Volker Gäckle

Christustag 14.06.2001

 

"Weil keinem anderen die Zukunft gehört" (Philipper 2, 10f.)

 

 

Liebe Freunde,


Wem gehört die Zukunft?


Es gibt kluge Fachleute, die sagen: Die Zukunft gehört der Gentechnik. Mit ihrer Hilfe könne man alles reparieren, was in unserem Leben nicht in Ordnung ist: Dann gibt’s eine Abiturgarantie schon bei der Befruchtung. Dann werden Schönheitsoperationen überflüssig, weil alle Frauen aussehen wie Claudia Schiffer. Umgekehrt werden die Glatzköpfe aussterben. Stellen sie sich das mal vor: Leute wie mich gibt’s dann nicht mehr, weil alle Männer aussehen wie James Bond. Krankheiten gibt’s dann auch nicht mehr. Keine Wohlstandsasthmatiker, die wie ich alle Jahre einen Heuschnupfen bekommen. Die Krankenkassen werden überflüssig, Apotheker können dicht machen, Ärzte müssen sich einen neuen Job suchen.

Es gibt renommierte Wissenschaftler, die sagen: Die Zukunft gehört den Computern. Ich hab’s letztes Jahr in der FAZ gelesen: In etwa 30 Jahren, so prognostizieren zwei der führenden Computerwissenschaftler werden die Fähigkeiten des Computers die des menschlichen Gehirns auf allen Gebieten übersteigen. Und durch die Vernetzung von Computer- und Biotechnologie werde es noch zu Lebzeiten der Mehrheit der heute lebenden Menschen zu einer Verschmelzung des Menschen mit der Robotertechnik kommen. Der Artikel stand unter der Überschrift „Warum die Zukunft uns nicht braucht“ mit dem Untertitel „Die mächtigsten Technologien des 21. Jahrhunderts machen den Menschen zur gefährdeten Art.“

Stellen sie sich vor, sie sitzen in ihrem Büro und eines Tages tippt ihnen so ne elektronische Blechbüchse auf die Schulter und sagt ihnen in freundlichem Computerdeutsch, dass sie gehen können, weil sie jetzt ihren Job macht. Oder stellen sie sich vor, sie kochen gerade das Mittagessen und plötzlich übernimmt ihr Hightech-Herd das Kommando: Sie schieben ihre Pizza in die Hightech-Microwelle, plötzlich rülpst es einmal und die Pizza ist gegessen. Dann wissen Sie: Jetzt ist es soweit. Jetzt hat die Hightech-Küche die Macht übernommen. Jetzt müssen sie bei ihren Küchencomputern um ihr Essen betteln.

Oder stellen sie sich den einen Wahlkampf vor, in dem eine elektronische Blechbüchse für das Bürgermeisteramt kandidiert mit dem Slogan: Ich mache keine Fehler und bin unbestechlich! Ich könnte mir vorstellen, dass die in Berlin jetzt schon Chancen hätte.

Diese Prognosen einer schönen neuen Welt können einem aber auch Angst einjagen. Deshalb steht über diesem Christustag eine ganz andere Prognose: Die Zukunft gehört Jesus und keinem anderen. Nicht den perfekt geklonten Menschen, nicht den Computern, sondern Jesus. Vor ihm werden sich einmal alle Knie beugen derer die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind. Alle werden einmal niederknien: die Engel, die Lebenden und die Toten, die dann auferstehen werden. Alle Wesen die zur Anbetung fähig sind, werden Jesus die Ehre geben.

Dann werden auch die geklonten und „perfekten Menschen“ niederknien. Nur die Computer nicht, weil Jesus ihnen vorher den Stecker zieht.

Die Zukunft gehört Jesus! Was bedeutet das nun für uns?



