Apostelgeschichte 11, 28-30a: „In der
Gemeinde in Antiochia stand ein Prophet mit Namen Agabus auf und deutete durch
den Geist eine große Teuerung, die da kommen sollte über den ganzen Kreis der
Erde; welche geschah unter dem Kaiser Klaudius. Aber unter den Jüngern beschloss
ein jeglicher, nach dem er vermochte, zu senden eine Handreichung den Brüdern,
die in Judäa wohnten; wie sie denn auch taten.“
In
irgendeinem Fragebogen stieß ich kürzlich wieder einmal auf die Frage: „Welcher
Religionsgemeinschaft gehören Sie an?“ Was ist das eigentlich, „Religionsgemeinschaft“?
Die
meisten Leute werden antworten: „Das ist eine sehr nebulose Angelegenheit, der
man aber anstandshalber angehört. Sie ist eine Sache, die einen viel Geld
kostet. Dafür sorgt sie allerdings für eine anständige Beerdigung. Ansonsten
ist sie ein notwendiges übel wie Finanzamt und Polizei.“
Habe
ich nicht Recht? Gewiss würden die meisten so antworten. Es drückt mir das Herz
ab, dass das herrliche Evangelium der Bibel in diese
trostlose Rubrik geraten ist. Immer wieder muss ich hineinsehen in das Neue
Testament, wo uns die urchristliche Gemeinde gezeigt wird. Nein – die war keine
„Religionsgemeinschaft“! Sie war eine Schöpfung Gottes, etwas ganz Neues und Niedagewesenes. Sie war etwas, was die Welt staunen machte
und sie zugleich aufregte.
Gott
schenke uns wieder eine lebendige Gemeinde Jesu Christi! Unser heutiger Text
zeigt uns die Gemeinde in einer besonderen Lage.
1) Die verblüffende Nüchternheit
Die
Leute haben viele Schlagworte, mit denen sie sich das Evangelium vom Leibe
halten. Ich habe mich allmählich daran gewöhnt. Nur eines macht mich zornig,
nämlich der Satz: „Man muss doch mit beiden Beinen auf dem Boden stehen!“
Als
wenn das die Welt je getan hätte! Immerzu wiegt sie sich in Träumen, dass alles
herrlich und schön wird, wenn ja wenn … Lasst mich so ein paar Träume nennen,
die ich miterlebt habe: Alles wird gut, wenn erst der technische Fortschritt
überall hingekommen ist – wenn der Hitler an die Macht kommt – wenn die
klassenlose Gesellschaft endlich erreicht ist – wenn die bösen Bolschewisten
endlich erledigt sind…
Trösten
wir uns: Es war immer so! Unsere Textgeschichte spielt zur römischen
Kaiserzeit. Vom Kaiser Augustus meißelte man solchen „Traum“ auf einen Stein,
der uns erhalten ist: „Die Vorsehung hat diesen Mann zum Heile der Menschen mit
solchen Gaben erfüllt, dass sie ihn uns und allen kommenden Geschlechtern als
Heiland gesandt hat; aller Fehde wird er ein Ende machen und alles herrlich
ausgestalten.“ Jeder neue Kaiser wurde mit ähnlichen Erwartungen begrüßt.
Und
da kommt nun so ein elender Jesus-Jünger Agabus und unkt von einer riesigen
Hungersnot. So ein Miesmacher! Hungersnot – wo doch das Römische Reich eine
gewaltige Wirtschaftseinheit war! Wo doch der göttliche Kaiser für alle sorgte!
Nun,
als der Agabus seine Botschaft von der kommenden Hungersnot sagte, haben die
Christen nicht gelacht oder wütend protestiert. Sie hatten keinen Anteil mehr
an den Wunschträumen der Welt. Wer nämlich in der Bibel zu Hause ist, wird sehr
nüchtern. Der steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Er weiß, dass wir in einer
gefallenen Welt leben, die durch den Sündenfall zerrüttet ist. Er weiß, dass es
einen Teufel gibt und dass eine Welt, die sich gegen Gott behaupten will,
niemals ohne Leid und Tränen sein wird. Die Jesus-Jünger in Antiochia wussten
das. Darum glaubten sie nicht den Ideologien der römischen Kaiser, sondern der
Botschaft des Agabus.
Sie
brachen aber auch nicht in Verzweiflung und Jammer aus, obwohl eine Hungersnot
immer etwas Furchtbares ist. Sie blieben gelassen; denn sie wussten: Durch den
Glauben an Jesus sind wir Kinder Gottes. Nun kann uns nichts geschehen, als was
er hat ersehen. Sie sahen vor sich ein dunkles Tal. Aber sie glaubten: „Und ob
im schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei
mir.“ Und sie schauten durch die kommende Not hindurch auf den Himmel, von dem
es heißt: „Es wird sie nicht mehr hungern noch dürsten.“
Wenn
wir Christen von heute doch auch so nüchtern und gelassen in den Stürmen der
Zeit stünden!
