Konrad Eißler

Der gute Weg

Josua 3, 1–17*

 

[...] Lutherischer Pietist, ein Pfarrer der lutherischen Kirche. Mit Ihnen verbindet mich die Liebe zur Kindertaufe. Aber Taufe ohne ein eigenes Ja dazu, ohne Bekehrung ist gleichsam ein Nichts. Das sehen Sie auch bei Ustinov. Einer der übelsten Gotteslästerungen stammen von ihm. Er hat sich vor seinem Tode sehr sehr kritisch geäußert gegenüber dem Glauben und Jesus Christus. Taufe allein bringt nichts. Taufe angenommen und sein Ja dazu zu sagen, irgendwann, darum geht's. Aber das nur als kleine Vorbemerkung. Nun gehen wir zum Josua, wenn Sie noch Kraft haben. Ich habe ja immer Angst dass Sie ja nur aus Liebe und Barmherzigkeit noch einmal zu einem alten Seni hierher kommen. Aber ja, es tut mir ja gut, gell? Bin froh. Aber sie dürfen dann bald wieder gehen.

 

Sehen Sie, wir sind jetzt beim Volk Israel, das am Jordan kommt. Und um nun, endlich, endlich ins Land hineinzukommen. Josua, der Nachfolger Mose. Und jetzt Kapitel 3, 1–17. Der gute Weg, der gute Weg - so überschrieben. Josua 3, 1–17. Ich lese:

1Und Josua machte sich früh auf und sie zogen aus Schittim und kamen an den Jordan, er und alle Israeliten, und blieben dort über Nacht, ehe sie hinüberzogen. 2Nach drei Tagen aber gingen die Amtleute durchs Lager 3und geboten dem Volk: Wenn ihr die Lade des Bundes des HERRN, eures Gottes, seht und wie die Priester aus dem Stamm Levi sie tragen, so brecht auf von eurem Ort und folgt ihr nach; 4doch dass zwischen euch und ihr ein Abstand sei von ungefähr zweitausend Ellen! Ihr sollt ihr nicht zu nahe kommen. Aber ihr müsst ja wissen, auf welchem Wege ihr gehen sollt; denn ihr seid den Weg bisher noch nicht gegangen. 5Und Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der HERR Wunder unter euch tun. 6Und zu den Priestern sprach er: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her. 7Und der HERR sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein. 8Und du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen.

9Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des HERRN, eures Gottes! 10Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter: 11Siehe, die Lade des Bundes des Herrschers über alle Welt wird vor euch hergehen in den Jordan. 12So nehmt nun zwölf Männer aus den Stämmen Israels, aus jedem Stamm einen. 13Wenn dann die Fußsohlen der Priester, die die Lade des HERRN, des Herrschers über alle Welt, tragen, in dem Wasser des Jordans stillstehen, so wird das Wasser des Jordans, das von oben herabfließt, nicht weiterlaufen, sondern stehen bleiben wie ein einziger Wall.

14Als nun das Volk aus seinen Zelten auszog, um durch den Jordan zu gehen, und als die Priester die Bundeslade vor dem Volk hertrugen 15und an den Jordan kamen und ihre Füße vorn ins Wasser tauchten – der Jordan aber war die ganze Zeit der Ernte über alle seine Ufer getreten –, 16da stand das Wasser, das von oben herniederkam, aufgerichtet wie ein einziger Wall, sehr fern, bei der Stadt Adam, die zur Seite von Zaretan liegt; aber das Wasser, das zum Meer hinunterlief, zum Salzmeer, das nahm ab und floss ganz weg. So ging das Volk hindurch gegenüber von Jericho. 17Und die Priester, die die Lade des Bundes des HERRN trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war.

 

