Theo Lehmann – Jugendgottesdienst Nr. 145
Abschrift der Predigt vom 11. Oktober 1992 über Philipper 2, 1-30. Die Predigt weist sehr persönliche Züge von Theo Lehmann auf. Er berichtet sehr bewegend von der großen Enttäuschung, als er erkannte, dass er über dreißig Jahre hinweg von seinem besten Freund im Auftrag der Stasi bespitzelt wurde. - Anm. des Schreibers.
Der Anfang der Predigt ist abgeschnitten. Theo beginnt vermutlich mit kritischen Bemerkungen zur Astrologie, als er sagt:
… nichtsdestotrotz nimmt die Anzahl der Menschen immer mehr zu, die sich bei ihren Schicksalsentscheidungen von diesen Materieklumpen abhängig machen und sich nicht am lebendigen Gott, sondern an toter Materie orientieren.
Die Horoskop-Gemeinde des 20. Jahrhunderts unterscheidet sich bei der Entscheidungsfindung überhaupt nicht von ihren Urahnen, die vor Tausenden von Jahren lebten und nichts von der Erfindung der Uhr ahnten. Damals, als der Kompass und das Radargerät noch nicht erfunden waren, waren die Menschen noch natürlich auf die Hilfe der Sterne angewiesen. Das waren die Orientierungspunkte, wenn man zum Beispiel eine Reise machte. Da musste man sich an den Sternen orientieren.
Paulus schreibt seinen Freunden aus dem Gefängnis.
Paulus, ein Weltreisender Gottes, musste seine Reisetätigkeit eines Tages unterbrechen: er saß nämlich im Gefängnis. In vielen Nächten waren die Sterne in seinem Loch für ihn das einzige Licht was er hatte.
Eines Tages schreibt er einen Brief an seine Freunde. Seine Freunde sind Christen. Er möchte ihnen beschreiben, was der Beruf der Christen in der Welt ist. Dazu benutzt er die Erfahrung mit den Sternen. Philipper 2,15: Ihr sollt strahlen wie Sterne in der Finsternis. Das heißt: in einer Welt der Verunsicherung und der Verbrechen und der Verblödung und der Verfinsterung sollt ihr helle sein. Ihr sollt Menschen sein, die etwas ausstrahlen, woran andere, die sonst in die Irre gehen, sich orientieren können.
Leider leuchtet das vielen Christen nicht ein. Vielen wäre es lieber, wenn in der Bibel stünde: „Seid wie der Andromeda-Nebel, da könnt ihr euch gut in einem Haufen Sterne verstecken!“ Aber Christen, die sich gerne in der Masse verkrümeln, haben ihren Beruf verfehlt, ihre Berufung! Paulus vergleicht uns nicht mit undefinierbaren, nebelhaften Gestalten, sondern mit einem erkennbaren, klar ersichtlichen Stern. Ein einziger Stern kann einer ganzen Flotte die Richtung weisen. Ein einziger Stern kann eine ganze Karawane sicher durch die Wüste führen. Es kommt hier also überhaupt nicht auf die große Zahl an. Deswegen hatte Jesus von sich auch nicht gesagt: „Ich bin die Milchstraße, weil es da Millionen von Sternen gibt“, sondern Er hat von sich gesagt: Ich bin der helle Morgenstern[1], und den gibt es nur einmal.
Jesus gibt's nur einmal, Er ist einmalig, Er ist einzig. Er einzig und allein zeigt der Menschheit, wo es lang geht. Und wenn du dich Ihm anschließt und mit Ihm gehst, dann kommst du klar. Und alle anderen sind Irrlichter und Funzeln, und wenn du dich denen anschließt, dann landest du im Finsteren. Und deswegen rate ich dir: geh mit Jesus.
Vom Glauben, vom Gehorsam und von der Liebe.
Er ist einfach das Beste. Aber ich sage dir, es ist nicht einfach. Gott gibt uns nicht nur etwas, zum Beispiel seine Gnade, seine Liebe, seine Richtungsweisung, seine Maßstäbe. Er gibt uns nicht nur etwas, sondern Er verlangt auch etwas von uns, zum Beispiel Gehorsam. Das ist ja nun etwas, was wir überhaupt nicht gerne hören. Dieses Wort können wir ja, vor allem junge Menschen, nicht ertragen. Für Paulus gehören die beiden Worte Glauben und Gehorsam so eng zusammen, dass er sie zusammengemacht hat: er hat das Wort "Glaubensgehorsam" erfunden. Gott verlangt von uns keinen Kadavergehorsam wie so ein Feldwebel von der NVA[2], aber Er erwartet Gehorsam wie ein Vater, aus Liebe.
