Theo Lehmann – Jugendgottesdienst Nr. 18
Abschrift der Predigt vom 14. Oktober 1973 über 1.Mose 12, 10-18 (Abraham fürchtet um sein Leben und flüchtet nach Ägypten).
Liebe Freunde,
das letzte Mal, als wir über Abraham gesprochen haben, da habe ich gesagt, dass der Abraham alles zurücklassen musste, als er in ein fernes Land zog. Ich muss zugeben, ich habe letztes Mal einiges übertrieben. Einige Kleinigkeiten, zum Beispiel seine Ehefrau, die durfte er durchaus mitnehmen.
Abrahams idyllisches Leben in Kanaan.
Und nun sitzt Abraham in Kanaan, glücklicher Besitzer einer Neubauwohnung, nicht unter Schmierigkeiten ein bisschen verschoben, sondern alle Aufbaustunden wirklich selber abgeschrubbt, und freut sich seines Lebens. Wenn seine Frau Sara nicht gerade in der Kochnische hantiert, sie haben ja damals vor 4000 Jahren schon ganz modern gebaut, eine praktische Einraum-Wohnung, mit Koch-, Wohn-, Schlaf-, Kinder-, Spiel- und Arbeitsnische – alles drin gewesen. Also wenn sie nicht gerade in der Kochnische ist, dann sitzt sie in der Essnische oder so.
Es ist ein Bild des Friedens: Abraham stopft seine Pfeife, die Sara stopft seine Socken. Die beiden sind glücklich. Abraham und Sara haben auch wirklich beide Grund dazu, dass sie so zufrieden sind. Abraham ist nicht enttäuscht worden, als er dem Befehl Gottes folgte und in das neue Land zog. Was er in seiner alten Heimat hat aufgeben müssen, das hat er inzwischen doppelt und dreifach wieder bekommen.
Abraham herrscht inzwischen über eine große Menge von Knechten und Mägden, er hat riesige Herden von Rindern, die über Tausende gehen, und zwar richtige, nicht solche in der Kühltruhe, wie der Mexikaner vom letzten Gottesdienst.
Er bewirtschaftet ein großes wunderbares Stück Land – Abraham ist reich geworden. Die Erfahrungen, die er mit Gott gemacht hat, die sind so wunderbar, dass er allen Leuten davon erzählt. Er sagt: Leute, guckt mich an, was Gott aus mir gemacht hat, wie gut es mir geht. Abraham wird sozusagen zum wandernden Gottesbeweis. Es geht bei ihm alles wie geschmiert.
Dann kommt der Hunger-Hammer.
Und da kommt eines Tages der große Hammer. Es geht damit los, dass Abraham in die Klemme gerät, und er wird unruhig, er verliert die Nerven. Und nach dem Motto: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott, fängt Abraham auf einmal an, eigene Wege zu gehen und nicht mehr das zu machen, was Gott ihm gesagt hat, sondern er handelt nach seinem eigenen Kopf. Das geht ja meistens nicht gut.
Es geht damit los, dass in Kanaan eine Hungersnot ausbricht. Ihr werdet wahrscheinlich gar nicht wissen, vollgefressen wie ihr seid, was das ist. Ihr könnt froh sein, dass ihr nicht wisst, was das ist – Hunger. Ich sage euch: ihr wisst nicht, was das ist. Und ihr könnt froh sein, etc. Der Hunger ist eine der schlimmsten Qualen, die es für einen Menschen überhaupt geben kann.
Und wenn du Hunger hast, dann ist dir alles egal. Dann wirst du zum Dieb, zum eiskalten Egoisten, zum gemeinen Verbrechern. Da pfeifst du auf jede Moral. Und Bert Brecht hatte recht, wenn er sagt: „Erst kommt das Fressen, und dann kommt die Moral“. Ich habe noch die Zeiten erlebt, als man hungerte, als ein paar Eicheln, wie sie draußen vor der Kirche liegen, auf der Herdplatte geröstet, mit Salz bestreut, eine Delikatesse gewesen sind.
Wir verstehen ja heute unter einer Delikatesse ein bisschen etwas anderes. An manchen Tagen, wenn man auf der Straße der Nationen entlang geht, da trifft man lauter stolze Bürger, die tragen in ihrem Netz Erdnüsse, oder der letzte Schrei sind jetzt die Salzstangen aus der Tschechoslowakei. Habt ihr schon mal welche gekostet, die schmecken nach nichts, aber sie sind eben neu (...).