Denkmäler in der Stadt. Die bewegten meine Kinder ganz besonders. Und oft, wir waren über 20 Jahre in der Innenstadt Stuttgarts, ging ich mit meinen Kindern, um Denkmäler anzuschauen. Und Kinder, die schauen sich ja etwas nicht nur einmal an, sondern sie fragen ja immer wieder dasselbe. Und so, wie man zum alten Schloss kam, in Stuttgart, Sie kennen sich vielleicht ein bisschen aus, beim alten Schloss, dann fragten sie: "Wer ist denn der da auf dem Pferd? Ja, das ist der Eberhard im Bart. Wer ist er?" Es genügte nicht zu sagen: "Ja, der hatte schon damals einen Bart." Nein, Ich musste erklären, dass der von Urach seine Residenz nach Stuttgart verlegte und Württemberg nicht nur regierte, sondern die beiden Grafschaften wieder vereinigte und so das unteilbare Württemberg festklopfte bis zum heutigen Tag. Das Ländchen Baden haben wir erst später vereinnahmt und heimgeholt ins Reich. Aber das ist eben der Eberhard im Bart. Und dann ging man hinüber auf den Karlsplatz, das ist auch so eine Figur: "Papa, was ist denn das?" Jeder meint, das ist der Kaiser Karl. Beileibe nicht. Auf dem Karlsplatz in Stuttgart steht der Kaiser Wilhelm der Erste. Warum, weiß man auch nicht. Man stellt auf den Karlsplatz den Wilhelm. Und der wollte schon damals als junger Prinz die Militär-Revolution im Jahre 1848 in Berlin niederschlagen, denn wer konnte das anders als ein Württemberger? Aber er erlitt eine, erlitt eine grässliche Niederlage. Das alles war ein Rohrkrepierer und er musste nach England entfliehen. Später ging er dann nach Königsberg und wurde dort noch einmal eingesetzt. Er berief den berühmten Kanzler Bismarck. Und er verzichtete sogar auf seine Jugendliebe, die wunderbare Frau Elisa. Aus Staatsgründen hat er verzichtet. Was waren das für Waschlappen? Richtig, aus Staatsgründen hat er verzichtet und vermählte sich mit der Augusta von Sachsen-Weimar, die außer einem guten Namen eigentlich sonst nichts besaß, vor allem nichts im Kopf. Gut, und dann kommen auf dem Schillerplatz, Schillerplatz, der ist natürlich bekannt. Der Schiller, Schiller und Hegel, das ist bei uns die Regel, nicht wahr? Und dann der Schlossplatz, da ist die Siegessäule. "Papa, was ist denn das? Das ist die Siegessäule zu Ehren König Wilhelms, dem ersten, seiner 25-jährigen Regierungszeit." Und hinter dem alten Schloss liegen drei große Steine. Vielleicht haben sie die schonmal gesehen. Drei große Quadersteine. "Papa, was ist denn das?" Genau konnte ich es auch nie recht erklären.

 

Aber ganz ähnlich, verstehen Sie, deshalb erzähl ichs, wars in Gilgal. Da waren zwölf Steine aufeinander, zwölf Blöcke aufeinandergeschichtet. "Papa, was ist denn das?" Ich lese aus Kapitel 4, Vers 14, Vers 20:

Und die zwölf Steine, die sie aus dem Jordan genommen hatten, richtete Josua auf in Gilgal und sprach zu Israel: „Wenn eure Kinder später einmal ihre Väter fragen: 'Was bedeuten diese Steine?, so sollt ihr ihnen kundtun und sagen: 'Israel ging auf trockenem Boden durch den Jordan, als der Herr, euer Gott, den Jordan vor euch austrocknete, bis ihr hinübergegangen wart, wie der Herr, euer Gott am Schilfmeer getan hatte. Dass er uns vor, dass er vor uns austrocknete, bis wir hindurchgegangen waren, damit alle Völker auf Erden die Hand des Herrn erkennen, wie mächtig sie ist, und den Herrn, euren Gott, fürchten allezeit.‘“

 

Vater und Sohn stehen vor diesen zwölf Steinen, vor diesem Denkmal und sagen: "Vater, was ist das?" Und der Vater sagt: "Jetzt pass auf. Jetzt nimm zuerst einmal Platz. Das ist eine längere Geschichte. So schnell kann ich dir das gar nicht erklären." Und dann sitzen sie sich unter einen schattigen Baum, und der Vater erzählt Folgendes: Immer am zehnten des ersten Monats ist was - am 10. Januar kommen hier viele viele Menschen zusammen und machen einen Gottesdienst mit Lieder und Posaunen, Predigt und einer Prozession. Einziges Thema: Jedes Jahr wiederholt die Geschichte des guten Gottes und die Geschichte eines guten Weges. Die Geschichte des guten Gottes und eines guten Weges, der mitten durch den Jordan führte. Und als sie mittendrin waren, beauftragte Josua zwölf Männer, je einen Stein mitzunehmen und hier in Gilgal ein Denkmal zu bauen. Preis dem Herrn.

 

Gewiss lebten die Israeliten damals nicht von der Erinnerung. Niemand sollte von der Erinnerung leben. Ach, wie schön und gut und herrlich, wie es alles damals war. Aber sie lebten von der Vergegenwärtigung. Der alte Gott lebt noch. Die Denksteine waren Gedenksteine, sie waren Bedenksteine. "Der, der damals durchgeholfen hat, Bub, der kann auch heute noch helfen. Das musst du dir merken. Der, der damals durch den Jordan hindurchgeholfen hat, der kann dir auch heute durch alle Schwierigkeiten hindurch helfen. Das kann er auch heute noch tun."

