie hin!
Gehen sie hin! Sie werden Menschen finden, die verzweifelt sind, die keinen Mut mehr haben. Sagen Sie einfach, wir haben eine Hoffnung, und wir dürfen weitermachen. Gehen sie los und seien sie ein Zeuge des Evangeliums.
Ich habe oft entdeckt, wenn ich bei Menschen gefragt habe: Erinnern Sie sich noch an ihre Großmutter? "Oh ", und dann brach es aus ihnen heraus, "die hat jeden Tag in der Bibel gelesen. Die hat gebetet".
"Ja auch, warum machen Sie das jetzt nicht?"
Oft ist es so leicht, die Brücke zu schlagen, ohne dass man dabei viel tun muss.
Aber ein Herz voller Liebe ist nötig. Und Paulus war überwältigt von der Liebe Jesu. Und deshalb ist er den Menschen entgegen gegangen. Er hat ihnen aufs Maul geschaut und hat ihnen zugehört. Er hat sich überlegt: Wie kann ich einem jungen Menschen ansprechen. Wie kann ich einen hellenistisch gebildeten Menschen ansprechen? Spreche ich einen Juden in der Synagoge an, dann muss ich immer die richtige Wortwahl haben, damit ich das richtig mache.

Liebe ist nötig. Und das nächste: Opfer ist nötig.
Paulus sagt: Ich habe mich zum Knecht gemacht.
Passen Sie auf: Der Paulus war stolz darauf, kein Knecht der Menschen zu sein. Niemand darf mich kommandieren. Kein Mensch hat mir etwas zu befehlen. Ein Christenmensch ist ein freier Herr, niemandem untertan.
Aber im Weitersagen des Evangeliums, da werden wir manche Meile mit Menschen gehen müssen. Da werden wir manche sogar um einen Dienst bitten müssen, obwohl wir das selber machen könnten. Aber da kriegen wir den Zugang zu einem, wenn ich ihn um einen Dienst bitte. Da werden manche plötzlich ganz freundlich.
Paulus sagt: Ich habe mich zum Knecht gemacht. Ich habe mich auf die unterste Stufe gestellt. Ich sehe nicht von oben herab. Sondern ich bin allen alles geworden. Es ist erstaunlich, wie anpassungsfähig Paulus war.
Er war ja von Hause aus Jude. Es war also für ihn gar keine Schwierigkeit, als Rabbinen in der Synagoge das Wort zu ergreifen.
Und genau so wusste er: Wenn ich in Athen auf dem Areopag bin, dann kann ich nicht mit dem Alten Testament kommen. Er hat lange gesucht: Wie bekomme ich den richtigen Einstieg? Und dann hat er die Aufschrift gefunden: "Dem unbekannten Gott". Und er hat gedacht: "Das wird richtig." Mit dem kann ich die griechischen Philosophen packen. Mit der heimlichen Sehnsucht. So wie ich sie auch heute gepackt habe mit dem Thema Esoterik. Da hören mir doch die Leute gleich zu, wenn ich von diesem Thema rede. Denn sie haben irgend wann schon einmal davon gehört. Und diese Menschen sind enttäuscht und ihr Herz ist leer. Da muss man doch davon reden.
Letztens hat einer gleich unten ein Haus aufgekauft für die Scientology. Und jetzt werden junge Leute angesprochen und mitgenommen. Und das ist so eine unmögliche Lehre - das gibt es doch nicht.
Bloß weil wir nicht vorher da waren und den Menschen das Evangelium gesagt haben.

Also das erfordert Opfer. Da muss man Arbeit leisten.
Wer Menschen gewinnen will, der muss viele Treppen steigen.
Wissen Sie, dass Pfarrer ungern Besuche machen. Da hat jeder Angst und fragt sich: Kommt hinter der Tür ein Drache oder ein Wolf hervor?
Und wenn man einmal anfängt, dann kommt auch Spott und Gelächter. und das tut weh, - und da sind wir so empfindlich. Und dann haben wir so viele Misserfolge gehabt.
Lassen Sie das doch! Wagen Sie doch Schweiß und Mühe und Opfer.
Ich denke daran, wie die großen Missionsboten, - ein Hudson Taylor hat sich extra einen langen Haarzopf wachsen lassen, hat chinesische Kleidung angezogen. Man wird ganz weit auf Menschen zugehen und zu hören müssen. Ganz sorgfältig zuhören, was die meinen, um dann auch ganz konkret zu antworten. So heißt es auch in der Bibel: Wir sollten viel hören und langsam reden. Nicht mit dem Reden anfangen. Sondern zuerst einmal hören und dann zur rechten Zeit reden.
Und wir sollten beten um das rechte Wort. Das ist ein Opfer. Das fällt uns nicht leicht.
Und so hat sich auch Paulus hinunter begeben: Ich werde allen alles.
Den Juden ein Jude. Und denen, die ohne Gesetz sind, kann ich auch völlig frei sein. Da wird nicht vom Sabbat geredet. Da wird nicht von der Beschneidung geredet. Er hat aber auch, wenn es nötig war, den Timotheus beschneiden lassen können. Dieser war halb jüdisch, halb griechisch. Das ist auch nicht schlimm, wenn ich dadurch einen Anstoß vermeiden kann, obwohl er sonst ganz rigoros war - im Galaterbrief.

