Wilhelm Busch

Die Suchaktion Gottes

Kurzgeschichten der Bibel

 

Wie wird mein einziges Leben ein gesegnetes Leben?

 

Apostelgeschichte 16, 9-10: „Und Paulus erschien ein Gesicht bei der Nacht; das war ein Mann aus Mazedonien, der stand und bat ihn und sprach: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! Als er aber das Gesicht gesehen hatte, da trachteten wir alsbald, zu reisen nach Mazedonien, gewiss, dass uns der Herr dahin berufen hätte, ihnen das Evangelium zu predigen.“

 

Je älter ich werde, desto wichtiger wird mir eine ganz einfache Tatsache: Wir haben nur ein einziges Leben. Und dieses einzige Leben bewegt sich – um ein geläufiges Bild zu brauchen – auf einer Einbahn-Straße. Wenn ich einen Tag verpfuscht habe, kann ich den Wagen meines Lebens nicht umkehren und dann die Strecke noch einmal fahren. Das geht nicht.

Wie viel kommt also darauf an, dass ich mein Leben richtig lebe! Aber – was ist denn nun „richtig“?

Sicher sind wir nicht auf der Welt, um möglichst viel Amüsement zu haben. Sicher auch nicht, um nur zu arbeiten. Sicher nicht, um viel Geld zu verdienen oder einen guten Job zu haben.

Wir haben nur ein einziges Leben. Was machen wir damit?

In der Bibel gibt es ein seltsames Wort, das im allgemeinen Sprachgebrauch fast gar nicht vorkommt. Es heißt „Segen“. Gott sagt zu Abraham: „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein.“ Ich bin überzeugt: Hier wird uns die Richtung gewiesen, wie wir unser Leben recht anwenden. So fragen wir: Wie wird mein einziges Leben ein gesegnetes Leben?

 

1) Wir müssen richtig geführt sein

 

Im Mittelpunkt unserer Textgeschichte steht der Apostel Paulus. Jeder wird zugeben, dass dieser Mann ein gesegnetes Leben gehabt hat. Wir können also von ihm lernen.

Wir sehen den Paulus in einer weltgeschichtlichen Stunde. Er fährt hinüber nach Europa. Zum ersten Mal kommt das Evangelium nach diesem Erdteil. Der erste Schritt zu einem christlichen Abendland ist getan. Ohne diesen Schritt des Paulus gäbe es keine Kathedralen, keinen Albrecht Dürer und keinen Johann Sebastian Bach. Ohne diesen Entschluss des Paulus säßen wir nicht heute Morgen hier zusammen.

Und nun ist es hochbedeutsam: Dieser Entschluss wurde nicht in einer Sitzung kleinasiatischer Kirchenräte gefasst. Lukas erzählt vielmehr: „Wir reisten, gewiss, dass der Herr uns dahin berufen hätte.“ Paulus zog nach Europa – nicht auf Grund kluger Erwägungen, sondern vom Herrn Jesus gerufen. Oder – wie Luther einmal von sich sagte – „gestoßen wie ein blinder Gaul.“

So etwas Großes gibt es im Leben der Kinder Gottes: Eine klare Führung durch den Herrn selbst. Und nun müssen wir sagen: Nur ein Leben, das so geführt wird, kann wirklich gesegnet sein. Wer wollte das nicht haben?!

Dazu müssen allerdings einige Voraussetzungen erfüllt sein. Die wichtigste ist die: Paulus war mit Gott versöhnt durch das Blut Jesu Christi. Es sage jetzt nur keiner: „Das ist unverständliche Sprache Kanaans.“ Das ist die Voraussetzung zu einem gesegneten Leben: dass man nach Hause kommt wie der verlorene Sohn. Und die Tür, durch die man eingeht, ist das Kreuz Jesu. Wer sich führen lassen will von der verborgenen Hand, muss zuvor in diese Hand gefallen sein.

Die zweite Voraussetzung heißt: Stille. Lasst uns sehen, wie Paulus geführt wurde von der verborgenen Hand. Er kommt nach Troas an die kleinasiatische Küste. Dort weiß er nicht recht, wie sein Weg weitergehen soll. Da wartet er still. In der Stille der Nacht zeigt ihm der Herr einen Europäer, der ihn notvoll ruft. Wir dürfen nicht meinen, das sei ein Traum gewesen. Alles spricht dafür, dass Paulus hellwach war. Ein wundervolles Bild: Dieser betende Mann in der Stille der Nacht dem der Herr antwortet. Das ist das wahre Gesicht der Kinder Gottes. So betet ein Psalmist in bedrängter Stunde: „Zeige mir, Herr, deinen Weg!“ So sagt der König David einst: Ich muss warten, „bis ich erfahre, was Gott mit mir tun wird“.

Das ist genau das Gegenteil vom unruhigen, gejagten Menschen unserer T age. Es fragt sich nur, von wem am Ende Segensspuren bleiben: von einem Manager oder von einem Paulus, der in der Stille nach Führung ruft.