 

Solche Denkmäler sind notwendig, die nicht den Grafen, Fürsten, König oder Kaiser groß machen, sondern Denkmäler, die den Gott preisen. Die Frage: Haben wir eigentlich noch solche Denkmäler oder vielleicht nur Denkzeichen oder Denkzettel? Es muss uns doch immer wieder zu denken geben. Einer sagte mir: Der Gute, in Stuttgart hochverehrte König Wilhelm der Zweite, mit seinen beiden Schmidts-Spitzern, der hatte zwei weiße Hunde. Unvergesslich in Stuttgart. Der habe gar kein angemessenes Denkmal in der City. Das sei doch schlimm. Man hätte doch wenigstens dort einen Hund auf ein Denkmal stellen können, um an ihn zu erinnern. Schlimm. Der Wilhelm hat kein Denkmal in Stuttgart. Wirklich schlimm.

 

Aber [...] Wo keiner Mensch was weiß, was das für Kunst sein soll. Sehen Sie, für mich sind immer noch die zwei Stiftskirchen-Türme zwei ausgestreckte Zeichen-Finger auf den Herren. Für mich immer ein Denkzettel gewesen, wenn ich in die Stadt hinunterfuhr. Die zwei Türme, die hinaufzeigen. Und so gibt es ja andere Zeichen im Leben. Ich denke, wenn ich von Neckartenzlingen, an Neckartenzlingen vorbeifahre, dann ist die Leitplanke an einer ganz bestimmten Stelle. Man sieht nicht mehr, das sie ersetzt ist, ist zu lange her, aber, an dieser Stelle wurde ich von einem anderen Auto hinaus in die Leitplanke gedrückt, so dass die Fahrerin des anderen Autos tot war und ich schwerverletzt auf dem Pflaster lag, mit einem zerstörten Auto. Dass ich noch einmal davongekommen, ist auch diese Wunder Gottes. Und wenn ich vorbeifahre, danke ich Gott, ein Denkstein. Eine Denk-, eine Denklatte für mein Leben.

 

Oder, ich denke jedes Mal, wenn ich die Schleierhalle höre von Stuttgart, dann denke ich: Für mich ist die Schleierhalle ein Denkraum, ein Denkzettel. Unvergesslich damals. Mit. Wir hatten, als sie ganz neu war, sie für vier Abende bekommen. Wir wissen es Welcome. Eine Großveranstaltung für junge Leute, Sport und Wort. Wir hatten Ulrich Parzany, wir hatten andere eingeladen und junge Leute kamen. 8000 Leute und am letzten Abend war es übervoll. Ich sprach mit diesem Polizeikommandanten. "Würden Sie nicht noch ein paar reinlassen?" Schließlich haben Sie noch mal einen aufgemacht. Und es durften in dieses Oval zwischen die Radrennbahn, durften noch einmal 1000 oder 1500 jungen Leute Platz nehmen. Ein wunderschönes Bild. Zum letzten, wo das Fest am schönsten war. Und kaum hat es begonnen, da kam der Polizeipräsident zu mir mit diesem Zuständigen für die Halle und sagte: "Es ist eben eine Bombendrohung eingegangen, beim Süddeutschen Rundfunk. Die ist wird geprüft. Sie ist echt. Sie ist zu nehmen. Nicht als Fälschung. Die ersten Polizisten sind schon mit ihren Schnüffelhunden unten im Keller. Sie müssen jetzt entscheiden. Die Bombe soll 8:46 Uhr, 20:46 Uhr losgehen. Entweder Sie machen weiter, Sie und riskieren dann, dass irgendwo etwas passiert, oder Sie brechen die Veranstaltung ab. Aber dann ist die Gefahr der Panik. Sie haben die Entscheidung. Sie müssen wählen."

 

Wir hatten. Ich erbat mir fünf Minuten Zeit. Ich sehe mich heute noch mit Ulrich Parzany, mit weiteren Freunden hinter einer Säule knien. Auf den Knien lagen wir. Und baten Gott, er soll uns helfen. Eine Entscheidung zu treffen. Und dann entschlossen wir weiterzumachen, weil die Panik war noch die größere Gefahr. Und dann gingen die Notausgänge auf und ich sah draußen ein Heer von Blaulicht. Polizei. Krankenwagen. Hilfsdienste. Und diese Zeit vergesse ich nicht mehr. 20:46 Uhr ging auch vorüber. Es passierte damals nichts. Als ich später einer der führenden Polizisten wiedertraf, sagte er: "Behaupten Sie nicht, dass nichts gefunden worden ist. Solche Dinge werden nicht gemeldet. Aber es war damals brandgefährlich." Gott hat durchgeholfen.

