„Da stieg Naeman ab und taufte sich im Jordan siebenmal.
...und er ward rein." 2. Könige 5, 14
In der letzten Zeit hat mich oft die Frage bewegt: „Wie
kommt es, dass so wenig Menschen das Evangelium fassen?" Es ist doch so
eine herrliche Botschaft — die Botschaft vom Friedensbund mit Gott und von der
ewigen Erlösung. Und wenn ich dann sehe, welche unsinnigen Weltanschauungen
und welch törichte Dinge geglaubt werden, dann will es mir recht unfassbar
erscheinen, dass das Evangelium so wenig Glauben findet. Wie ist das zu
erklären?
Ein englischer Journalist, der zum Glauben an Jesus kam, hat
vor einigen Jahren ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: „Nur für Sünder."
Das ist es! Nur die Menschen, die sich als Sünder erkannt haben, haben damit
ein Ohr bekommen für das Evangelium. Bist du ein Sünder? Vielleicht sagst du:
„Nein! Ich tue recht und scheue niemand." Dann bleibt dir das Evangelium
verschlossen. — Vielleicht gibst du zu: „Ja, wir sind allzumal
Sünder." Dann antworte ich dir: „Dich hat deine Sünde noch nicht
beunruhigt. Du wirst nichts verstehen."
Fluten der Heilung
1. Ein unglücklicher Mann
Die Bibel berichtet uns von dem syrischen Feldhauptmann
Naeman. „Der war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und hoch gehalten; denn
durch ihn gab der Herr Heil in Syrien. Und er war ein gewaltiger Mann."
So sagt die Bibel. Er war also ein Mann, den man beneiden konnte. Ein
erfolgreicher Mann. Aber — und nun kommt das „Aber" — er war aussätzig.
Haben wir Phantasie genug, uns vorzustellen, was das
bedeutete? Da stand er am Ziel seiner Wünsche. Er war der erste Mann nach dem
König. Er hatte ein feines Haus, Macht, Ehre, eine große Lebensaufgabe. Und
nun bricht der Aussatz aus. Er will ihn verbergen. Aber auf die Dauer geht das
nicht. Er sucht alle Ärzte auf. Keiner weiß Rat gegen Aussatz. Schließlich
ergreift ihn jene ganz große Resignation, wo man die Dinge laufen lässt, wo
die heimliche Verzweiflung das Herz erfüllt.
Der Aussatz ist in der Bibel ein Bild der Sünde. Ich kann
mir kein besseres Bild denken. Wie der Aussatz ist die Sünde entsetzlich ansteckend.
Ein Betrüger bleibt nicht lange allein. Schnell hat er Genossen seiner
Unehrlichkeit geworben. Ein unkeuscher Mensch kann seine ganze Umgebung mit
seiner unsauberen Art vergiften. Einer, der Gott nicht fürchtet, schafft eine
Atmosphäre der Gottlosigkeit. Ein Verleumder träufelt sein Gift in viele Ohren
und zerstört die Gemeinschaft.
Und wie der Aussatz ist die Sünde eine schnell wachsende Krankheit.
Jetzt spielt man in Gedanken mit einer Sünde. Und morgen ist ein tiefer Fall
daraus geworden.
Der Aussätzige hat keine Hoffnung. Er hat den Tod vor Augen.
So ist es mit dem Sünder. Er hat keine Hoffnung. Das Gericht Gottes und der
ewige Tod schrecken ihn. Nichts ist hoffnungsloser als das Leben eines Sünders.
Und einsam macht der Aussatz. Wohl wurde der gewaltige Naeman
nicht in die Wüste getrieben wie viele andere. Aber wer mochte mit ihm
verkehren?! Er war furchtbar einsam. Ich habe gefunden, dass auch die Sünde
einsam macht. Man ist von Gott geschieden. Und gerade von den Menschen, zu
denen man aufschauen könnte, fühlt man sich getrennt. „Wenn die
wüssten...!" sagt das Gewissen. Wohl dem, der seinen elenden Zustand erkennt und mit David (Psalm 51, 4) anfängt
zu schreien: „Wasche mich wohl von
meiner Missetat, und reinige mich von meiner Sünde."
2. Ein wenig einleuchtender Rat
Kehren wir zu Naeman zurück. Die Bibel erzählt sehr
anschaulich, wie eine kleine Sklavin aus Israel in sein Haus kommt. Die sagt:
„Ach, dass mein Herr wäre bei dem Propheten Elisa! Der würde ihn von seinem
Aussatz losmachen." Das Wort erfährt der Naeman. Es lässt ihn nicht los.
Und so macht er sich auf mit großem Gefolge. Nach mancherlei Irrwegen — ihr
müsst das selber 2. Könige 5, 1-19 nachlesen — kommt er vor dem Hause des
Propheten an. Der lässt ihm sagen: „Gehe hin und wasche dich siebenmal im
Jordan. Dann wirst du rein werden." Fluten des Heils für den Aussätzigen!