Paulus war enorm flexibel, wenn es darum ging, zu evangelisieren. "Hauptsache, wenn Menschen verstehen und begreifen, was ich Ihnen weitergeben will."

Ich will ihnen noch ein paar Beispiele erzählen:
Da ist der alte Vater Elsässer, der in Stuttgart im vorigen Jahrhundert den CVJM gegründet hat. Da war selbstverständlich hinten drin in der Furtbachstraße das Hallenbad, weil er den jungen Leuten von Stuttgart das Beste für den Sport bieten wollte. Und weil er ein tolles Evangelium von Jesus hatte. Und das eine hat das andere nicht behindert, - im Gegenteil.
Beim alten Rotkirch in Berlin hat man gesagt: Wenn der neben einem jungen Menschen saß - spätestens mit dem zweiten Satz war er bei er Jesus, auch wenn einer von der Straße kam. Der hat eine solche seelsorgerliche Gabe gehabt, auf Menschen zu zugehen!
Wollen Sie überhaupt Menschen zu Jesus führen?
Oder wollen Sie sich bloß unterhalten und Vorhofgeblänkel machen?
Das erfordert ein Opfer, dass sie manches Eigene zurückstellen. Und dann, dass sie vorwärts gehen mit Ideen und mit Freude.
Ich denke an unsere christlichen Bäcker. Es ist doch erstaunlich, wie viel Bibel-Leute wir unter den Bäckern haben. Ja, was war denn das?
Da waren am Anfang nur ein paar Bäcker. Die haben gesagt: Wir müssten doch unsere Berufskollegen erreichen. Die konnten ja zu keiner anderen Versammlung gehen, weil die vom Zeitplan her so schwierig zu erreichen waren. Da haben diese angefangen, eine christliche Bäcker-Arbeit zu machen.
Was ist daraus entstanden, nur weil ein paar ein bisschen variabel waren?!
Oder wenn ich an die Gemeinschaftsarbeit denke, an die Jugendarbeit, - da gibt es alle möglichen Formen, die man sich nur überhaupt denken kann! Das waren Formen, um Menschen zu gewinnen.
Ich will doch Knecht werden! Ein Opfer bringen!
Und dann sagt Paulus: Evangelisieren macht man doch nicht aus Lust.
Wir sind heute alle viel zu lustbetont. Sondern: Ich muss!
Wenn der Paulus seine schwere Migräne hatte und er ist losgezogen und er hatte keine Kraft. Aber er sagte: Es ist befohlen und jetzt machen wir es.
Und da legt der Herr einen Segen darauf: Wenn man loszieht für ihn.
Und noch ein Letztes: Es geht in allem darum, dass Menschen gerettet werden.
Liebe, Opfer, und dass Menschen gerettet werden.
Vor 14 Tagen haben wir davon gesprochen, dass das mit der Anpassung des Evangeliums ein notvolles Thema ist in unsere Kirche. Dass es ja schon längst so ist, - in vielen Kirchen werden ja schon längst Umwelttage gemacht, - vielleicht erkennt man ja auch schon gar nicht mehr, wo hier der Unterschied zu anderweitigen Versammlungen von Parteien liegt, wo auch an die Ökologie gedacht wird.
Und dann gibt es ähnliche Dinge: da geht es um das Sparpaket, um politische Fragen und Friedensfragen.
Sie müssen aufpassen: Bei Paulus finden Sie niemals das, was bei uns heute so verbreitet ist: Wir müssen die Menschen abholen - und deshalb sagen wir gar nichts von dem, was wichtig ist.
Ich kenne Jugendarbeiten, da hat man Jahre damit zugebracht und gesagt: Wir wollen gar nicht vom Glauben reden und nicht von der Bibel. Sondern wir wollen zuerst einmal die Menschen erreichen und später kommen.
Sie wissen: Das "Später" fand nie statt. Es kommt nie mehr dazu.
Das hat der Paulus nicht gemeint: Man kann nicht die Sache des Evangeliums anpassen.