 

Sehen Sie: Wo sind Ihre Denkzeichen? Wo kommt es immer Ihnen wieder. Doch! Gott hat geholfen. Sie brauchen Denkstätten, Denkzettel. Es muss Ihnen zu denken geben, dass Gott Sie bis zum heutigen Tag durchgebracht hat.

 

Drei Schritte: Der Weg zum Jordan, der Weg durch den Jordan und der Weg vom Jordan.

 

Der Weg zum Jordan. Wir erinnern uns an die Kundschafter im Lager: "Das Land ist unser, der Sieg ist gewiss." So verkündigten es, die ins Lager zurückkamen. Und da war Hochstimmung. Siegesjubel. Jubel. High Live im Lager. Zeltheringe wurden herausgezogen, Zelttücher wurden gerollt, Zeltmasten verladen. Sie zogen aus, steht hier. Dahinter verbirgt sich eine riesen Logistik, eine Truppenbewegung und Truppenverschiebungen riesigen Ausmaßes. So, wer sich so erinnert, weil wir es als Buben gesehen haben, wenn wir verfolgt haben, wie so ein Zirkus am Bahnhof ankam und wie der dann verfrachtet wurde bis auf den Festplatz. So war das schon. Ein Riesenunternehmen, so ähnlich, bloß alles hoch 10, vielleicht mal, alles hoch 20. Wenn nun dieses ganze Masse des Volks bewegt wurde, um an den Jordan, um durch den Jordan zu transportieren.

 

Und sie kamen an den Jordan. Klar, wenn der Sieg gewiss ist, dann müsste doch eine Siegesstraße mitten hineingehen nach Kanaan. So wie die Via Appia, die Siegesstraße in Rom, auf der die siegreichen Heimkehrer schließlich unter dem Jubel der Zuschauer einzogen. So musste es doch eine Via Appia durch den Jordan geben, hinein in das versprochene Land. Aber, sie kamen an den Jordan. Wenn der Sieg gewiss ist, dann müsste das ein Highway direkt in den Himmel führen, den wir jetzt betreten. Wenn der Sieg gewiss ist, dann sind die Schlachten und Schwierigkeiten und Probleme vor uns wie weggefegt und es kann nur noch eine Grundmelodie geben: "Heil dir im Siegerkranz!" Sie zogen aus, und - sie kamen an den Jordan.

 

Sie kamen nicht an Oasen, Weinberge, Olivenhaine, an die Flüsse von Milch und Honig. Das müssen Sie doch erwarten können. So müssen Sie es auch erwarten können, dass wir anders. So müssen es auch wir erwarten können, dass wir an der Seite des Siegers Jesu mit hineinspazieren. Zwar nicht ins Schlaraffenland, aber doch heimspazieren ins Vaterland.

 

Aber sie kamen an den Jordan, an brodelnde Wassermassen, die ihren Weg suchten. Sie kamen an die Grenze. Pässe wurden nicht ausgestellt. Sie kamen an ein unüberwindbares Hindernis, das sie nicht mit ihrer eigenen Kraft überwinden konnten. Liebe Freunde, wir kommen immer wieder an den Jordan. Wir kommen immer wieder an den Jordan. Unsere Lebenspläne zeigen keine Durchgangsstraßen, keine Highways, keine Avenues, keine Autobahnen, die ohne Ampeln und Kreuzungen direkt in die Ewigkeit führen. Unser Leben ist ein einziger Hindernislauf. Das ist unser Leben. Ein einziger Hindernislauf, bei dem eine Hürde nach der anderen aufgebaut ist. Und wenn wir meinen, wir hätten die letzte Hürde genommen, auch die letzte Krankheit sei überstanden, dann stehen wir vor dem größten und stehen vor dem dunkelsten Jordan, dem reißenden Fluss des Todes. Der Jordan ist eine Tatsache. Der Jordan gehört zu Gottes Wegen. Der Jordan liegt in Gottes Plan.

