Wenn in den Landes- und Freikirchen plötzlich alle von Mission reden

 

Wann ist Mission eigentlich Mission?

von Rolf Scheffbuch

 

War bis Ende der 80er jähre der Begriff Mission in der Volkskirche verpönt, so wird er inzwischen allenthalben gebraucht. Doch was ist eigentlich biblisch gesehen Mission? Dazu ein Kommentar von Prälat;'. R. Rolf Scheffbuch (Korntal bei Stuttgart), von 1973 bis 1997 auch Sprecher der Evangelikalen in der EKD-Synode.

 

„Mission" ist darauf aus, dass Menschen mit Gottes Hilfe die Grenze zwischen Unglauben und Glauben überschreiten. Es geht also um weit mehr als um das Überzeugt-Werden von ethischen Werten oder darum, Interesse an religiöser The­matik zu wecken. Wer meint, das Reden von Jesus sei genierlich, der macht Gott traurig. Schließlich gilt: „Wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt auch den Vater nicht" (Johannes 5,23). Der rettende Name „Je­sus" wird nicht dadurch ersetzt, dass un­deutlich vom „Glauben", von „Kirche" oder gar von „Gott" geredet wird. „Gott" ist doch nichts anderes als ein vieldeuti­ger Gattungsbegriff. Der Vater des Christus Jesus wird dort geehrt, wo Je­sus als der Heiland Gottes bekanntge­macht und geglaubt wird.

 

Nur dann sind missionarische Aktionen auch missionarisch

Attraktive „Events", „Wohlfühl-Gottes-dienste" oder Aktionen für eine „wach­sende Kirche" werden also erst dadurch „missionarisch", dass Jesus als der retten­de Erlöser Gottes bekanntgemacht wird. Dass es darüber auch zum Glauben an den Heiland Gottes kommt, das kann man nicht machen. Aber man kann es wollen. Und man kann um dies Wunder beten.

Für dies Wunder müssen aber auch die Voraussetzungen klar sein. Der dringliche Ruf „Lasst euch versöhnen mit Gott!" (2. Korinther 5,20) muss die missionarische Einladung prägen. Denn Gott - der Herr des Himmels und der Erde — hat mit dem Retter Jesus die Chance geschaffen, dass weltweit Menschen aus ihrer Verlorenheit herauskommen können. Wo das nicht mehr erkennbar ist, kommt es über dem Reden von „Gnade" und von der „Liebe Gottes" zu schlimmen Missverständnissen.

 

Engeln nicht die Freude verderben

Natürlich wäre es bedauerlich, wenn die Verkündigung des Evangeliums freud­los daherkommen würde. Noch wichtiger jedoch ist es, dass es im Himmel zur Freude darüber kommt, dass Menschen zu Gott umkehren. Den Engeln im Him­mel wird die Freude verdorben, wenn die

einmalige Chance verschwiegen wird, dass es Umkehr aus Gottesferne und aus vielem Gott-Widrigen gibt. Kein Mensch ist dazu verdammt, ein Verdammter blei­ben zu müssen. Dass Jesus aus Sündern Gerechte machen kann, darin besteht das Wesen des Reiches Gottes. Wie soll denn der Vater des Christus Jesus seinen Segen dazu geben können, wenn die Umkehr zu Gott und die Abkehr von Gottferne aus vermeintlich „missionarischer Rücksicht­nahme" unterschlagen wird?

 

Die heutigen Schwachstellen

Das ist doch die Schwachstelle so mancher zeitgenössischer „Mission", dass so wenig darauf gegeben wird, was von Gott her verheißungsvoll ist. Stattdessen wird so oft kleingläubig gefragt, was denn dem modernen Menschen zu­gemutet werden kann. Das schränkt das einladende Reden der Christenheit un­verantwortlich ein. Wo „Mission" nur noch das bietet, was dem modernen Zeit­genossen zu schmecken scheint, da kann sie nicht mehr klar und zuversichtlich, einladend und Glauben weckend das Heil Gottes in Jesus bezeugen.

 

Wie man sündige Menschen um die wahre Freude bringt

Dieses Heil Gottes ist von Jesus in Kraft gesetzt worden. Es rettet aus gleichgültiger Gottesferne, aus überheb­lichem religiösen Spott, aus Rebellion gegen Gottes Willen, aus völlig ungenü­gendem Gerechtsein vor Gott. Wo dies alles nicht mehr als eigentliche „Sünde" benannt wird - wo stattdessen nur ge­sellschaftliche Defizite und manche mo­ralische Versäumnisse angeprangert wer­den -, da bringt man sündige Menschen um die wahre Freude. Denn dass Sünder herauskommen können aus dem ewigen Ungenügen vor Gott, dazu lädt Jesus bis heute Menschen ein.

 

Unsitte bis in höchste Ränge

Wohl ist es erfreulich, dass Organe der offiziellen Kirche heute mit einem gewis­sen Wohlwollen von Mission und von Evangelisation reden. Ob jedoch damit

auch dasselbe gemeint ist, was Mission und Evangelisation eigentlich zum Ziel haben? Dass die allgemeine Christenheit bisher viel zu wenig missionarisch gewe­sen ist, das ist doch nur ein Symptom ih­rer inneren Aushöhlung. Viele halten das Zutrauen zum überlieferten Wortlaut der Bibel für genierlich. Der Zweifel an bibli­schen Aussagen wird oft als „intellektuel­le Ehrlichkeit" deklariert. Das Abkoppeln vom überkommenen Glaubensgut wird nicht selten als „reformatorische Freiheit" ausgegeben. Wie stark die innere Erosion in den zurückliegenden Jahrzehnten fort­geschritten ist, wird deutlich, wenn man frühere Gemeindeblatt-Besinnungen, Ka­lenderblätter oder Predigthilfen vergleicht mit den heute weithin so merkwürdig wortreichen und doch letztlich wenig aus­sagenden Formulierungen. Es gibt in der Christenheit von heute eben bis in höchs­te Ränge hinein die Unsitte, klar beken­nende Aussagen in den Geruch von fundamentalistisch-pietistisch-pharisäischem Eifern zu bringen. Viele Christen, die ei­gentlich zu einer eindeutigen Glaubens­aussage fähig wären, haben sich so die Butter vom Brot nehmen lassen.

 

Keine eiserne Ration mehr

Auch dadurch hat die Zahl jener Chris­ten erschreckend abgenommen, die „im Glauben fest und wohlgerüst" sind. Die unter Christen früher anzutreffende „eiser­ne Ration" an Bibelkenntnis hat sich fast ins Nichts aufgelöst. Die Inhalte von Bi­bel, Gesangbuch und Kleinem Katechis­mus sind vielen Christen fremd geworden. Gerade die nächste Generation bedarf mehr als des gefühlig Begeisternden. Denn in der Wahrheit allein liegt wirklich Glau­ben weckende Kraft. Diese Wahrheit laut werden zu lassen, dazu ist Jesus in die Welt gekommen. Wer es nicht glaubt, der lese nach, was Jesus vor Pilatus bekannt hat (Johannes 18,33-37). Diese Wahrheit ist allerdings anders als alles, was norma­lerweise Menschen als wichtig ansehen. Die Christenheit hat jedoch nur dann Zu­kunft, wenn sie Mut aufbringt, anders zu sein und auch anderes zu vertreten, als was man sonst anderswo auch hören kann.

Rolf Scheffbuch

Erschienen am: 08.04.2010 (idea spektrum 14/2010)