Naturwissenschaft und Glaube - (k)ein Gegensatz?

Prof. Dr. Thomas Schimmel, Institut für Angewandte Physik, Univ. Karlsruhe I KIT

Link zum Video-Vortrag: https://www youtube com/watch?v=q3Moi15CHSY

Gelegentlich wird mir als Naturwissenschaftler und Christ die Frage gestellt: "Wie kann man angesichts der modernen Naturwissenschaft an Gott glauben? Wie passt das zusammen?" Im Hintergrund steht dabei meist unausgesprochen der Gedanke: "Wir haben mittlerweile in den Naturwissenschaften so viel von der Natur verstanden. Wozu brauchen wir dann noch Gott?"

Ich persönlich denke, dass es genau umgekehrt ist: Alles, was wir an Gesetzmäßigkeiten, an Ordnung in der Natur erkennen, ist ein Hinweis auf das Wirken eines Schöpfers. Die faszinierende Welt vom Mikrokosmos bis zum Makrokosmos, vom Aufbau der Atome bis zu den Weiten des Universums lässt uns staunen, und es stellt sich die Frage nach dem "Woher": Woher kommt überhaupt die Natur, die wir als Naturwissenschaftler untersuchen, woher die Materie, die Energie? Woher kommen die Naturgesetze, nach denen sich die Natur verhält und die wir als Naturwissenschaftler doch nur nachbuchstabieren, nicht aber selbst schaffen oder verändern können? Ich möchte einen Vergleich bringen: Wenn wir ein Bild von einem berühmten Maler betrachten, dann ist das Vorhandensein des Bildes sicher kein Beweis, dass es den Maler nie gegeben hat - selbst dann, wenn wir das Bild verstehen. Im Gegenteil: das Bild weist auf einen Maler hin. In gleicher Weise sehe ich in der Natur, in den Naturgesetzen, in den Naturkonstanten die Spuren des Schöpfers. Ein bekanntes Zitat drückt es so aus: "Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch. Aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott."

Doch hier kommt die Naturwissenschaft auch an ihre Grenzen. Wohl können die von ihr gefundenen Ordnungen und Gesetzmäßigkeiten in der Natur ein Hinweis auf die Existenz eines Schöpfers sein. Diesen Schöpfer aber erkennen - das kann die Naturwissenschaft nicht. Die Naturwissenschaft beschränkt sich darauf, die Natur verstehen zu lernen, ihre Gesetzmäßigkeiten nachzubuchstabieren und Experimente mit ihr anzustellen. Die Naturwissenschaft kann sehr wohl die Schöpfung erfassen, nicht aber den Schöpfer. Denn wenn Gott wirklich Gott ist, also der, der die Natur und die Naturgesetze geschaffen hat, dann ist er nicht Teil der Schöpfung. Dann ist er nicht einfach ein "höheres Prinzip", nach dem die Natur funktioniert, sondern er steht über der Natur.

Damit wird deutlich: die Natur kann uns wohl Hinweis sein auf den Schöpfer. Die Größe des Universums lässt uns die Größe des Schöpfers erahnen. Aber Gott selbst kennenlernen - das kann ich mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht. Es drängt sich die Frage auf: "Wie kann ich als kleiner Mensch mit meinen sehr begrenzten Erkenntnissen und Möglichkeiten mitten In einem riesigen Universum denn aus eigener Kraft Gott finden?" Und hier kommt die bemerkenswerte Botschaft der Bibel - nicht wir müssen Gott finden, sondern Gott findet uns. Gott wird in Jesus Christus Mensch und gibt sich uns zu erkennen. Nicht wir müssen die Brücke zu Gott bauen - er tat es für uns. Gott ist nur ein Gebet weit entfernt. Jesus lädt uns ein, eine persönliche Beziehung mit ihm aufzubauen. Er verspricht: 'Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen". Und er lehrt uns zu beten: "Unser Vater im Himmel". Das ist eine unglaubliche Botschaft, dass wir zu dem Schöpfer des Universums "Vater" sagen dürfen. Hier ist es ein Stück weit so wie bei den Naturgesetzen: Dass ein Naturgesetz wirklich stimmt, erfahre ich nur, indem ich es ausprobiere. Dass Gott wirklich da ist, erfahre ich nur, indem ich mich auf ihn einlasse, im Gebet zu ihm komme. Dann erfahre ich, wie er mich begleitet und trägt und mein Leben in seiner Hand hält.

Max Planck, der Begründer der Quantentheorie und einer der Väter der modernen Physik, sagt: "Wissenschaft und Glaube sind keine Gegensätze, sondern sie ergänzen und bedingen einander."