Die Apostelgeschichte

Ein Gang durch die ersten 3 Jahrzehnte der Weltmission (32-62 n. Chr.)

Zur Stellung innerhalb der Bibelbücher

·          Fortsetzungswerk des Lukas-Evangeliums (Luk 1,1-4; Apg 1,1-3)

·          Brücke zwischen den Evangelien und den 21 Briefen des NT

·          Die Apg = 5. Teil der Bibel

Das Alte Testament (Luk 24,27.44)

1. Gesetz

2. Propheten

3. Schriften (Psalmen)

Das Neue Testament (Joh 14,26; 15,26; 16,12-13)

1. Evangelien (Erinnerung)

2. Apostelgeschichte (Zeugnis)

3. Lehrbriefe (Wahrheit)

4. Offenbarung (das Kommende)

Der Autor

Lukas, Arzt (Kol 4,14), Historiker (Luk 1,1-4); einziger Bibelautor, von dem wir wissen, dass er kein Israelit war (vgl. Kol 4,10-11: drei Grüsse von Menschen aus der Beschneidung/dem Juden­tum; 4,12-14: drei Grüsse von Menschen ausserhalb des Judentums) è sein Interesse an der Thematik der Weltmission! Mitarbeiter des Apostels Paulus (vgl. die „Wir-Berichte“: 16,10‑40; 20,6-28,31)

Die Abfassungszeit um 62 n. Chr.

Die Apg endet mit der zweijährigen Gefangenschaft des Apostels Paulus in Rom, um 62 n. Chr. Sie berichtet nichts mehr über den Ausgang des Prozesses vor Kaiser Nero è 62 n. Chr.

Charakteristische Ausdrücke und Besonderheiten

Literarische Besonderheiten

·          Im Gegensatz zu Paulus, der in seinen Briefen immer Provinznamen gebraucht, werden in der Apg vor allem Gebietsnamen als geographische Bezeichnungen verwendet.

·          Der offene Schluss: In 25,12 beruft sich Paulus auf den Kaiser. Die Antwort auf die Frage zögert sich bis zum Ende hinaus – und wird gar nicht beantwortet! è Aus dieser literari­schen Besonderheit lernen wir: Das Zeugnis der christlichen Mission endet nicht im Jahr 62. Wir stehen heute immer noch in denselben Spuren der ersten Zeugen des Heilandes der Welt.

Geographie und Weltmission

·          Das Evangelium ging von Jerusalem aus in alle Welt: Jerusalem liegt am Knotenpunkt der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika.

·          Die Auffahrt vom Ölberg aus (1,9-12) è Als „Heiland der Welt“.

·          Die Wiederkunft auf dem Ölberg (Sach 14,4) è Als „Richter der Welt“.

Besondere Wörter und Ausdrücke

·          Das letzte Wort im griech. Text (Apg 28,31): akolytos = „ungehindert“ (vgl. 2Tim 2,9)

·          „sichere Kennzeichen“ è griech. tekmerion = „durchschlagender, überzeugender Beweis“

Bekehrungsberichte

·          Die drei Berichte über die Bekehrung des Saulus (9,1-21; 22,1-21; 26,1-29)

          scheinbare Widersprüche und ihre Lösung:

a) 9,7: „Sie hörten die Stimme (griech. „hören“ mit Genitiv è sie hörten den Schall der Stimme), aber sahen niemanden.“

b) 22,9: „Sie sahen zwar das Licht, aber die Stimme dessen, der mit mir redete, hörten sie nicht (griech. „hören“ mit Akkusativ è den Inhalt der Stimme verstehen).“

          Steigerung des Damaskus-Erlebnisses (vgl. 2Kor 4,4.6):

a) 9,3: „Und plötzlich umstrahlte ihn ein Licht aus dem Himmel...“

b) 22,6: „... dass um Mittag plötzlich aus dem Himmel ein grosses Licht mich um­strahlte.“

c) 26,13: „... da sah ich mitten am Tage auf dem Weg, o König, vom Himmel her ein Licht, das den Glanz der Sonne übertraf,...“

·          Die drei Bekehrungsgeschichten der Söhne Noahs (vgl. die Völkertafel in 1Mo 10):

          Der Äthiopier (Sohn Hams; 8,26-40)

          Saulus von Tarsus (Sohn Sems; 9,1-30)

          Der Hauptmann Kornelius (Sohn Japhets; 10,1 - 11,18)

è Das Evangelium gilt allen Völkern, Stämmen und Sprachen (vgl. Off 5,9‑10).

