Konrad
Eißler
Wie der Heiland heilt
"Und Jesus half vielen
Kranken." (Markus 1, 34)
1997 IDEA SPEKTRUM THEOLOGIE/KIRCHE &
MEDIEN 25
In Kapernaum war
Sprechstunde angesagt. Hochbetrieb in der Praxis Jesu. Alle Kranken drängten zu
ihm. Jeder in der Stadt wusste: Der ist Facharzt für alle Schmerzen. Der ist
Spezialist für alle Leiden. Der ist für alles und für alle da. Deshalb kamen
alle Kranken – aber sie wurden nicht alle gesund. Viele Lungenkranke husteten
weiter. Viele Gallenkranke bekamen ihre Koliken nicht los. Viele Hüftkranke
humpelten wieder mit ihren Krücken nach Hause. Kapernaum ist nicht zur
krankheits- und schmerzfreien Zone geworden. Heißt das, dass dieser Heiland
nicht alles heilen kann? Bedeutet das, dass dieser Facharzt nicht alle Fächer
beherrscht? Hat der Arzt Jesus eben doch seine Grenzen? Die Evangelisten
bleiben dabei, dass dieser Sohn Gottes mit seinem ärztlichen Latein nie am Ende
ist. Jesus bleibt Arzt für alles und alle. Aber er will nicht nur gesund
machen. Wer nur eine gesunde Leber oder eine gesunde Galle oder ein gesundes
Herz von ihm erwartet, erwartet nicht zuviel, sondern zuwenig. Die ärztliche
Kunst Jesu will heilen, eine heile Beziehung zwischen dem Schöpfer und seinem
Geschöpf aufbauen. Heilung ist das Ziel der Heilpraxis Jesu. Wer also dort war
und um ein gesundes Herz gebeten hat, dann aber mit einem rhythmusgestörten und
unterversorgten Herzen weiterleben muss, der kann wissen: Diese Krankheit dient
meiner Heilung. Und wer dort war und um ein fröhliches Gemüt gebeten hat, dann
aber mit schweren und depressiven Tiefs zu kämpfen hat, der kann wissen: Diese
Belastung dient meiner Heilung. Und wer dort war und um Bewahrung vor dem
Sterben gebeten hat, dann aber aufs Leidens- und Todeslager gelegt wird, der
kann wissen: Dieser Heimgang dient meiner Heilung. Menschen, denen es um nichts
weiter als um ihre Gesundheit geht, werden eben davon krank. Uns soll es um
Heilung gehen, deshalb beten wir: „
Heile du mich, so werde ich heil. Hilf mir, so ist mir geholfen“ (Jeremia 17, 14).