Wenn sich ein paar Wohlstandsbürger schon wegen ein paar läppischen Erdnuss-Flips so irre gebärden, dann könnt ihr euch vielleicht vorstellen, wie das ist, wenn Menschen wirklich Hunger haben. Abraham hatte Hunger. Und auch seine Knechte, seine Mägde, seine Herden haben vielleicht geschrien vor Hunger, vielleicht sind sie verreckt einer nach dem anderen. Abraham war für alle verantwortlich, er war der Herr, er war der Chef, er musste denen zu essen geben.
Und ich kann mir vorstellen, dass Abraham in seiner Not zu Gott gebetet hatte: Herr, bitte schicke Regen, dass hier etwas wächst, dass meine Herden etwas zu essen haben, dass wir uns ernähren können. Der hat bestimmt zu Gott gebetet, aber es ist kein Tropfen Regen gekommen. Und stattdessen kam aus Ägypten das Gerücht in Abrahams Ohren, dass drüben in Ägypten keine Hungersnot wäre. Dort wäre Weideland in Massen, dort könnten die Tiere leben, und so hieß also die Losung: Auf nach Ägypten, auf nach dem goldenen Süden, dort ist der Wohlstand ausgebrochen, da kann man leben, da gibt es eine Chance für uns.
Abraham entscheidet sich – gegen sein Gewissen.
Und jetzt steht Abraham vor dem Problem. Soll ich – oder soll ich nicht? Die Vernunft sagt zu ihm: Na klar musst du gehen. Das ist doch sonnenklar, es hat hier ja sowieso keinen Zweck, wenn du hierbleibst. Hier in Kanaan musst du verhungern, da kommst du auf keinen grünen Zweig mehr. Aber in Ägypten, da hast du immerhin noch eine Chance. Hier rumsitzen und auf Gott hoffen, dass der ein Wunder tut, das wäre doch hirnverbrannt. Du musst doch an die denken, die zu dir gehören, für die du eine Verantwortung hast. Und um der Zukunft der anderen willen, für die du verantwortlich bist, da ist doch klar, dass du nach Ägypten gehen musst. So sagt die Vernunft.
Das Gewissen sagt: Gott hat dich hierher nach Kanaan gerufen und das ist hier dein Platz. Und von Ägypten ist überhaupt nicht die Rede gewesen. Und selbst wenn der Platz, auf dem du hier stehst, dir unter den Füßen brennt, wenn es mulmig wird, wenn es noch so brenzlig ist, Gott hat zu dir gesagt: Du sollst ein Segen sein und ich will für dich sorgen und ich will dir helfen und dann wird Gott für dich sorgen und dir helfen, warte doch! Und wenn du jetzt dein Vertrauen zu Gott wegschmeißt und eigene Wege gehst, du begehst einen Fehler. So sagt das Gewissen.
Abraham entscheidet sich für die Argumente der Vernunft. Ich nehme an, er wird versucht haben, sein Gewissen etwas zu beruhigen. Er wird gesagt haben: natürlich weiß ich, dass ich hierher nach Kanaan gehöre, und der Sprung nach Ägypten, das ist nur eine zeitweilige Notlösung. Natürlich komme ich wieder, wenn die Hungersnot vorbei ist! Natürlich weiß ich, dass das, was ich jetzt vorhabe, nicht ganz in Ordnung ist und nicht ganz im Sinne Gottes ist. Aber Pfeif drauf, was will man machen, das Leben hat seine Gesetze und um zu überleben, muss man eben einmal krumme Wege gehen.
Auch heute schläfern die Menschen ihr Gewissen ein.
So oder ähnlich heißen ja die Argumente heute noch genauso. „Herr Pfarrer“, heißt es da, „Herr Pfarrer, ich weiß doch ganz genau, dass ich meine Kinder eigentlich in die Christenlehre und in die Konfirmandenstunde und in die Junge Gemeinde schicken müsste, aber sie wissen ja wie das heute ist. Man will ja schließlich, dass die Kinder irgendwas werden und vorwärts kommen im Leben. Und da kann ich sie eben nicht einfach so zu ihnen schicken. Und man kann eben nicht immer so einfach nach der Bibel leben, das müssen sie schon verstehen, sondern man muss ja schließlich sehen, wo man bleibt.“ Ich sage: „Das sehe ich, wo Sie bleiben, Sie bleiben einfach weg.“ Sagt er zu mir: „Aber nicht im Prinzip. Ich trete ja nicht einfach in der aus der Kirche aus, sondern ich kann es mir bloß im Augenblick nicht leisten, mich in meiner Position – wenn Sie verstehen, was ich meine – in der Kirche blicken zu lassen. Aber wenn ich Rentner bin und alles hinter mir habe, dann komme ich natürlich wieder.“
Ich finde, es gibt nichts erbärmlicheres, als einen Menschen, der um materieller Vorteile willen sein Gewissen unterdrückt und seine Seele verkauft. Und so ein erbärmlicher Mensch ist Abraham gewesen. Gott hatte zu Abraham gesagt: Wenn du nach meinem Plan lebst, wirst du glücklich werden.