Der Fluss aus dem Tempelberg und die Apostelgeschichte

Zur Symbolik in Hes 47: Tempelhaus = Gemeinde (1Kor 3,16); lebendiges Wasser/Fluss = der Heilige Geist (Joh 7,37-39; Röm 8,2); Meer = aufgewühlte Völkerwelt (Jes 17,12-13); Totes Meer = Menschen, die tot in Sünden und Vergehungen sind (Eph 2,1ff)

4 Entwicklungsstadien

1.        Rieselndes Wasser (Hes 47,2) è Die kleine Gruppe von Gläubigen in Jerusalem empfangen den Heiligen Geist (2,1).

2.        Wasser bis an die Knöchel (Hes 47,3) è 3000 Bekehrte am Pfingsttag empfangen den Heiligen Geist (2,41).

3.        Wasser bis an die Knie (Hes 47,4) è Die zum Glauben gekommenen Samariter empfangen den Heiligen Geist (8,12-17).

4.        Wasser bis an die Hüften (Hes 47,4) è Heiden empfangen den Heiligen Geist (10,44-48)

5.        Wasser zum Schwimmen (Hes 47,5) è Juden und Heiden in aller Welt empfangen den Heiligen Geist (13,1ff).

Typologisch wichtige Abschnitte

·          13,4-12: Illustration von Röm 9-11; am Beginn der paulinischen Missionsreisen (Israel als Nation für eine Zeit auf der Wartebank, die grosse Chance für die heidnischen Völker; Israel für eine Zeit z.T. blind; Israel wird in der Zukunft als Nation sehend).

          Der verhärtete Jude Bar-Jesus will den Heiden Sergius Paulus am Glauben hindern

          Bar-Jesus wird für eine Zeit blind

          Sergius sieht, glaubt und staunt über die Lehre des Herrn

·          27,1-44: Die Schiffsreise nach Rom; am Ende der Apg
Illustration der Kirchengeschichte vom 1. Jahrh. bis zur Entrückung der Gemeinde

Einige dogmatisch wichtige Themen

Taufe mit Heiligem Geist (1,5; 11,16)

·          Alle sieben Stellen: Mat 3,11; Mark 1,8; Luk 3,16; Joh 1,33; Apg 1,5; 11,16; 1Kor 12,13.

·          Grundbedeutung von baptizo (taufen): Grundbedeutung = einführen in ein anderes Element; vgl. baptizo/bapto = färben (Stoff), untergehen (Schiff); bapto = vergolden; versilbern è 1Kor 12,13: „Denn auch in der Kraft eines Geistes sind wir alle zu einem Leib getauft worden“ è Taufe mit Heiligem Geist = organisch hineinführen in den Leib Christi, vereinen mit den Erlösten

Empfang des Heiligen Geistes

          Bei den Juden am Pfingsttag: nach der Taufe, ohne Handauflegung (2,38)

          Bei den Samaritern: nach Taufe und Handauflegung (8,12-17)

          Bei den Heiden: vor der Taufe, ohne Handauflegung (10,44-48)

Erklärung:

          Die Juden in Jerusalem mussten sich zuerst öffentlich durch die Taufe von dem Justiz­mord des Messias distanzieren.

          Juden und Samariter waren verfeindet und pflegten keinen Umgang (vgl. Joh 4,9). Es bestand die Gefahr, dass es in Samaria zu einer Kirchenspaltung gekommen wäre. Die Samariter mussten sich zuerst durch Handauflegung mit den gläubigen Juden identi­fi­zieren / eins machen.

          Die Heiden erlebten das in späterer Zeit allgemein Normale: Glaube und Empfang des Heiligen Geistes (vgl. Eph 1,13-14; beachte: Apg = Geschichtsbuch, Epheserbrief = Lehrbuch).

Führung durch den Geist

Entscheidung durch das Los (1,25): Das letzte Mal in der Bibel, dann Ausgiessung des Heiligen Geistes (Kap. 2); von da an: Führung durch den Geist (Röm 8,14)

Gesetz und Gnade

          Irrlehre: Die Heiden müssen durch Beschneidung zum Judentum übertreten, um gerettet zu werden (15,1).

          5 Auswirkungen der Irrlehre: Zwiespalt, viel Wortwechsel (15,2), Streit (15,2: „Streit­frage“), Beunruhigung, Verstörung (15,24).

          5 Auswirkungen der gesunden Lehre: Freude, Trost (15,31); Ermunterung, Stärkung, (15,32), Frieden (15,33).

Lösung: Die Heiden müssen nicht zum Judentum übertreten und sollen sich nicht unter das Gesetz vom Sinai (2Mo 19ff; geschlossen mit Israel) stellen. Jedoch müssen sie die Schöpfungs­ordnung (1Mo 1 - 2; ein einziger Schöpfer-Gott; Reinheit der Ehe) und die Gebote des Bundes mit Noah (1Mo 9; ewiger Bund mit allen Lebewesen) beobachten.

