„Da aber die Philister hörten, dass die Kinder Israel
zusammengekommen waren gen Mizpa, zogen die Fürsten der Philister hinauf wider
Israel. Da das die Kinder Israel hörten, fürchteten sie sich vor den
Philistern. Samuel nahm ein Milchlämmlein und opferte dem Herrn ein ganzes
Brandopfer und schrie zum Herrn für Israel; und der Herr erhörte ihn."
1. Samuel 7, 7 und 9
Vor kurzem lud ich einen Mann in unseren Gottesdienst ein.
Der aber lehnte ab mit der Begründung: „Ich bin kein Kirchenläufer. Aber ein
Christ bin ich trotzdem. Ich bin mehr dafür, dass man das Christentum
lebt."
Nun, dafür sind wir auch. Ein Christentum, das nicht gelebt
wird, ist bestimmt wertlos.
Aber — was heißt denn das: „Christentum leben"? Da
haben die meisten die Antwort schnell bereit: „Christentum leben — das ist: Das
Böse meiden! Human sein! Gutes tun!" usw. Und wenn man schließlich alle
diese Antworten zusammenfasst, so entdeckt man, dass sie genau das meinen, was
die Bibel das „Umgehen mit Werken" nennt. Dies aber — so enttäuschend es
ist — ist ganz genau das Gegenteil von Christenstand.
Das „Christentum leben" heißt nach der Bibel: „im
Glauben leben". Aus solchem Glauben muss das rechte Tun dann fließen. Aber
die Hauptsache muss Hauptsache bleiben. Christlich leben — ich sage es noch
einmal — heißt: im Glauben leben. Und gerade das möchte ich aus der Bibel
lernen. Denn es ist etwas Großes, Starkes und Herrliches.
1. Die bedrohten und gefährdeten Leute
Unser Text enthält einen Abschnitt aus einer wundervollen,
aber auch wunderlichen Geschichte. Sie spielt in einer Zeit, in der das Volk
des Alten Bundes seinen Gott vergessen hatte. Schritt für Schritt hatte es sich
an die Welt verloren.
So etwas bleibt nicht ohne traurige Folgen: Wer dem Herrn
nicht gehören will, der wird ein Knecht der Welt. So war Israel unter die harte
Tyrannei der heidnischen Philister gekommen. Aber ein einziger Mann in Israel
ging diesen Weg nicht mit. Das war der alte Prophet Samuel. Wie hat er wohl in
der Stille betend um die abgefallene Gemeinde gerungen!
Nach zwanzig Jahren kam die Wendung. Der Geist Gottes
wirkte, dass dieses Volk zu sich kam und sein inneres und äußeres Elend erkannte.
Die Bibel erzählt: „Und das ganze Haus Israel weinte vor dem Herrn." O was
für herrliche Erweckungszeiten sind es, „wenn Scharen armer Sünder / entflieh'n
der ew'gen Glut"! Samuel sagt ihnen nun sehr nüchtern: „So ihr euch von
ganzem Herzen bekehrt zu dem Herrn, so tut von euch die fremden Götter und
richtet euer Herz zu dem Herrn...!" Und dann versammelt er alles Volk in
Mizpa. Hier wird ein großer Bußtag gehalten. Nun sollte man doch meinen, die
Geschichte ginge so weiter: „Der Herr wandte sich wieder zu ihnen, und alles
wurde gut." Aber seltsamerweise folgt das in dem biblischen Bericht nicht.
Es geschieht vielmehr etwas sehr anderes: Während sie noch in Mizpa versammelt
sind, kommt ein Bote gerannt: „Die Philister ziehen gegen uns heran mit einem
gewaltigen Heer!" Da fällt eine große Angst über alle. Man muss Mitleid
haben mit diesen bedrohten und gefährdeten Leuten.
Aber sind wir nicht in der gleichen Lage? Man möchte
wirklich dem Herrn angehören. Man hat sein Elend ohne Ihn erkannt, man ist erschrocken
über sich, hat die Götzen weggetan und ein Leben mit dem Herrn angefangen.
Und gerade dann geschieht es, dass die Hölle ihre Pforten
auftut und alle Bedrohungen auf uns loslässt: Da gewinnen Versuchungen, die man
längst überwunden wähnte, eine neue, unheimliche Gewalt. Da überfällt uns auf
einmal ein Sorgengeist, dass man vor Nöten nicht mehr aus noch ein weiß. Da
quält uns der Zweifel, ob nicht das ganze Evangelium doch eine
Menschenerfindung sei. Da geraten viele in unbegründete, aber abgrundtiefe
Schwermut, die alle Freudigkeit lahmt. Da verwirren die Menschen uns und
bringen uns in lauter Schwierigkeiten.