1. Weil Jesus die Zukunft gehört, brauchen wir uns heute nicht zu fürchten!

Die natürliche Reaktion auf diese Zukunftsprognosen ist ja auch bei Christen oft die Angst. Ich erlebe sehr viel Angst auch unter Christen. Wo finde ich meinen Platz in dieser fremden Welt. Finde ich überhaupt noch einen Platz? Einen Arbeitsplatz, einen Spielplatz für meine Kinder, einen Lebensraum für mich und meine Familie?

Diese Ängste werden unser ständiger Wegbegleiter sein, gerade auch auf dem Weg in diese neue Welt der Zukunft. In dieser Welt haben wir Angst und werden Angst haben. Aber entscheidend ist nicht, ob die Macht in 20 Jahren gentechnisch perfekten Menschen gehört. Entscheidend ist nicht, ob sie in 30 Jahren den Computern gehört. Entscheidend ist immer, wem sie am Ende gehört. Am Ende der Zeit und in aller Ewigkeit. Entscheidend ist, wer das Ziel kennt, es bestimmt und mich dort hinbringt.

Helmut Thielicke hat das einmal in großartiger Weise am Beispiel zweier Hunde zum Ausdruck gebracht.

Er reiste in den 50er Jahren nach Amerika. Und damals war es noch günstiger mit dem Schiff zu reisen anstatt mit dem Flugzeug. Auf der Passage von Hamburg nach New York war nun auch ein Hund an Bord. Ein großer Schäferhund. Sein Herrchen hatte ihn der Schiffsbesatzung übergeben, weil er es selbst vorzog mit dem Flugzeug zu reisen. Und dieser große Hund war ohne sein Herrchen wie ein Häufchen Elend. Alles Zureden und Trösten der Passagiere half nichts. Er winselte tagaus tagein nur jämmerlich vor sich hin. Dieses Schiff war für ihn eine fremde Welt. Es gab weder Bäume noch Katzen. Nichts von dem, was eine Hundewelt schön macht, war da. Hinter der Reling hörte für diesen Hund die Welt auf. Und er wusste ja auch nicht, ob diese Hundeodyssee jemals wieder ein Ende haben würde. Er wusste nicht, dass es auf diesem Schiff einen Navigator gab, der ganz genau den Kurs und das Ziel des Schiffes kannte. Und er wusste auch nicht, dass sein Herrchen ihn am Hafen in New York erwartete. So war dieser große Schäferhund ein Bündel aus Angst und Verzweiflung.

Wer nicht weiß, dass es in dieser Welt einen Navigator oder einen Steuermann gibt, der den Kurs und das Ziel dieser Welt bestimmt, der muss ebenso an seiner Angst verzweifeln.

Auf der Rückfahrt nach Hamburg war wieder ein Hund an Bord. Ein Schoßhündchen, sozusagen ein halbe Portion. Auch dieses kleine Hündchen kam sich auf dem Schiff vor wie auf einem anderen Stern. Auch er vermisste Bäume und Katzen. Auch seine Hundeweltanschauung zerbrach an dem endlosen Nichts hinter dem weißen Geländer. Aber trotz allem war dieses Hündchen unvergleichlich getrösteter. Denn sein Frauchen war dabei. Und wenn es auch vor lauter Ungewissheit bibberte, so warf es seinem Frauchen immer wieder Blicke zu die sagten: „Wo du bist, da kann mir nichts passieren. Du weißt sicher Bescheid über diese weiße Insel ohne Bäume. Und du weißt sicher auch, wann dieses Abenteuer vorbei ist und ich wieder in meine vertraute Hundeheimat komme.“

So ist das, wenn man Jesus kennt. Dann sind die Ängste vor der Zukunft nicht weg und auch nicht kleiner, aber dann weiß ich, dass auch in der Zukunft Jesus das Steuer in der Hand hält und den Kurs und das Ziel kennt und mich auch bestimmt dort hinbringt.



2. Weil Jesus die Zukunft gehört, bleiben wir demütig!

Alle Knie werden sich einmal beugen müssen vor Jesus. D.h. auch unsere Knie, auch wir werden einmal niederknien vor Jesus, so wie alle anderen Menschen auch. Deshalb haben auch wir keinen Anlass zum Hochmut.

