John Bunyan
Der
unfruchtbare Feigenbaum
Missionsverlag
der
Evangelisch-Lutherischen
Gebetsgemeinschaften e. V.
Sennestadt
Sondern ermahnet euch selbst alle Tage, so lang es heute heißt, dass nicht
jemand unter euch verstockt werde durch Betrug der Sünde. Hebräer 3, 13
Lieber Leser!
Jetzt schreibe ich dir über den unfruchtbaren Feigenbaum oder wie es dem
unfruchtbaren Bekenner, der jetzt noch im Weinberge Gottes steht, einst ergehen
wird.
Welcher Art dein Zustand ist, weiß ich nicht, aber unser Gleichnis sagt
dir, dass jeder ausgehauen werden muss, der das Land hindert.
Ein Bekenner, welcher das Land hindert, ist nicht nur ein Gegenstand des
Zornes Gottes, ein Stein des Anstoßes für die Welt und ein Schandfleck für den
Gottesdienst, sondern auch der Mörder seiner eigenen Seele. Wenngleich seine
Höhe in den Himmel reicht, und sein Haupt an die Wolken rühret, so wird er doch
zuletzt umkommen, dass, die ihn sahen, werden sagen: Wo ist er (Hiob 20, 6-7)?
Sie achten für Wollust das zeitliche Wohlleben (2. Petrus 2, 13-14).
Doch wo sollen sie bleiben und was sollen sie beginnen, wenn die Axt ihnen an
die Wurzel gelegt wird?
Ein Baum, dessen Frucht verdorrt, heißt ein unfruchtbarer Baum, zweimal
erstorben und ausgewurzelt (Judas 1, 12).
O du, der du das Land hinderst! Gott erwartet Frucht von dir. Bald wird
er kommen, um Frucht auf dir zu suchen.
Deshalb ermahne ich alle Bekenner, zu erkennen und zu beachten: Der
unfruchtbare Feigenbaum im Weinberge und der Brombeerstrauch im Walde sind
beide für das Feuer bereitet. - Das äußerliche Bekenntnis ist kein Deckmantel,
der dich vor Gottes Augen verbergen könnte, auch wird dein Bekenntnis die Rache
fordernden Drohungen seiner Gerechtigkeit nicht abschwächen, sondern Gott wird
befehlen, dass man dich eiligst abhaue.
Die Kirche und ein Bekenntnis sind der beste Ort für das Gedeihen des
Aufrichtigen, der allerverderblichste Boden aber für die, welche das Land
hindern. Diesen muss vielmehr, als Unheiligen, der Zugang zum Berge Gottes
gewehrt, ja, sie müssen über die Mauer des Weinbergs geworfen werden, damit sie
verdorren und dann gesammelt werden zum Verbrennen. Es wäre ihnen besser, dass
sie den Weg der Gerechtigkeit nie erkannt hätten (2. Petrus 2, 21). Zwar würden
sie ohne Erkenntnis des rechten Weges gleichfalls verdammt; doch ist es besser
zur Hölle gehen ohne, als mit oder unter einem Bekenntnis; denn diese werden
desto schwerere Verdammnis empfangen (Lukas 20, 47).
Wenn du ein Bekenner bist, so lies mit Zittern, bist du es nicht, so
lies auch du mit Zittern; denn so der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der
Gottlose und Sünder erscheinen (1. Petrus 4, 18)? Du, der du das Land hinderst,
hüte dich vor der Axt; unfruchtbarer Feigenbaum, hüte dich vor dem Feuer.
Doch ich will euch nicht länger von dem Büchlein selbst abhalten. Der
Herr Jesus Christus, der Weingärtner, behüte und versorge dich, er umgrabe und
bedünge dich, auf dass du Frucht bringest und dem Gerichte entrinnen mögest,
wenn der Herr des Weinberges mit seiner Axt kommt, um Frucht zu suchen oder das
Urteil der Verdammnis auszusprechen über den unfruchtbaren Feigenbaum. Der
aber, welcher das Land hindert, wird gesammelt und ins Feuer geworfen.
Die Gnade sei mit allen, die lieb haben unsern Herrn Jesus Christus
unverrückt. Amen.
John Bunyan
Es hatte einer einen Feigenbaum, der war
gepflanzt in seinem Weinberge; und er kam und suchte Frucht darauf und fand sie
nicht.
Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich
bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen und habe Frucht gesucht auf diesem
Feigenbaum und finde sie nicht; haue ihn aus, was hindert er das Land?
Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr,
lass ihn noch dies Jahr, bis dass ich um ihn grabe und bedünge ihn.
Wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen;
wo nicht, so haue ihn danach aus.
Lukas 13, 6-9
Zu Anfang dieses Kapitels lesen wir, wie einige aus den Juden zu dem
Herrn Jesus kamen, um ihm die Grausamkeiten des Pontius Pilatus zu verkünden,
wie dieser nämlich das Blut der Galiläer samt ihrem Opfer vermischt habe. Das
war eine heidnische und ganz unerhörte Tat, denn darin zeigte er seinen Hass
nicht allein gegen die jüdische Nation, sondern auch gegen ihren Gottesdienst,
folglich auch gegen ihren Gott. Es war eine Tat, sage ich, welche nicht allein
heidnisch, sondern auch ganz unerhört war; und doch lehrt der Herr Jesus
darüber die Juden, dass, sofern sie sich nicht bekehrten, sie alle auch also
umkommen würden, nämlich durch die Hand und Gewalt des römischen Reiches. Er
sagt, sie würden ebenso wenig diesem Schlage ausweichen können, wie die
achtzehn, auf welche der Turm von Siloah fiel und tötete sie (Lukas 19, 42-44).
Die Erfüllung dieser Weissagung ist wegen der Härte und Unbußfertigkeit
ihres Herzens über sie gekommen zur Zeit des Titus, des Sohnes des Vespasian, ungefähr vierzig Jahre nach Christi Tod. Da
wurden die Juden und ihre Stadt von allen Seiten belagert und zu ihrem
Entsetzen elendiglich verwüstet. Gott hatte sie mit dem Schwert, mit Hunger,
mit Pestilenz und Blut heimgesucht wegen ihres Wütens gegen den Sohn seiner
Liebe; darum ist der Zorn endlich über sie gekommen (1. Thessalonicher 2, 16).
Um nun ihren alten und törichten Ausflüchten , welche sie jederzeit
gegen solche Weissagungen und Androhungen von Gerichten bereit hatten,
zuvorzukommen, stellt der Herr Jesus ihnen dies Gleichnis vor Augen und
bedeutet ihnen in demselben nachdrücklich, dass ihr Geschrei: »Wir sind des
Herrn Tempel, Kinder Abrahams und Glieder der wahren Kirche Gottes«, ihnen
nicht im mindesten werde helfen können. Es ist, als ob der Herr hätte sagen
wollen: Ihr gedenkt vielleicht, euch gegen diese meine Weissagung von eurer
gänzlichen und unvermeidlichen Verwüstung dadurch zu sichern, dass ihr euch auf
die äußeren Vor-rechte des Volkes Israel stützt; doch dies alles wird euch im
Stich lassen. Denn: Ein Mann hatte einen Feigenbaum, der war gepflanzt in
seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf, und fand sie nicht. Dies
ist der Fall bei euch: Das jüdische Volk ist Gottes Weinberg, dass weiß ich,
und ich weiß auch, dass ihr die Feigenbäume seid; doch euch mangelt gerade das
Wichtigste, nämlich die Frucht. Er hat seinen Weinberg mit Bäumen bepflanzt, in
der Hoffnung auf Frucht, aber die Frucht fehlt an euch, die Frucht, wegen
welcher er vor allem diesen Weinberg gepflanzt hat; was bleibt ihm denn nun anders
übrig, als dass er in seiner Gerechtigkeit den Befehl erteile, euch auszuhauen,
als solche, die dem Lande hinderlich sind, damit er sich einen andern Baum
pflanze? Und er sagte zu dem Weingärtner: Siehe, ich komme nun drei Jahre lang
alle Jahre und suche Frucht auf diesem Feigenbaume und finde sie nicht; haue
ihn aus, was hindert er das Land? Dies muss also euer Ende sein, obwohl ihr im
Garten Gottes steht; wegen der Unfruchtbarkeit eures Herzens und Lebens müsst
ihr ausgehauen, entwurzelt und aus dem Weinberge hinausgeworfen werden.
Beim Lesen der Gleichnisse müssen zwei Dinge beachtet und erwogen
werden: zunächst das Bild, welches gebraucht wird, und sodann die Lehren und
Wahrheiten, welche unter den Bildern verborgen liegen.
Die Bilder dieser Parabel sind ein Mann, ein Weinberg, ein Feigenbaum,
ein Weingärtner, drei Jahre, Umgraben und Bedüngen. Die unter diesen Bildern
verborgenen Lehren und Wahrheiten dienen dazu, anzuzeigen, wie es einem
unfruchtbaren Bekenner ergehen wird; denn
·
unter
seinem Umgraben und Bedüngen wird verstanden die Bereitwilligkeit, Gnadenmittel
bei dem unfruchtbaren Bekenner anzuwenden, um zu sehen, ob er möglicherweise
fruchtbar werde.
Die Worte: »wenn der Feigenbaum noch unfruchtbar bleiben sollte«,
zeigen, dass selbst nach aller Bemühung Christi Jesu doch noch einige Bekenner
sein werden, die unfruchtbar bleiben.
Durch die Erklärung des Weingärtners, ihn bei bleibender Unfruchtbarkeit
auszuhauen, wird endlich die gewisse, unvermeidliche und ewige Verdammnis
solcher Bekenner ausgesprochen.
Doch wir werden diese Parabel versweise
betrachten, und alle besonderen Teile derselben, wenn auch in Kürze, erwägen.
