Jahreslosung (1944):
»Der Herr ist treu. Er wird euch stärken und bewahren
vor dem Argen.« (2.Thessalonicher 3, 3)
Ich hatte einen väterlichen Freund, der nicht nur äußerlich
ein großer und starker Mann war, sondern auch stark war im Glauben an den Sohn
Gottes. Der wurde schwer krank. Die Ärzte gaben keine Hoffnung. Allerdings —
sagten sie — bestünde vielleicht noch eine letzte Möglichkeit, wenn er sich
einer schweren Operation unterziehe, deren Ausgang jedoch ungewiss sei. Er
entschloss sich also zu dieser Operation, bei der er dann auch starb. Er ging
selbst zum Krankenhaus. Als er da an dem Tor stand, hinter dem die Entscheidung
fallen sollte, da zögerte er einen Augenblick. Aber dann sagte er: »Der Weg
ist dunkel. Aber das Ziel ist hell!« Und damit drückte er die Türklinke herunter.
So sagen auch wir Christen zu dieser Jahreswende: Der Weg
ist dunkel, aber das Ziel ist hell. — Ja, das Ziel ist hell. Wir gehen der
Wiederkunft des Herrn entgegen. Aber — der Weg ist so dunkel. Wer empfände das
heute nicht? — Allerdings für Christen ist er nicht ganz dunkel. Unser Text
sagt uns, was wir im neuen Jahr erwarten können.
1. Anfechtung
Das klingt hart. Aber es ist die Eigenart des Wortes Gottes,
dass es uns alle falschen Vorstellungen und Illusionen nimmt. Und so sagt es
uns hier hart und nüchtern: Das Arge wird euch anfechten!
Jetzt muss man fragen: »Was ist denn das Arge?« — Wir meinen
natürlich, das wüsste doch jeder ohne weiteres: Krankheit, Bombenschäden, Leid
usw. Aber ich bin mir gar nicht sicher, ob die Bibel das meint. — Ich kannte
z.B. einen Bergmann, der war durch ein Unglück gelähmt worden. Das wurde ihm
zum Anlass, dass er auf seinem Sündenweg umkehrte, Vergebung suchte und den
Herrn Jesus fand. Als ich ihn einst besuchte, sagte er mir: »Wenn ich einmal in
die Ewigkeit komme, will ich Gott danken, dass er mir die Wirbelsäule
zerbrochen hat. Denn ohne das wäre ich in meinen Sünden ewig verloren
gegangen.« Er sah also das Unglück als etwas Gutes an. Und nun das Gegenstück:
Ich kannte einen jungen Mann. Der bekam eine Stellung, in der er sehr viel Geld
verdiente. Ist das nicht was Gutes? Aber seht, das Geld wurde der Anlass, dass
der junge Mann auf leichtsinnige Wege geriet und völlig Schiffbruch erlitt. Das
sogenannte Glück war also für ihn etwas Arges!
Ich will nun aber wiederum nicht behaupten: alles Glück sei
arg und alles Unglück gut. — Ja, was ist denn nach Ansicht der Bibel das
»Arge«? Antwort: Alles, was mich von dem Herrn Jesus, von dem guten Hirten und
von seinem Kreuz wegbringt.
Und da gibt's viel. Ich kenne solche, die sind durch Glück
von ihm weggebracht worden. Und ich kenne andere, die hat das Leid von Jesus
weggetrieben. Die einen riss die Weisheit der Welt von Jesus und die anderen die
Dummheit. Die einen gingen von ihm, weil sie allein gut sein wollten und die
anderen, weil sie böse sein wollten. Ja, es gibt viel Arges. Doch ich muss wohl
auch das sagen, dass man nach dem griechischen Text auch übersetzen kann: der
Arge! Jawohl, so ist es! Der Arge, der Teufel, will nicht, dass wir selig
werden und uns hier schon unseres Heilands freuen. Und darum wird er auch im
neuen Jahr nicht ablassen, uns anzufechten. »Groß Macht und viel List sein
grausam Rüstzeug ist, auf Erd ist nicht seinesgleichen...«
2. Bewahrung
Wenn ein Kind geboren wird, dann wird es gepflegt und gehätschelt.