Und nun haben wir schon wieder Schwierigkeiten, dass wir die Worte Liebe und Gehorsam miteinander in Verbindung bringen. Aber auch in der Bibel gehören diese beiden Worte ganz eng zusammen. Wir müssen uns nur einmal in diesem Zusammenhang abgewöhnen, unter Liebe ein Gefühl zu verstehen. Wenn die Bibel von Liebe redet, redet sie nicht vom Gefühl, sondern dann redet sie von Gehorsam. Wenn die Liebe, die die Bibel meint, ein Gefühl wäre, dann wäre es ja unsinnig, wenn Jesus sagt: Ich befehle euch, dass ihr euch untereinander liebt. Liebe als Gefühl kann man nicht befehlen. Wenn dein Chef ein unsympathisches Rindvieh ist, dann kannst du doch nicht befehlen: „Finde ihn sympathisch!“ Aber du kannst dir befehlen: „Nenne ihn nicht mehr Rindvieh!“
Du kannst um Gott und Kraft bitten, dass du deinem ekligen Chef ehrlich und fair und offen begegnen kannst. Auch gerade an den Tagen, wo es dir gerade nicht nach sympathischen Liebesgefühlen zumute ist. Die Liebe, von der die Bibel redet ist kein Gefühl, das du hast, sondern das ist eine Tat, die du für Gott zu tun hast. Und lieben im Sinn von Jesus kann sogar heißen, dass du im Gegensatz zu deinen eigenen Gefühlen handelst.
Daran ist Jesus selber das allerbeste Beispiel. Was hat denn Jesus für Gefühle gehabt, als Er sich in Gethsemane auf das Sterben vorbereitet hat? Er hat sich hundeelend gefühlt und das einzige Gefühl, das Er hatte, war Angst. Dieses Gefühl hat ihn so beherrscht, dass die Bibel sogar sagt, Er hat vor Angst Blut geschwitzt. Wenn es nach den Gefühlen von Jesus gegangen wäre, wäre Er nicht ans Kreuz gegangen. Er war nicht von warmen und liebenden Gefühlen erfasst, um für die Menschheit und für uns zu sterben. Er hatte die nackte Angst vor der Folter im Genick. Deswegen hat Er ja dreimal zu Gott gefleht, dass Er Ihm diese Tortur erspart. Und erst als Er nach Bitten und Widerstreben und nach hartem Kampf Gott endlich zugestimmt hat, da zeigte sich seine Liebe nicht irgendwelchen Gefühlen, sondern in einem Gott ergebenem Gehorsam. Er sagt: Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe[3]. Leute, die größte Liebestat der Menschheit, dass Gottes Sohn für uns stirbt, das war eine Gehorsamstat. Und deswegen sagt Paulus ein paar Verse vor unserem Predigttext hier im Philipperbrief: Jesus war gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz[4].
Wer muss eigentlich was für unsere Rettung tun – ein wenig Theologie.
Mit Furcht und Zittern hat Jesus die Rettung der Menschheit geschafft. So beschreibt es die Bibel. Und deswegen sind wir natürlich erstaunt, wenn wir hier im Philipperbrief vom Apostel Paulus lesen, Kapitel 2,12: Schafft, dass ihr gerettet werdet mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist es, der in euch beides wirkt: wollen und vollbringen zu seinem Wohlgefallen. Das hört sich ja nun wie ein Widerspruch an. Seit der Konfirmandenstunde ist uns eingetrichtert worden, wir selber können nichts für unsere Rettung tun, weil Jesus alles für unsere Rettung getan hat. Und auf einmal heißt es hier: Schafft, dass ihr gerettet werdet. Und völlig verwirrt sind wir über die Begründung, dass Paulus hier schreibt: Denn Gott ist es, der in euch beides wirkt, das wollen und das vollbringen.
Na wie denn nun? Erst heißt es, Gott schafft die Rettung, und dann heißt es: schafft, dass ihr gerettet werdet.