 

Wehe uns, wenn wir ängstlich vor dem Jordan ausreißen wollten. Stellen wir uns vor, die Israeliten wären vor lauter Angst rückwärts marschiert. Sie wären elendiglich in der Wüste umgekommen. Aber warum? Warum eigentlich dieser Jordan? Warum diese Grenzen? Warum diese Hindernisse in Ihrem Leben? Vielleicht stehen Sie in diesen Tagen vor solch einem dunklen Jordan, den Sie nicht zu durchqueren vermögen. Ich will mal durchdenken. Warum denn diese Jordans in unserem Leben? Warum diese Hindernisse, die es auch unserem Glauben so schwer machen? Warum? Die Antwort steht hier, Vers 10: "Ihr sollt erkennen, dass ein lebendiger Gott unter euch ist." Aus diesem und keinem anderen Grund führt Gott an den Jordan, damit wir sehen und merken, dass Gott da ist. Ein lebendiger Gott. Nicht einer, der überm Sternenfeld, im Sternenzelt irgendwo thront, sondern der unter euch lebt, unter euch wirkt und unter euch seine Straße zieht. Gott sei Dank ist er nicht über uns geblieben, sondern er ist zu uns heruntergekommen als unser Bruder, hat unter uns gelebt, gelitten, gestorben. Er weiß, unser Herr weiß, was der Jordan ist. Er weiß, er kennt den Jordan. Jesus kennt den Jordan. Aber auch er kannte die tiefe Angst vor ihm. Herr, willst du, so nimm diesen Kelch von mir. Aber er musste ganz hinein, untergetaucht werden, darin sterben. Aber er ist wieder auferstanden, lebendig geworden am dritten Tag. Von der anderen Uferseite ruft unser Herr uns zu: "Ich bin der Weg. Ich bin der Weg. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und ich gebe ihnen die Durchfahrt. Ich gebe ihnen das ewige Leben und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Niemand. Auch kein reißender Jordan. Nichts." Verstehen Sie? Ihr reißender Jordan wird Sie nicht aus seiner Hand reißen können. Er ist nicht stark genug. Nichts, nichts kann Sie trennen von diesem Herrn, wenn Sie ihm gehören.

 

Das wird extra ausgeführt, dass der Jordan Hochwasser geführt habe. Das steht extra hier. Das Tal war überschwemmt. Wenn droben auf dem Hermon der Schnee schmilzt, so wie jetzt in diesen Tagen droben auf der Alb, dann, dann ist der Jordangraben mit Wasser überfüllt. Und ausgerechnet zur Zeit des Hochwassers sollen wir hinüber, ausgerechnet zurzeit des Hochwassers. Schon der normale Wasserstand würde genügen. Aber dann auch noch dies.

 

Aber Sie haben doch gelernt, und das gilt es zu buchstabieren, die Wasserwogen im Meer sind groß, aber der Herr ist größer in der Höhe. Diesen Satz gilt es immer wieder zu buchstabieren, neu! Gell, die Wasserwogen sind groß, sind groß, aber der Herr ist größer. Verstehen Sie? Ich sage immer: "In seiner Hand liegt die Welt. Das ist unsere Weltlage. In seiner Hand liegt mein Leben. Das ist meine Lebenslage." Und wenn alles schreit und brüllt: "Die Not ist groß, die Wasser sind groß." So weiß ich: Aber der Herr ist größer. Doch das gilt: Viele Dinge sind groß, furchterregend groß. Aber der Herr ist größer. Das ist der Sinn des Jordans, der das kurz vor dem Ziel auch noch dem Letzten die Augen dafür aufgehen sollen, dass ein lebendiger Gott unter euch ist.

 

Und noch eines ist auf dem Weg zum Jordan zu beobachten. Drei Tage sitzen die Leute am Ufer. Drei Tage schauen sie sich die Augen aus. Drei Tage Wartezeit. Dann erst gibt Gott den Befehl zum Weitermarsch. Oh, diese Wartezeiten. Kennen Sie die? Oh, diese Wartezeiten im Glauben. Wer kennt sie nicht? Wer ist nicht auch schon auf der Wartebank gesessen oder sitzt in diesen Tagen auf der Wartebank? Warten vor unserem Jordan. Das leben Sie schrecklich. Das Warten ist schrecklich. Aber damals, nach drei Tagen, war die Wartezeit zu Ende. Gott beendet die Wartezeit. Gott beendet jede Wartezeit. Es brauchen nicht drei Tage sein. Es können drei Wochen sein, drei Monate, drei Jahre, drei Jahrzehnte. Gott hat seine eigene Zeitrechnung, und 1000 Jahre sind vor ihm wie der Tag. Wie viele Mütter und Großmütter kenne ich, die sagen: "Seit 30 Jahren bete ich für meinen Sohn. Sitzt sie an diesem Jordan, an diesem Jordan - bete ich für meinen Sohn und nichts und nichts bewegt sich."

