Was ist ein Menschenleben wert?
Lukas 15, 8-10
(Vom verlorenen Groschen)
Jürg Birnstiel
29.09.1996

Gliederung

I. Der verlorene Drachmen (Bildklärung)

II. Wertvoll trotz dem verlorenen

III. Die Münze bewegt sich nicht

IV. Gott handelt


Einleitung

ð     Peter Hahne berichtet:
Vor einiger Zeit stand als riesige Schlagzeile über einer grossen deutschen Tageszeitung: Was ist ein Menschenleben wert? Da hiess es ein Menschenleben ist im Durchschnitt 408 000.-- DM wert. Das eines Dreijährigen nur 28 548.-- DM, laut Berechnungen des Kölner Professors Reiner Willecke.
Prof. Willecke war von einem grossen deutschen Automobilclub folgende Frage vorgelegt worden: “Welchen Gewinn verzeichnet eigentlich die Gesellschaft bei Verhinderung tödlicher Verkehrsunfälle?”
Bei seinen Untersuchungen hat er festgestellt, dass der Wert des Menschen von seinem Alter und seiner beruflichen Qualifikation abhängt. Ein vollzeitbeschäftigter Mann ist 657 199.-- DM wert, eine Hausfrau nur 216 000.-- DM. Ein Zwanzigjähriger hat bei abgeschlossener Berufsausbidung einen Wert von 273 000.-- DM. Also mit allem Dazugehörigen Wie Bilderbücher, Arztbesuche, Kindergarten bis hin zum Eis am Stiel und der Fahrt in die Ferien summiert sich das neben den Ausgaben für die Schule, für die Kleider und die anderen Dinge eben zu 273 000.-- DM im Alter von 20 Jahren.
Der wird taxiert wie ein Gebrauchtwagen. Alte Knochen bringen weniger. Bessere Ausbildung bringt mehr.
Und wenn man das Pech hat, als Frau auf die Welt zu kommen, werden gleich ein Paar Prozent abgerechnet.

ð     Welchen Wert hat denn ein Menschenleben? Ist ein Menschenleben tatsächlich wertvoll, wenn es die erwünschte Leistung erbringt, oder gibt es einen Wert, der konstanter und fundamentaler ist? Einen Wert, der die wirtschaftliche und gesellschaftliche Sicht sprengt?

ð     Im Lukas Kapitel 15 spricht Jesus mit den Pharisäern und Schriftgelehrten. Sie waren Menschen, die von ihrem Lebensstil, ihrer Bildung usw. in der damaligen Welt als wertvoll galten.

ð     In ihren Augen waren aber die Zöllner und Sünder wertlos, hoffnungslos, sie hatten keine Chance je ein Gott wohlgefälliges Leben zu führen, so tief waren sie in Sünde gesunken.

ð     Mit seiner zweiten Erzählung zeigt Jesus ihnen etwas ganz Wichtiges, das wir miteinander betrachten wollen.

Text lesen: Lk.15,8-10

I.                 Der verlorene Drachmen (Bildklärung)

ð     Jesus greift nochmals ein Geschehnis des alltäglichen Lebens auf. Wie bei der Schilderung mit dem verlorenen Schaf. Fragt er auch hier seine Zuhörer:

Welche Frau, die zehn Silbergroschen hat und einen davon verliert, zündet nicht ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiss, bis sie ihn findet? Lk.15,8.

ð     Das würde jede Frau tun. Die Münze, die die Lutherbibel mit Silbergroschen übersetzt, ist ein Drachmen, eine griechische Münze.

ð     Die Kaufkraft einer solchen Münze auf unsere Verhältnisse umzurechnen ist schwierig. Ein Drachmen entsprach ungefähr dem Tageslohn eines Mannes.

ð     Diese Frau besass etwa 10 Tageslöhne, was nicht besonders viel erscheint, aber wenn man bedenkt, dass dies ihr ganzer Besitz ist, so bekommt der einzelne Drachmen einen hohen Wert.