Dieser Mann, sage ich, stellt uns, wie oft im Neuen Testament, Gott den
Vater vor. Man beachte hierbei, dass es keine neue Sache ist, dass man in der
Kirche Gottes unfruchtbare Bäume oder Bekenner findet, wie man auch hier einen
unfruchtbaren Baum, einen unfruchtbaren Feigenbaum im Weinberge findet. Die
Frucht wird nicht so leicht und bald gezeugt, wie man wohl ein äußeres
Bekenntnis annehmen kann. Leicht ist es freilich, sich in einen Schein zu
hüllen, in dem sich das Fleisch gefällt, bei dem man zum Nächsten sagen kann:
wärmet euch und sättigt euch (Jakobus 2, 16). Dies und manches andere ist nicht
schwer; aber fruchtbar sein und gute Früchte tragen kann nicht jeder Baum, ja
nicht einmal jeder Feigenbaum, der gepflanzt ist in Gottes Weinberg. Die Worte
Johannes 15, 2: Alle Reben an mir, welche keine Frucht bringen, wird er
wegnehmen, beweisen dies. Es gibt Reben in Christo, in Christi verborgenem
Leibe, welcher ist seine Kirche oder sein Weinberg, die keine Frucht tragen,
weshalb auch die Hand Gottes bereit ist, sie wegzunehmen. Warum habe ich
erwartet, dass er gute Trauben bringen sollte, und er hat schlechte Trauben (Herlinge) gebracht (Jesaja 5, 4)? Solche Frucht war Gott nicht angenehm. So
auch Hosea 10, 1: Israel ist ein wuchernder Weinstock; seine Frucht ist eben
auch also; er ist ohne Frucht vor Gott. Dies alles, und noch manches andere,
ist ein Beleg dafür, dass Gottes Kirche unnützerweise besetzt werden kann von
unfruchtbaren Feigenbäumen oder Bekennern.
Wenngleich sich in der Kirche Gottes unfruchtbare und dürre Bäume
finden, so sind diese doch äußerlich den andern Bäumen gleich, der Text sagt
nämlich: »einen Feigenbaum«, nicht etwa eine Eiche oder einen Weidenbaum, nicht
einen Dom- oder Brombeerstrauch, sondern einen Feigenbaum. Und sie werden zu
dir kommen in die Versammlung und vor dir sitzen als mein Volk (Hesekiel 33, 31).
Wiewohl sie mich täglich suchen und wollen meine Wege wissen, als ein Volk, das
Gerechtigkeit schon getan und das Recht ihres Gottes nicht verlassen hätte. Sie
fordern mich zum Recht und wollen mit ihrem Gott rechten (Jesaja 58, 2). Und
dennoch waren sie nur unfruchtbare und unnütze Bekenner. Judas war auch einer
von den Zwölfen, ein Jünger, ein Apostel, ein Prediger, ja ein solcher, dass
keiner der elf Jünger Misstrauen gegen ihn hegte, sondern sie alle ihn über
sich selbst erhoben, indem sie alle riefen: Bin ich es? Bin ich es? (Markus 14,
19). Keiner unter ihnen, so weit man liest, hatte den Judas im Verdacht, aber
in Christi Augen war er dennoch der unfruchtbare Feigenbaum, ein Teufel (Johannes
6, 70), ein unfruchtbarer Bekenner. So gingen auch die törichten Jungfrauen aus
mit den andern, mit Lampen und Licht; waren auch wie die übrigen erwacht,
hatten sogar die Vermessenheit, als das Geschrei zur Mitternacht geschah, mit
den andern auszugehen dem Bräutigam entgegen; denn sie meinten, sie würden
ebenso gut wie die andern das Angesicht Christi schauen und seinen Blick
ertragen können, wenn er sitzen würde auf dem Throne des Gerichts. Aber dennoch
waren sie nur törichte, unfruchtbare Feigenbäume und fruchtlose Bekenner. Viele
werden an jenem Tage sagen: »Herr! Herr! dies und jenes haben wir getan«, und
werden von vielen wunderbaren Werken sprechen, doch siehe, er findet nichts an
ihnen als Früchte der Ungerechtigkeit; sie sind vor ihm ganz dürre und
unfruchtbare Bekenner (Matthäus 7, 22-23).
Dies Wort »gepflanzt« besagt sehr viel. Es setzt voraus, dass der
Feigenbaum aus seinem natürlichen Boden, von der Stelle, da er zuvor wuchs,
herausgenommen ist; einer, der den Ruf gehört und erwacht zu sein schien. Aber
noch mehr, dass er durch eine starke Hand aus der Natur in die Gnade, und von
der Sünde und dem Sündendienst zur Gottseligkeit gebracht ist. Du hast einen
Weinstock aus Ägypten geholt, und hast vertrieben die Heiden und denselben
gepflanzt (Psalm 80, 9).
Einige Reben dieses Weinstockes waren unfruchtbare Bekenner. Man muss
daher annehmen, dass dieser Bekenner, der nichtsdestoweniger unfruchtbar
bleibt, äußerlich und nach dem Urteil der Kirche auf die wahre Weise in
letztere hineingebracht ist, nämlich durch ein Sünden- und Glaubensbekenntnis,
und durch einen Schein von Buße und Bekehrung, wie sich die falschen Brüder
unvermutet einschleichen. AIles dies ist in dem Wort
»gepflanzt« ausgesprochen. Ja, noch mehr; dass nämlich die Kirche mit ihnen
zufrieden ist, und indem sie dieselben gleich den andern für aufrichtig hält,
zulässt, dass sie in dem Garten bleiben. Doch vor Gott sind sie gnadenlose,
dürre und unfruchtbare Bekenner. Es ist deshalb etwas anderes, in der Kirche zu
sein, als von der Kirche zu sein und dem Königreiche anzugehören, welches
behalten ist den Heiligen, die in Wahrheit solche sind. Oder wird er, obschon
er gepflanzt ist, gedeihen? Wird er nicht, wenn der Ostwind über ihn kommt,
ganz vertrocknen? Auf dem Platz seines Gewächses wird er vertrocknen (Hesekiel
17, 10).
In seinem Weinberg. Heuchler fürchten sich nicht, vor Gott in Zion zu
erscheinen. Diese Worte zeigen uns eine unerhörte Art von Vermessenheit und
verhärteter Frechheit. Denn welche Vermessenheit kann größer, welches Unternehmen
ruchloser sein, als dass ein unbegnadigter Mensch, dem die wahre Erkenntnis
Gottes fehlt, sich in solchem Zustande in die Kirche Gottes drängt? Oder wenn
solch ein Mensch den Namen Gottes bekennt und begehrt, dass dieser Name über
ihm angerufen werde? Denn wer Jesus Christus bekennt, der hat sich gehüllt in
den Namen Gottes. Der wird nun, so unfruchtbar er auch vor Gott und Menschen
ist, dafür gehalten, dass er mit Gott umgehe; für einen Menschen, der von Gott
erkannt ist und für den Gott einstehen wird. Alles dies gibt er durch sein
Bekenntnis öffentlich aus vor allen, bei denen er als Bekenner gilt. Menschen,
die rein natürlich sind, ich meine solche, die die Teufelskunst solcher
Heuchelei nicht gelernt haben, zittern davor, dies zu tun. Von den andern aber
durfte sich niemand zu ihnen tun, denn das Volk hielt groß von ihnen (Apostelgeschichte
5, 13). Weil dies Gott so sehr missfällt, so sagt er auch Jesaja 52, 1: O
Jerusalem, du heilige Stadt, in dich soll fortan kein Unbeschnittener mehr
eingehen. Und Kapitel 1, 12 spricht er: Wenn ihr hereinkommt, vor meinem
Angesicht zu erscheinen, wer fordert solches von euren Händen, dass ihr auf
meinen Vorhof tretet? - Sie haben deshalb auch diesen Hochmut von keinem in
dieser sichtbaren Welt gelernt, sondern allein von dem Satan. Denn allein er
und diese seine Jünger haben die Frechheit, sich in der Gemeine vor Gott
hinzustellen. Das Unkraut sind die Kinder des Bösen (Matthäus 13, 38). Aber das
Unkraut, nämlich die Heuchler, die Kinder des Satans und Otterngezüchte können
der höllischen Verdammnis nicht entfliehen.
Er sagte nicht: »er pflanzte einen Feigenbaum«, sondern, »der Baum war
gepflanzt«, oder »er fand einen Feigenbaum darin gepflanzt«. - Der große Gott
will den unfruchtbaren Feigenbaum oder Bekenner nicht als sein Werk anerkennen,
oder als einen Baum, den er in den Weinberg sollte gebracht haben; der Text
sagt nur, dass er einen Baum darin hatte. Dies stimmt mit dem überein, was man
Matthäus 15, 13 liest: Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht
gepflanzt hat, sollen ausgereutet werden. Hier handelt es sich auch um Pflanzen
in dem Weinberge, welche Gott nicht als von seiner Pflanzung kommend erkennen
wird; auch scheint dies anzudeuten, dass solcher viele in seinem Weinberge
sind. Denn: jede Pflanze, oder alle solche Pflanzen und Bekenner, die sich ohne
Gott und seine Gnade in die Versammlung der Heiligen, in die Bekenntnisse ihres
Gottesdienstes eingedrängt haben, alle diese sollen ausgereutet werden. Vgl.
Matthäus 22, 11-12: Und als der König hineingegangen war, um die Gäste zu
besehen, sah er allda einen Menschen, der hatte kein hoch-zeitliches Kleid an.
