Apostelgeschichte 16, 9-10: „Und Paulus
erschien ein Gesicht bei der Nacht; das war ein Mann aus Mazedonien, der stand
und bat ihn und sprach: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! Als er aber
das Gesicht gesehen hatte, da trachteten wir alsbald, zu reisen nach Mazedonien,
gewiss, dass uns der Herr dahin berufen hätte, ihnen das Evangelium zu
predigen.“
Je
älter ich werde, desto wichtiger wird mir eine ganz einfache Tatsache: Wir
haben nur ein einziges Leben. Und dieses einzige Leben bewegt sich – um ein
geläufiges Bild zu brauchen – auf einer Einbahn-Straße. Wenn ich einen Tag
verpfuscht habe, kann ich den Wagen meines Lebens nicht umkehren und dann die
Strecke noch einmal fahren. Das geht nicht.
Wie
viel kommt also darauf an, dass ich mein Leben richtig lebe! Aber – was ist
denn nun „richtig“?
Sicher
sind wir nicht auf der Welt, um möglichst viel Amüsement zu haben. Sicher auch
nicht, um nur zu arbeiten. Sicher nicht, um viel Geld zu verdienen oder einen
guten Job zu haben.
Wir
haben nur ein einziges Leben. Was machen wir damit?
In
der Bibel gibt es ein seltsames Wort, das im allgemeinen Sprachgebrauch fast
gar nicht vorkommt. Es heißt „Segen“. Gott sagt zu Abraham: „Ich will dich
segnen, und du sollst ein Segen sein.“ Ich bin überzeugt: Hier wird uns die
Richtung gewiesen, wie wir unser Leben recht anwenden. So fragen wir: Wie wird
mein einziges Leben ein gesegnetes Leben?
1) Wir müssen richtig geführt sein
Im
Mittelpunkt unserer Textgeschichte steht der Apostel Paulus. Jeder wird
zugeben, dass dieser Mann ein gesegnetes Leben gehabt hat. Wir können also von
ihm lernen.
Wir
sehen den Paulus in einer weltgeschichtlichen Stunde. Er fährt hinüber nach
Europa. Zum ersten Mal kommt das Evangelium nach diesem Erdteil. Der erste
Schritt zu einem christlichen Abendland ist getan. Ohne diesen Schritt des
Paulus gäbe es keine Kathedralen, keinen Albrecht Dürer und keinen Johann Sebastian
Bach. Ohne diesen Entschluss des Paulus säßen wir nicht heute Morgen hier
zusammen.
Und
nun ist es hochbedeutsam: Dieser Entschluss wurde nicht in einer Sitzung
kleinasiatischer Kirchenräte gefasst. Lukas erzählt vielmehr: „Wir reisten, gewiss,
dass der Herr uns dahin berufen
hätte.“ Paulus zog nach Europa – nicht auf Grund kluger Erwägungen, sondern vom
Herrn Jesus gerufen. Oder – wie Luther einmal von sich sagte – „gestoßen wie
ein blinder Gaul.“
So
etwas Großes gibt es im Leben der Kinder Gottes: Eine klare Führung durch den
Herrn selbst. Und nun müssen wir sagen: Nur ein Leben, das so geführt wird,
kann wirklich gesegnet sein. Wer wollte das nicht haben?!
Dazu
müssen allerdings einige Voraussetzungen erfüllt sein. Die wichtigste ist die:
Paulus war mit Gott versöhnt durch das Blut Jesu Christi. Es sage jetzt nur
keiner: „Das ist unverständliche Sprache Kanaans.“ Das ist die Voraussetzung zu
einem gesegneten Leben: dass man nach Hause kommt wie der verlorene Sohn. Und
die Tür, durch die man eingeht, ist das Kreuz Jesu. Wer sich führen lassen will
von der verborgenen Hand, muss zuvor in diese Hand gefallen sein.
Die
zweite Voraussetzung heißt: Stille. Lasst uns sehen, wie Paulus geführt wurde
von der verborgenen Hand. Er kommt nach Troas an die kleinasiatische Küste. Dort
weiß er nicht recht, wie sein Weg weitergehen soll. Da wartet er still. In der
Stille der Nacht zeigt ihm der Herr einen Europäer, der ihn notvoll ruft. Wir
dürfen nicht meinen, das sei ein Traum gewesen. Alles spricht dafür, dass
Paulus hellwach war. Ein wundervolles Bild: Dieser betende Mann in der Stille
der Nacht dem der Herr antwortet. Das ist das wahre Gesicht der Kinder Gottes.
So betet ein Psalmist in bedrängter Stunde: „Zeige mir, Herr, deinen Weg!“ So
sagt der König David einst: Ich muss warten, „bis ich erfahre, was Gott mit mir
tun wird“.
Das
ist genau das Gegenteil vom unruhigen, gejagten Menschen unserer T age. Es
fragt sich nur, von wem am Ende Segensspuren bleiben: von einem Manager oder
von einem Paulus, der in der Stille nach Führung ruft.
