Vom Leben
gezeichnet
4. Mose 35, 9-34
Jürg Birnstiel
25.05.2003
Schriftlesung: 4. Mose 35, 9-34
Gliederung
I. Die Würde des Lebens
1. Anwendung
II. Die Berechtigung der Rache
1. Anwendung
2. Verse
III. Mit Grenzen leben
1. Anwendung
Einleitung
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Ich weiss nicht, wie bekannt ihnen das System der
Levitenstädte in Israel ist. Die Leviten bildeten einen der 12 Stämme Israel.
Doch hatte dieser Stamm eine absolute Sonderstellung. Sie waren der von Gott
ausgesonderte Stamm, der sich besonders mit der Anbetung und Verehrung Gottes
zu beschäftigen hatte. Zu diesem Stamm gehörten die Priester, die Sänger, die
Türsteher usw.
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Ihnen wurde auch kein Land zugeteilt, wie den anderen
Stämmen, sondern Gott wollte, dass sie sich innerhalb der Gebiete der anderen
Stämme in speziellen, für sie gebauten, Städten ansiedeln.
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Insgesamt mussten den Leviten 48 Städte zur Verfügung
gestellt werden. Aus diesen 48 Städten wurden 6 als sogenannte Freistädte
bestimmt.
Folie: Asylstädte
Insgesamt sollt ihr den Leviten 48 Städte mit dem
dazugehörigen Weideland geben. Sechs davon sind als Asylstädte bestimmt, in die
jeder fliehen kann, der unabsichtlich einen Menschen getötet hat. (Num 35,6)
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Um das System dieser Freistädte geht es heute Morgen, denn
es handelt sich um eine Regelung, die Gott angeordnet hatte und somit erkennen
wir darin auch das Wesen Gottes. Was ihm wichtig ist und auf was er Wert legt.
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Was Gott hier dem Volk Israel vorgeschrieben hatte, ist eine
Konkretisierung des 5. Gebots:
Du sollst nicht morden. (Ex 20,13)
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Es ist Gottes Absicht Leben zu schützen. Er will es nicht
zulassen, dass unschuldige Menschen ermordet werden. Das Leben, das Gott schuf,
bedeutet ihm ausserordentlich viel. Deshalb gilt der Grundsatz:
Wer einen anderen so schwer schlägt, dass er stirbt, wird
mit dem Tod bestraft. (Ex 21,12)
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Niemand soll ungestraft ein anderes Leben auslöschen können.
Bereits zu Noah sagte Gott:
Euer eigenes Blut darf auf keinen Fall vergossen werden. Ich
wache darüber und fordere Leben für Leben, vom Tier und erst recht vom
Menschen. (Gen 9,5)
Wer einen Menschen tötet, muss von Menschenhand sterben;
denn der Mensch ist nach dem Bild Gottes geschaffen. (Gen 9,6)
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Was Gott schuf, darf der Mensch nicht mutwillig zerstören.
Gott schützt das Leben. Das ist auch der Grund, warum er diese Freistädte
wollte. Niemand soll zu Unrecht sterben müssen.
Die Städte sollen jedem als Zuflucht dienen, der
unbeabsichtigt einen Menschen getötet hat. (Dtn. 19,4)
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Mose beschrieb einen möglich Fall:
Es kann zum Beispiel vorkommen, dass einer mit seinem
Nachbarn in den Wald geht, um Bäume zu fällen, und wenn er mit der Axt ausholt,
gleitet ihm das Eisen vom Stiel und trifft den anderen tödlich. Weil er ohne
Vorsatz und nicht aus Hass getötet hat, kann er sein Leben vor dem Bluträcher
retten, wenn er in einer der Asylstädte Schutz sucht. Der Weg dorthin darf
nicht zu weit sein, sonst wird der Rächer in seiner Erbitterung den Totschläger
einholen und umbringen, obwohl dieser keinen Mord begangen und den Tod nicht
verdient hat.(Dtn 19,5)
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Wem so etwas zustösst, der soll die Möglichkeit eines fairen
Verfahrens bekommen. Er kann in die Freistadt fliehen. Er soll dann mit einer
gerechten Beurteilung rechnen können.
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Und nochmals verordnet Gott einen Schutzmechanismus:
Niemand darf wegen eines Mordes zum
Tod verurteilt werden, wenn nicht mindestens zwei Zeugen für die Tat vorhanden
sind. Auf eine einzige Zeugenaussage hin darf kein Todesurteil gefällt werden. (Num 35,30)
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Auch damit soll menschlicher Mutwille verhindert werden. Der
Schutz des Lebens wird aber dann entzogen, wenn sich herausstellt, dass dieser
Mensch tatsächlich einen Mord begangen hat. Dann wird er selber sterben müssen,
es gibt keine Pardon.
Einen Mörder, der schuldig gesprochen
ist, dürft ihr nicht gegen ein Lösegeld freilassen; er muss hingerichtet
werden. (Num 35,31)
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Auch Jesus griff diesen Sachverhalt in seiner Bergpredigt
auf:
»Ihr wisst, dass unseren Vorfahren gesagt worden ist: 'Du
sollst nicht morden! Wer einen Mord begeht, soll vor Gericht gestellt werden.'