Ich finde gar nicht, dass das ein Widerspruch ist. Erstens steht hier nicht: „Schafft eure Rettung“, sondern: Schafft, dass ihr gerettet werdet. Es geht also darum, etwas an sich vollziehen zu lassen. Zweitens finden wir diese beiden Aussagen überall in der Bibel, immer nebenan: Gott wirkt alles, alles ist Gnade, der Mensch kann nichts für seine Erlösung tun, ihr seid gerettet.
Und auf der anderen Seite: „Lasst euch retten!“ Hundertfach Aufforderungen, Ermahnungen, Befehle, Aufrufe und Appelle an unsere Entscheidung. Und drittens ist das kein logischer Widerspruch, sondern ich finde das gerade zu logisch.
Unser Beitrag und Gottes Beitrag. Die Glubscher und der fromme Herrmann.
Ich will es an einem Beispiel erzählen. Ihr sitzt ja alle vor mir und guckt mich an mit euren treuen Hundeaugen, als ob ich Chappi anbieten würde. Woher habt ihr eure Augen? Ihr habt sie von Gott. Das sehende Auge ist eine einzigartige und einmalige Erfindung Gottes. Du kannst deine Augen nicht machen. Aber du kannst deine Augen aufmachen. Und du kannst nicht drauf warten, dass dir die Gnade Gottes immer im entscheidenden Moment, wie bei einer Marionette, mit einem Faden die Augenlider wieder hochzieht, wenn es gerade wieder mal etwas zu sehen gibt. Du musst deine dir von Gott geschenkten Glubscher selber aufmachen, damit du siehst, was draußen läuft. Und was du dann mit deinen Augen machst, und wohin sie sehen, das liegt dann in deiner Verantwortung.
Du bestimmst, ob du mit deinen Augen deiner eigenen Frau oder einer fremden Frau nachblinzelst. Ob du dir gute Filme anguckst oder jeden Mist und so weiter. Wenn du im Vertrauen auf die Gnade Gottes zu faul bist, deine Augendeckel aufzuklappen, dann wirst du gegen den nächsten Baum rennen. Und wenn du im Vertrauen auf die Gnade Gottes zu faul bist, dich um dein Heil zu kümmern, dann wirst du ins Verderben rennen, auch wenn du dein Leben lang noch so fromm mit den Augendeckeln geklappert hast.
Da war einmal ein frommer Mann, der hieß Herrmann. Ja, der war so fromm, dass der alles, wirklich alles von Gott erwartete. An jedem Wochenende, bevor die Zahlen vom Glückslotto bekannt gegeben wurden, hat Er zu Gott gebetet: „Herr, bitte, lass mich gewinnen!“ Er hat nichts gewonnen. In der nächsten Woche hat er wieder gebetet: „Herr, lass mich gewinnen!“ Nächste Woche wieder: „Herr, lass mich nur ein einziges Mal gewinnen!“
Und so ging das nun Woche um Woche, Monat um Monat, Jahr um Jahr. 20 Jahre lang bittet er Gott: „Herr, lass mich nur einmal im Leben gewinnen!“ Nach 20 Jahren ist Gott so entnervt, dass Er ihm eine Antwort gibt: „Hermann, gib Mir eine Chance. Kauf dir ein Los!“
Verstehst du, dein Glück liegt in der Hand Gottes, aber du musst deine Hand aufmachen. Gott sie wirft dir seine Gnade zu wie einen Rettungsring. Aber zugreifen musst du schon selber – ist es denn so schwer zu begreifen? Dass wir unsere Rettung nicht selber schaffen können ist klar, denke ich. Und deswegen frage ich dich jetzt: hast du dich eigentlich schon einmal um deine Rettung gekümmert? Hast du Gott schon mal signalisiert, dass du mit Ihm zu tun haben willst? Hast du Ihm schon einmal gesagt, dass du Ihn willst? Hast du Sehnsucht nach Vergebung? Hast du Angst davor, dass du die Ewigkeit in der Hölle verbringen musst? Möchtest du wenigstens, dass du nicht mehr sündigst?
Vom Meckern. Die verdrehte Generation.