Und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hereingekommen und hast kein
hochzeitliches Kleid an? - Das ist einer, der so listig und schlau war, dass er
alle Gäste betrog; er kam und blieb in der Kirche, bis der König selbst kam, um
die anwesenden Gäste zu besehen. Aber seine List half ihm nicht, sie vermochte
die Augen des Königs nicht zu täuschen, noch das Urteil des Gerechten zu
wenden. »Freund, wie bist du hereingekommen?« Diese
Worte mussten ihn endlich verstummen machen. Der König deckte seine wahre
Gestalt auf vor allen Gästen, so dass er öffentlich verworfen wurde. »Wie bist
du hereingekommen?« Mein Vater hat dich nicht
hereingebracht, auch ich oder mein Geist nicht; du bist keine Pflanze meines
himmlischen Vaters. »Wie bist du denn hereingekommen?«
Wer nicht eingeht durch die Tür in den Schafstall, sondern anderwärts
einsteigt, ist ein Dieb und ein Mörder (Johannes 10, 1). Dieses Wort ist wohl
zu verstehen und verdient unsere ganze Beachtung; durch die Tür ist jener nicht
eingegangen und doch ist er in der Kirche. Er ist durchs Fenster eingestiegen
und eingebrochen; er hat einige Erkenntnis und einiges Licht von der
Herrlichkeit des Evangeliums unsers Herrn Jesu Christi in seinen Kopf
aufgenommen, und so hat der stolze und elende Mensch sich vermessentlich
unter die Kinder gedrängt. Wie aber nimmt dies der König auf? Was sagt er von
solchem Menschen? Dieser, sagt er, ist ein Dieb und ein Mörder. Hieran sehen
wir denn auch, dass nicht alle anerkannt werden als Pflanzen Gottes, die in
seiner Kirche sind oder das Bekenntnis seines Namens angenommen haben.
Er hatte einen Feigenbaum in seinem Weinberge, einen Menschen ohne
hochzeitliches Kleid im Hochzeitssaal, einen Dieb in seinem Hause. Anderwärts
sind diese eingestiegen, denn es gibt außer dem Eingang durch die Tür noch
verschiedene Wege, um in Gottes Kirche und zum Bekenntnis seines Namens zu
kommen. Hierhin gehört:
1.
Der Weg
der Lügen und der Heuchelei: Durch diese Öffnung kamen die Gibeoniter
hinein (Josua 9, 3, ff.).
2.
Manchmal
lassen sich die Wächter, veranlasst durch ihre fleischlichen Freunde oder aus
andern Gründen, Falschheit und Untreue zu Schulden kommen. Durch dieses Loch
kroch Tobias, der Feind Gottes, hinein (Nehemia 13, 4-9).
3.
Zuweilen
herrscht große Versäumnis und viel zu wenig Umsicht in der ganzen Kirche, und
durch dies Pförtchen wurden die Unbeschnittenen (Hesekiel
44, 7-9) hineingelassen.
4.
Manchmal
auch, wenn in der Kirche noch so vorsichtig verfahren wird, empfangen einige doch so viel Hilfe vom Teufel, dass sie
hineinschlüpfen, und alle von ihnen betrogen werden. Das ist jene Klasse von
Dieben, über welche Paulus klagt und die er nennt eingedrungene falsche Brüder,
die neben eingeschlichen seien (Galater 2, 3-4) und über welche _ludet laut
klagt, wenn er spricht V. 4: es sind etliche Menschen neben eingeschlichen. -
Eingeschlichen? Wie, waren sie denn so demütig? - Sie hatten eine selbsterwählte Demut und verschonten des Leibes nicht, das
doch keinerlei Wert hat (Kolosser 2, 23). O, welchen Schein der
Selbstverleugnung geben sich diese schleichenden, kriechenden Geschöpfe nicht,
die, wenn man sie erkennt, für Gräuel in Israel müssen gehalten werden (3. Mose
11, 43-44).
Doch in einem großen Hause, sagt der Apostel, sind nicht allein goldene
und silberne, sondern auch hölzerne und irdene Gefäße, einige zu Ehren, andere
zu Unehren (2. Timotheus 2, 20). In diesen Worten scheint der Apostel es
zuzugeben, dass es solcher unfruchtbaren Feigenbäume oder Bekenner in Gottes
Hause, wie allezeit so stets geben werde, selbst dann, wenn alle ihr
möglichstes getan haben werden, gerade so, wie in einem großen Hause einige
Gefäße sind zu Ehren und andere zu Unehren, hölzerne und irdene, goldene und
silberne. Folglich müssen denn auch hölzerne und irdene Bekenner sein in Gottes
Weinberge. Zwar will mich es dünken, als sei schon das Wort: »einige zu
Unehren«, ein beißendes Wort, und was man Römer 9, 21-22 von Gefäßen zu Unehren
liest, ist schrecklich; aber das vorliegende Wort scheint jenes noch zu
überbieten. jenes spricht nur von den Verworfenen im Allgemeinen, allein dieses
von einer besonderen Klasse derselben. Römer 9 spricht von ihrer Verhärtung auf
dem gewöhnlichen Wege; allein hier heißt es, dass sie sollen in die Kirche ein schleichen
dürfen, wo sie sich selbst müssen zubereiten für ihren Ort (Apostelgeschichte
1, 25), für den Ort, der für dieses Geschlecht ausschließlich bereitet ist; wie
denn auch der Herr Jesus einmal zu den Pharisäern sagte: Diese werden schwerer
Urteil empfangen (Lukas 20, 47). Unfruchtbarer Feigenbaum, unfruchtbarer
Bekenner! Hörst du alle diese Worte wohl? Hast du es beachtet, dass dieser
Feigenbaum von Gott nicht als der seinige erkannt, sondern bezeichnet wird als
einer, der nicht zu seinen Pflanzen gehört, nicht von ihm in den Hochzeitssaal
gebracht ist? Siehst du nicht, dass du ein Dieb und ein Mörder genannt wirst,
der, statt zur Tür einzugehen, über die Mauer gestiegen oder anderwärts
eingeschlichen ist? Hörst du nicht, dass es im Hause Gottes hölzerne und irdene
Gefäße geben wird, und dass dieselben an keinem Orte schneller und völliger für
die Hölle zubereitet werden, als in Gottes Haus, Kirche oder Weinberg?
Unfruchtbarer Feigenbaum! Unfruchtbarer Christ! Muss dir dies nicht in den
Ohren gellen?
Wenn jemand ein Bekenntnis angenommen und sich in die Kirche oder das
Haus Gottes eingedrängt hat, so lautet die Frage nun nicht mehr: hat er Leben?
ist der rechte Grund in ihm gelegt?, sondern: hat er
Frucht? Er kam und suchte Frucht darauf! Es handelt sich nun nicht mehr darum,
ob Gott, ob der Teufel oder dein eigenes ruhmsüchtiges Herz dich in den
Weinberg gebracht haben, sondern die Frage lautet nur: Hast du Frucht? Bringst
du Gott Früchte? Denn: es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen
Christi nennt (2. Timotheus 2, 19). Der Apostel sagt nicht: Ein jeder, der in
der Gnade stehe, oder der den Geist Gottes hat, sondern: ein jeder, der den
Namen Christi nennt, trete ab von der Ungerechtigkeit. Warum befassen sich die
Menschen mit Gottesdienst, warum nennen sie sich nach dem Namen Christi Jesu,
wenn ihnen Gottes Gnade nicht geschenkt ist, wenn ihnen der Geist Christi
fehlt? Gott erwartet Frucht von ihnen, was tun sie sonst im Weinberge? Sie
müssen darinnen arbeiten, oder sie müssen hinaus. Mein Sohn, gehe hin und
arbeite heute in meinem Weinberge (Matthäus 21, 28). Dass ihm die Gnade und der
Geist fehlt, wird Gott nicht abhalten, Frucht zu
suchen. Und er kam und suchte Frucht darauf Der Herr sucht das, was solch ein
Mensch zu haben scheint. Denn wer in Gottes Haus und Weinberg steht, beteuert
es sich selbst, bekennt es andern und will, dass alle Menschen unbedingt es
glauben sollen, dass in ihm ein himmlischer Grund sei. Warum sollte denn Gott
nicht kommen, Frucht zu suchen?
Denen aber, die für gottesfürchtige Christen gehalten sein wollen, ohne
dass es ihnen Gewissenssache ist, ihm Früchte zu bringen, solchen sagt Gott: So
gehet hin und diene ein jeglicher seinen Götzen; aber meinen heiligen Namen
lasst hinfort ungeschändet mit euren Opfern und Götzen (Hesekiel 20, 39).
Unfruchtbarer Feigenbaum! hörst du? Gott erwartet und fordert Frucht; ja, Gott
wird bald kommen, um Frucht auf dir zu suchen. Unfruchtbarer Feigenbaum! Du
musst entweder Frucht tragen oder den Weinberg verlassen, und auch dann wird
dein Los ein unaussprechlich elendes sein; ja, lass mich hinzufügen: wenn du
weder Frucht tragen, noch den Weinberg verlassen willst, so wird Gott seinen
Namen aus deinem Munde nehmen, weil er gesagt hat: Siehe, ich schwöre bei
meinem großen Namen, dass mein Name nicht mehr soll durch eines Menschen Mund
aus Juda genannt werden (Jeremia 44, 26). Er will Frucht haben. Und weiter sage
ich: ob du schon keines von beiden tun willst, so wird Gottes Gerechtigkeit sie
dennoch suchen, und eitel wird es dann sein, zu denken, dies sei Härte; denn er
wird schneiden, wo er nicht gesät hat, und sammeln, wo er nicht Bestreuet hat
(Matthäus 25, 24-26). Hörst du dies wohl, unfruchtbarer Feigenbaum? Wie, sagst
du, ohne zu fragen, ob ich Gnade habe oder nicht? Ja, weil du ein Bekenntnis
hast.