 

Liebe Freunde, es gibt keine Wartezeit, die nicht eines Tages beendet wird. Es wird keiner ewig auf der Wartebank sitzen. Noch kein Glaubender ist sitzengeblieben und vergessen worden. Auch im Warten soll erkannt werden und gelehrt, dass Gott unter uns ist und dass seine Befehle, dass er seine Befehle erteilt, wann er will. "Wenn die Stunden sich gefunden, bricht die Hilf mit Macht herein. Um dein Grämen zu beschämen, wird es unversehens sein." Und wer unter uns immer noch wartet vor dem Jordan? Und wer von uns immer noch vor dem allerletzten Jordan wartet. Und wir alle, und wir alle warten, dann sollten wir jenen Befehl hören, der hier steht: Heiligt euch! Das ist die Aufgabe im Warten. Heiligt euch! Schon am Sinai erging dieser Befehl.

 

Wissen Sie, was Heiligung heißt? Ganz einfach: Heiligung ist Kleiderwäsche, ist Kleiderwäsche und bereit sein für Gott. Nicht nur die äußeren Kleider, sondern auch die inneren Kleider. Aber hier ist noch mehr gemeint als Kleider waschen und kultische Handlungen. "Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung." Das meint das Großreinemachen mit dem Blut Jesu und bereit sein für Gott, der jederzeit rufen kann. Wer am Jordan wartet - und wir warten alle - zumindest vor dem allerletzten und dunkelsten Jordan, dem Tod, haben wir eine Hauptaufgabe: Heiligt euch! Reinigt euch!

 

Eine kleine Geschichte zum Durchatmen. Mit meinen Kleidern war es nicht so weit her. Wenn man viele Kinder hat, muss dort eingekauft werden, wo es billiger ist. Und so schickte mich meine Frau immer zum Ausverkauf, zum C&A, so wenn dort ein geschicktes Angebot war. Und dort war ich auch und hab so meistens dann irgendetwas gekauft. Tolle Stücke, so für 50 Mark mit zwei Hosen, mit einigen Fehlern. Aber dann eines Tages sollte ich auch einmal was Richtiges bekommen. Und ich glaube, einmal sind wir nur zu zweit zum Einkaufen von Kleidung gefahren und da gingen wir zum Breitling, ein gutes Geschäft in Stuttgart. Ich weiß gar nicht, ob es das noch gibt. Und der Vorgänger dieser Jacke, was Richtiges, was wirklich Richtiges, eine gelbe Jacke haben wir gekauft. Teuer war sie. Ich sah aus wie der Showmaster Gottschalk. Wetten, dass es teuer war? Ich kann Ihnen sagen! Wetten, dass es teuer war? Und ich war stolz wie einer, zum Ersten Mal eine Jacke von Breitling, nicht von C&A oder vom Kaufhof, und ich habe sie nur ganz selten ausgeführt. Und dann, damals bei einem Empfang des Bischofs, bei dem ich auch dabei sein sollte, dachte ich, die kommen alle in Schwarz. Ich komme in Gelb. Und dort saß ich so ziemlich weit vorne. Und ich weiß nicht, bis heute nicht. Da fiel mir dann bei der Suppe der Löffel aus der Hand in die andalusische Tomatensuppe und ich war rot gesprenkelt. Ich sah aus wie ein Wildschwein. Und dann ging ich hinaus. Und dann habe ich mit Wasser versucht. Kalt. Wasser warm. Hat alles gar keinen Wert gehabt. Ich sah aus. Ich kam heim. Ich hätte heulen können. Und meine Frau sagte nur eins: "Da hilft nur chemische Reinigung, nur chemische Reinigung." Sie hat sie auch fortgetan und es kam auch wieder zurück. Und es ist sauber geworden, nicht mehr so, wie es ganz früher war. Aber chemische Reinigung.

 

Wissen Sie: Nicht nur unsere gelben Jacken werden versaut. Sondern unser Leben, unser inneres Leben. Und dann sind wir gesprenkelt von der Sünde. Tief gesprenkelt. Und nichts bringt es weg. Kein Wasser, keine Säure, keine Lauge, gar nichts. So stehen wir vor unserem Herrn. Nicht nur beim Bischofsempfang bei Gottes Empfang. Mit der versauten Lebensjacke. Es gibt nur eines. Die chemische Reinigung. "Entsündige mich mit Isop." Das ist die Chemie. "Entsündige mich mit Isop, dass ich rein werde und schneeweiß werde." Christi Blut und Gerechtigkeit. So können wir weiß werden. So können wir rein werden. Angesichts des letztem größten Bischofs dieser Welt. Zum Herrn Gott.