So wie Gott zu uns allen sagt: Wenn ihr nach meinen Geboten lebt, werdet ihr glücklich sein. Aber nein, wir müssen ja immer unseren eigenen Kopf durchsetzen, wir müssen ja mit dem Kopf durch die Wand, wir wissen es ja besser, wir wollen immer selber auf unsere eigene Art und Weise glücklich werden und fliegen dabei rein. So ist es bei Abraham. Er sagt: Ich probier es mal mit meinem eigenen Köpfchen. Und als bei Abraham die ersten Schwierigkeiten auftauchen, da fängt der auf einmal an, eigene Wege zu gehen. Natürlich ist diese Hungersnot eine schwierige Situation gewesen. Das sah nicht nach dem großen Glück aus, von dem zunächst die Rede war.
Glaubensproben. Nicht nur Halleluja singen, wenn alles in Butter ist.
Aber wenn ein Mensch den Weg mit Gott geht, dann ist er doch nicht bereits aus allen Schwierigkeiten raus und alle Probleme los! Manche, die den Weg mit Jesus angefangen haben zu gehen, Neubekehrte, die denken immer, es müsse dann alles glattgehen. Aber so ist das gar nicht. Diejenigen, die neu angefangen haben, mit Jesus zu leben, können das gar nicht begreifen, dass Menschen, die mit Gott gehen, in Schwierigkeiten geraten können.
Manchmal sind solche Schwierigkeiten bloß da, um unseren Glauben auf die Probe zu stellen. Gott will sehen: Traust du Mir zu, dass Ich alle deine Probleme lösen kann? Bleibst du auch bei Mir, wenn es dir einmal nicht mehr gut geht, oder singst du bloß Halleluja, solange bei dir alles in Butter ist.
Ich weiß nicht, ob das für den Abraham eine Glaubensprobe war. Wenn es so gewesen ist, hat er sie jedenfalls nicht bestanden. Er bildet sich ein, er muss die Situation jetzt selber in die Hand nehmen und er entflieht nach Ägypten und Gott lässt ihn laufen. Gott hätte ihm die bittere Erfahrung, die da vor ihm liegt, sicher gerne erspart. Aber Gott zwingt niemanden, sondern er lässt uns Menschen die freie Entscheidung über das, was wir tun und was wir lassen.
Und deswegen ist in den meisten Fällen die Frage ganz sinnlos: Wie konnte Gott das zulassen. Wie konnte Gott das zulassen, dass der Abraham in sein Unglück rennt? Wie konnte Gott zulassen, das ganze Völker in ihr Unglück rennen? Wie konnte Gott den Krieg zulassen und was weiß ich.
Es steht in der Bibel, und das ist der Spruch dieser Woche: Mensch, es ist dir gesagt, was gut ist. Nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott[1]. Und wer das nicht will, den lässt Gott eben sein. Den lässt Er laufen. Wenn du dich dafür entscheidest, dass du deinen Lebensweg ohne Gott gehen willst, Gott lässt dich laufen. Du musst bloß wissen: Du musst dann die Verantwortung selber für dich tragen.
Abrahams Weg ohne Gott führt in die Klemme.
Wie gesagt, Abraham geht nach Ägypten. Zunächst klappt das auch alles tadellos. Sie haben fette Weiden, er kann sich den Wanst vollschlagen, das materielle Problem ist gelöst, dem Abraham geht es blendend. Und wie so ist, kaum hat der Mensch das eine Problem gelöst, dann kommt schon das nächste und schwierigere.