ð     Ein Ausleger schreibt zu diesen Drachmen dieser Frau:

Die zehn Drachmen erinnern jeden Kenner des arabischen Palästina an den mit Münzen besetzten Kopfschmuck der Frau, der zum Brautschatz gehörte, ihren kostbarsten Besitz und ihren Notgroschen darstellt und selbst während des Schlafens nicht abgelegt wird. (Joachim Jeremias)

ð     Welche Bedeutung diese Drachmen auch immer gehabt haben mögen. Eines ist deutlich: Die Frau hatte nur 10 dieser Drachmen und einen hatte sie verloren. Dieser Verlust ist für sie viel grösser, als wenn sie 1000 Drachmen besitzen würde und davon einen verlöre.

ð     Sie verliert also sehr viel und betreibt auch einen entsprechend hohen Aufwand, um ihren Drachmen wieder zu finden.

ð     Sie zündet das Licht an, und kehrt den vermutlich felsigen Boden mit einem Palmzweig. Bis sie die Münze findet.

ð     Natürlich freut sich die Frau riesig, als sie den Drachmen wieder fand.

1.                  Anschauung

ð     Jesus wendet diese Erzählung wieder auf die aktuelle Situation an und sagt den Zuhörern:

So, sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Busse tut. 10.

ð     Mit anderen Worte: Was ihr Pharisäer und Schriftgelehrte als wertlos erachtet, das hat bei Gott einen hohen Wert. Diese Sünder und Zöllner sind Gott wertvoll, auch wenn sie noch ein Leben führen, dass Gott missfällt.

II.             Wertvoll trotz dem verlorenen

ð     Die Frau verliert also eine Münze, die ihr, solange sie nicht gefunden wird, nichts nützt. Jedoch stellt diese Münze einen solchen hohen Wert dar, dass sie alles unternimmt diese Münze zu finden.

ð     Das zeigt uns einen ganz wichtigen Aspekt dieser Erzählung. Hier scheint mir auch ein wichtiger Schwerpunkt zu sein, den Jesus verdeutlichen will: Was verloren ist, die Sünder und Zöllner sind in den Augen Gottes sehr wertvoll.

ð     Der Mensch, auch wenn er von Gott getrennt lebt, wenn er gegen Gott lebt, hat in den Augen Gottes einen inneren Wert.

ð     Die Bibel macht ja deutlich: der Mensch, der nicht an Gott glaubt, der gegen Gott lebt, der steht eigentlich unter dem Zorn Gottes. Er wird von Gott gerichtet werden. Im Johannesevangelium lesen wir:

Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm. Joh.3,36.

ð     Gott wird nie das Böse und die Gottlosigkeit belohnen, seine Liebe bedeutet auch nicht, dass er am Schluss sagen wird: Ist schon gut, ich habe deine Bosheit nicht zur Kenntnis genommen - Schwamm drüber.

ð     Nein, Gott ist zornig über die Bosheit und Gottlosigkeit der Menschen, er wird die Menschen richten.

ð     Aber so sicher das ist, so sicher ist auch, dass der Mensch, auch wenn er verloren ist, in den Augen Gottes einen hohen Wert hat.

ð     Der Mensch ist dadurch, dass er ein Geschöpf Gottes, die Krönung der Schöpfung ist, in den Augen Gottes wertvoll. Im Schöpfungsbericht lesen wir:

Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib. Gen.1,27.

ð     Der Mensch ist zum Bilde Gott geschaffen. Gott schuf den Menschen als ein Gegenüber zu ihm. Und Gott sagt durch den Propheten Jeremia:

Siehe, ich, der HERR, bin der Gott alles Fleisches, sollte mir etwas unmöglich sein? Jer.32,27.

ð     Der Mensch, der verloren ist, der von Gott getrennt und in Rebellion gegen Gott lebt, stellt trotz allem in den Augen Gottes einen Wert dar.

ð     Das ist sehr schwierig nebeneinander zu sehen. Einerseits der Zorn Gottes über dem gottlosen Menschen, andererseits seine hohe Wertschätzung.

ð     Ich versuche das an einem Beispiel aus dem Alten Testament deutlich zu machen.

ð     König David hatte viele Söhne. Einer von ihnen war Absalom. Absalom lehnte sich gegen seinen Vater auf, das ging so weit, dass David aus seinem Palast in Jerusalem vor seinem Sohn fliehen musste.

