Wilhelm Busch

Die Suchaktion Gottes

Kurzgeschichten der Bibel

 

Wie uns wirklich geholfen wird

 

Markus 1, 12-13: „Und alsbald trieb Jesum der Geist in die Wüste; und er war allda in der Wüste vierzig Tage und ward versucht von dem Satan und war bei den Tieren, und die Engel dienten ihm.“

 

Diese Geschichte macht auf den Menschen von heute einen unheimlichen und phantastischen Eindruck. Was kommt darin alles vor: Dämonen, Tiere, Engel!

Je länger ich aber diese seltsame Geschichte betrachtet habe, desto mehr ging mir auf: Das ist die Geschichte für unsere Zeit und für uns. Die Menschen heute sind so voll Unruhe, so leer, so unbefriedigt, so umgetrieben. Bischof Lilje sagte kürzlich: „Es gibt eine Solidarität heute, die mehr Menschen zusammenschließt als irgendeine Ideologie – das ist die Solidarität der Angst.“

Es scheint, als wenn eine geheime Krankheit an uns zehrte. Und so ist es in der Tat.

Und seht! Darum ist diese Textgeschichte so wichtig. Sie deckt nicht nur unseren Schaden auf. Sie verkündet uns ein herrliches Evangelium. Sie sagt: Wie uns wirklich geholfen wird.

 

1) Die ganze Wirklichkeit

 

Welch eine Welt tut sich in unserm Text auf! Eine ganze Stufenleiter wird vor uns aufgezeigt. Ich zähle sie auf von oben nach unten: Der Heilige Geist – Engel – Mensch – Tiere – Satan.

Was sollen wir davon halten? Sind wir in das Gebiet der Märchen geraten?

Ich bin überzeugt, dass uns hier die Augen geöffnet werden für die wahre Wirklichkeit. Es ist, als würden Vorhänge zurückgeschoben. Und nun sehen wir die Welt, wie sie wirklich ist: Satan und Dämonen, tierisches Wesen in Gier und Triebhaftigkeit – aber auch Engel und Heiliger Geist.

Und der Mensch steht zwischen dem Heiligen Geist und den Dämonen.

Dieses Weltbild verschlägt uns schon ein wenig den Atem. Ich erinnere mich: Gleich nach dem ersten Weltkrieg studierte ich in Tübingen. Da las ein alter Professor im Winter morgens zwischen 7 und 8 Uhr. Es gab weder Licht noch Heizung. So brachte jeder Student ein Kerzlein mit. Das war so traulich und nett – wie Weihnachten. Und nun höre ich im Geist noch seine Stimme in breitem Schwäbisch:

27: Angelologie oder die Lehre von den Engeln: Engel kommen in allen primitiven Religionsvorstellungen vor. Sie sind in das Gebiet der Mythologie zu verweisen. –

§ 28: Dämonologie oder die Lehre von den Teufeln. Hier gilt das in § 27 Gesagte. –

§ 29 …“

Nun, ich glaube dem Wort Gottes und meiner Erfahrung mehr als diesem gelehrten Manne.

Das Weltbild, das unser Text zeigt, erinnert mich an eine unvergessliche Stunde meines Lebens. Ich war ein junger Bursche, als ich zum ersten Mal ein Schlachtfeld im Kriege sah. Das war so unheimlich, weil im weit und breit keinen Menschen erblickte. Ringsum verlassene Öde. Nur – es knallte von allen Seiten! Es dauerte einige Zeit, bis im die getarnten Batterien die Schützenlöcher und verborgenen Stellungen entdeckte.

So ist es mit dieser Welt. Unsere Augen sehen nur die dreidimensionalen Dinge. Aber wir spüren, dass verborgene Mächte am Werke sind. Ja, wir wissen es im Grunde genau, dass es einen Teufel und einen Heiligen Geist gibt. Wir wissen es alle, dass wir zwischen den Dämonen und dem Heiligen Geist stehen.

 

2) Der Mensch in dieser Wirklichkeit

 

Unser Text zeigt uns die ganze Wirklichkeit. Und er zeigt uns einen einzelnen Menschen mitten zwischen Engeln und Teufel. Es ist nicht irgendein Mensch. Es ist der Mensch gewordene Gott, Jesus. Im Anfang des Alten Testamentes wird uns der erste Mensch, Adam, in genau derselben Lage gezeigt: Mensch zwischen Gott und dem Teufel. Und nun beginnt das Neue Testament mit eben derselben Situation: Jesus, der in der Bibel der ,zweite Adam' genannt wird, zwischen den Dämonen und der Macht Gottes.