Abraham hatte eine Frau, die Sara, und die war sehr schön (…). Sara war wirklich schön. Und die Männer unter euch wissen ja: Wo eine Frau dabei ist, da gibt es immer Probleme. Wenn einem alten Ehemann, der schon lange verheiratet ist, noch auffällt, dass seine Frau schön ist, muss er damit rechnen, dass das auch noch anderen Männern auffällt. Damit musste Abraham rechnen. Vor allem musste er damit rechnen, dass irgendeiner auf seine Frau scharf wird, und er konnte sich dann ausrechnen, was ihm dann blühen würde. Um an seine Ehefrau heranzukommen, würde man ihn einfach kalt machen, aus dem Weg räumen. So waren die Bräuche damals. Was nützt es Abraham jetzt, dass er genug zu essen hat - er hat jetzt Angst. Er hat Angst um sein Leben. Wenn es um das nackte Überleben geht, kann der Mensch sehr schnell zum Vieh werden.
Abraham überlegt jetzt fieberhaft: Was kann ich tun, wie kann ich mich jetzt hier aus der Schlinge ziehen? Wie kann ich mein Leben retten? Da kommt er auf eine Idee: Er macht nämlich seiner Frau Sara einen Vorschlag (1. Mose, 12): Er sagt: Wenn dich die Leute fragen, wer du bist, so sag doch einfach, du wärest meine Schwester. Damit es mir wohl ergehe um deinetwillen und ich am Leben bleibe um deinetwillen. Auch das klappt zunächst vorzüglich. Ein Ägypter, der Pharao höchst-persönlich, verliebt sich in die schöne Ausländerin und übernimmt die Sara in seinen Harem.
Abraham fährt damit nicht schlecht, als angeblicher Bruder dieser Frau: Er wird reich beschenkt vom Pharao. Abraham kann sich auf die Schulter klopfen und sagen: Das hast du gut gemacht, Alter. Wärst du in Kanaan geblieben und hättest gewartet, bis Gott sich bequemt, ein Wunder zu tun und Regen schickt, dann wärst du schon längst verreckt und mit deinen Herden eingegangen. Aber jetzt sitzt du hier wie die Made im Speck, du hast es geschafft, es geht dir gut! Wie du den Pharao reingelegt hast, ist auch nicht schlecht, und wie du das das mit deiner Frau hingetrickst hast, das soll dir erst einmal einer nachmachen. Old Abraham, du bist doch wirklich der Größte.
Genau so und nicht anders muss ein Mensch reden, der sein Gewissen unterdrücken muss. Denn wenn Abraham ehrlich gewesen wäre, hätte er ja vor sich ausspucken müssen. Er hätte er sagen müssen: Mensch, Abraham, du bist ein ganz gemeines, mieses Schwein. Die eigene Frau verhökern, um sein Leben zu retten, das ist doch das letzte!
Wenn dem Abraham, als er noch in Kanaan war, jemand vorausgesagt hätte: Du wirst jetzt nach Ägypten gehen und dort wirst du deine Frau verraten, hätte er sicher gesagt: Ich? Niemals! Ich bin doch gar nicht in der Lage zu so einer Gemeinheit. Und doch ist dazu in der Lage gewesen.
Schritt für Schritt immer tiefer in die Sünde. Der Frosch im Kochtopf.
All das war die Folge seiner klaren und vernünftigen Überlegungen. Ganz logisch und vernünftig hatte Abraham sich seinen Plan zurecht gelegt. Mit ganz logischer Konsequenz ist er von einer Sünde in die nächste rein gekippt. Er ist immer tiefer gesunken, ohne es eigentlich zu merken.
Ich habe gelesen, wenn man einen Frosch in heißes Wasser hinein setzt, dann hüpft er sofort wieder raus. Wenn man aber den Frosch in lauwarmes Wasser setzt und das Wasser dann allmählich erhitzt, dann kann man den Frosch kochen. Er springt nicht davon. Genau so ist das mit der Sünde. Am Anfang hast du vielleicht noch Hemmungen, da zuckst du vielleicht noch zurück. Aber wenn du erst einmal drin bist, und eine Weile mitgemacht hast, dann wirst du allmählich abgebrüht.