Nun
wendet ihr vielleicht ein: „Das war aber doch eine sehr passive Haltung.“ Hört
weiter zu, es ist ja noch gar nicht alles gesagt.
2) Die erstaunliche Reaktion
Nun
kommen wir zur eigentlichen Pointe unserer Geschichte. Stellt euch bitte vor,
wir bekämen gewisse Nachricht: „Eine Hungersnot ist im Anzug!“ Was wäre unsre
erste Reaktion, unsre selbstverständliche Reaktion? Hamstern! Hamstern!! Vorräte
eintun. Eine Stelle auf dem Lande annehmen!
Und
wie war die allererste, geradezu selbstverständliche Reaktion der ersten
Christen? „Jetzt müssen wir für unsre Brüder in Jerusalem Sorge tragen. Denn
die werden es schwer haben, weil sie arm sind und weil Judäa ein armes Land
ist.“ Ihre erste Reaktion auf die Botschaft von der Hungersnot war also: „Die
anderen! Die Brüder!“ Achten wir darauf: Dieser Gedanke kam ihnen nicht
allmählich – so nach dem ersten Schrecken. Nein! Der war ihre erste Reaktion
auf die furchtbare Botschaft. „Die andern! Die Brüder!“
Merkt
doch, wie mit der Gemeinde Jesu etwas ganz Neues, bisher Niedagewesenes
in die Welt gekommen ist: durch Jesus, den Sohn Gottes. Die Bibel hat uns im
Philipperbrief einen Blick aufgetan in das Herz des gewaltigen Gottessohnes. Da
heißt es: Er hielt seine Herrlichkeit beim Vater nicht fest wie einen Raub.
Sein ganzes Herz dachte nur: Die andern! Meine Menschenbrüder! Darum kam er arm
und niedrig zu uns; darum ließ er sich an das Kreuz schlagen; darum sucht sein Herz
beständig unser Herz. Er sagte selbst einmal: „Ich bin nicht gekommen, dass ich
mir dienen lasse, sondern dass ich diene und gebe mein Leben zur Bezahlung für
viele.“
Jesus
ist das völlige Aufgeben aller Selbstsucht. „Dabei kommt man unter die Räder!“
wendet unser Herz ein. Jawohl, Jesus „kam dabei unter die Räder“, an das Kreuz!
Und
nun lebte er in den Herzen seiner Jünger in Antiochia und regierte ihren Geist dass
sie ihm erstaunlich ähnlich wurden. Und als der Agabus sagte: „Es kommt eine
Hungersnot!“, ist ihre Reaktion nicht: „Rette sich, wer kann!“ sondern: „Wir wollen
unsre Brüder retten!“
Im
muss es ganz deutlich machen: Als die Jünger in Antiochia die Botschaft von der
kommenden Hungersnot erhielten, sagten sie nicht: „Jetzt muss die
Kirchenleitung ein Hilfswerk organisieren!“ oder: „Wir müssen den Staat mobilisieren!“
Wie hieß es hier? „Ein jeglicher beschloss, eine Hilfe zu senden, nachdem er
vermochte.“
Wir
könnten spotten: Damit ist aber nicht viel geholfen. Darauf würden diese Jesus-Jünger
antworten: „Die Größe der Dunkelheit kann mich nicht hindern, meine kleine
Kerze anzuzünden.“
3) Und wir Christen von heute?
Wir
wollen doch ehrlich sein: Keiner von uns würde so reagiert haben wie diese
ersten Christen. Und da wird also ganz deutlich, dass wir ein kraftloses und
tausendfach verwässertes Christentum haben. Die erste Christenheit hat die Welt
aus den Angeln gehoben. Wir heben gar nichts aus den Angeln. Wir sind eine „Religionsgemeinschaft“
geworden, die dem Dreck der Welt die religiöse Weihe gibt.
Nun
meine ich so: Wenn wir schon Christen sein wollen, dann sollten wir es wirklich
und ganz und voll Heiligen Geistes sein. „Ein halber Christ ist ein ganzer
Unsinn“, hat mal jemand gesagt.
Also
müssen wir uns ändern. Ja, wenn wir das nur könnten! Den Menschen möchte ich
sehen, der sich selbst ändern kann, der aus seinem Tigerherzen ein
jesusähnliches Herz machen kann.
Das
kann nur er, der gesagt hat: „Siehe, ich mache alles neu.“
Wenn
also jemand entdeckt hat, wie viel ihm fehlt, dann bleibt ihm nur eins übrig:
Eine neue und völlige Auslieferung an Jesus.
Kürzlich
besuchte uns in unserem Jugendkreis ein Reverend aus
Ceylon. Er sagte: „Wenn ich eine Geige in die Hand nehme, kann ich darauf nur
jämmerliche Töne hervorbringen. Wenn aber ein Künstler sie spielt, klingt es
herrlich. So ist es mit unserem Leben. Solange wir es selbst spielen, ist es
erbärmlich. Gebt es dem großen Meister Jesus in die Hand. Er wird eine
wundervolle Melodie darauf spielen.“
Ja,
lasst uns eine neue Hingabe vollziehen!