Prof. Dr. Werner Gitt

Ein Auszug aus dem Buch: „Fragen, die immer wieder gestellt werden“

16. Auflage

 

Was ist das ewige Leben? Wie muss man sich das vorstellen?

 

In der Sprache des NT gibt es zwei völlig verschiede­ne Wörter für das deutsche Wort „Leben": bios und zoä. Bios meint das biologische Leben des Menschen, aber auch aller außermenschlichen Kreatur. Dieses Leben eilt schnell und flüchtig dahin wie ein Strom, wie ein Schlaf, wie eine bald verwelkende Blume (Psalm 90, 5; Psalm 103, 15). In Hiob 14, 1-2 lesen wir: „Der Mensch, von der Frau geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht." An anderer Stelle wird dies enteilende Leben mit Dampfschwaden ver­glichen: „Denn was ist euer Leben? Ein Dampf seid ihr, der eine kleine Zeit währt, danach aber verschwindet er" (Jakobus 4, 14).

 

Von Otto v. Bismarck stammt der Ausspruch: „Das Leben ist ein geschicktes Zahnausziehen. Man denkt immer, das Eigentliche solle erst kommen, bis man plötzlich sieht, dass alles vorbei ist." Der Dichter Chr. F. Hebbel meinte: „Das Leben ist eine in siebenfaches Goldpapier eingewickelte Bit­termandel", und der Essayist Adolf Reitz definierte das Le­ben als „ein Massengrab der Hoffnungen und Enttäuschun­gen." Die Bibel gibt uns hingegen eine völlig andere Per­spektive: Wo Menschen ihr Leben als gute Gabe Gottes entdecken und es in der Nachfolge Jesu gestalten, bekommt es eine neue Dimension, das mit dem griechischen „zoä" beschrieben ist. Zoä ist Leben aus Gott, jenes wesenhafte, unauflösliche, ewige Leben. Jesus Christus ist in diese Welt gekommen, um uns das ewige Leben zu bringen. So ist es nicht nur mit seiner Person verknüpft; in ihm begegnet uns direkt das ewige Leben. Jesus sagt in Johannes 14, 6: „Ich bin... das (ewige!) Leben" (griech. zoä). Diese Identität von Jesus und ewigem Leben bezeugt auch der Apostel Jo­hannes: „Und das (ewige) Leben (griech. zoä) ist erschie­nen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündi­gen euch das Leben, das ewig ist, welches war bei dem Vater und ist uns erschienen" (1. Johannes 1, 2). Wer an Jesus glaubt, wer ihn als Herrn hat, der hat damit auch ewiges Leben (1. Johannes 5, 12). Mit der Verheißung des ewigen Lebens (1. Johannes 2, 25) steht unser zeitliches Leben auf einer ewigen Grund­lage. Nur von daher wird es verständlich, dass Jünger Jesu um des Glaubens willen Verfolgung, Gefängnis und Folter ertragen und sogar in den Tod gehen, aber nicht ihren Herrn verleugnen. Das ewige Leben wird in seiner ganzen Fülle erst offenbar nach der Auferstehung: „Und viele... werden aufwachen: etliche zum ewigen Leben, etliche zu ewiger Schmach und Schande" (Daniel 12, 2). In diesem Le­ben haben wir nicht nur die Zusage des ewigen Lebens, son­dern schon jetzt Anteil an Gottes und Christi Lebensfülle, Existenz und Herrlichkeit. Wenn der Glaube zum Schauen gelangt, werden wir Jesus und den Vater von Angesicht zu Angesicht schauen.