 

Sehen Sie: Das ist unsere Aufgabe, uns zu heiligen. Solange wir in Wartezeiten sitzen, sie zu nützen und nicht zu klagen und zu weinen und zu jammern, sonder zu sagen: "Herr, mach du mich rein, mach du mich rein von allem, was mich beschmutzt." "Wachet, denn ihr wisst nicht, weder Tag noch Stunde." Dann kommt der Weg durch den Jordan. Der Weg durch den Jordan.

 

Das ist der zweite Abschnitt: Ich sehe die Männer am Fluss vor mir. Aufgeregt gehen sie auf und ab. Ist denn keine Brücke da? Ist denn keine seichte Stelle da? Ist denn keine Furt? Aber es schäumt und braust. Kein Durchkommen. Müssten Sie nicht rufen: Pioniere, nach vorne! Eine Behelfsbrücke bauen. Oder: Schwimmer nach vorne! Die könnten wenigstens ein Seil durch die Fluten legen, an dem man sich hinüberhangeln könnte. Oder: Schiffsbauer nach vorne! Die sollten einen Seenotrettungskreuzer bauen, ein Floß bauen, um die Leute überzusetzen. Aber es heißt hier: Lade nach vorne, Bundeslade nach vorne! Auch das noch. Nicht zu glauben. Eine Holzkiste, die wohl schwimmt, aber doch sicher ganz wegschwimmt.

 

Das trägt nicht. Die trägt doch nicht einen einzigen Mann hinüber. Sie enthält zwei wichtige Tafeln, und die sind da auch noch verloren. Wer kam denn auf diese Schnapsidee, die Holzkiste nach vorne zu bringen? Das ist garantiert. Das ist garantiert ein echter Schlag ins Wasser. So denken sie, und so denken wir auch. Die Lade, die viele Begriffe hat, Lade des Zeugnisses, Lade des Bundes, Lade des Bundes Jahwes, diese Lade war ja der Thronsessel Gottes. Diese Lade verband dieses Volk mit seinem Gott. Er musste nach vorne. Dieser Gott sollte die Spitze bilden. Er geht immer voran. Man mag über die einfachen Gemüter dieser Leute lächeln, die ihren Gotteskasten vorantragen, aber wir sollten lieber unseren Kleinglauben beschämt beweinen, der nicht mehr damit rechnet, dass Gott nicht nur unter uns ist, sondern sogar vor uns ist.

 

Die Gegenwart Gottes ist Realität, Freunde. Die Gegenwart Gottes ist Realität. Im Geist ist er unter uns und im Sakrament ist er da. "Jesu geh voran auf der Lebensbahn. Wen und was holen wir nach vorne, wenn es denn zum dunklen Strom geht? Ärztenach vorne. Die müssen jetzt nur noch helfen, wenn es so schlecht geht. Sachverständige müssen nach vorne, Spezialisten müssen nach vorne. Und Sie müssten sagen Herr: Geh du voran. Wenn es an den Jordan geht. Bilde du die Spitze, mische du ganz vorne mit. Der lebendige Gott will doch nicht irgendwo im Tross hinten mitmarschieren, sondern er will doch gerade dabei sein und vorne sein.

 

Vorne wird die Lade von zwölf Priestern ins Wasser getragen. Sie mögen den Atem angehalten haben bei diesem Selbstmordunternehmen. Einfach mit einer Holzkiste hinein ins Wasser. Aber dann hat Gott das Wasser angehalten. Da blieb das Wasser stehen. Unglaublich. Unfassbar. Ungeheuer. Da blieb das Wasser stehen. Israel ging trockenen Fußes durch das Flussbett. Sicher kann man das erklären. Findige stießen auf einen arabischen Geschichtsschreiber namens Nuwajr, und der berichtet, dass vom 7. auf 8.12.1267 der Lauf des Jordans für zehn Stunden aussetzte, weil ein Stück des Ufers weiter oben in das Flussbett gestürzt war und wie ein Damm die Fluten eine Zeit lang aufgehalten hatte. Das ist öfters geschehen, geschah auch zum letzten Mal im Jahre 1927, dass Erde hineinrutschte und somit derJordan unterbrochen war. Es ist niemand verwehrt, für Josua 3 einen vorähnlichen Vorgang zu vermuten, wenn dabei festgehalten wird: A) Es ist eben eine Vermutung, aber keine historische Tatsache und B) Freunde, dass das Wunder damit keineswegs kleiner geworden ist. Warum ist es ausgerechnet zu der Zeit hineingerutscht? Warum wurde es ausgerechnet zu der Zeit aufgehalten? Warum konnten sie ausgerechnet zu der Zeit durchmarschieren?