ð     Absalom hatte nichts anderes im Sinn, als die Macht seines Vaters zu zerstören, damit er ungehindert regieren kann. Er trachtete sogar nach dem Leben seines Vaters.

ð     Nun kämpfen die beiden Armeen gegeneinander. Die Truppen von Absalom gegen die Truppen von David. Bevor Davids Truppen in den Kampf zogen, sagte ihnen David:

Und der König gebot Joab und Abischau und Ittai und sprach: Verfahrt mir schonend mit meinem Sohn Absalom! Und das ganze Kriegsvolk hörte es, als der König allen Hauptleuten Absaloms wegen diesen Befehl gab. 2.Sam.18,5.

ð     Doch Absalom kam um in diesem Kampf und als David diese Nachricht überbracht wurde, dass sein grösster Feind sein eigener Sohn besiegt ist und für ihn keine Gefahr darstellt, lesen wir folgendes:

Da erbebte der König und ging hinauf in das Obergemach des Tores und weinte, und im Gehen rief er: Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben! O Absalom, mein Sohn, mein Sohn! 2.Sam.19,1.

ð     Eltern können doch dies bezeugen. Mögen ihre Kinder Wege gehen, die sie überhaupt nicht befürworten. Wege, die sie selber verabscheuen.

ð     Mögen Ihre Kinder so leben, dass sie ihnen persönlichen Schaden zufügen und sie sie strafen müssen oder Gemeinschaft nicht mehr möglich ist.

ð     So sind sie ihre Kinder. Obwohl sie in Ihren Augen völlig falsch leben. Behalten sie doch den Wert, dass es Ihr Kind ist.

ð     Was würden Sie nicht alles Geben, um Ihrem Kind zu helfen, auf den richtigen Weg zu kommen?

1.                  Anwendung

ð     Mit diesem Beispiel können wir vielleicht etwas verstehen, wie der Mensch in sich einen hohen Wert in den Augen Gottes darstellt.

ð     Wir sollen dies zur Kenntnis nehmen und lernen in dieser Weise, also mit Gottes Augen und Gottes Herzen den Menschen zu begegnen.

ð     Mögen Menschen noch so hässliche Dinge tun, für die sie bestimmt und mit Recht bestraft werden müssen. Doch verbirgt sich in ihnen ein Wert, weil sie Gottes Geschöpfe sind.

III.          Die Münze bewegt sich nicht

ð     Weiter wird deutlich, dass diese Münze völlig hilflos ist. Sie kann sich nicht selber finden. Jesus macht dadurch deutlich, dass Gott sich für das Verlorene einsetzt. Es sind nicht Anstrengungen die vom Menschen ausgehen. Der Mensch hat aus sich keine Kraft aus seiner Verlorenheit herauszufinden.

ð     Jesus sagte zu den Juden:

Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat, und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage. Joh.6,44.

ð     Nicht durch das Einhalten der Gesetze werden wir zu Jesus finden. Nein, wir werden nur zu Jesus finden, wenn uns der Vater zieht.

ð     Keiner von uns, die wir Jesus kennen, haben zu ihm gefunden, weil wir so intelligent, so bescheiden, so wichtig oder weiss ich was sind.

ð     Jeder der Jesus als seinen Erlöser kennenlernen durfte, lernte ihn kennen, weil Gott ihm entgegengegangen ist. Weil er ihm das Herz öffnete, wie es in der Apostelgeschichte heisst:

Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, so dass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. Apg.16,14.

ð     Es ist immer ein Geschenk Gottes. Es ist immer Gnade Gottes, wenn ein Mensch beginnt das Evangelium zu verstehen.

IV.         Gott handelt

ð     Gott begegnet aber in ganz besonderer und überwältigender Weise dem Menschen.

ð     Diese Frau zündet das Licht an, damit sie besser sehen kann und kehrt den ganzen Raum, mit dem einen Ziel: diese wertvolle verlorene Münze zu finden.

ð     Sie betreibt einen grossen Aufwand, denn die Münze war ihr das Wert.

ð     Genauso macht es Gott. Er setzt quasi alle Hebel in Bewegung, dass er das Verlorene wieder finden kann.