Die Kirche und ein Bekenntnis sind keine Stätten, da die Ungerechten
sich mit ihren Sünden verbergen könnten, vor Gott. Von Alters her meinten
manche, weil sie rufen könnten: des Herrn Tempel, des Herrn Tempel sind wir, so
hätten sie deswegen Freiheit, ihre Gräuel zu verüben, wie ja auch in diesen
Tagen manche ihre Gräuel treiben. Denn wer, sagen sie, hat ein Recht an die
Kreatur, wenn nicht die Christen, die Bekenner, die Glieder der Kirche. Hierauf
gestützt lassen sie ihren Lüsten und Neigungen zu Hochmut, Ehrfurcht,
Schwelgerei und dergleichen vollen Zügel schießen, weiden sich ohne Furcht (Judas
12), wecken ihre Begierden, indem sie sich besudeln mit den Moden der Zeit, da
sie einhergehen mit erhobenem Haupte, nacktem Busen, fein gekräuseltem
Brustschmucke, unsittlichen Gebärden, in prächtigen Kleidern mit Gold und
Perlen köstlich geziert. Ihr Leben will ich hier nicht untersuchen, nicht ihr
Betragen in ihren Häusern, in ihren Winkeln und verborgenen Höhlen; doch steht
es fest, dass Menschen, die also gesinnt sind, die von solchen Geistesrichtungen
und Neigungen beherrscht werden, nur kahle Zweige haben, Zweige, die der Frucht
entbehren, die doch Gott erwartet und suchen wird. Unfruchtbarer Feigenbaum!
Weder dein Bekenntnis, noch der Herr des Weinberges geben dir die Freiheit,
solche Gomorra-Trauben zu tragen, auch wird weder der
Weingarten noch dein Eindringen unter Gottes Bäume dich vor seinen Augen
verbergen können. Viele freilich gebrauchen den Gottesdienst und Christum als
Deckmantel, um sich so in ihren Gottlosigkeiten vor den Menschen zu verbergen,
allein Gott sieht ihr Herz, auf dem Fuße folgt er ihnen nach, er achtet auf
alle ihre Wege; und wenn dann ihre fluchwürdige Ungerechtigkeit offenbar wird,
so wird er sie schlagen mit Verhärtung des Herzens und sie gänzlich verlassen, oder
er wird sie noch aufwecken, dass sie Frucht bringen. Nach Frucht sieht er;
Frucht sucht er; Frucht erwartet er. Unfruchtbarer Feigenbaum! hörst du es
nicht?
Aber wie? Willst du denn vor Gottes Angesicht kommen, um zu sündigen?
Willst du vor ihn kommen, um die Sünden zu verbergen? O Mensch! Die Kirche ist
Gottes Garten, und Christus Jesus ist der Apostel und Hohepriester, den wir
bekennen (Hebräer 3, 1). Willst du denn in das Haus treten, das nach seinem
Namen genannt ist? In die Stätte des Heiligtums seiner Ehre (Psalm 26, 8), wo
seine Augen und sein Herz alle Tage sind (1. Könige 9, 3)? Willst du dahin
kommen, um zu sündigen, um die Sünden zu verbergen und zu bemänteln? Sein
Gewächs ist wie ein Lustgarten von Granatäpfeln, mit edlen Früchten, Cypern mit
Narden (Hohelied 4, 13-15), und jeder Gang durch
seinen Garten hat den Zweck, zu sehen nach den grünen Früchten der Täler, zu
sehen, ob der Weinstock blüht und die Granatäpfel ausschlagen (Hohelied 6, 10).
Ja, er kam und suchte Frucht auf diesem Feigenbaum. Die Kirche ist Gottes
Freudenstätte; da begehrt er Tag und Nacht zu sein; da sucht er Frucht, Frucht
an allen Bäumen, die im Garten stehen. Sei deshalb versichert, unfruchtbarer
Baum, dass seine Wege bloß und entdeckt sein werden vor den Augen des Herrn.
Ein schwarzes Schaf ist bald bemerkt, selbst unter vielen andern, es wird
gesehen, sobald man nur die Augen aufschlägt, seine eigene Farbe verrät es.
Deshalb sage ich, dass die Kirche und ein Bekenntnis keine Stätten sind, wo die
Ungerechten sich verbergen könnten vor Gott, der da kommt, Frucht zu suchen.
Mein Weingarten, den ich habe, sagt er, ist vor meinem Angesicht (Hohelied 8,
12).
Unfruchtbarer Feigenbaum, höre doch! Die beständige Unfruchtbarkeit ist
ein schreckliches Zeichen dafür, dass du ein entsetzliches Ende nehmen wirst,
wie der Schluss dieses Gleichnisses ausweist. - Und fand sie nicht. Er fand
keine, d. h. keine, die Gott gefiel. Denn wenn gesagt
wird: er kam und suchte Frucht darauf, dann wird solche Frucht gemeint, die
Gott wohlgefällig ist (Hebräer 11, 6), die angenehm ist vor ihm (Hebräer 6, 7),
Früchte, die gut und angenehm sind. Ach, nicht jede Frucht wird hier bestehen;
böse Früchte werden nicht für Früchte gerechnet. Ein jeder Baum, der nicht gute
Früchte bringt, wird ausgehauen und ins Feuer geworfen (Matthäus 3, 10). Es
gibt verschiedene Früchte, die nicht gut sind, so gibt es:
Nichts erfreut und befriedigt den Herrn mehr, als Frucht. Da nun die
Zeit der Früchte sich näherte, sandte er seine Diener zu den Landleuten, um
seine Früchte zu empfangen (Matthäus 24, 34). Fragt man nun: welche Früchte
erwartet Gott? so antworte ich: der Herr erwartet gute Früchte. Ein jeder Baum,
der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen (Matthäus
7, 19). Bevor nun die Frucht gut sein kann, muss zuerst der Baum gut sein; denn
die gute Frucht macht keinen guten Baum, aber jeder gute Baum bringt gute
Früchte. Liest man auch Trauben von den Dornen oder Feigen von den Disteln
(Matthäus 7, 16-17)? Ein Mensch muss erst gut sein, sonst kann er nicht gute
Früchte bringen. Ihm muss zuvor die Gerechtigkeit zugerechnet werden, in der er
vor Gott stehen kann als ein vom Fluch des Gesetzes Erlöster. Es müssen seiner
Seele zuvor die Anfänge des neuen Lebens eingeflößt sein, wie sollte er sonst
gute Früchte bringen können? Darum werden des Christen Früchte genannt Früchte
des Geistes (Galater 5, 22), wie auch Früchte der Gerechtigkeit, die durch
Jesum Christum geschehen (in euch), zur Ehre und zum Lobe Gottes (Philipper 1,
11). Werden sie aber Früchte des Geistes genannt, so muss zuvor der Geist da
sein, und sollen sie Früchte der Gerechtigkeit heißen, so muss sich vorher die
Gerechtigkeit finden. Doch ich werde hierüber noch einige wenige Worte reden.
Da, nach diesem Ärgernis; da, nachdem er Früchte gesucht und nicht
gefunden hatte. Das Wörtchen »da« drückt einen innerlichen Unwillen aus; wie er
denn auch bei dergleichen Ärgernissen an einer andern Stelle spricht: sondern
dann wird des Herrn Zorn und Eifer rauchen über solchen Mann, und werden sich
auf ihn legen alle Flüche, die in diesem Buche geschrieben sind. Und der Herr
wird seinen Namen austilgen unter dem Himmel (5. Mose 29, 18-20).
Dieses »da« deutet darauf hin, dass er nun fest darüber entschlossen
sei, was er mit diesem Feigenbaume beginnen sollte. Da sprach er zu dem
Weingärtner, d. i. zu dem Herrn Jesus: siehe; das will so viel sagen, als:
»komme herbei, hier ist ein Feigenbaum in meinem Weinberge, hier ist ein
Bekenner in meiner Kirche, der ist unfruchtbar und trägt keine Frucht.« Man merke hieraus, was auch immer ein unfruchtbarer
Bekenner hier auf Erden von sich selbst denken mag, dass der Herr im Himmel
dennoch wider ihn zeugt und ausruft: Wohlan, ich will euch zeigen, was ich
meinem Weinberge tun will. Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er verwüstet
werde, und seine Wand soll zerrissen werden, dass er zertreten werde (Jesaja 5,
5).
Merke hier, drei Jahre. Gott ruft aus, seine Geduld sei missbraucht und
seine Langmut nicht geachtet; siehe, diese drei Jahre lang habe ich gewartet
und getragen; während dieser drei Jahre habe ich meinen Zorn zurückgehalten.
Darum habe ich meine Hand ausgestreckt wider dich, dass ich dich
verderben will; ich bin des Erbarmens müde (Jeremia 15, 6). Drei Jahre; seht,
wie Gott der ganzen Zeit gedenkt, . welche ein
unfruchtbarer Feigenbaum oder ein unfruchtbarer Bekenner in dieser Welt
missbraucht hat; wie er auch zu Israel sprach: Vierzig Jahre habe ich Geduld
gehabt mit diesem Geschlecht (Psalm 95, 10). Drei Jahre, drei Zeiten. Merke
hier! Gott zählt die Zeiten auf, die du missbraucht hast; denn diese drei Jahre
bedeuten ebenso viele Zeitabschnitte. »Da nun die Erntezeit nahte«, d. i. die
Zeit, in welcher die Früchte beginnen zu reifen, oder in welcher man erwarten
durfte, dass sie reif seien. Unfruchtbarer Feigenbaum! Es sind dir Gnadenzeiten,
Bußpredigten, Belehrungen, Drangsale, Züchtigungen, Barmherzigkeit und was
nicht sonst zu Teil geworden, und dennoch bist du nicht fruchtbar gewesen. Du
bist erweckt, gedemütigt, bedroht und erquickt worden, und trotz alledem bist
du unfruchtbar geblieben. Nun wohl, Gott selbst hat drei Jahre dich in seiner
Schule gehabt; er gedenkt jeder Gnadenzeit, jeder Predigt, jeder Belehrung,
jeder Züchtigung, jeder empfangenen Erkenntnis, jeder Barmherzigkeit, jedes erwecklichen Vorbildes, jeder Einladung und auch aller der
Stunden, in welchen du ihn zum Zorn gereizt hast, - alles dessen gedenkt er,
wie er vor Zeiten schon von Israel sagte: Die mich nun zehnmal versucht, und
meiner Stimme nicht gehorchet haben (4. Mose 14, 22); und Hosea 7, 4: aber bald
sollen ihre Taten sie umringen; denn sie stehen vor meinem Angesichte. Er sucht
die Frucht jeder Gnadenzeit, welche du erlebt hast; er will nicht, dass eine
Predigt, noch eine seiner Belehrungen, Züchtigungen und Gerichte, noch ein
Beweis seiner Barmherzigkeit soll verloren sein oder für nutzlos gehalten
werden. Gott will, dass ihm vergolten werde, wie er gegeben hat (2. Chronik 32,
25). Er hat nichts ohne Grund getan, was es auch sein möge, aber darum erwartet
er auch Frucht. So siehe denn zu, unfruchtbarer Feigenbaum!