Aber
nun müssen wir doch aussprechen: Wie herrlich ist das, dass der Herr seine
Leute in der Wirrsal des modernen Lebens wirklich führen will – auf Wege des
Segens!
2) Man muss richtige Augen bekommen
Als
Paulus nach Europa zog, kam er aus dem unterentwickelten Palästina in die Blüte
der hellenistischen Kultur. Paulus, wird dich das nicht blenden und unsicher
machen? Da bereitet der Herr ihn vor: In einer Vision sieht Paulus einen
Mazedonier. In einem Mazedonier vereinigten sich die beiden Merkmale jener
Kultur. Dieses Volk hatte Anteil an Kunst und Wissenschaft der Griechen. (Ich
glaube, wir machen uns nur schwer eine Vorstellung von der geistigen Kraft, die
von den Philosophenschulen und von den Künstlern Athens ausging und
Griechenland prägte.) Und dann: Die Mazedonier hatten vor den Römern die Idee
des Weltreichs entwickelt. Sie lebten noch im Glanz Alexanders des Großen.
Also:
Hochgezüchtete geistige Kultur und sinnvoll angewandte Macht kennzeichneten
jene Zeit. Und sie wurden dargestellt in jenem Mazedonier, den Paulus in seiner
Vision sah.
Wer
diese Zusammenhänge durchschaut den erschüttert es: Dieser Mazedonier kommt
nicht in Glanz und Pracht sondern als Elender und Hilfeflehender: „Komm herüber
und hilf uns!“
Da
öffnet der Herr gewissermaßen dem Paulus die Augen, dass er hinter die Fassade
dieser glänzenden europäischen Welt sieht. Hinter dieser Fassade ist der
elende, friedelose, unerlöste Mensch, der Mensch mit seiner Sünde, mit seinen
trüben Bindungen, mit seiner Hoffnungslosigkeit. Dem kann nur eins helfen: die
herrliche Botschaft: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen
eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren
werden, sondern das ewige Leben haben.“
Wir
haben hoffentlich begriffen, dass wir eigentlich nicht nur und nicht mehr von
der damaligen Zeit sondern von unserer Zeit sprechen.
Gott
schenke uns diesen Blick hinter die Fassade! Nur wer sein eigenes Elend und das
der Zeit erkennt, der wird das Heil in Jesus finden – für sich selbst. Und der
wird dann anderen zum Segen sein.
Es
muss noch eins herausgestellt werden. Wie wurde Paulus ein Segen? Er sah die
inwendige Not seiner Zeitgenossen – und er ging nicht daran vorbei. Diese
innere Not rief ihn. Solange wir uns nur um uns selber drehen, bleiben wir ungesegnete
Leute. Es ist dann gleichgültig, ob wir bei diesen Drehungen christliche
Grundsätze haben. Dem Paulus brach wie seinem Heiland das Herz, wenn er hinter
der Fassade der hellenistischen Welt die Schuld und Not der Herzen sah. Und da
sprang er auf. Aus war es mit der Stille: Sie müssen von Jesus hören und von
der Vergebung der Sünden und von der großen Freiheit in Jesus!
3) Man muss ein gehorsames Herz haben
Wenn
wir einmal lesen, was vor unserer Textgeschichte steht, werden wir sicherlich
sehr bewegt. Da hören wir nämlich, dass der Paulus ganz bestimmte Pläne hatte,
als er sich auf die Reise begab. Er wollte die kleinasiatischen Landschaften
aufsuchen. Und da heißt es ganz seltsam: „Es ward ihnen gewehrt von dem
heiligen Geist.“ Der Herr hatte andere Pläne. So kam Paulus sehr ratlos nach
Troas. Und dort rief ihn die Vision nach Europa.
Nun
ist es geradezu ergreifend, dass wir kein Wort hören, wie schwer es dem Paulus
wurde, sein eigenes Wünschen in den Tod zu geben. Er hatte sein Herz und seinen
Willen seinem Erlöser ganz und gar hingegeben. In einem willigen Gehorsam folgte
er „dem Lamme nach“.
Das
ist ein wichtiger Wink für Leute, die ein gesegnetes Leben haben wollen. Wie
ist es denn bei uns so oft? Wir stecken vielleicht in ganz groben Sünden, in
einem Streit, im Sorgengeist, im Mammonsdienst, in Unkeuschheit. Wir wissen
genau, dass wir dem Herrn ungehorsam sind, aber wir wollen nicht davon lassen.
Solange es so steht, werden wir nie gesegnete Leute sein. Wenn wir im Groben
schon dem Herrn nicht gehorsam sein wollen, wie könnten wir seine feinen Winke
und Führungen verstehen!
Ein
gesegnetes Leben wollen, das heißt ja: beständige Einübung im Gehorsam gegen
den, der uns unendlich reich machen kann, wenn wir es nur ganz mit ihm wagen.
Wir
sagten anfangs: Wir haben nur ein einziges Leben. Sehen wir zu, wie wir einst
mit diesem Leben vor dem heiligen Gott bestehen. Aber darauf können wir uns
verlassen: Ein gesegnetes Leben ist ein reiches und erfülltes Leben.