Paulus kommt hier auf die Spezialsünde der Deutschen zu sprechen, also auf das Meckern. Vers 14: Tut alles ohne Murren. Im Murren und im Maulen und im Meckern sind wir Deutschen absoluter Weltmeister. Nach der internationalen Meckerskala sind die Wessis spitze. Und da die Ossis den Wessis ja jeden Scheiß nachmachen, eifern wir in diesem Punkt den Wessis ganz eifrig nach. Es geht uns ja so schlecht. Die paar Milliarden, die der Onkel Kohl jedes Jahr herüberreicht, die reichen ja vorne und hinten nicht. Es hat ja noch nicht einmal jeder Gymnasiast einen eigenen Computer.
Meckern gehört also zum guten Ton. Ich will die real existierenden Probleme, die wir uns seit der Wende eingehandelt haben, nicht herunterspielen. An Unverständlichkeiten und Ungerechtigkeiten und Unverschämtheiten gibt es leider mehr als genug. Es gibt genug zu kritisieren. Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass Gott von seinen Kindern verlangt, dass die sich aus der allgemeinen Meckerei heraushalten. Tut alles ohne meckern und ohne Zweifel, damit ihr ohne Tadel seid und lauter, Gotteskinder, unsträflich mitten unter einer verdrehten und verkehrten Generation, unter welcher ihr scheint, als Lichter in der Welt. Es ist ja nicht sehr schmeichelhaft, wenn die Bibel unsere Generation und unsere Welt als krumm und verdreht bezeichnet. Aber ich finde das sagenhaft, dass die Bibel uns zutraut, dass wir in einer solchen verdrehten und kaputten Welt als aufrechte Menschen leben können, als Lichter.
Krumme Touren beim Geldverdienen, Buckel vor dem Mammon, vor Menschen, vor der Meinung, vor der Macht sind die typischen Haltungsschäden unserer Generation ohne Rückgrat. Es ist eine verdrehte Generation. Sie hat Gott den Rücken zugedreht und sich eingebildet, es liefe ohne Gott besser. Es ist eine verdrehte Generation, weil sie nämlich Gottes Wort verdreht - zum Beispiel das, was die Bibel als Tötung bezeichnet, als Mord umschreibt als Abtreibung und das auch erlaubt. Es ist eine verdrehte Generation, weil sie sich egoistisch nur um sich selber dreht. Nicht einsieht, dass man sein Glück nur dann genießen kann, wenn man mit den anderen, zum Beispiel mit Ausländern und Heimatlosen und Ausgehungerten teilt.
Heiligung heißt: sich raushalten!
Ich will jetzt die Verdorbenheit unsere Generation nicht im Einzelnen ausmalen, dazu hast du ja deinem Buntfernseher. Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass Gott von dir erwartet, dass du dich da raushältst. In einer Generation, die Treue für Nostalgie, Homosexualität für normal, Ehebruch für eine Panne und Abtreibung für ein Menschenrecht hält, da gibt es für uns nur eins: raushalten, anders sein. Und anders heißt in der Bibel: heilig. Und „heilig“ heißt in der Bibel: zu Gott gehörig, nach seinen Maßstäben lebend.
Wenn du keine Lust hast, anders zu sein als die Masse, dann brauchst du mit Jesus überhaupt nicht erst anzufangen. Aber wenn dich der Lebensstil deine Umwelt und vor allem dein eigener Lebensstil anwidert, dann komm zu Jesus. Dann bekommst du die Kraft, dass du anders lebst als der Rest dieser vergammelten Generation. Eine klare Entscheidung für Jesus bedeutet klare Unterscheidung von den anderen.[5]
Von der Lauterkeit.
Das heißt nicht, dass wir gegenüber den anderen überheblich sein sollen. Das heißt nur, dass wir in einer Generation, wo es drunter und drüber geht und alle Maßstäbe kaputt sind, uns nach den Maßstäben Gottes richten sollen. In dem Lied vom Jörg Swoboda, da heißt es: „Ich hab die Entdeckung gemacht, gerade Menschen sind schön.“ Es ist einfach schön, wenn man Menschen, die im Leben aufrichtig und gerade begegnet. Wir haben es ja immer mit Menschen zu tun, bei denen wir das Gefühl haben, der ist nicht aufrichtig. Der ist unklar, undurchsichtig, man weiß nie genau, ob wirklich die Wahrheit sagt. Er ist verschwommen, er hat etwas zu verbergen.
