„Also gab Ornan David den Platz um Gold... Und David baute
daselbst dem Herrn einen Altar und opferte Brandopfer. Und da er den Herrn
anrief, erhörte er ihn durch das Feuer vom Himmel... und der Herr sprach zum
Engel, dass er sein Schwert in seine Scheide kehrte."
1. Chronik 21, 25-27
Gott hat es mir geschenkt, dass ich in meinem Leben viele
Reisen machen durfte. Dabei habe ich manche Grenze überschritten. Das war für
mich jedes mal ein erregender Augenblick. Unvergesslich ist mir, wie ich das
zum erstenmal erlebte. Ich war noch ein kleiner Junge und machte mit meinem
Vater eine Wanderung durchs Elsaß. Auf dem einsamen Vogesen-Kamm sah ich den
ersten Grenzstein. Mir klopfte das Herz, als ich mit einem Schritt in
Frankreich stand. Schließlich gewöhnte ich mich an die aufregende Sache und
machte mir den Spaß, mit einem Bein in meinem Vaterland und mit dem ändern im
Ausland zu stehen.
Ihr ahnt gewiss, dass wir heute von Grenzsteinen reden
wollen. Nein! Nicht von Steinen! Sondern von einem einzigen, von dem wichtigsten,
den es überhaupt gibt.
Wisst ihr, welches der bedeutendste Grenzstein der Welt ist?
Es ist das Kreuz Jesu Christi von Golgatha.
1. Die unheimliche alte Geschichte einer Grenze
Da wird uns im Alten Testament berichtet, wie in Israel die
Pest wütete. Man kann solch eine Seuche natürlich so ansehen, dass man von
Bazillen redet und von hygienischen Maßnahmen. Das hat gewiss seine
Berechtigung.
Die Bibel aber zeigt uns die Hintergründe: Der Zorn des
heiligen Gottes lag über Israel. Der schreckliche Engel des Gerichtes ging
durch das Land. Ob es wohl derselbe gewaltige Gottesbote war, der einst in
Ägypten die Erstgeburten erwürgte?
Wir wollen jetzt nicht weiter die Ursachen betrachten, die
zu diesem Gottesgericht über Israel geführt haben. Es ist genug, wenn wir hier
lernen, dass es das gibt: Zorn und Gericht Gottes. Wenn unsere Zeit nicht so
unheimlich verstockt wäre, müsste sie ja hellhörig geworden sein für solch ein
Bibelwort: „Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der
Mensch säet, das wird er ernten." (Galater 6, 7). Luther hat ganz recht,
wenn er in dem Katechismus sagt: „...darum sollen wir uns fürchten vor Seinem
Zorn."
Als ein Prediger einst einen Mann einlud, sonntags doch
Gottes Wort zu hören, sagte der lächelnd: „Ich bringe die Sonntage immer mit
dem Abschließen meiner Rechnungen zu." Ernst erwiderte der Prediger:
„Mein Herr, Sie werden finden, dass der Tag des Gerichts auf ganz gleiche Weise
zugebracht wird."
Wir haben eine Antenne, mit der wir diesen Zorn Gottes jetzt
schon spüren können. Das ist das Gewissen. Wohl uns, wenn unser Gewissen
erweckt wird! Der große Prediger Spurgeon berichtet, dass er das erste innere
Aufwachen als Junge durch ein Wort seiner Mutter erlebte, die ihn mahnte:
„Charles, wenn du verloren gehen solltest, dann muss ich am Tage des Gerichts
zu Gott sagen: Herr, Deine Gerichte sind gerecht und wahrhaftig!"
Aber kehren wir zu unserer Geschichte zurück. Da verwüstete
also die Pest das Land, bis der Augenblick kam, wo Gott zu dem Engel sagte: „Es
ist genug!" Der Engel stand bei der Tenne Ornans, des Jebusiters. Es ist
ein ergreifender Bericht, wie nun der König David dahinlief und den
schrecklichen Engel zwischen Himmel und Erde stehen sah mit dem Schwert in der
Hand, wie er dem Ornan schnell die Tenne abkaufte, einen Altar errichtete und
zum Herrn schrie. Da fiel Feuer vom Himmel als Zeichen, dass die Plage hier ein
Ende gefunden hatte.
Der Altar markierte eine Grenze: Bis hierher ging der Zorn
Gottes. Aber hier eben fand er sein Ende. Auf der ändern Seite des Altars waren
Friede und Leben.