Gibt es solche Fluten des Heils für solche, die am Aussatz der Sünde krank
sind? Ja! Da lese ich Sacharja 13, 1: „Zu der Zeit werden die Bürger zu
Jerusalem einen freien, offenen Born haben wider die Sünde und
Unreinigkeit." Fluten des Heils gegen den Aussatz der Sünde! Wo ist der
Born? Ein Lied gibt Antwort: „Es ist ein Born, draus heilges Blut / für arme
Sünder quillt, / ein Born, der lauter Wunder tut / und jeden Kummer stillt. —
Es quillt für mich dies teure Blut, / das glaub und fasse ich. / Es macht auch
meinen Schaden gut, / denn Jesus starb für mich." Am Kreuz auf Golgatha
entspringt der Jordan, in dem Sünder sich waschen dürfen und rein werden.
Aber kehren wir zu Naeman zurück. Als er den Rat des Elisa
bekommen hat, wird er zornig. Seine Vernunft empört sich gegen die Zumutung.
„Haben wir", sagte er, „in Syrien nicht gute Heilquellen, die tausendmal
besser sind als das Jordanwasser? Sind die Wasser Amana und Pharphar nicht
besser als alle Wasser in Israel?" Und er zog weg im Zorn.
Gerade so hat unsere unerleuchtete Vernunft auch kein
Vertrauen zum Born des Heils von Golgatha. Sie sagt: „Da haben wir im Bereich
des Weltlichen doch bessere Wege, um der Krankheit der Sünde beizukommen. Man
kann z. B. sich eine Weltanschauung zulegen, in der es kein Gericht Gottes gibt
und in der die Sünde bagatellisiert wird." Oder: „Wenn ich meine letzten
Willensreserven einsetze, werde ich wohl auch so fertig." Oder: „Ich rede
mir ein, Gott sieht meinen guten Willen an und nimmt es nicht so genau."
Dazu kann ich nur sagen: Die Wasser in Syrien hatte der Naeman ja längst ausprobiert.
Sie hatten nicht geholfen. Und die unerleuchtete Vernunft heute soll zusehen,
wie sie mit ihren hilflosen Ratschlägen einem unruhigen Gewissen zur Ruhe
verhilft. Gottes untrügliches Wort preist uns in immer neuen Worten den
Heilsbrunnen von Golgatha als einzige Hilfe für Sünder an. Da spricht der
Prophet Hesekiel in einem wunderbaren Bild von einem kristallklaren Strom, der
in dem Heiligtum entspringt und vom Altar herkommt. Und wo der Strom herfließt,
da wird Heilung geschenkt und neues Leben. Welch ein Bild für die Fluten des
Heils, die von dem Altar kommen, wo das Gotteslamm sich selbst opfert! Wie
sehnt sich unser Gewissen nach dem Bad in diesem Strom!
3. Eine wunderbare Heilung
Wir hatten den Naeman zuletzt gesehen, wie er voll Zorn wegzog.
Aber damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Seine Knechte reden ihm zu: „Wenn
der Prophet etwas Schweres verlangt hätte, das hättest du getan." O wie
haben sie recht! Auch um sich von Sünden zu reinigen, unternimmt der Mensch
gern die schwersten Dinge. Er veranstaltet Wallfahrten und Bußübungen.
Zum Kreuze des
Heilandes kommen und sagen, man sei ein verlorener Sünder und man wolle gern
gerettet werden — dies scheint dem Menschen zu einfach, zu albern. Und doch —
es ist der einzige Weg zur Heilung.
Dem Naeman redeten seine Knechte zu, der Weisung des
Propheten zu gehorchen, und er folgte ihrem Rat. Uns in unserer Not will der
Heilige Geist denselben Dienst tun. Wohl uns, wenn wir Seinem Zureden folgen.
Der Schluss der Geschichte ist so, dass Naeman geheilt
wurde. Und wer zu dem offenen freien Born wider die Sünde und Unreinigkeit auf
Golgatha gegangen ist, der bekennt mit dem Propheten Jesaja: „Durch seine
Wunden sind wir geheilt."
Fluten des Heils für geschlagene Gewissen! Wir wollen hinter uns lassen, was gewesen ist. Lasst uns dahin gehen, wo es heißt: „Das Wasser des Lebens, das ist diese Flut, / durch Jesus ergießet sie sich. / Sein kostbares, teures und heiliges Blut, / o Sünder, vergoss er für dich. / O Seele, ich bitte dich, komm / und such diesen herrlichen Strom! / Sein Wasser fließt frei und mächtiglich. / O glaub's, es fließet für dich."