Solche Leute, die sich auch manchmal Christen nennen, die stolpern[6] massenweise bei uns herum. Da ist es dann eine Wohltat, wenn man mal einen echten strahlenden Christen begegnet, von dem man den Eindruck hat, dem kann ich vertrauen, dem kann ich mich anvertrauen, dem kann ich etwas anvertrauen, der ist einfach o.k.
Mir sind in meinem Leben solche Menschen begegnet, zum Beispiel Menschen, die eine solche Atmosphäre der Klarheit und der Reinheit verbreiten, dass es niemanden einfallen würde, in deren Gegenwart einen schweinischen Witz zu erzählen. Ich habe mir angewöhnt, solche Menschen als lauter zu bezeichnen, als eine lautere Persönlichkeit. Das Wort lauter gebraucht der Apostel Paulus hier: seid lauter.
Aber wir kennen diese Worte schon gar nicht mehr. Wir kennen höchstens noch das Gegenteil davon, dass wir sagen unlauterer Wettbewerb oder sowas. Aber das Wort „lauter“ ist nicht mehr gebräuchlich. Das ist typisch für unsere Zeit, dass wir dieses Wort nicht kennen, das es ein Fremdwort ist und altmodisch. Klar, weil lautere Menschen in unserer Zeit seltener sind als wie eine aussterbende Tierart. Aber Leute, es gibt sie! Und ich danke Gott, dass er mir in einer Generation von Heuchlern in meinem Lebensweg verschiedene lautere Persönlichkeiten über den Lebensweg geschickt hat.
Ich möchte da an erster Stelle meine eigenen Eltern nennen. Sie mögen ihre Fehler gehabt haben, sie mögen Fehler gemacht haben wie andere auch, aber schon die entfernte Vorstellung, mein Vater hätte einmal in irgend einer Art und Weise eine Unwahrhaftigkeit sagen können, ist für mich absurd. Ich kenne noch mehr solche Menschen, manche sind auch hier in diesem Gottesdienst, ich will ja keine Namen nennen. Ich hab meine Eltern nur genannt, weil sie schon tot sind.
Theos große Enttäuschung. Die Stasi-Akten.
Und wenn ich unter den Heuchlern, die mir begegnet sind, meinen besten Freund nenne, dann nur deswegen, weil er schon tot ist. Wir waren 30 Jahre lang befreundet. Als er starb, habe ich an seinem Sterbebett gesessen und für ihn gebetet. Und hinterher kam raus, dass er bei der Stasi war, und gegen mich ausgesagt hat. Leute, durch die Akten kommt ja alles zu Tage. Ich möchte mal denen unter euch etwas sagen, die als IM gearbeitet haben und die sich bis jetzt noch nicht geoffenbart haben und die bis jetzt noch immer damit gerechnet haben, dass die Akten nicht zum Vorschein kommen.
Leute, es kommt alles raus. Es kommt alles raus, die Menschen lesen die Akten und selbst wenn deine Akte verbrannt ist, da stehen deine Berichte in der Akte eines anderen drin. Und wenn es in diesem Gericht nicht auskommt, dann kommt es ja spätestens im Gericht Gottes raus. Also hütet euch, dass ihr euch in Sicherheit wiegt, weil ihr denkt, ihr seid bis jetzt noch nicht erwischt worden. Die von euch, die ihre Akte gerne einmal lesen möchten, den möchte ich auch sagen: hütet euch. Überlegt euch, ob ihr die Kraft habt, das auszuhalten. Es gibt Leute, die sind nach dem Lesen ihrer Akte zusammengebrochen.