Wenn dir heute einer sagen würde: Du wirst in der nächsten Zeit deiner Frau untreu werden oder sie verlassen, dann würden die meisten von euch sagen: Was, ich? Vielleicht einmal ein kleiner Flirt, aber ich würde doch meiner Frau niemals davon laufen. Ich, niemals! Und dann kommt das Wochenende, wenn deine Frau nicht da ist. Und du sitzt zu Hause und langweilst dich zu Tode. Und du weißt, da spielt irgendwo eine Band und du möchtest gerne tanzen gehen, und dann gehst du tanzen. Du weißt ganz genau, dass das nicht richtig ist. Du weißt in deinem Herzen ganz genau: Deine Frau wäre damit nicht einverstanden. Du weißt ganz genau, dass es besser wäre für dich und deine Ehe, zu Hause zu bleiben, aber du gehst trotzdem hin. Du gehst ja nicht mit der Absicht hin, fremd zu gehen. Du willst dir gar nicht deiner Frau untreu werden, du gehst nur mit der Absicht hin, die Langeweile eines Abends zu überbrücken.
Und dann siehst du ein Mädchen, das dir besonders gut gefällt. Und dann kommst du mit ihr ins Gespräch, und wie das weitergeht könnt ihr in jedem Kino sehen. Und noch bevor der Abend zu Ende ist, da hast du deine Ehe gebrochen. Da ist der Seitensprung passiert, und dann geht es los. Jetzt kommen diese ganzen entwürdigenden und erniedrigenden Entschuldigungen und Ausreden und Lügereien. Du belügst deine Frau, deine Eltern, deine Freunde, du belügst am Schluss dich selber. Am Schluss ist dein ganzes Leben eine einzige Lüge. Je länger du in deiner Sünde drin lebst, desto schlechter kannst du am Ende unterscheiden, was gut und was schlecht ist. Am Schluss merkst du gar nicht mehr, in welcher Gefahr du eigentlich bist. Eines Tages hast du überhaupt kein Gewissen mehr und weißt nicht mehr, was richtig und was falsch ist.
Abraham hat durch seine Gewissenlosigkeit alles erreicht, was er wollte. Er ist fett geworden, ihm ging es gut, er hatte es geschafft. In materieller Hinsicht, da ging es diesem Herrn blendend. Aber um welchen Preis? Er hat die Ehe gebrochen, er selber ist entwürdigt, er muss sich ja bei dem Pharao dauernd noch bedanken für die Geschenke, einen Buckel machen, und mit Gott ist er auch auseinander. Der herrliche Frieden, den dieser Mann gehabt hatte, als er noch mit Gott lebte, der ist vorbei, der ist zum Teufel. Am Schluss ist alles kaputt. Und da heißt es dann bloß noch: Ja, das hab ich nicht gewollt. Ja, gewollt hat Abraham das so nicht – aber gemacht! Er, Abraham ganz alleine! Das hat ihm niemand befohlen, sondern Abraham hat sich das ganz alleine selber ausgedacht. Er hat sich das selber eingebrockt. Und jetzt am Ende sitzt er da, vollgefressen, voller Angst und sich selber zum Ekel.
Sei kein Frosch! – Gott hat immer einen Ausweg für dich.
Wer so tief in Schlamassel sitzt, der kann sich bloß noch selber umbringen oder alles laufen lassen, so wie es halt läuft. Und genau das, das sich selber umbringen oder alles laufen lassen wie es läuft, das machen viele junge Menschen heute, die den Versuch machen, ihr Leben ohne Gott zu leben und die immer tiefer in Schuld und Schwierigkeiten reinkommen und sich da verwickeln, bis sie eines Tages keinen Ausweg mehr wissen.
Aber Gott weiß einen Ausweg. Und er fängt genau bei Abraham an, deswegen erzähl ich ja die ganze Geschichte. Mit Abraham fädelt Gott die Geschichte ein, die auch für dein Leben die Lösung bereit hält. Denn Abraham war von Gott dazu ausersehen, dass er der Stammvater von Jesus wird. Und Jesus, das ist der, der am Kreuz hing und für deine Sünden gestorben ist. Und wenn du vielleicht ähnliche Seitensprünge gemacht hast wie der Abraham, wenn du dich selber unglücklich gemacht hast, wenn du dich vielleicht selber vor dir schon ekelst, dann lass dir gesagt sein: Jesus ekelt nicht vor dir, Er liebt dich. Deswegen bitte ich dich, wende dich an Ihn, und bring Ihm das, was dich belastet und was dich kaputt macht und was dein Leben kaputt macht und lege es ihm hin.
Du kannst ja heute Abend, wenn du nach Hause kommst und alleine bist, dich hinsetzen und mit Jesus reden. Du musst mit ihm reden wie mit einem Freund am Telefon. Du kannst ihn nicht zwingen, aber du kannst mit ihm sprechen. Du kannst ja auch nachher zu einem von uns kommen. Wir sind ja dazu da und erwarten euch. Und wenn du einen brauchst, der mit dir betet und dem du beichtest, wir sind ja hier. Auf alle Fälle lass doch nicht alles weiterlaufen, wie es bisher gelaufen ist.