Merke hier, dass das Wort »suchen« ein genaues Untersuchen bedeutet;
denn wenn jemand an einem Baume Frucht sucht, so geht er um denselben herum,
nach hinten und nach vorne, er sucht bald auf diesem, bald auf jenem Zweige, er
neigt sich zu den innersten und niedrigsten Zweigen, dass er, wenn möglich,
Frucht finde. Unfruchtbarer Feigenbaum! Gott wird alle deine Äste besichtigen;
er wird deine Bettfrüchte, deine Mitternachtsfrüchte, die Früchte deiner
geheimen Kammern, deiner Familie und deines Wandels in Augenschein nehmen, ob
sich vielleicht einige darunter finden, welche seines Namens würdig sind. Denn
er sieht, was das Haus Israel in der Finsternis tut (Hesekiel 8, 12). Auch ist
alles bloß und entdeckt vor den Augen dessen, von dem wir reden (Hebräer 4,
13).
Ich sagte vorhin, Gott gedenke der Gnadenzeiten und Gelegenheiten,
welche der unfruchtbare Bekenner mit gottlosem Herzen missbraucht hat. Weil nun
Gott den Feigenbaum hervorhebt, wenn er sagt »dieser Feigenbaum«, so gibt er
dadurch zu verstehen, dass ein unfruchtbarer Bekenner vor allen andern ein
beständiger Abscheu in Gottes Augen ist. Dieser Feigenbaum, dieser Mann Chanja (Jeremia 22, 28). Dies Volk ehret mich mit seinen
Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir (Jesaja. 29, 13). Gott weiß und kennt
unter all den Tausenden in Israel die unfruchtbaren Bekenner. Sein Los fällt
auf das Haupt eines Achan, ob schon er unter sechsmal
hundert tausend Mann verborgen war. Und da er sein Haus herzu brachte, einen
Mann nach dem andern ward getroffen Achan, der Sohn Charmi, des Sohnes Sabdi, des
Sohnes Serah, aus dem Stamme Juda (Josua 7, 18).
Dieser ist der Achan, ist der Feigenbaum, ist der
unfruchtbare Bekenner.
Wenn jemand hundert Bäume in seinem Weinberg hat und kommt dann zur
rechten Jahreszeit, um zu sehen, wie die Bäume blühen, so geht er auf und ab
und besieht sie genau, wie sie mit Früchten behangen sind. Aber siehe, er
findet einen, an welchem er nichts findet als Blätter. Vor diesem bleibt er
stehen, betrachtet ihn wiederholt, um und um, oben und unten; wenn er aber nach
allem Suchen nur Blätter findet, so überlegt er, wie er diesen Baum im nächsten
Jahre wieder erkennen möge, merkt sich, was neben ihm steht, oder wie weit er
von der Hecke entfernt ist; und wenn sich nichts findet, das ihm als
Kennzeichen dienen könnte, dann nimmt er seine Hacke und gibt ihm hiermit ein
verborgenes Zeichen, indem er sagt: Da, du unfruchtbarer Feigenbaum, du hast
diese Zeit, so gelegen sie war, unnütz durchgebracht. Gleichwohl haut er ihn
nicht aus, sondern denkt: ich will es noch ein Jahr ansehen, vielleicht habe
ich es nicht gut getroffen. So kommt er dann im nächsten Jahre, um zu sehen, ob
er jetzt Frucht trägt; doch er findet ihn ebenso wie vordem, nämlich
unfruchtbar; er durchsucht ihn, aber er findet keine Frucht. Jetzt kommen ihm
andere Gedanken. Wie, denkt er, im verflossenen Jahre nicht getroffen, und nun
wieder nicht? Die Unfruchtbarkeit liegt. sicherlich nicht in der Witterung,
sondern in dem Baume selbst. Aber dennoch will ich ihn auch dieses Jahr noch
verschonen, nur will ich ihm ein zweites Zeichen geben. Und vielleicht zeichnet
er ihn jetzt mit einem Brandmal, denn sein Zorn fängt an sich zu erheben.
Darauf kommt er zum dritten Mal. Aber auch im dritten Jahre ist es, wie im
ersten und zweiten: er findet keine Frucht, der Baum nimmt nur unnütz das Land
ein. Was muss denn nun mit diesem Feigenbaum geschehen? Der Herr Zebaoth wird
die Äste mit Macht verhauen, ja die Zweige solche Bekenner mit Eisen (Jesaja 10,
33. 34). Ich bin nun drei Jahre gekommen und habe Frucht gesucht, spricht der
Herr, und finde sie nicht; er hat nun drei Jahre die Erde vergeblich
eingenommen; haue ihn aus. Gebot auf Gebot, Mahnung auf Mahnung habe ich ihm
Jahr auf Jahr, drei Jahre hindurch, erteilt, doch ist keine Frucht zu finden.
Bringt mir die Axt her; ich bin gewiss, dies ist der Feigenbaum, ich kenne ihn
vom ersten Jahre an. Damals erkannte ich ihn an der Unfruchtbarkeit, jetzt ist
wiederum Unfruchtbarkeit sein Zeichen. Macht ihn fertig zum Verbrennen. Es ist
schön die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum, welcher Baum nicht gute
Frucht bringet, wird ausgehauen und in das Feuer geworfen (Matthäus 3, 10).
Merkt wohl darauf, meine Brüder! Gottes Herz kann sich nicht freuen über
einen unfruchtbaren Feigenbaum. Ihr wisst es ja selbst aus eigener Erfahrung,
wie ihr einen unnützen, hinderlichen Baum nicht mit Lust und Wohlgefallen in
eurem Garten sehen könnt. Ja, wenn ihr nur im Vorbeigehen ihn anseht oder an
ihn denkt, so sprecht ihr schon bei euch: bald werde ich dich wohl aushauen zum
Verbrennen. Vergeblich würde es auch sein, euch überreden zu wollen, mit dem
unfruchtbaren Baum nachsichtiger zu sein, und wenn man es wirklich versuchte,
so würde eure beständige Antwort sein: er bringt mir keinen Nutzen; er hindert
das Land und ist ganz unnütz; es kann ein anderer an seine Stelle gepflanzt
werden.
Wenn die gottesfürchtigen Juden den Herrn baten, dass er das rebellische
Israel doch nicht möchte aus dem Weinberge stoßen (Jeremia 14, 7 ff.), was
antwortete ihnen dann der Herr? Und wenn gleich Mose und Samuel vor mir
ständen, so habe ich doch kein Herz zu diesem Volk; treibe sie weg von meinem Angesicht
und lass sie hinfahren (Jeremia 15, 1). Welch ein unerschütterlicher
Entschluss! Mose und Samuel konnten fast alles durch das Gebet von Gott
erlangen. Wie oft hat nicht Mose die Gerichte Gottes durch das Gebet abgewandt,
selbst von Pharao? Wie oft hat er nicht Israel in der Wüste vor dem Zorn und
Grimme Gottes durch das Gebet behalten? - Und er sprach, er wollte sie
vertilgen, wo nicht Mose, sein Auserwählter, vor seinem Angesicht im Riss
gestanden hätte, seinen Grimm abzuwenden, dass er sie nicht gar verderbte (Psalm
106, 23). Auch Samuel war hierin besonders bevorzugt. Nur eins, um zu zeigen,
in welch hohem Maße dies der Fall war. Als Israel sich so schwer verging, einen
König zu begehren und den Herrn verlassen zu wollen, da bat er den Herrn, und
der Herr schonte ihrer und vergab ihnen (1. Samuel 12). Aber Mose und Samuel
können keinen unfruchtbaren Feigenbaum retten. O nein! Und wenn gleich Mose und
Samuel vor mir ständen, weinend, bittend und flehend, so sollten sie dennoch
mein Herz nicht können zu diesem Volke neigen.
»Aber Herr, es ist ein Feigenbaum! Wäre es ein Dorn-, ein
Brombeerstrauch oder eine Distel, so wäre es nicht der Rede wert, aber es ist
ein Feigenbaum oder ein Weinstock.« Nun gut, hört, was
der Herr hierauf antwortet: Du Menschenkind, sagt er, was ist das Holz vom
Weinstock vor anderen Holz? Oder eine Rebe vor anderem Holz im Walde? Nimmt man
es auch, um etwas daraus zu machen? Oder macht man auch einen Nagel daraus,
daran man etwas hängen möge (Hesekiel 15, 2-3)? Wenn die Bäume, welche gesetzt
oder gepflanzt sind, um Frucht zu bringen, keine Früchte tragen, dann ist
zwischen ihnen und den Bäumen des Waldes kein Unterschied; noch weniger sind
sie besser als diese, vielmehr würden die Bäume des Waldes den Vorzug haben, da
sie noch zum Bauen zu verwenden sind. Wenn aber ein Feigenbaum oder Weinstock
keine guten Früchte trägt, so ist er zu nichts nütze, denn dass er ausgehauen
und bewahret werde zum Verbrennen, wie auch der Prophet fortfährt: Siehe, man
wirft es in das Feuer, dass es verzehret wird (wenn es zum Fruchttragen nicht
taugt, so taugt es doch noch für das Feuer), dass das Feuer seine beiden Enden
verzehret, und sein Mittelstes verbrennet. Ja, aber diese Feigenbäume oder
Weinstöcke waren Kirchenglieder oder Einwohner Jerusalems. - So hört, was Gott
auf solche Einreden antwortet (Hesekiel 15, 6-7): Darum, so spricht der Herr Herr: gleich wie das Holz des Weinstocks ist unter dem Holz
des Waldes, welches ich dem Feuer übergebe, dass es verzehret werde, so will
ich die Einwohner Jerusalems auch dahingeben. Denn ich will mein Angesicht
wider sie setzen; wenn sie einem Feuer entronnen sind, soll ein anderes sie
fressen.