ð     Gott sandte seinen eigenen Sohn. Er zündet damit ein Licht in der Welt an, wie er schon durch Jesaja voraussagte:

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein grosses Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Jes.9,1.

ð     Jesus kam als Licht in diese Welt, er sagte selbst von sich:

Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. Joh.8,12.

ð     Jesus musste aber immer wieder erleben, dass die Menschen dieses Licht gar nicht so schätzten. So sagt Jesus:

Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden. Joh.3,20.

ð     Mit seinem Sohn hat Gott das Licht in der Welt angezündet. Dieses Licht wurde aber nicht erkannt, man verspottete und verachtete dieses Licht.

ð     Aber nicht nur das, sondern er tat das fast unfassbare: Er opferte seinen eigenen Sohn.

ð     Gott ist das Verlornene so wichtig, dass er seinen eigenen Sohn hinrichten liess. Jesus erniedrigte sich vollkommen!

Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, / sondern entäusserte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. / Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Phil.2,6-8.

ð     Und was uns völlig erstaunen muss: Jesus starb, als wir noch Sünder waren:

Gott hingegen beweist uns seine Liebe dadurch, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren. / Deshalb kann es jetzt, nachdem aufgrund seines Blutes für gerecht erklärt worden sind, keine frage mehr sein, dass wir durch ihn vor dem kommenden Zorn Gottes gerettet werden. Rö.5,8-9. (NGÜ)

ð     Eigentlich ganz unbegreiflich und Paulus sagt dazu:

Christus starb ja für uns zu einer Zeit, als wir noch ohnmächtig der Sünde ausgeliefert waren; er starb für Menschen, die Gott den Rücken gekehrt hatten. / Nun ist es ja schon unwahrscheinlich genug, dass jemand sein Leben für einen unschuldigen Menschen opfert; eher noch würde man es vielleicht für einen besonders edlen Menschen tun.  Rö.5,6-7. (NGÜ)

1.                  Evangelisation

ð     Vielleicht klingt in unseren Ohren das Wort, das uns doch so bekannt ist mit neuer Frische:

Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Joh.3,16.

ð     Sind sie dieser Liebe Gottes schon begegnet?

ð     Gott hat es sich wirklich nicht leicht gemacht. Der Mensch ist in seinen Augen so wertvoll, dass er einen sehr hohen Preis dafür bezahlt hat. So erinnert Petrus die Gläubigen daran, dass Gott wirklich einen sehr hohen Preis bezahlte und schreibt:

Und da ihr den als Vater anruft, der ohne Ansehen der Person einen jeden richtet nach seinem Werk, so führt euer Leben, solange ihr hier in der Fremde weilt in Gottesfurcht; / denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, / sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. 1.Petr.1,17-19.

ð     Wissen Sie, dass Sie teuer erkauft sind, oder haben sie den Eindruck, für Sie wäre das nicht nötig gewesen?

ð     Wenn sie auf das Reden und Suchen Gottes reagieren un ihm antworten, dann trifft ein, was Jesus sagt:

So, sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder der Busse tut. 10.

Schluss

ð     Zusammenfassung

ð     Wie wertvoll ist ein Mensch?

ð     Jesus sagt den Pharisäern und Schriftgelehrten: Die Zöllner und Sünder sind trotz ihres gottlosen Lebenswandel sehr wertvoll.

ð     Sie sind so wertvoll, dass sich Gott um sie kümmert und ihnen nachgeht.

ð     Der Wert dieser Menschen liegt aber nicht bei ihren Werken, denn da haben sich nichts vorzuweisen. Sie besitzen einen inneren Wert aufgrund der Tatsache, dass sie Geschöpfe Gottes sind.

ð     Dieser Wert ist in den Augen Gottes so hoch, dass er seinen eigenen Sohn hinrichten liess, damit er retten kann, was verloren ist.

ð     Wie Jesus den Pharisäern sagte:

Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Lk.19,10.

ð     Er will das Verlorene retten, weil es trotz seiner Verlorenheit einen hohen Wert darstellt.

ð     Möge uns der Herr diese Einstellung schenken, damit wir die Menschen, mit den Augen und dem Herzen Gottes sehen und ihnen begegnen können.

Amen