(Mt 5,21)
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Das klingt vielleicht etwas hart, aber das ist der einzige
Weg, wie Leben wirklich geschützt werden kann. Der Grund liegt darin, dass wir
Menschen in unserer Gesinnung verdorben sind, wäre der Mensch von Herzen gut,
dann wäre diese Regelung überflüssig, doch weil es den guten Menschen einfach
nicht gibt, muss das Böse bekämpft und beseitigt werden.
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Das Böse muss weggetan werden, damit jeder sehen kann, dass
wer Schaden anrichtet, dafür zu bezahlen hat.
Wenn jemand einen anderen Israeliten, einen von seinen Brüdern, raubt
und ihn als Sklaven hält oder verkauft, muss er getötet werden.
Ihr müsst das Böse aus eurer Mitte entfernen. (Dtn 24,7)
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Das soll uns davor abschrecken eine solch verwerfliche Tat
zu begehen. Es soll uns vor Gleichgültigkeit bewahren.
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Gott ist ein Lebensspender und er möchte Leben erhalten.
Leben lässt sich aber nur erhalten, indem man das Lebensgefährdende aus dem Weg
schafft.
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Jesus sagte:
Ich bin gekommen, um ihnen Leben zu bringen – Leben in
ganzer Fülle. Joh.10,10.
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Dieses Leben konnte aber auch nur durch die Hinrichtung
geschaffen werden. Jesus starb für unsere Schuld. Wir alle, ob wir jemanden
ermordet haben oder nicht, würden den Tod verdienen. ABER Jesus hat diese
Strafe auf sich genommen!
Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich
dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösegeld für viele
hinzugeben. Mk.10,45.
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Gott würdigt unser Leben in jeder Hinsicht. Einer der
Aussagen über Gott gefällt mir in diesem Zusammenhang besonders gut.
Aber dann erschien die Freundlichkeit
und Menschenliebe Gottes, unseres Retters. (Tit 3,4)
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Diese Freistädte waren auch deshalb nötig, wenn jemand durch
eine Handlung eines anderen gestorben war, war der nahe Verwandte des
Verstorbenen verpflichtet Rache zu üben und den Mörder zu töten. Eben, wie ich
bereits erwähnte:
Wer einen anderen so schwer schlägt, dass er stirbt, wird
mit dem Tod bestraft. (Ex 21,12)
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Das ist also nicht so wie bei uns, dass man bei der Polizei
Anzeige erstattet und ein Gerichtsverfahren folgt. Die Strafe kann sofort
durchgeführt werden, ausser der Täter flüchtet in die Stadt und macht dort
geltend, dass er nicht mit Absicht handelte, dass es ein Unfall war.
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Hier wird in keiner Art und Weise die Rache als etwas
Negatives dargestellt. Im Gegenteil:
Rache erscheint hier als etwas ganz natürliches, etwas absolut
selbstverständliches. Ja, es ist sogar die Pflicht des Rächers, dass er das
tut. Nicht jeder durfte das tun. Wir haben hier keine Lynchjustiz, wo jeder
nach Gutdünken jemanden töten kann, weil er ihn für etwas beschuldigt. Es
musste ein Angehöriger sein.
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Neigen wir als Christen nicht dazu Rache und Gefühle der
Rache als etwas sündiges zu bezeichnen? Ist es nicht oft so, dass wir, wenn uns
Schaden zugefügt wird, sogleich von Vergebung sprechen und den Geschädigten
dazu bewegen, dem Täter zu vergeben?
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Ich finde das Verhängnisvoll. Es ist auch ungesund und es
entspricht überhaupt nicht dem, was uns Gott offenbart.
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Wenn mir Schaden zugefügt wird, dann ist der Gedanke sich zu
rächen ganz natürlich und selbstverständlich. Es hat überhaupt nichts mit Sünde
zu tun, denn was Unrecht ist, bleibt Unrecht. Über Unrecht darf ich mich
empören, ja ich soll mich empören, ich kann das doch nicht einfach gleichgültig
entgegennehmen. Gott sagte selbst durch Jesaja:
Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus
Schwarz Weiss und aus Weiss Schwarz machen, aus Sauer Süss und aus Süss Sauer!
(Jes 5,20)
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Rache ist ein ganz normales und richtiges Gefühl ein ganz
normales Bedürfnis, das Gott versteht. Das gilt auch für uns als Christen. Wenn
mir Unrecht geschieht, dann erwartet Gott von mir nicht, dass ich keinen
Gedanken und kein Bedürfnis zur Rache habe. Einzig was wir nicht dürfen: Rache
ausführen
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Paulus erklärte des den Römern sehr schön:
Rächt euch nichts selbst, liebe Freunde, sondern überlasst
die Rache dem Zorn Gottes. Denn es heisst in der Schrift: „Das Unrecht zu
rächen ist meine Sache, sagt der Herr; ich werde Vergeltung üben“ Rö.12,19
Mehr noch: „Wenn dein Feind hungrig ist, gib ihm zu essen,
und wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken. Ein solches verhalten wird ihn
zutiefst beschämen“ Rö.12,20.
Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege Böses
mit Gutem. Rö.12,21.
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Die Freistädte hatten den Zweck Unschuldige zu schützen.
So sollt ihr dafür sorgen, dass in dem Land, das der HERR
euch als Erbbesitz gibt, kein Unschuldiger getötet wird; denn dadurch würdet
ihr schwere Schuld auf euch laden. (Dtn 19,10)
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Doch nun wird der, der als Unschuldig erklärt wird nicht
einfach frei gelassen. Er kann nicht nach Hause in seine Stadt gehen, sondern
er muss sich in einer Freistadt ansiedeln. Also ein tiefer Einschnitt in sein
Leben.
Erst nach dem Tod des Obersten
Priesters kann der Totschläger ohne Gefahr nach Hause zurückkehren. (Num 35,28)
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Nach einem solchen Ereignis läuft das Leben plötzlich in
anderen Bahnen. Sogar, wenn seine Unschuld bewiesen ist.
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Würden wir nicht dafür sein, dass derjenige wieder so
weiterleben kann, wie bisher. Zurück in sein eigenes Haus gehen kann und dort
weiterleben?
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Warum Gott das so anordnete können wir erahnen. Es gäbe da
verschiedene Gründe.
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Einmal, könnte es auch zur Abschreckung dienen, dass man
nicht einen Mord als Unfall tarnt, weil man weiss, dass das trotzdem schwere
Folgen haben wird.
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Zum andern könnte es auf Rücksicht gegenüber der
Hinterbliebenen sein. Dass der, der vielleicht sogar in einer gewissen
Leichtfertigkeit einen Unfall verursachte und grosses Leid über eine Familie
kommen liess, nicht einfach so weiterleben kann wie vorher.
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Eines wurde mir wichtig, egal welche Antwort wir für den
Grund finden, den Gott dazu bewog diese Anweisung zu geben.
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Das Wichtige ist, dass wir realisieren, dass unser Leben von
Ereignissen gezeichnet wird, die nicht direkt mit Sünde zu tun haben.
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Oder anders gesagt: Wir müssen lernen, Grenzen in unserem
Leben zu akzeptieren. Wenn wir mit unserem Auto in einen Unfall verwickelt sind
und Menschen zu Schaden kommen, dann muss ich mit dieser Wirklichkeit leben und
ich kann nicht erwarten, dass mein Leben weitergeht, wie wenn das nicht gewesen
wäre.
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Wenn ich unter schwierigen Umständen aufgewachsen bin, für
Dich ich nichts kann und mich keine direkte Schuld trifft, so muss ich damit
leben, dass meine Geschichte mein Leben Bestimmt und ich auch als Christ an
Gott nicht den Anspruch stellen kann, dass mein Leben in Zukunft so verlaufen
sollte, wie wenn das Geschehene nicht geschehen wäre.
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Paulus schrieb den Korintern:
Alle sollen Gott an dem Platz dienen, an dem sein Ruf sie
erreicht hat. (1.Kor 7,20)
Warst du Sklave oder Sklavin, als Gott dich rief, so mach
dir nichts daraus! Wenn dir allerdings die Freilassung angeboten wird, dann
nutze ruhig die Gelegenheit. (1.Kor 7,21)
Grundsätzlich gilt: Die, die bei ihrer Berufung Sklaven oder
Sklavinnen waren, sind Freigelassene des Herrn. Und entsprechend sind die, die
bei ihrer Berufung Freie waren, Sklaven und Sklavinnen des Herrn. (1.Kor 7,22)
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Die Wirklichkeit des Glaubens liegt eben nicht darin, dass
Gott mir fortlaufenden Erfolg schenkt und jede Wunde, die mir das Leben zufügt
beseitigt.
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Die Wirklichkeit des Glaubens zeigt sich da, wo Menschen mit
Ihrer Geschichte so versöhnt sind, dass sie die Grenzen akzeptieren und von
Gott nicht die Beseitigung verlangen, sondern innerhalb ihrer Grenzen ihm
dienen und ihn Ehren.
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Paulus sagte einmal:
Dreimal habe ich zum Herrn gebetet,
dass der Satansengel von mir ablässt. (2.Kor 12,8)
Aber der Herr hat zu mir gesagt: »Du
brauchst nicht mehr als meine Gnade. Je schwächer du bist, desto stärker
erweist sich an dir meine Kraft.«
Jetzt trage ich meine Schwäche gern,
ja, ich bin stolz darauf, weil dann Christus seine Kraft an mir erweisen kann. (2.Kor 12,9)
Schluss
ð Zusammenfassung
ð Entscheidend
in allem was wir tun ist, dass unser Leben ein Ausdruck der Liebe und
Heiligkeit Gottes ist, denn es heisst:
Entweiht nicht das Land, in dem ihr lebt! Es wird entweiht
durch das Blut eines Ermordeten und kann nur wieder rein werden durch das Blut
dessen, der den Mord begangen hat. (Num 35,33)
ð Die
Ehre Gottes steht im Zentrum.