 

Nicht wahr: 22 Mal kommt hier vor "Hindurchgehen". Gott hat hindurchgeführt. Gott hat hindurchgeholfen. Gott hat seine Hand im Spiel. Das ist das Wunder bis heute, dass er dort hindurchführt, wo wir keinen Weg und keinen Steg mehr sehen. Prälat Hartenstein, einer der großen Prediger auf der Stiftskanzel in Stuttgart nach dem Kriege. Der hat gesagt: Glauben heißt mit dem rechnen, was Gott fertigbringt. So einfach. Glauben heißt mit dem rechnen, was Gott fertigbringt. Das ist auch der Glaube Ihres Lebens. Glauben Sie dem, was Gott in Ihrem Leben, auch im Leben Ihrer Kinder noch fertigbringt. Wir rechnen nicht mit Mirakeln, mit Zauber, mit Hokuspokus. Aber mit einem Herrn, der durch den Jordan, mit einem Herrn, der durch das Wasser führt, sollten wir weniger als das Volk Israel erfahren dürfen? Jesus sagt vor dem Grab des Lazarus: Habe ich dir nicht gesagt, so du glauben würdest, du solltest die Herrlichkeit Gottes sehen.

 

Drittens und letztens nämlich: Der Weg vom Jordan. Der Weg zum Jordan, durch den Jordan und jetzt der Weg weg vom Jordan. Auch jetzt hatten sie noch alles, noch nicht alles hinter sich. Es ging weiter. Neue Aufgaben, neue Prüfungen, neue Hindernisse. Das Land war voller Feinde. Der Hindernislauf geht weiter. Liebe Freunde, Gott führt sein Volk, aber er führt es nicht spazieren. Gott führt Sie, aber er führt Sie auf keinen Fall spazieren. Er schickt sein Volk in ein besetztes Land. Aber eben dort sollen sie sich des Durchmarsches erinnern. Und deshalb das Denkmal mit den zwölf Steinen. Nie vergessen sollen sie's. Er kann. Er kann durchführen. Er kann hinüberführen. Jesus geht nicht nur voraus, er ist schon auf der anderen Seite und wartet. So wie es Johannes 21 steht: "Da es morgen war, stand Jesus am Ufer. Das ist die Erfahrung. Jesus schon auf der anderen Seite des Jordans. Gottes Weg. Gottes Wege gehen durch das Dunkel, aber sie enden im Licht. Wir sind müde Krieger, ängstliche Helden, Verteidiger der eigenen Stellungen. Nur nicht das Ufer verlassen, nur keinen Fuß hinein in den Jordan. Wer sich nicht in den Jordan hineinbegibt. Dem kann auch dieser Jesus nicht hindurchhelfen. Das Wagnis ist gefragt.

 

Haben Sie keine Angst vor Ihrem Jordan. Treten Sie hinein und Sie werden die Erfahrung machen: Das Wasser steht. Und Sie werden den erkennen, der am anderen Ufer auf Sie wartet. Auch ich habe Angst vor dem letzten Jordan. Jeder hat Angst. Aber ich habe die Gewissheit dessen, dass im letzten Augenblick, wenn alles hinten schwinden, ich am anderen Ufer am neuen Ufer sehen werde: Der Herr ist da. Der Herr ist da. Der mich geführt hat. Und der mich erwartet. "Er führt durch Dunkel uns zum Licht, lässt Schloss und Riegel springen. Des wollen wir fröhlich singen."

 

Noch einmal zurück nach Gilgal, das Denkmal, und der Vater fragt: "Bub, hast du verstanden? Bub, hast du das kapiert?" Doch, wir sollen's kapiert haben, an diesem Morgen, an diesem Abend. "Was er sich vorgenommen und was er haben will. Das muss doch endlich kommen. Zu seinem Zweck und Ziel." Amen.

 

 

Wir wollen beten: Herr, jeder von uns hat seinen Jordan.Ddu weißt, was uns bange macht und wo wir meinen, nicht hindurchgehen zu können. Die Wasser sind zu hoch, die Hindernisse zu schwierig. Die Probleme unlösbar. Herr, gib uns in diesen Tagen neuen Mut, hineinzutreten. Dir zuzutrauen, dass du auch durch den dunkelsten und letzten Jordan führst. Wir befehlen uns dir an. Heilige du uns. Wir befehlen dir unsere Familien an, unsere Kinder, unsere Söhne und Töchter, unsere Enkel. Heilige du sie. Rühre du die Kranken an! Die Alten und die Sterbenden. Führe uns durch dies alles näher zu dir, bis wir dich anschauen dürfen in deiner himmlischen Herrlichkeit. Amen.

 



* Freizeit- und Erholungszentrum Schönblick, 30.03.2004, 19:30, https://www.sermon-online.com/de/contents/7226 (25.10.2024).