è Die Gemeinde als Leib Christi, umfassend gläubige Juden und gläubige Heiden, ist weder jüdisch noch heidnisch, sondern ein Geheimnis, beschlossen vor Erschaffung der Welt, aber erst seit dem Kommen des Heiligen Geistes geoffenbart; Eph 3,4-6.8-11).

Das Sprachenreden[1]

Alle 6 Stellen

AT:    Jes. 28,11.12: Ankündigung für Israel

NT:    Mark 16,17: Ankündigung durch den Herrn Jesus

          Apg 2: Das Kommen des Heiligen Geistes

          Apg 10,44-48: Die Nationen nehmen das Evangelium an.

          Apg 19,1-7: Johannes-Jünger werden Christen: AT  è NT

          1Kor 12-14: Belehrung und Korrektur

Vgl. ferner:

·          In 1Mo 2 wurde der Mensch mit der Fähigkeit zu sprechen erschaffen.

·          In 1Mo 11 schuf Gott verschiedene neue Sprachen. Die Menschen waren plötzlich fähig, diese zu sprechen.

Sprachliche Hinweise

·          glosse = Zunge (als Organ), Sprache/ Fremdsprache

·          glossais lalein/glosse lalein = „(Fremd)sprachen sprechen“/„eine Fremdsprache sprechen“; nicht: „in Zungen reden“

·          „neue Sprachen“ (Mark 16,17), kainos (nicht neos): neu für die Sprechenden, nicht neuartige Sprachen

·          Apg 2,8.11: „in unserer eigenen Mundart“, „in unseren Sprachen“; auch Apg 10,46: Es handel­te sich um verständliche, menschliche Sprachen und Dialekte.

·          Kein ekstatischer Zustand, kein eingeschränktes Bewusstsein

          2Tim 4,5: nepho = „frei sein von jeder geistigen und seelischen Trunkenheit, von Leidenschaft, Überstürzung, Verwirrnis, Exaltiertheit“ (Griechisches Wörterbuch zum NT v. Walter Bauer), allerdings: grosse Freude ist biblisch: Ps 100,1-2; Phil 4,4

          11x ruft das NT zur Nüchternheit auf: 1Kor. 15,34; 1Thess 5,6.8; 1Tim 3,2.11; 2Tim 2,26; 4,5; Tit 2,2; 1Pet 1,13; 4,7; 5,8; ferner 14mal „wachet!“ im NT, keine Passivität des Geistes, sondern Aktivität: „widerstehen“, „kämpfen“ etc., Gegenteil: östliche Religionen, Meditation, Autogenes Training, Rockmusik, Drogen etc.

Sprachenrede wozu?

Eigentliche Bedeutung: für das ungläubige Israel (Jes 28,11-12; 1Kor 14,21-22); „Zeichen“ (= Hinweis): Gottes Wort für alle Völker und Sprachen (vgl. 1Mo 11; Apg. 2); bis 1800: Bibel in ca. 70 Sprachen, 1830: 156 Sprachen; 1998: in über 2100 Sprachen; evang. Botschaften auf Kassetten und Platten: über 4600 Sprachen und Dialekte; Arbeit ohne Sprachenrede!

Streiflichter aus Archäologie und Geschichte

Die Geschichtsforschung und die Archäologie konnte die Apostelgeschichte in unzähligen kleinen und kleinsten Details als überwältigend präzisen Bericht bestätigen! è Authentizität, Widerlegung der liberalen Kritik

Einige aus der Geschichte bekannte Personen

·          Hohepriester

          Der Hohepriester Kajaphas (4,6; 18-36 n. Chr.)

          Der Hohepriester Annas (od. Hannas) (4,6; 6-15 n. Chr.)

          Der Hohepriester Ananias, Sohn des Nedebäus (23,2; 47-58 n. Chr.)

·          Könige

          Herodes Antipas (4,27; 4 v. Chr. - 39 n. Chr.)

          Herodes Agrippa I. (12,1; 37-44 n. Chr.; Vater von Bernice, 25,13, Drusilla, 24,24 und Agrippa II.)

          Herodes Agrippa II. (25,13; 48 - ca. 90 n. Chr.)

·          Prokuratoren von Judäa

          Pontius Pilatus (4,27; 26-36 n. Chr.)

          Felix (23,24; 52 - ca. 59 n. Chr.)

          Porcius Festus (24,27; ca. 59 - 62 n. Chr.)

·          Kaiser

          Kaiser Klaudius (18,2; 41-54 n. Chr.)

          Kaiser Nero (25,11; 54-68 n.Chr.)

·          Prokonsule

          Sergius Paulus (13,7)

          Gallion (18,12; Juni 51 - Juni 52; vgl. die Gallion-Inschrift von Delphi; überaus wichtige Säule für die absolute Paulus-Chronologie è Korinth-Aufenthalt: 50-52 n. Chr.)