Wenn jemand an seinem Garten rechte Freude hat und sich ein fruchtbarer
Sprössling oder hoffnungsvolle Knospe darin findet, so wird er dieses
Pflänzchen sehr wert halten; verdorrt und erstirbt es aber und hindert es das
Land, so wird er es weiter nicht in seinem Garten dulden wollen. Gärten und
Weingärten sind Stätten, in welchen man Früchte sucht, Früchte, wie sie der
Natur der Pflanzen entsprechen. Nimm an, du hättest in deinem Garten einen
solchen abgestorbenen Sprössling, wie ich ihn oben beschrieben habe, würdest du
denselben wohl in deinem Garten stehen lassen? Gewiss nicht; vielmehr würdest
du sagen: weg, weg mit dem! Um die Blütezeit kommt einer in seinen Garten,
übersieht erst alles flüchtig, und beginnt sodann, das Unkraut, die Nesseln
auszuziehen, die Steine wegzuschaffen und die Wege zu reinigen. Ist dies
geschehen, so besieht er seine Pflanzen und Sprösslinge, ob sie Leben haben und
gedeihen. Kommt er aber zu einer Pflanze, die erstorben und tot ist, so dass
sie zu jedem Wachstum unfähig ist, so reißt er sie aus und wirft sie mit
Verachtung auf den Düngerhaufen; er achtet ihrer nicht mehr, als der Nessel und
des andern Unkrautes oder des Staubes, den er von den Wegen zusammengefegt hat.
Ja, wenn jemand ihn sähe und sagte: Warum tust du das? so würde er antworten:
Diese Pflanze ist erstorben, sie ist tot an der Wurzel. Wenn ich sie stehen
ließe, so würde sie doch nur das Land hindern. Alle fremden Pflanzen (auch die
erstorbenen) sollen nur ein (zusammengeworfener) Haufe sein in den Tagen des
Elends und der großen Schmerzen (Jesaja 17, 10-11).
Man kann auf zweierlei Weise ausgehauen werden, zu-nächst dadurch, dass
man aus dem Weinberge gestoßen wird; sodann, wenn man aus der Welt gerissen
wird.
I.
Wenn
man aus dem Weinberge gestoßen wird. Dies geschieht auch auf zweierlei Art,
entweder durch die unmittelbare Hand Gottes oder von der Kirche, durch die
kräftige Handhabung der Macht, welche Christus derselben zum Züchtigen
anvertraut und vermacht hat. Der Herr, sage ich zunächst, schneidet einen
unfruchtbaren Feigenbaum unmittelbar durch seine Hand ab. Er schlägt ihn an
seinen Wurzeln, vertilgt seine Zweige durch Feuer und nimmt ihn so aus der
Mitte der Seinen fort. Einen jeglichen Reben, sagt Christus, der an mir nicht
Frucht bringet, wird er wegnehmen (Johannes 15, 2). Er wird ihn wegnehmen aus
der Gemeinde, wegnehmen von den Gottseligen. Zwei Wege schlägt Gott ein, wenn
er einen unfruchtbaren Bekenner von seinen Kindern wegnimmt; zuweilen durch
kräftige Irrtümer, und zwar diejenigen, welche die Seele verführen durch verdammliche Lehren und vom Glauben und von der
Gottseligkeit ableiten. Diese erwählen auch ihre Wege, sagt Gott, und ihre
Seele hat Gefallen an ihren Gräueln. Darum will ich auch den Lohn ihrer Taten
wählen, und was sie scheuen, will ich über sie kommen lassen (Jesaja 66, 3-4).
Ich will sie schlagen, spricht der Herr, mit Blindheit und Verhärtung des
Herzens; ich will auch zu-lassen, dass der Versucher sie versuche und seine
höllischen Pläne wider sie ausführe. Darum wird ihnen Gott senden kräftige
Irrtümer, dass sie glauben müssen den Lügen. Auf dass gerichtet werden alle,
die der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern haben Lust gehabt an der
Ungerechtigkeit (2. Thessalonicher 2, 11-12).
Bisweilen nimmt aber Gott auch einen unfruchtbaren Bekenner weg durch offenbare
Gottlosigkeit. Da ist z. B. einer, der das Bekenntnis des hochwürdigen Namens
Jesu Christi angenommen hat; doch dies sein Bekenntnis benutzt er nur zum
Deckmantel seiner Sünden; er dient heimlich der Gottlosigkeit. Er ist ein
Fresser, ein Säufer, ein Geiziger oder ein Unreiner. Halt, spricht der Herr,
ich will diesem Bekenner die Zügel schießen lassen, ich will ihn seinen
unlauteren Bewegungen, seinen viehischen Lüsten und Begierden übergeben; er
soll durch gottlose Gesellschaft gefangen werden. Wenn sie nun abweichen auf
ihre krummen Wege, wird der Herr sie wegtreiben mit den Übeltätern (Psalm 125,
5). Das ist Gottes unmittelbare Hand, es ist der Herr selbst, der nun solch
einen Menschen richtet. Unfruchtbarer Feigenbaum! Höre doch zu! Du bist durch
ein Bekenntnis in die Gemeinde eingedrungen, hast dich zu den Gottseligen
gesellt, als eine Schande für das heilige und herrliche Evangelium. Doch bist
du zu-gleich so arglistig, dass du, den Söhnen Zerujas
gleich, der Gemeinde zu hart bist; sie weiß nicht, was sie mit dir beginnen
soll, darum wird der Herr selbst mit dir handeln. Ein jeder Mensch, welcher von
mir weicht, und seine Götzen in seinem Herzen aufrichtet, und ob dem Ärgernis
seiner Abgötterei hält, und zum Propheten kommt, dass er vor ihm mich frage: so
bin ich der Herr; ihm soll durch mich geantwortet werden. Und ich will mein
Angesicht wider denselben setzen, dass er soll wüste und zum Zeichen und
Sprichwort werden; und will ihn ausrotten aus meinem Volk, dass ihr erfahren
sollt, ich sei der Herr (Hesekiel 14, 7-8).
II.
Gott
haut zuweilen auch den unfruchtbaren Feigenbaum aus durch die Kirche, wenn
dieselbe die Macht gebraucht, welche Christus ihr für alle Zeit zum Züchtigen
gegeben hat. So ist Matthäus 18, 15-17; 1. Korinther 5, 13 und 1. Timotheus 1,
20 zu verstehen. Doch will ich hierauf vorläufig nicht weiter eingehen. Auf
welche Weise nun auch der Herr mit dir handelt, unfruchtbarer Feigenbaum, es
sei unmittelbar durch seine eigene Hand, oder durch seine Kirche, es läuft auf
dasselbe hinaus. Denn wenn eine baldige Bekehrung diesem Gericht nicht
zuvorkommt, so ist solcher Seelen Ende die Verdammnis. Sie werden geschlagen
und verdorren, und werden gesammelt durch Gottes Feinde, und ihr Ende, wenn sie
in das Feuer geworfen sind, muss sein: Verbrennen. Welche aber Dornen und
Disteln trägt, die ist untüchtig und dem Fluch nahe, welche man zuletzt
verbrennt (Hebräer 6, 8).
Zuweilen schneidet Gott jemanden ab, indem er ihn von der Welt nimmt. So wurden
Nadab und Abihu durch ihn
abgeschnitten und ausgehauen. Da fuhr ein Feuer aus vom Herrn und verzehrte sie
(3. Mose 10, 2). So haute er Korah, Dathan und Abiram aus, als er die
Erde unter ihnen zerriss, und sie lebendig hinunterfuhren in die Hölle (4. Mose
16, 31-33). So schnitt er Saul ab, als er ihn dahingab, dass er in sein eigenes
Schwert fiel (1. Samuel 31, 4). So schnitt er Ananias und dessen Weib Saphira
ab, als er sie ließ tot zur Erde sinken mitten in der Gemeinde (Apostelgeschichte.
5, 5-10). Ich könnte hier noch sprechen von Absalom, Ahitophel
und Judas, welche alle drei erhenkt wurden. Der erste durch. Gottes rächende
Hand, die beiden andern von ihm dahingegeben, dass sie ihre eigenen Henker sein
mussten. Diese alle waren unfruchtbare und unnütze Feigenbäume, an welchen Gott
kein Wohlgefallen hatte, weshalb er auch gebot, dieselben auszuhauen. Darum
sagt der Psalmist: Ehe denn eure Dornen reif werden am Dornstrauch, wird er ihn
lebendig, wie in brennendem Zorn, wegreißen (Psalm 58, 10). Unfruchtbarer
Feigenbaum, hörst du dies wohl? Gott fordert schon sein Schwert, seine Axt und
spricht: bringe sie her, hier ist ein unfruchtbarer Bekenner; haue ihn aus, was
hindert er das Land?