Wir sind alles stolze Menschen. Ich auch. Ich bin ein hochmütiger Mensch. Und seit ich Jesus kenne, leide ich an diesem Hochmut, der sich immer wieder durchdrückt.

Nun gibt es keinen Zweifel, wir sind umgekehrt auch alles fromme Menschen, d.h. wir halten uns wahrscheinlich dafür, aber man kann auch als frommer Mensch sehr stolz und hochmütig sein und vor allem: Wir lassen das bewusst oder unbewusst oft auch andere spüren.

So viele gut gemeinte Einladungen werden nicht angenommen, weil man es den Einladenden, weil man es uns abspürt, dass sie sich für etwas besseres halten, dass die Einladung von oben herab geschieht, dass sie wie von einem Edelmann an einen Bettler ergeht. Von D.T. Niles stammt das berühmte Wort: „Das Evangelium zu verkündigen heißt, dass ein Bettler dem anderen erzählt, wo man etwas zu essen bekommen kann.“ Von Jesus weitersagen geht nur von Bettler zu Bettler.

Kann es sein, dass das ein Grund ist, warum Menschen das Evangelium nicht hören wollen? Weil wir ihnen wie fromme Edelleute entgegentreten und nicht wie geistliche Bettler, die ihre Knie auch einmal vor dem einen Herrn beugen müssen?

Wie reden wir über unser Leben? Wie Edelleute oder wie Bettler?

Wie reden wir z.B. über unsere Ehen?

Ich treffe stolze Eheleute, die im Brustton der Überzeugung anderen erklären, was für eine tolle Ehe sie führen, aber nicht den Mut haben, auch gleichzeitig über die Schwierigkeiten ihrer Ehe zu reden, die sie bis auf den heutigen Tag haben. Die nicht einmal den Mut haben, einzugestehen, dass ihre Ehe vielleicht auch schon einmal am seidenen Faden hing. Ob sie wissen, dass sie vielleicht einmal ihre Knie neben Menschen beugen, die in ihrer Ehe gescheitert sind. Die aber weniger die klugen Ratschläge, als vielmehr ein bisschen mehr Ehrlichkeit gebraucht hätten.

Wie reden wir über unsere Familien? Ich treffe stolze Eltern, die prächtige Kinder haben, die fast alle im Glauben stehen, nur eines nicht. Und das darf bei den Familienfesten seine Lebensgefährtin nicht mitbringen und das uneheliche Kind auch nicht. Ob die wissen, dass sie vielleicht einmal an jenem Tag neben dieser Frau die Knie beugen werden? Ob sie wissen, warum sie bisher vor einem Lebens- und Beziehungschaos bewahrt worden sind? Wir leben von der Güte und Barmherzigkeit Gottes und nicht von unserer moralischen Standfestigkeit.

Wie reden wir über unsere Gemeinde? Ich treffe stolze Mitarbeiter, die vor Ort eine ganze Menge auf die Beine bzw. auf die Steine gestellt haben. Ein tolles, neues Gemeindehaus, Gemeinschaftshaus oder CVJM-Heim. Große Jungscharen, große Hauskreise, überhaupt alles groß. Und die das dann jeden neuen Pfarrer und auch jedem Gast und überhaupt alle anderen spüren lassen, damit er gleich weiß, „wo dr Bartel dr Moscht holt“ und wer hier in dieser Gemeinde, Gemeinschaft oder CVJM das Sagen hat.

Sind wir Bettler oder Edelleute?

Wenn wir einmal an diesem großen Tag vor Jesus die Knie beugen, dann werden wir das neben Menschen tun, die nicht gerettet werden. Und sie werden deshalb nicht gerettet, weil sie die Einladung des Evangeliums nicht angenommen haben.

