Er kannte sich selbst nicht

von Theo Lehmann

 

„Wenn ich mit dir sterben müsste, will ich dich nicht verleugnen." Matthäus 26, 35

 

„Ich werde niemals einen Menschen töten." Das sagst du jetzt. Das haben deine Väter auch gesagt, vor den zwei Weltkriegen. Aber irgendwer muss die Millionen ja getötet haben. Das waren brave Bürger in Uniform und Arbeitskittel. Die Frauen haben in der Fabrik Granaten gedreht und die Männer haben sie verschossen. Und die haben alle vorher, als sie im Sonntagsanzug in der Kirche saßen, gesagt: „Niemals tue ich so was."

 

Wer noch nie geprüft wurde

 

Aber wer noch nicht auf dem Prüfstand war, weiß nicht, was in ihm steckt. Es kann keiner für sich garantieren. Einer, der meinte, er könnte das, war der Petrus. Er sagte zu Jesus nach dem letzten Abendmahl mit ihm vor der Kreuzigung:

„Und wenn ich mit dir sterben müsste, will ich dich nicht verleugnen." Noch am gleichen Abend stellt sich heraus, dass er nicht einmal eine Stunde für Jesus wach bleiben kann. Und als Jesus verhört wurde und eine Magd im Vorbeigehen sagte: „Der war auch mit Jesus", da leugnet er: „Jesus? Noch nie gehört. Ich kenne den Menschen nicht."

 

Als Petrus Jesus verleugnete, war er nicht gequält worden

 

Petrus wurde weder gequält noch gefoltert (wie viele verfolgte Christen). Er wurde nicht von seiner Familie getrennt und in kein Straflager gesteckt. Er wurde nicht jahrelang in einer unterirdischen Zelle gehalten, stand nicht tagelang in einer Wasserzelle, wurde weder durch Licht in der Nacht noch durch fehlendes Essen mürbe gemacht. Beim großen Petrus genügte schon die Bemerkung einer kleinen Scheuerfrau, um ihn zur Leugnung seines Glaubens zu bringen.

 

„Das ist der gewaltigste Augenblick der Weltgeschichte"

 

Nach seiner dritten Verleugnung, die er mit Schwüren und Flüchen untermauert, kräht der Hahn. In diesem Moment dreht sich Jesus um und ihre Blicke begegnen sich. Jemand hat gesagt: „Das ist der gewaltigste Augenblick, von dem die Weltgeschichte berichtet." Der Blick auf Jesus wird Petrus zur Rettung. Er erkennt und bereut seine Schuld. Er erkennt, dass er sich selbst nicht kannte.

 

Theo Lehmann


Erschienen am: 17.03.2010 (idea spektrum)