2. Das Kreuz, die entscheidende Grenze
Damit wird dieser Altar zu einem Vorbild für das Kreuz Jesu
Christi
auf Golgatha.
Achtet darauf, dass ein Altar die Grenze war zwischen dem
Reich des Zorns und dem Reich der Gnade. Alle Gottesaltäre des Alten Testaments
aber sind Hinweise auf den einen Altar, auf dem geopfert wurde „Gottes Lamm,
welches der Welt Sünde trägt" — auf das Kreuz. Das Kreuz Jesu ist die
Grenze zwischen der Welt, die unter Gottes Gerichtszorn steht, und dem Reich
der himmlischen Gnade.
Achtet ferner darauf, dass dieser Altar von Gott selbst
durch Feuer vom Himmel legitimiert wurde. Auch das Opfer Jesu wurde so von Gott
anerkannt — und zwar durch die Auferweckung Jesu von den Toten. Damit hat Er
deutlich gemacht, dass das Opfer Jesu Ihm wohlgefällig sei und die Grenze
Seines Zorns darstelle. So ist also das Kreuz die Grenze. Wer noch nicht durch
eine gänzliche Hinwendung zum gekreuzigten Heiland gekommen ist, steht unter
dem Zorn Gottes. Welch ein gefährlicher Stand! Wenn wir doch die Menschen
warnen könnten!
Wer aber im Glauben zum gekreuzigten Herrn Jesus kommt, ist
eingetreten in das Reich der Gnade. Das ist ein herrliches und liebliches
Reich! Da ist Friede und Freude im Heiligen Geist! Da ist Leben und Seligkeit!
Da hat man Gott zum Vater. Man geht mit Ihm um und freut sich, einst ganz bei
Ihm zu sein.
Es darf jeder diese Grenze überschreiten. Sie steht für alle
offen. Der Schacher ging am Karfreitag hinüber. Und der Hauptmann unter dem
Kreuze auch.
Einigen unter uns aber muss ich dies zur Warnung sagen: Man
kann es mit diesem Grenzstein nicht machen, wie ich es als Junge mit dem
Grenzstein in den Vogesen tat, dass ich nämlich halb diesseits und halb
jenseits stand. So wollen manche in der Welt des Zornes Gottes und zugleich im
Reich der Gnade leben. Das geht nicht. Wir sind entweder hier oder dort.
Haben wir es ganz gefasst: Das Kreuz Jesu ist die Grenze
zwischen dem Reich des Zornes Gottes und dem Reich der Gnade. Wir Menschen
wollen nämlich gern eine andere Grenze aufstellen. Da sagt einer: „Ich bin doch
ein guter Mensch. Wie sollte Gott mir zürnen!" O Freunde, im Reich des
Zornes sind sogenannte „gute Menschen" und offenbare Sünder. Im Reich der
Gnade aber sind mit Gott versöhnte Leute. Nur das Kreuz ist die Grenze! Denkt
auch nicht, dass man sich mit einem unbekehrten Herzen etwa auf seine
Kindertaufe berufen könnte! Der Glaubensschritt zum Kreuz kann durch nichts
ersetzt werden.
Es muss auch noch darauf hingewiesen werden: Wir haben in
unserer Zeit viele Grenzveränderungen erlebt. Die Grenze aber zwischen dem
Reich des Verlorenseins und dem Reich der Gnade ist ewig unverrückbar. Die hat
Gott gesetzt.
3. Die Flucht über die Grenze
Ich las einmal einen Bericht, wie ein Mann in der Zeit des
Dritten Reiches von der Gestapo gehetzt wurde. Er floh. Die Angst jagte ihn.
Was war das für eine Stunde, als er in einer dunklen Nacht die Schweizer Grenze
überschritt! Als die Sonne aufging, war er in der Freiheit. „Gerettet!"
sagte er nur immer wieder vor sich hin, als er auf der anderen Seite des
Grenzsteines stand.
So geht es den Leuten, die zu Jesu Kreuz gekommen sind. Vorher fühlten sie im Gewissen den Zorn Gottes über ihre Sünde stärker und stärker. Doch war keine Kraft da, anders zu werden. So war ihr Herz nur voll Angst und Unruhe. Vor dem Worte Gottes flohen sie. Denn es schien ihnen lauter Drohungen zu enthalten. Bis sie an den Grenzstein kamen. Zinzendorf singt: „Ich bin durch manche Zeiten, / ja auch durch Ewigkeiten / in meinem Geist gereist. / Nichts hat mir's Herz genommen, / als da ich angekommen / auf Golgatha. Gott sei gepreist!"