Des Herrn Unwille wider den unfruchtbaren Feigenbaum hat diese Worte
geredet. Er hindert das Land; der Heilige Geist straft nicht allein und nimmt
Anstoß an seiner Unfruchtbarkeit, nein, auch weil er das Land hindert, muss er
ausgehauen werden. Wie gewaltig muss er Gottes Zorn reizen, weil er stets und
so viel er konnte, sich vor den Augen des Herrn zu verbergen gesucht hatte,
wenn dieser in seinem Weinberge arbeitete. Hatte er doch auch des Herrn
Langmut, schonende Liebe und Geduld drei Jahre verachtet und missbraucht; hatte
er doch seine Arbeit, seine Mühe, seine Sorge, seine Vorsehung, sein Beschirmen
und Bewahren missbraucht. Alles dies war ja auch an ihm geschehen, denn Gott
umzäunt und ummauert seinen Weinberg von allen Seiten. Siehe, du unfruchtbarer
Feigenbaum! Alles dies hast du missbraucht; du, der du das Land hinderst. Er
befeuchtet seinen Weinberg immerdar, er behütet ihn Tag und Nacht, du aber hast
dies alles missbraucht. Doch nicht so allein hast du Gottes Missfallen gereizt;
höre noch weitere Gründe seines Unwillens:
Dies sind die Worte des Weingärtners, welcher, wie oben gesagt, der Herr
Jesus ist, denn Er hat für die Übeltäter gebetet (Jesaja 53, 12). Er bittet den
gerechten Gott, der bis dahin Geduld geübt, er möge dem unfruchtbaren, das Land
hindernden Feigenbaum noch etwas Zeit geben und ihm noch ein wenig Langmut
erzeigen. Sechs Stücke sind in dieser Bitte besonders zu beachten:
1.
Dass
sie um Aufschub der Gerechtigkeit fleht: Herr, lass ihn noch usw.
2.
Eine
Zeit wird festgestellt, während welcher versucht werden soll, ob ein
unfruchtbarer Feigenbaum durch Anwendung verschiedener Mittel gesund werden
könne: Herr, lass ihn noch dies Jahr.
3.
Die
Mittel, solches zu erreichen, werden genannt: bis dass ich um ihn grabe und
bedünge ihn.
4.
Sodann
wird die Möglichkeit ausgesprochen, dass nach aller Mühe Gottes Hoffnungen in
Erfüllung gehen könnten: wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen.
5.
Die
Möglichkeit, dass der unfruchtbare Feigenbaum nach aller Mühe, welche Christus
an ihn wenden will, noch unfruchtbar sein könne: wo nicht usw.
6.
Endlich
spricht sich der feste Entschluss aus, ihn, wenn er bei alledem unfruchtbar
bleiben sollte, auszuhauen. Wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen, wo
nicht, so haue ihn darnach aus.
Doch ich werde nach meiner früheren Weise näher in die einzelnen Teile
eingehen.
Wahrlich, das ist eine erstaunenswerte Gnade, dass dem Herrn Jesus an
einem unfruchtbaren Feigenbaum noch etwas gelegen ist, dass er hinzutritt, um
den Schlag von ihm abzuwehren. Freilich, er wehrt den Schlag nur für eine
Zeitlang ab, aber was verpflichtet ihn überhaupt zur Abwehr desselben? Warum
brachte er nicht vielmehr selbst die Axt herzu, um das Urteil zu vollziehen?
Warum haute er selbst ihn nicht aus? Unfruchtbarer Feigenbaum! Ein Glück ist es
für dich, dass ein Jesus zur rechten Hand Gottes sitzet,
ein Jesus, der solch unaussprechliches Erbarmen hat, dass er selbst mit einem
unfruchtbaren Feigenbaum Mitleiden hat. Sonst würde Gottes Gerechtigkeit dich
nicht so lange, wie du es getan hast, das Land haben hindern lassen. So war es
auch mit Israel, als es wider Gott gesündigt hatte; der Herr würde es sofort
vertilgt haben, wenn nicht Moses sich ins Mittel gelegt hätte. Und nun lass mich
(sprach der Herr zu ihm), dass mein Zorn über sie er-grimme und sie auffresse;
so will ich dich zum großen Volke machen. Mose aber flehte vor dem Herrn,
seinem Gott... Also gereute den Herrn das übel (2. Mose 32, 10-14).
Unfruchtbarer Feigenbaum, hast du gehört? Wer weiß, wie manchmal schon
die Hand der göttlichen Gerechtigkeit wider dich erhoben war, wie viel Jahre du
schon ausgehauen wärest, wenn nicht der Herr Jesus jedes Mal seines Vaters Axt
ergriffen und aufgehalten hätte! Lass mich ihm den Schlag geben, ihn aushauen,
was hindert er das Land? Vernimmst du es noch nicht, unfruchtbarer Feigenbaum?
Willst du noch fortfahren, ihn zu reizen? Du hast die Menschen müde gemacht und
Gottes Gerechtigkeit verhöhnt, willst du auch meinen Gott müde machen (Jesaja
7, 13)?
Herr, habe noch ein wenig länger Geduld. Lass uns doch keine Seele verlieren,
ohne alle Mittel versucht zu haben. Ich will einmal sehen, ob ich ihn nicht
kann fruchtbar machen. Ich will nicht um langes Leben für ihn bitten, wenn er
noch unfruchtbar bleibt und deinen Zorn reizt. Ich bitte um seiner
unsterblichen Seele willen, Herr, lass ihn nur noch dies Jahr. Noch dies Jahr.
Wenn es mir gelingt, ihm nur etwas Gutes zu erzeigen, so wird es bald sein. Du
sollst in deiner Geduld nicht zu sehr ermüdet werden. Nur noch ein Jahr, dann
nicht mehr. Unfruchtbarer Feigenbaum, hörst du nicht das Ringen um dein Leben
zwischen dem Weingärtner und dem Herrn? »Haue ihn aus«, spricht der eine;
»Herr, schone seiner«, ruft der andere. »Er hindert das Land«, sagt Gott, der
Vater; »o, nur noch ein Jahr länger«, bittet der Sohn. Lass ihn nur noch dies
Jahr!
In diesen Worten nennt der Herr Jesus zwei Dinge als Ursachen der
Unfruchtbarkeit des Feigenbaumes, und zu-gleich gibt er zwei Heilmittel an. Als
erste Ursache der Unfruchtbarkeit deutet er an, dass die Erde sich zu fest
angelegt habe: »Herr, der Feigenbaum wird von der Erde zu fest umschlossen«,
als zweite, dass ihm erwärmende und kräftigende Nahrungsmittel fehlen. Hierauf
gibt er als die beiden Heilmittel dieser Übel an: Das Lockern und Lösen der
Erde: er will um ihn graben, und will sodann dieselbe mit Dünger versehen.
Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis dass ich um ihn grabe und bedänge ihn. Ich
befürchte, er ist noch zu sehr von der Erde gebunden; die Sorge dieser Welt und
Betrug des Reichtums (Matthäus 13, 22) liegen diesem Bekenner zu sehr auf den
Wurzeln und am Herzen. Die Liebe zu den Schätzen und Freuden dieser Welt, das
Trachten nach vergänglicher Ehre ersticken das Wort, dass es unfruchtbar
bleibt. Denn alles, was in der Welt ist (nämlich des Fleisches Lust und der
Augen Lust und hoffärtiges Leben), ist nicht vom Vater, sondern von der Welt
(1. Johannes 2, 16). Wie kann denn jemand, dessen Herz durch diese Dinge
gefesselt ist, Gott Frucht bringen? Sieh einmal,
unfruchtbarer Feigenbaum, wie dir der Herr Jesus in diesen Worten aufdeckt,
warum deine Seele unfruchtbar geblieben ist. Die Dinge dieser Welt umlagern
dein Herz zu sehr; die Erde und was in ihr ist, haben deine Wurzeln zu hart
gefesselt; deine Seele ist von der Erde gebunden, sie ist im tiefen Schlamm
gefesselt. So jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters
(1. Johannes 2, 15).
Wie solltest du denn fruchtbar sein in dem Weingarten? Dies hielt in
Judas die Frucht zurück, dies hinderte ihn, die Armen treulich zu versorgen (Johannes
12, 6), dies hinderte in Demas die Frucht der Selbstverleugnung (2. Timotheus
4, 10), dies unterdrückte auch in Ananias und Saphira, seinem Weibe, die
köstliche Frucht der Aufrichtigkeit und Wahrheit (Apostelgeschichte 5, 5-10).
Was soll ich mehr sagen? Törichte und schädliche Lüste sind es, welche
versenken die Menschen in das Verderben und Verdammnis. Denn der Geiz ist eine
Wurzel alles Übels. Wie kann denn gute Frucht reifen aus einer Wurzel alles
Übels? Welches hat etliche gelüstet und sind vom Glauben irregegangen und
machen ihnen selbst viele Schmerzen (1. Timotheus 6, 9-10). Eine üble Wurzel
ist es, ja eine Wurzel alles Übels. Und wie kann denn ein Bekenner, der solch
eine Wurzel hat, Gott Frucht bringen? Wie kann er gute Frucht bringen, wenn
seine Seele von irdischen Dingen also umlagert ist. Wenn sie in den Begierden,
Freuden und Eitelkeiten dieser Welt verstrickt ist?
Herr, ich will seine Wurzeln lösen und die Erde umgraben, seine Wurzeln
will ich bloßlegen, meine Hand soll über ihm sein, schlagen will ich ihn mit
Krankheiten, will seine Hoffnungen fehlschlagen lassen, ich will ihn sehen
lassen in eine finstere, schreckliche Zukunft. Ich will um ihn graben, bis er
zittert und bebt und zu fallen glaubt. Dann wird er, wenn je, nach Festigkeit
trachten.
So handelt der Herr Jesus manchmal mit einem unfruchtbaren Bekenner. Er
gräbt um ihn, schlägt ihn an sein Herz, an seine Begierden, seine Freuden,
seine teuersten Hoffnungen, ja, an seine eigene verfinsterte Weisheit. So gräbt
er. um ihn. Dies ist der Weg, auf dem er diese böse Erde von seinen Wurzeln
löst und entfernt. Unfruchtbarer Feigenbaum, bedenke, welche Sorge, welche
Liebe, welche Mühe und Arbeit! Siehe, welch einen Weg der Herr Jesus, der
Weingärtner, mit dir einzuschlagen sucht, ob es nicht möglich sei, dich noch
fruchtbar zu machen.