Man bewahrt es vor Zugluft. Wenn aber der geistliche Mensch zum Leben erwacht,
wenn ein Mensch durch die Kraft des Heiligen Geistes wiedergeboren wird, dann
ist das neugeborene Glaubensleben sofort den größten Gefahren ausgesetzt. Der
Teufel bietet alles auf, es zu vernichten. Die Welt bietet alles auf, es zu
zerstören. Ja, das eigene Herz und die Vernunft reden gegen das Geistesleben.
Und nur das Gewissen klammert sich an Jesus und sein Heil.
Ja, wie soll denn da ein Mensch selig werden? Wie kann sich
denn einer auch nur einen Tag seines Heilands freuen? Muss nicht unser aller
schwaches Glaubensleben im kommenden Jahr unter den Anfechtungen zusammenbrechen?
Nein! »Der Herr ist treu, der wird euch bewahren vor dem
Argen.«
Und das werden wir im kommenden Jahr erfahren. Das heißt,
nur die werden es erfahren, in denen der Herr selbst das Geistes- und
Glaubensleben begonnen hat. Alles Eigene bricht zusammen. Der Herr sagt: »Eine
jegliche Rebe, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird
ausgerottet.«
Also, der Herr selbst will das Seinige bewahren. Glaubst du,
dass er das kann? O gewiss kann er das! Es ist vielleicht einer hier, der ist
ein unglückseliger Skeptiker. Und sein Glaube ist nur wie ein Flämmlein in der
Zugluft. Glaube
nur, dass Jesus dich zu einem strahlenden Glaubenshelden
machen kann. Und da ist einer, der hat von Natur die übelsten und
abscheulichsten Veranlagungen. Glaube nur, dass Jesus dich herrlich vor dir
selbst bewahren kann. Und da lebt einer in Verhältnissen, in denen eigentlich
alles Glaubensleben ersticken muss. Glaube du nur, dass Jesus wie eine feurige
Mauer um dich her sein wird. Wen er mit seinem Blut erkauft hat und durch
seinen Heiligen Geist zum Leben gerufen hat, den lässt er nicht, und wenn die
Welt darüber unterginge! Wie der Herr die Seinen bewahrt, das hat der Prophet
Jesaja in einem wundervollen Bild gesagt: »Grad wie ein Löwe brüllt über seinem
Raub, wenn der Hirten Menge ihn anschreit, so erschrickt er vor dem Geschrei
nicht und ist ihm auch nicht leid vor der Menge; also wird der Herr herniederfahren
zu streiten.«
3. Sieg
Der Herr ist treu, der wird euch stärken. Die Gemeinde Jesu
ist ein seltsamer Haufen. Wenn man sie so ansieht, dann kann man sich nichts
Armseligeres vorstellen. Und wenn man ihre Chancen berechnet, dann sind sie
gleich Null. Und die Welt weiß noch nicht mal, wie arm die Gemeinde ist. Jeder
wiedergeborene Christ ist in seinen eigenen Augen noch viel geringer, als die
Welt ahnt. Er allein weiß um die Macht der Sünde in seinem Leben. Er kennt
seinen Unglauben und seine Schwachheit. Und doch, diese Schar hat Jahrhunderte
Verfolgungen siegreich bestanden. An ihr ist das Schwert der Verfolger und der
Witz der Weisen dieser Welt stumpf geworden. Sie geht triumphierend einher,
wenn die ganze Welt den Kopf hängen lässt. Sie überwindet weit. Sie verachtet
den Tod, und den Satan hat sie unter den Füßen.
Wie geht das zu? Hier steht es:
»Der Herr ist treu, der wird euch stärken.«
Ein versöhntes Gewissen, das Vergebung der Sünden hat,
gibt einen Heldenmut. Und die Kraft des Heiligen Geistes
überwindet die Welt. Der treue Herr sorgt dafür, dass seine
Gemeinde beides reichlich hat.
So treten wir in das neue Jahr und sprechen im Glauben:
»Ich gehe einher in der Kraft des Herrn ...«