Auch heute in einer Zeit, - das wollen wir offen sagen - wo so viele so tun, als ob es völlig wurscht sei, ob es das Evangelium oder eine menschliche Lehre oder sonstige Vorstellungen oder gar andere Religionen sind.
Das Evangelium war für den Paulus etwas Unverwechselbares.
und daran kann man nichts zurechtrücken. Und wenn ein Engel vom Himmel herunter kommt: Das Evangelium kann man nicht verändern.
Das Evangelium kann man doch nicht anpassen. Das Evangelium braucht auch keine modische Bekleidung oder Zurecht-Schnipfelei, dass man es dem Zeitgeist der Menschen anpasst.
Das Evangelium, - das schlägt zu, das überführt Menschen, das überzeugt. Das ist Wahrheit.
Es ist die Frage, wie ich Menschen erreiche. Wie ich das Evangelium sage, wo ich es hineinsetze. Und das ist der kleine Unterschied, den Paulus hier so stark betont.
Und darum ist es so wichtig: Er kann den Juden ein Jude werden. Er kann den Juden das Alte Testament auslegen, und er kann herrlich auf Jesus Christus hinweisen. Er kann einem Juden, der das ganze alttestamentliche Gesetz und die Reinheitsvorschriften kennt, genauso Jesus verkündigen.
Das macht nichts aus.
Denen, die ohne Gesetz sind. Er kann auf die Schwachen zugehen, die keinen Mut haben. Er kann auf einen gesetzesstrengen Moralisten zugehen und ihm Jesus verkündigen. Aber dass er das Evangelium verkürzt verkündigt, das kann er nicht. Denn nur das Evangelium rettet.
Wissen Sie, was das Evangelium ist? Da geht es jetzt nicht um Streit - welche Kirche, welche Konfession, welche Frage der Kirchensteuer und der Kirchenordnungen und welche Gesetze.
Ich bin immer wieder froh, wenn wir in unseren Gottesdiensten ein Stück Freiheit betonen. Es ist gar nicht wichtig, ob einer beim Beten sitzen bleibt oder aufsteht oder sonst etwas tut. Es geht doch nicht um die Form, sondern um das Evangelium.
Und beim Evangelium geht es um die Rettung: Wie kann ich vor dem heiligen Gott am Jüngsten Tag im Gericht bestehen? Nur durch das Blut Jesu Christi, das mich rein macht von aller Sünde. Es gibt kein anderes Evangelium, als nur das eine. Jesus, der für meine Sünden gestorben und auferweckt ist, der lebt. Das ist eine Botschaft. Der will mir begegnen, das ist mein Herr. Dem gehöre ich im Leben und im Sterben. Und ich will das Evangelium predigen.
Was wird das einmal eine Freude in der Ewigkeit sein, wenn Menschen kommen und sagen: Vielen Dank, dass du damals nicht verletzt warst, als ich über dich hergezogen bin und ich dich so verspottet und verhöhnt habe. Und du bist ganz ruhig geblieben. Und du hast gesagt: Reg dich nicht auf. Ich will dir das Eigentliche sage. Und du hast es mir so bezeugt, dass ich es dir glaubwürdig abnehmen konnte. Denn ich habe gespürt, dass es bei dir von Herzen kam. Du bist nicht herumgelaufen, wie einer, der bloß Anhänger für eine Kirche sammeln will. Du bist herumgelaufen und hast das gesagt: Egal wo, - Hauptsache du bist ein Kind von Jesus.
Entdecke ich ihn und seine Kraft? Darum geht es im Evangelium . Wenn ich nur etliche selig mache.
Und jetzt denke ich noch einmal daran: Paulus setzt Maßstäbe, die gar nicht groß sind: Wenn Sie nur drei oder vier in den nächsten Tagen zu Jesus führen dürften. Denken Sie mal, was dann wäre. Ich bin überzeugt, Jesus will das. Er sucht Menschen. Er wartet nur, und ist enttäuscht, dass wir so versagen. Und dass wir so stumme Hunde sind.

Amen.