Aber dann wird auch zur Sprache kommen, wie man ihnen diese Einladung weitergesagt hat und spätestens dann werden ich, Sie und ich und wir alle wissen, warum auch wir die Knie zu beugen haben und nicht stehen bleiben können.



3. Weil Jesus die Zukunft gehört, geben wir ihm heute schon die Ehre!

Ich habe es eben schon gesagt, wenn es um uns und unsere Leistungen geht, dann haben wir oft eine ganz große Klappe. Aber wenn es um Jesus und seine Wunder geht, sind wir oft ganz stil und kleinlaut. Ich auch!

Warum ist das so? Manchmal glaube ich, dass wir den Eindruck haben, wir müssten es irgendwie beweisen können, dass Jesus wirklich der HERR ist, der alle Macht hat und dem deshalb alle Ehre gebührt. Und weil wir uns mit den Beweisen schwer tun, sind wir lieber still.

Aber jetzt bitte ich Sie, sich mal eine Frage zu stellen: Wer in dieser Welt, kann denn überhaupt etwas beweisen? Wenn Sie den Fernseher anmachen, um Nachrichten zu sehen, dann werden sie vorher noch ein paar Minuten Werbung erwischen, wo nur Behauptungen aufgestellt werden, die in der Regel auch noch hemmungslos übertrieben sind. Und dann fangen die Nachrichten an, wo Politiker im Brustton der Überzeugung von ihren Qualitäten und Leistungen reden und wie oft verbirgt sich dahinter nicht mehr als heiße Luft. Und wie viele der Nachrichten, die sie für bare Münze nehmen, lassen sich überhaupt beweisen? Wir leben in einer Welt der 1000 Botschaften und der 100 000 leeren Worte.

Und nun haben wir Jesus als den Herrn zu verkündigen. Dieser Jesus hat sich in der Auferstehung als der Herr erwiesen. Und diese Nachricht von der Auferstehung hält auch einer kritischen historischen Nachfrage stand. Aber dieser Herr hat sich auch in unserem Leben schon so oft als der Herr erwiesen. Und er wird sich auch im Leben der Menschen erweisen, die auf unser Wort hin, es einmal mit ihm versuchen. Ich muss nicht den Beweis für die Wahrhaftigkeit des Evangeliums antreten. Das tut Jesus schon selber. Er wird sich als der HERR erweisen im Leben eines jeden Menschen.

Wir könnten in dieser Kirche alle miteinander unzählige Geschichten erzählen, wie er geholfen und geheilt hat, wie er geführt und gesegnet hat. Wie er Wunder getan hat in unserem Leben. Und er ist es auch der uns eine lebendige Hoffnung für Zeit und Ewigkeit gibt.

Wir haben mehr Grund als alle anderen von Jesus zu reden und ihm die Ehre zu geben. Ich möchte ihnen und auch mir selber immer wieder Mut machen, das zu tun.

Wir tun das nicht stolz und auch nicht hochmütig, aber fröhlich und selbstbewusst. So wie dieser kleine Junge, der aus der Kinderkirche kam und dann von einem Spaziergänger angesprochen wurde, woher er denn komme? Ja, aus der Kinderkirche. „Ja, dann will ich dich was fragen!“ Er zog eine Apfelsine aus der Tasche und sagte: Die kriegst du, wenn du mir sagst, wo Gott ist?“ Der kleine Kerl war nicht auf den Kopf gefallen und antwortete: „Und ich gebe ihnen zwei Apfelsinen, wenn sie mir sagen, wo Gott nicht ist!“

Sehen Sie, das gefällt mir. Der kleine Knirps hatte damit ja nichts bewiesen und trotzdem den Nagel auf den Kopf getroffen. Jesus muss man nicht beweisen. Er erweist sich immer selbst. Was wir brauchen ist nur ein bisschen Mut und etwas Pfiff, um den Menschen zu sagen, dass ER der HERR ist „zur Ehre Gottes, des Vaters.“

 

Amen.