Und nun müssen wir darauf achten, wie feierlich klar, wie wundervoll geordnet hier alles ist. Satan ist machtlos. Sein Versuch, diesen Menschen Jesus zum Tier herabzuziehen, ist erfolglos. Mensch bleibt Mensch, und Tier ist Tier. Der Geist Gottes aber bestimmt die Situation. Er leitet und regiert. Und die himmlischen Boten, die Engel, stehen dem Herrn Jesus zum Dienst bereit.

Hier ist alles in Ordnung, in herrlicher Ordnung.

Wie aber war es beim ersten Adam? Da bestimmte Satan die Lage. Er machte den Menschen zum Tier. Kain erschlug den Abel. Hass und Gier und Trieb und Jammer und Leid und Tod brachen wie eine trübe Flut in die Welt. Die Engel stellten sich feindlich gegen die Menschen. Einer von ihnen stand mit dem bloßen Schwert vor dem Paradies. Und der Geist Gottes verließ eine verfluchte Menschheit.

Und wie ist es nun mit uns? Jeder von uns steht ganz für sich allein zwischen dem Geist Gottes und den Dämonen. Wie steht es nun mit uns?

Von Natur sind wir Kinder des ersten Adam. Das heißt: Wir leben in einer fürchterlichen Unordnung von der unsichtbaren Welt her. Die Dämonen haben die Macht. Das tierische Wesen beherrscht uns. Der Geist Gottes ist still weggegangen. Und die Engel Gottes stehen zum Gericht bereit.

Scheint euch das übertrieben? Ich brauche ja nur aufzuzählen, was mir in den letzten Tagen begegnete: Da werden politische Leidenschaften entfesselt, dass Treu und Glaube zum Teufel gehen, da brechen Ehen auseinander, und weinende Kinder bleiben zurück; da nimmt sich einer verzweifelt das Leben; da macht ein junger Bursche einen Überfall und erklärt weinend, er wisse selber nicht, wie er dazu gekommen sei; da kommt ein Mensch in jämmerliche sexuelle Hörigkeit, und dort ergibt sich ein anderer dem Trunk.

Lasst mich aufhören! Es war übertrieben, als ich sagte: Der Mensch steht zwischen dem Teufel und dem Heiligen Geist. Nein! Seit dem Sündenfall ist die Sache längst entschieden. Die Bibel redet von der „Obrigkeit der Finsternis“ in dieser Welt. Sie sagt sogar, der Teufel sei „der Gott dieser Welt“. Die Dämonen spielen die Flöte und der Mensch tanzt dazu. Das ist der Grund unserer Unruhe. Das ist unsere Krankheit. Das ist der Mensch in der wirklichen Wirklichkeit.

 

3) Der Helfer

 

Man muss sich einmal von allen Täuschungen befreien und die Welt sehen, wie sie ist. Dann geht uns auf, wie überwältigend schön unsere Textgeschichte ist. Hier ist die Ordnung hergestellt: Der Geist Gottes regiert, die Engel dienen dem Sohne Gottes, das tierische Wesen bleibt in der Wüste, und der Teufel hat keine Macht.

So steht diese Kurzgeschichte vor uns in ihrer feierlichen Schönheit. Aber nun hört doch, was sie sagen will! Der Sohn Gottes ist Mensch geworden – nicht nur, um einmal zu zeigen, wie schön die Welt und der Mensch sein sollten. Nein! Er ist ja als Heiland gekommen. Er ist am Kreuz gestorben, um uns aus der Obrigkeit der Finsternis und aus der Gewalt Satans zu befreien. Je mehr wir in die Gewalt des Herrn Jesus kommen, desto mehr kommen wir in diese schöne Ordnung hinein: Der Geist Gottes regiert unser Leben, die Engel müssen uns dienen. Ja, so steht in der Bibel: „Die Engel sind ausgesandt zum Dienst derer, die die Seligkeit ererben sollen.“ Das tierische Wesen muss von uns weichen. Und Satan wird machtlos.

Das letzte sage im fast mit Furcht; denn der Teufel und seine Dämonen hören ja jetzt zu. Und doch muss ich es sagen: Wer Im Glauben Jesus gehört, ist „errettet von der Obrigkeit der Finsternis. Satans Macht beruht ja am meisten darauf, dass wir Handgeld der Sünde von ihm genommen haben und nun schuldig sind. Das böse Gewissen treibt uns immer neu zu ihm.

Aber Jesus schenkt Vergebung der Sünde. Das ist die herrlichste Gabe, die er durch seinen Tod für uns erworben hat. Vergebung aller Sünde! Nichts mehr zwischen Gott und mir! Nun kann der Geist Gottes die Macht ergreifen. Und die Dämonen haben das Spiel verloren.

Im weiß nicht, ob ihr mich verstanden habt. Aber den Liedervers wird jeder verstehen: „Jesus ist kommen, nun springen die Bande, / Stricke des Todes, die reißen entzwei …“