„Da zogen die Philister herauf gegen Israel", heißt es
hier. Ja, das erleben alle, die dem Herrn angehören wollen, immer wieder neu.
2. Das seltsame Verhalten des Samuel
Nun kommt das Wunderliche der Geschichte. Das heißt: Wunderlich
ist es nur in den Augen der blinden Welt. Die Christen können an dem Verhalten
des Samuel lernen, was es heißt: im Glauben leben. Durch die Versammlung in
Mizpa läuft plötzlich die Schreckensbotschaft: „Die Philister ziehen gewappnet
gegen uns heran!" Was sollte Samuel nun tun? Die Antwort ist klar: Er
musste den Bußtag abbrechen und Maßnahmen ergreifen gegen den feindlichen
Einfall. Aber das alles tut Samuel nicht. Vielmehr fährt er in Gelassenheit
fort mit dem begonnenen Gottesdienst: Ein Opfer wird geschlachtet und das Feuer
auf dem Altar entzündet.
Da kommen neue Boten: „Die Philister sind schon ganz
nahe!" Samuel bleibt ruhig. Er stellt sich und das bedrängte Volk im Glauben
unter das Opfer und schreit zum Herrn.
„Das ist ja verrückt!" sagt hier die natürliche
Vernunft. Nun, ein unerleuchteter Mensch weiß eben nicht, was solch ein Opfer
ist. Wissen wir es? Dies Opfer ist Versöhnung mit dem lebendigen Gott.
Samuel opferte
ein Milchlämmlein. Wir haben etwas Besseres: das Opfer des Sohnes Gottes auf
Golgatha am Kreuz. „Siehe, da ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde
trägt!" Unter dies Opfer dürfen wir uns im Glauben stellen. Auf den
gekreuzigten Heiland dürfen wir schauen und wissen: Er ist die Versöhnung für
unsere Sünden. Er ist unser Friede mit Gott. Da wird das Herz bei allen Nöten,
Anfechtungen und Bedrohungen ganz still und getrost. Denn wenn wir Frieden mit
dem lebendigen Gott haben, muss ja alles gut werden. Schaut noch einmal auf den
Samuel! Ich bin überzeugt, dass die Angst und Aufregung auch an seinen Nerven
riss, dass seine alte Natur ihm auch allerlei andre Rettungswege vorschlug.
Aber der Heilige Geist Gottes hielt ihn fest unter dem versöhnenden Opfer, dass
er im Glauben sich an diese Versöhnung mit Gott klammerte und nun dem Herrn
die ganze Not hinwerfen konnte.
So machen es die richtigen Christen. Das heißt: im Glauben
leben!
3. Der wunderbare Ausgang
Nun müssen wir unbedingt noch den Schluss der Geschichte
ansehen. Ich stelle mir vor, wie immer neue Schreckensboten ins Lager Israels
kommen. „Es muss doch etwas geschehen!" rufen die weltklugen Leute im
Hintergrund. Samuel aber bleibt mit der Gemeinde unter dem Versöhnungsopfer
stehen. Und im Schütze dieses Opfers schreit er zum Herrn. „Da ließ der Herr
donnern einen großen Donner über die Philister und schreckte sie." So
erzählt die Bibel. Und sie macht erstaunlich wenig Worte über diese Sache.
Ja", fragen wir, „geht das denn immer so?" Und die
Antwort muss lauten — allem Unglauben zum Trotz: Ja, es geht immer so! Oder
sollte Gottes Wort lügen? Es sagt im 34. Psalm Vers 6: „Welche auf ihn sehen
(wie Er für uns am Kreuze hängt), die werden erquickt, und ihr Angesicht wird
nicht zu Schanden." Es geht so, auch wenn scheinbar die Philister siegen;
auch wenn die Christen den Märtyrer-Tod erleiden. Am Ende wird es offenbar:
Wer im Glauben unter Jesu Kreuz steht, ist für immer gerettet, und sein
Angesicht wird nicht zu Schanden. Aber die Welt der Philister wird zu
Schanden. Ich möchte euch bitten: Macht Schluss mit dem „Feld-, Wald- und Wiesen-Gottvertrauen",
das man so vielfach findet. Gott ist heilig, und wir Sünder sind vor Ihm
tausendmal des Todes schuldig. Aber nehmt das Versöhnungsopfer Jesu am Kreuz
an, dann steht Gott auf eurer Seite.
So werden Christen mit ihren Bedrohungen und Nöten fertig, dass sie sich glaubend unter die Versöhnung stellen und als Versöhnte zu Gott schreien. Ja, so überwinden sie die Welt. Denn: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt — und alle Philister — überwunden hat!"