·          Rabbiner

          Gamaliel (5,34; einer der grossen Talmud-Gelehrten)

Weltgeschichtliche Ereignisse

·          Hungersnot im Römischen Reich (11,28; Israel: 47/48; Griechenland: 48/49; Italien: 50/51)

·          Ausweisung der Juden aus Rom durch Kaiser Klaudius (18,2; 49 n. Chr.)

Zur Struktur des Buches

Einteilung nach Apostel der Beschneidung – Apostel der Vorhaut (Gal 2,7-10)

·          1-12: Dienst des Petrus

·          13-28: Dienst des Paulus

Einteilung gemäss dem Missionsbefehl im Schlüsselvers (1,8)

·          1,1-26: Missionsbefehl in 4 Punkten (1,8):

Jerusalem, Judäa, Samaria, bis an das Ende der Erde

·          2,1 - 7,60: Das Evangelium verkündigt in Jerusalem

·          8,1-4: Das Evangelium kommt nach Judäa

·          8,5-25: Das Evangelium kommt nach Samaria

·          8,26 - 28,31: Das Evangelium auf dem Weg bis an das Ende der Erde

          8,26 - 11,18: Die Bekehrung von drei Noah-Söhnen (vgl. „Bekehrungsberichte“)

          11,19-30: Die Entstehung der Gemeinde unter den Nationen in Antiochien (bekehrte Heiden; Ausgangs-Gemeinde für die Heidenmission von Paulus)

          12,1-23: Die Befreiung des Apostels Petrus aus dem Gefängnis

          12,24 - 15,34: Die erste Missionsreise des Apostels Paulus

          15,35 - 18,22: Die zweite Missionsreise des Apostels Paulus

          18,23 - 21,26: Die dritte Missionsreise des Apostels Paulus

          21,27 - 28,31: Die Rom-Reise des Apostels Paulus

Einteilung nach dem Refrain[2]

1.        Das Christentum und die jüdische Hoffnung auf das Reich des Messias

6,7 Und das Wort Gottes wuchs, und die Zahl der Jünger in Jerusalem vermehrte sich sehr; und eine große Menge der Priester wurde dem Glauben gehorsam.

2.        Anbetung und Zeugnis im Christentum

9,31 So hatten denn die Versammlungen durch ganz Judäa und Galiläa und Samaria hin Frieden und wurden erbaut und wandelten in der Furcht des Herrn und wurden vermehrt durch den Trost des Heiligen Geistes.

3.        Heiligkeit im Christentum

12,24 Das Wort Gottes aber wuchs und mehrte sich.

4.        Die Lehre des Heils im Christentum

16,5 Die Versammlungen nun wurden im Glauben befestigt und vermehrten sich täglich an Zahl.

5.        Das Christentum in der Welt des Heidentums

19,20 Also wuchs das Wort des Herrn mit Macht und nahm überhand.

6.        Das Christentum und die Verteidigung des Evangeliums

28,30-31 Er aber blieb zwei ganze Jahre in seinem eigenen gemieteten Hause und nahm alle auf, die zu ihm kamen, indem er das Reich Gottes predigte und die Dinge, welche den Herrn Jesus Christus betreffen, mit aller Freimütigkeit ungehindert lehrte.

Zur Chronologie

·          Himmelfahrt und Pfingsten: 32 n. Chr. (Apg 1-2)

·          Steinigung des Stephanus: 33 n. Chr. (Apg 7; vgl. Luk 13,6-9; ein Jahr nach Christi Dienst von drei Jahren)

·          Bekehrung des Saulus: 33 n. Chr.

·          1. Jerusalem-Besuch, 3 Jahre nach der Bekehrung: 36 n. Chr. (Apg 9,26ff; Gal 1,18)

·          Ein Jahr in Antiochia: 49 n.Chr. (Apg 11,19-26)

·          2. Jerusalem-Besuch, 14 Jahre nach dem 1. Besuch: 49 n. Chr. (Apg 11,27-30; Gal 2,1)

·          Erste Missionsreise: 50 n. Chr.

·          Zweite Missionsreise: 50-52 n. Chr.

·          Dritte Missionsreise: 52-59 n. Chr.

·          Romreise: 59-62 n. Chr.



[1] Siehe zu diesem Thema auch: R. Liebi, Sprachenreden oder Zungenreden?, CLV, 2006 (Taschenbuch, 96 S.)

[2] Vgl. David Gooding: True to the Faith, A Fresh Approach to the Acts of the Apostles, The Myrtlefield Trust 1990; ausserordentlich empfehlenswert; jeder der 6 Teile ist genau zweigeteilt und spiegelt sich inhaltlich!