Aber nun müssen wir doch aussprechen: Wie herrlich ist das, dass der Herr seine Leute in der Wirrsal des modernen Lebens wirklich führen will – auf Wege des Segens!

 

2) Man muss richtige Augen bekommen

 

Als Paulus nach Europa zog, kam er aus dem unterentwickelten Palästina in die Blüte der hellenistischen Kultur. Paulus, wird dich das nicht blenden und unsicher machen? Da bereitet der Herr ihn vor: In einer Vision sieht Paulus einen Mazedonier. In einem Mazedonier vereinigten sich die beiden Merkmale jener Kultur. Dieses Volk hatte Anteil an Kunst und Wissenschaft der Griechen. (Ich glaube, wir machen uns nur schwer eine Vorstellung von der geistigen Kraft, die von den Philosophenschulen und von den Künstlern Athens ausging und Griechenland prägte.) Und dann: Die Mazedonier hatten vor den Römern die Idee des Weltreichs entwickelt. Sie lebten noch im Glanz Alexanders des Großen.

Also: Hochgezüchtete geistige Kultur und sinnvoll angewandte Macht kennzeichneten jene Zeit. Und sie wurden dargestellt in jenem Mazedonier, den Paulus in seiner Vision sah.

Wer diese Zusammenhänge durchschaut den erschüttert es: Dieser Mazedonier kommt nicht in Glanz und Pracht sondern als Elender und Hilfeflehender: „Komm herüber und hilf uns!“

Da öffnet der Herr gewissermaßen dem Paulus die Augen, dass er hinter die Fassade dieser glänzenden europäischen Welt sieht. Hinter dieser Fassade ist der elende, friedelose, unerlöste Mensch, der Mensch mit seiner Sünde, mit seinen trüben Bindungen, mit seiner Hoffnungslosigkeit. Dem kann nur eins helfen: die herrliche Botschaft: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“

Wir haben hoffentlich begriffen, dass wir eigentlich nicht nur und nicht mehr von der damaligen Zeit sondern von unserer Zeit sprechen.

Gott schenke uns diesen Blick hinter die Fassade! Nur wer sein eigenes Elend und das der Zeit erkennt, der wird das Heil in Jesus finden – für sich selbst. Und der wird dann anderen zum Segen sein.

Es muss noch eins herausgestellt werden. Wie wurde Paulus ein Segen? Er sah die inwendige Not seiner Zeitgenossen – und er ging nicht daran vorbei. Diese innere Not rief ihn. Solange wir uns nur um uns selber drehen, bleiben wir ungesegnete Leute. Es ist dann gleichgültig, ob wir bei diesen Drehungen christliche Grundsätze haben. Dem Paulus brach wie seinem Heiland das Herz, wenn er hinter der Fassade der hellenistischen Welt die Schuld und Not der Herzen sah. Und da sprang er auf. Aus war es mit der Stille: Sie müssen von Jesus hören und von der Vergebung der Sünden und von der großen Freiheit in Jesus!

 

3) Man muss ein gehorsames Herz haben

 

Wenn wir einmal lesen, was vor unserer Textgeschichte steht, werden wir sicherlich sehr bewegt. Da hören wir nämlich, dass der Paulus ganz bestimmte Pläne hatte, als er sich auf die Reise begab. Er wollte die kleinasiatischen Landschaften aufsuchen. Und da heißt es ganz seltsam: „Es ward ihnen gewehrt von dem heiligen Geist.“ Der Herr hatte andere Pläne. So kam Paulus sehr ratlos nach Troas. Und dort rief ihn die Vision nach Europa.

Nun ist es geradezu ergreifend, dass wir kein Wort hören, wie schwer es dem Paulus wurde, sein eigenes Wünschen in den Tod zu geben. Er hatte sein Herz und seinen Willen seinem Erlöser ganz und gar hingegeben. In einem willigen Gehorsam folgte er „dem Lamme nach“.

Das ist ein wichtiger Wink für Leute, die ein gesegnetes Leben haben wollen. Wie ist es denn bei uns so oft? Wir stecken vielleicht in ganz groben Sünden, in einem Streit, im Sorgengeist, im Mammonsdienst, in Unkeuschheit. Wir wissen genau, dass wir dem Herrn ungehorsam sind, aber wir wollen nicht davon lassen. Solange es so steht, werden wir nie gesegnete Leute sein. Wenn wir im Groben schon dem Herrn nicht gehorsam sein wollen, wie könnten wir seine feinen Winke und Führungen verstehen!

Ein gesegnetes Leben wollen, das heißt ja: beständige Einübung im Gehorsam gegen den, der uns unendlich reich machen kann, wenn wir es nur ganz mit ihm wagen.

Wir sagten anfangs: Wir haben nur ein einziges Leben. Sehen wir zu, wie wir einst mit diesem Leben vor dem heiligen Gott bestehen. Aber darauf können wir uns verlassen: Ein gesegnetes Leben ist ein reiches und erfülltes Leben.