Jesus wartet ja bloß darauf, dass du endlich zu Ihm kommst und reinen Tisch machst. Deswegen sage ich: Sei doch kein Frosch! Guck doch mal raus, wag doch mal den Sprung in das neue Leben.
Vielleicht hast du dich selber schon aufgegeben; vielleicht hast du schon die nötige Dosis Schlaftabletten in deinem Nachtisch-Schubfach, weil du dir vorgenommen hast und gesagt hast: „Es hat doch sowieso keinen Zweck mehr – ich mach‘ Schluss!“
Selbst wenn du dich schon aufgegeben hast, dann lass dir gesagt sein: Gott hat dich noch nicht aufgegeben. Er hat auch mit deinem Leben noch etwas vor. Und deswegen sage ich dir: Schmeiß dein Leben nicht weg, sondern wirf deine Sünde weg und fang einmal neu an.
Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade.
Den Abraham hat Gott auch nicht aufgegeben, obwohl er, menschlich gesprochen, wirklich eine Niete gewesen ist. Er war ein Versager. Als der Pharao rausbekommen hat, wie er ihn belogen hat, kam es zu einem hochnotpeinlichen Verhör. Abraham ist noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen, er wurde unter strenger militärischer Bewachung über die Grenze abgeschoben. Und so geht seine Geschichte immer noch weiter. Denn auch die Frau, die Abraham verkauft hatte, die war von Gott ausersehen, dass sie die Stammmutter von Jesus wird. Das muss man sich mal vorstellen, der Stammbaum von Jesus Christus fängt an mit einer Haremsdame des Pharao. Es kommen dann noch ein paar finstere Gestalten, ein paar Huren mit dazu, es ist keine gerade Linie. Aber Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade.
Und auch wenn du in deinem Leben krumme Dinger gemacht hast – du hast vielleicht dein Gewissen verkauft wegen irgendwas. Du bist vielleicht eine Hure, aber auch wenn du sonst was gemacht hast; du siehst doch: es hat vor dir noch ganz andere Menschen gegeben, die noch ganz andere Dinger losgelassen haben. Du brauchst deswegen nicht zu verzweifeln. Du siehst ja an Abraham, was das für ein Mensch gewesen ist. Ihr wundert vielleicht sowieso schon lange, wie ich heute über Abraham spreche. Im vorigen Gottesdienst habe ich ihn euch geschildert als ein Vorbild des Glaubens. So wie der, habe ich gesagt, müsst ihr’s machen. Euch Gott so anvertrauen, Gott so glauben. Und heute stellt sich raus, was dieser Mensch für ein Miststück sein konnte.
Ich finde das gut, dass diese peinliche Episode aus dem Leben des großen Gottesmannes nicht verschwiegen wird. Dass die Bibel hier nichts verschweigt und nichts retuschiert, sondern alles offen ausspricht. In manchen Büchern werden die Helden ja immer positiv dargestellt. Sie machen immer alles richtig. Sie liegen immer richtig. Und das ist so richtig öde. Leute, die immer alles richtig machen, die können einem so richtig auf den Wecker fallen. Das sind gar keine richtigen Menschen, es sind Konstruktionen, sie sind unwahr, unwahrhaftig.
Die Wahrheit ist, dass jeder Mensch Fehler macht, auch der Größte. Deshalb gefällt mir, wie offen die Bibel über die Fehler der Menschen redet.
In dem berühmten Roman von Rolf Hochhut, „Der Stellvertreter“ gibt eine Szene, in der die KZ-Verbrechen geschildert werden. Da steht über dieser Szene drüber als Überschrift: „Der Mensch, das Schwein“. Das ist hart. Aber die Wahrheit ist oft hart. Und ich finde, die Wahrheit ist immer noch besser als eine Schwarz-Weiß-Malerei. Abraham war eben auch nicht besser als irgendeiner von uns hier. Abraham war nicht immer bloß klasse. Er hat in seinem Leben nicht bloß Altäre gebaut, er hat auch Mist gebaut. Dieser Mann hat auch seine schwachen Stunden gehabt. Und er hat auch im Dreck gelegen. Und ich denke es wird bei dir nicht anders sein. Aber es kann bei dir anders werden. Komm, wir wollen jetzt Gott darum bitten!
* * * *