Einen Augenblick stehe ich
still vor der weiß gestrichenen Tür Nr. 24 des großen Krankenhauses. Was soll
ich dem Mann sagen, der dort liegt? Er hat Schweres erlebt. Bei einer Autofahrt
ist er verunglückt und liegt nun mit zerschmettertem Armgelenk hier in der
fremden Stadt im Krankenhaus. Und inzwischen ist zu Hause seine treue und
geliebte Frau einem Herzschlag erlegen und zu Grabe getragen worden. Und zu all
den äußeren und inneren Schmerzen mögen die Sorgen kommen um das große Geschäft
zu Hause, das den Chef so nötig braucht.
Ach, was soll ich diesem
armen Mann sagen?
Ich trete in das
Krankenzimmer, stehe vor dem Bett, fasse nach der gesunden Hand und versuche
ein paar Trostworte zu sagen.
Da schaut mich der alte Herr
mit einem unbeschreiblichen Blick an und sagt: „Ich bin geborgen!“
Ich verstehe ihn. Da neben
ihm auf dem Nachttisch liegt die aufgeschlagene Bibel. Sie spricht auf jeder
Seite von der Liebe Gottes, die in Jesus erschienen ist. In dieser Liebe ist
dieser Lastträger geborgen.
Und nun sehe ich im Geiste
die große Schar derer, sich mit Freuden Kinder Gottes nannten. Lastträger waren
und sind sie alle, aber sie bezeugen es fröhlich: Ich bin geborgen!
Da war Abraham. Er war Fremdling
geworden. Und der Herr hatte ihm gesagt: „Abraham, ich bin dein Schild und dein
sehr großer Lohn!“ „Geborgen!“
Da ist Paulus. Zerschlagen –
in Ketten liegt er im Gefängnis in Philippi. Aber „um Mitternacht beteten Paulus
und Silas und lobten Gott im Gefängnis“. Ist das nicht unerhört? Das konnten
sie tun, denn sie waren „geborgen“ in der Liebe Gottes.
Da ist Luther. Der schreibt
seinem Kurfürsten, der um ihn besorgt ist, der Kurfürst möge sich nur nicht sorgen.
Denn mit all seiner Macht könne er ihn doch nicht schützen. Vielmehr wolle er,
Martin Luther, „Seine kurfürstlichen Gnaden“ schützen. „Geborgen!“
Und von den Feinden umgeben,
vom Papst gebannt, vom Kaiser geächtet, lehrt er die Christenheit das Lied:
„Eine
feste Burg ist unser Gott,
ein
gute Wehr und Waffen.“
Das heißt „geborgen“.
Und ich denke an Paul
Gerhardt, den großen Sänger. In den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges, als
die Flammen sein Dorf in Schutt und Asche gelegt hatten, singt er:
„Warum
sollt ich mich denn grämen?
Hab
ich doch Christus noch!
Wer
will mir den nehmen?“
„Geborgen.“
Geborgen sind sie alle, die
das Heil Gottes in Jesu ergriffen haben. Geborgen sind sie in der Liebe Gottes.
Und was der Dichter des 36. Psalms bezeugt hat, das ist täglich ihre Erfahrung:
„Wie teuer Ist deine Güte, Gott,
dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner
Flügel Zuflucht haben.“
Vor kurzem sah ich in meiner
Kinderstube ein liebliches Bild. Meine Jüngste hatte sich irgendwo gestoßen. Am
Kopf war eine dicke Beule. Aber nun saß sie ganz getröstet und fröhlich auf dem
Schoss der Mutter. An den Bäckchen hingen noch die Tränen. Aber die Augen
lachten schon wieder. „Geborgen!“
Da musste ich denken: Das
ist ein Bild der Christen. Mancherlei Narben und Wunden schlägt ihnen die Welt.
Noch zittert das Herz über mannigfacher Not und über dem, was ihr Gewissen
ihnen vorhält. Aber sie sind geborgen in der Liebe ihres Herrn, und sie rühmen:
„Wir überwinden weit um des willen, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss,
dass weder Tod noch Leben mich scheiden kann von der Liebe Gottes, die in
Christo Jesu ist, unserm Herrn“ (Römer 8, 37).