Versteht ihr, wenn du erfährst, dass dein langjährigster, intensivster Freund dreißig Jahre lang gegen dich ausgesagt hat, das ist wie ein Schlag mit der Faust ins Gesicht. Davon erholt man sich nicht so schnell. Und es gibt, seit ich das weiß, für mich nur noch ganz wenige Menschen, zu denen ich Vertrauen habe. Es ist furchtbar, wie das Vertrauen in unserem Volk kaputt gemacht worden ist. Und gerade deswegen ist es nötig, dass es Menschen des Vertrauens gibt. Vielleicht hast du auch schon solche bösen Erfahrungen gemacht wie ich, von denen ich geredet habe. Und bist vergrämt und hast dich zurückgezogen und bist verbittert und ich kann deine Verbitterung verstehen. Aber ich behaupte, es waren und sind nicht alle Heuchler. Und es ist nicht wahr, dass die Welt nur aus Lügnern besteht. So stiefmütterlich hat Gott keinen von uns behandelt, dass Er ihm nicht einmal im Leben einen strahlenden Christen über den Weg geschickt hätte, eine lautere Persönlichkeit. Und ich möchte dich fragen, willst du nicht selber so eine lautere Persönlichkeit sein? Ein strahlender Christ? Was heißt hier wollen, du sollst es sein nach Gottes Willen und du kannst es sein, mit Gottes Hilfe. Genau du!
Das Wort des Lebens – der Kompass des Christen.
Paulus stellt keine großen Ideale auf, gemalt immer nicht erreichen kann. Sondern er zeigt uns, wie man den Weg über das Ziel erreichen kann. Er schreibt: solche lauteren Persönlichkeiten, solche strahlendem Christen in der Nacht werdet ihr dadurch, dass ihr haltet an dem Wort des Lebens.
Leute, Festhalten an Gotteswort, das ist die ganz einfache Antwort. Lass dich nicht irre machen von denen, die dieses Buch madig machen. Mögen sie sein wie sie wollen. Verlass dich drauf, dass diese Bibel, dieses Wort die Grundlage deines Lebens sein kann, so wie wir das vorher gesungen haben. Das ist nicht Flugsand, sondern das ist ein Fundament, auf das du bauen kannst, das Wort. Lebe danach, gehorche Gott, und dann gefällst du Gott und nützt auch der Welt.
Wir Christen werden die Welt nicht verändern. Wir haben noch nicht einmal den Auftrag, die Welt zu verändern, oder zu retten, aber indem wir Christen sind, verändern wir die Welt. Einfach in dem wir nach den Maßstäben Gottes leben, indem wir Gott an uns arbeiten lassen, uns verändern lassen, indem wir unsere Umwelt. Wir können für andere Leuchtsignale sein und zeigen, dass man trotz Dunkelheit, trotz Gemeinheit, trotz Leid und Bitterkeit als ein aufrechter Mensch in dieser Welt leben kann. Und ich möchte dir Mut machen.
Versuche es, so ein Mensch zu werden. Versuche, mit Jesus zu leben und lass Ihn an dir arbeiten und aus dir eine solche lautere Persönlichkeit machen, zu der andere Menschen Vertrauen, Zutrauen haben können. Versuch es mal, anders zu sein als die anderen, auch wenn das nicht leicht ist. Auch wenn das vielleicht sogar zu Leid führt.
Wenn eine Rakete abgeschossen wird, dann wird sie durch schwere Stöße erschüttert und ein Teil von sich, den lässt sie verbrannt hinter sich zurück. Also wenn du dich davor fürchtest, die Abschussrampe des Leides zu betreten, und das obwohl der selbst Aufgabe zu bringen, dann wirst du nie aufsteigen und ein Leuchtsignal für andere Menschen sein können. Leute, wir sind Leuchtraketen, die Gott in das Dunkel dieser Welt abschließt. Und diejenigen von euch, die damit einverstanden sind, für Gott zu leuchten und für Gott zu leiden, die können das nächste Lied mitsingen: „Wir wollen Lichter sein in der Dunkelheit“.
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[1] Offenbarung 22, 16
[2] Nationale Volksarmee der ehem. DDR. – Anm. des Schreibers.
[3] Matthäus 26, 39
[4] Philipper 2, 8
[5] Vgl. Römer 12, 1 ff.
[6] Wohl eine Anspielung auf Manfred Stolpe (*1936), von 1990 bis 2002 Ministerpräsident des Landes Brandenburg. Von 2002 bis 2005 Bundesverkehrsminister. Stolpe bekleidete während der DDR-Zeit hohe kirchliche Ämter, u.a. bis 1989 als stellv. Vorsitzender des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR. Gleichzeitig war er inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) unter dem Deckname „Sekretär“. 2003 legte die Birthler-Behörde ein 1200-seitiges Dossier über seine Tätigkeit als IM vor (Quelle: Wikipedia).– Anm. des Schreibers.