Gleich wie die Erde der Fruchtbarkeit hinderlich ist, wenn sie die
Wurzeln zu fest umschließt, so kann es auch dem Gedeihen im Wege stehen, wenn
die geeigneten Nahrungsmittel nicht angewandt werden. Dies spricht der
Weingärtner klar aus, wenn er sagt: Bis dass ich um ihn grabe und bedänge ihn.
Ich will ihn fruchtbar zu machen suchen durch ein kräftiges, wärmeres Wort. Ich
will ihm Hirten geben nach meinem Herzen, ich will ihn bedüngen. Wie du weißt,
enthält der Dünger wärmere, fettere, nahrhaftere Stoffe, als dies meistens bei
der Erde der Fall ist. Ich will sein Herz zu erweichen suchen. Die
Gnaden-mittel sollen fruchtbar und gut sein. Ich will ihn besuchen in
herzerweckenden, herzerwärmenden süßen Empfindungen. Warmen Dünger will ich um
seine Wurzeln legen; durch meinen Geist will ich mit ihm ringen, ihm von den
himmlischen Gaben und den Kräften der zukünftigen Welt zu schmecken geben. Aus
Mangel am nötigen Düngen soll er nicht verloren gehen. Herr, lass ihn noch dies
Jahr, bis dass ich um ihn grabe und bedänge ihn.
Wenn ich durch all meine Arbeit diesen Feigenbaum fruchtbar machen kann,
so will ich meine Zeit, meine Arbeit, meine Mittel für wohl angewandt achten,
und auch du, mein Gott, sollst daran dein Wohlgefallen
haben. Denn du bist ein gnädiger und barmherziger Gott, langmütig und von
großer Güte, und lassest dich des Übels reuen, welches du einem Volke gedroht
hast (Jona 4, 2). Diese Worte zeigen uns, dass, wenn ein unfruchtbarer
Feigenbaum oder Bekenner Gott endlich doch noch Früchte trägt, es ihm dennoch
wohl gehen soll. Solch einer armen Seele soll es sicherlich wohl gehen. Seine
frühere Unfruchtbarkeit, sein früheres Gottversuchen, sein Missbrauch der
Geduld und Langmut Gottes, seine Versäumnis von Jahr zu Jahr - alles soll ihm
vergeben werden. Ja, Gott der Vater und unser Herr Jesus Christus werden alles
übersehen und vergessen und endlich zu dir sagen: Wohl, du getreuer Knecht. Und
wenn ich zum Gottlosen spreche: er soll des Todes sterben, und er wandelt dann
nach dem Wort des Lebens, so dass er kein Böses tut, so soll er gewisslich
leben und nicht sterben (Hesekiel 33, 14-15).
Unfruchtbarer Feigenbaum! Die Axt ist dir an die Wurzeln gelegt; der
Herr Jesus bittet Gott, deiner zu schonen. Hat er um dich gegraben? Hat er
Dünger um deine Wurzeln gelegt? Jetzt bist du bis zum Äußersten gekommen. Wenn
du nun gut wirst, wenn du nun das heilsame nährende Evangelium an dich ziehst
und Gott Frucht bringst, dann ist es gut. Wenn aber nicht, dann ist dein Ende
das Feuer. Frucht muss gebracht werden, unfruchtbarer Feigenbaum, oder
Verbrennen ist dein Los. Wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen.
Durch dies Wörtchen wo nicht, wenn nicht, gibt uns der Herr Jesus zu
verstehen, dass es in der Welt ein Geschlecht von Bekennern gibt, welches
unheilbar ist, welches nicht will und nicht kann bekehrt werden, welches
durchaus keinen Segen durch die Gnadenmittel erlangen will und kann; ein
Geschlecht, das wohl das (äußere) Bekenntnis behalten, aber keine Frucht
bringen will; ein Geschlecht, das Gottes Geduld und Zeit, Gottes Drohungen und
Bitten, Gerichte und Gnadenerweisungen hinnimmt, und nach alledem dennoch
unfruchtbar bleibt. 0, welche todbringende, verzweifelte Gottlosigkeit steckt
in deinem Herzen! Hörst du wohl, unfruchtbarer Bekenner? Noch zögert der Herr
Jesus, noch wartet er, ob du endlich noch gut werden wirst, oder ob er vergeblich
gearbeitet habe und sein Umgraben und Bedüngen verlorene Mühe sei. Und ich habe
ihr Zeit gegeben, dass sie sollte Buße tun für ihre Hurerei; und sie tut nicht
Buße (Offenbarung 2, 21). Ich habe um ihn gegraben und gedüngt, ich habe ihm
Zeit gelassen und Mittel gereicht, aber vergebens habe ich gearbeitet, unnütz
und vergeblich habe ich meine Kraft angewandt. Hörst du, unfruchtbarer
Feigenbaum? Noch steht es in Frage, ob es mit deiner Seele sich noch endlich
zum Guten wenden wird oder nicht.
Wie nichts das Gemüt des Menschen mehr kränkt, als wenn alle seine Liebe
und Wohltat verachtet wird, so kränkt auch den Herrn Jesus nichts mehr, als
wenn der Sünder seine Gnadenmittel unbeachtet lässt. »Wenn er unter meinem
Evangelium unfruchtbar und dürre bleibt, wenn er meine Gnade unwirksam macht,
wenn er nach meinem Umgraben, Bedängen und Harren noch unfruchtbar bleibt, so
will ich dich nicht mehr hindern, ihn auszuhauen.« Die Anwendung aller Mittel
des Evangeliums ist für einen unfruchtbaren Bekenner das letzte Heilmittel.
Wenn das Evangelium und die Gnade nichts vermögen, so ist auch nichts mehr zu
hoffen, so haue ihn nur aus : so haue ihn darnach aus.
Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten, und steinigest, die zu dir
gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne
versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt. Siehe,
euer Haus soll euch wüste gelassen werden (Matthäus 23, 37-38). Vorher hatte
schon der Herr Jesus der strafenden Gerechtigkeit des Vaters gewehrt, weil es
ihn trieb, noch einige Mittel an dem unfruchtbaren Feigenbaum zu versuchen, nun
aber muss sein mitleidsvolles Herz betrübt sein, wenn er sieht, dass der Baum
abgehauen werden muss. Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt an, und
weinte über sie, und sprach: Wenn du es wüsstest, so würdest du auch bedenken
zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dienet. Aber nun ist es vor deinen
Augen verborgen (Lukas 19, 41-42).
Wenn Christus dich übergibt, so ist kein Fürsprecher, kein Mittler, kein
Opfer mehr für die Sünden. Alles ist weggenommen, nur nicht das
Verdammungsurteil, nur nicht die Axt, nur nicht das schreckliche Warten des
Gerichts und des brennenden Feuers, das die Widerwärtigkeiten verzehren wird
(Hebräer 10, 26-28). Unfruchtbarer Feigenbaum, hüte dich, dass nicht diese
letzten Worte an dir in Erfüllung gehen; denn diese Worte bedeuten eine Dahingabe, ein Ausstoßen eines Verworfenen. So haue ihn
darnach aus. Das ist, als ob Christus sagte: Vater, ich habe flehentlich
gebeten, diesem unfruchtbaren Bekenner noch ein wenig Zeit zu gönnen. Ich
flehte, dass ich um ihn graben und ihn bedüngen könnte. Nun aber, Vater, ist
die Zeit verstrichen, das Jahr ist vorbei, der Sommer zu Ende, und keine Frucht
ist gekommen. Ich habe alle Mittel angewandt: mit meinem Evangelium habe ich
ihn umgraben, den fetten und 'nährenden Dünger meines Evangeliums habe ich um
ihn gelegt, aber alles ist vergeblich gewesen. Vater, ich übergebe diesen
Bekenner wiederum an dich. Ich bin nun mit ihm fertig, ich bin zu Ende mit
meinem Bitten und Arbeiten. Ich will deiner Axt nicht länger wehren; nimm ihn
jetzt in die Hand deiner Gerechtigkeit, bringe ihn in dein Gericht und handle
mit ihm nach deinem Gesetz. Ich werde nie mehr für ihn bitten. So haue ihn
darnach ab. - Wehe ihnen, wenn ich von ihnen gewichen bin (Hosea 9, 12). Solch
ein Bekenner ist nun wirklich bloßgestellt, vor Gott, vor dem Satan, vor der
Sünde, dem Gesetz, dem Tode, dem Gerichte, der Hölle, den Qualen eines bösen Gewissens,
er ist bloßgestellt vor den Qualen des Wurms, der nicht stirbt, dem Feuer,
welches nicht verlischt. Sehet zu, dass ihr euch des nicht weigert, der da
redet. Denn so jene nicht entflohen sind, die sich weigerten, da er auf Erden
redete, viel weniger wir, so wir uns des weigern, der vom Himmel redet (Hebräer
12, 25).
Überblicken wir nun in Kürze dieses Gleichnis, so treten uns folgende
zwei allgemeine Wahrheiten entgegen.
1.
Wenn
die göttliche Gerechtigkeit ausruft: ich mag mit diesem unfruchtbaren Bekenner
nicht länger Geduld haben, so tritt der Herr Jesus noch dazwischen, und bittet
noch um ein wenig längere Geduld für solchen Bekenner, damit er ihn, wo
möglich, noch fruchtbar mache. Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis dass ich um
ihn grabe und bedänge ihn, wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen.
2.
Es gibt
einige Bekenner, deren Gnadentag endigen wird mit einem »haue ihn aus«, mit
einem Gericht, wenn Christus seine Gnadenmittel zu ihrer Seligkeit vergeblich
angewandt hat.
Die erste dieser Wahrheiten will ich hier übergehen und nicht weiter
berühren; über die zweite jedoch will ich noch ein wenig reden, nämlich
darüber, dass es einige Bekenner gibt, deren Gnadentag endigen wird mit einem :
»haue ihn aus«, mit einem Gericht, wenn Christus seine Gnadenmittel zu ihrer
Seligkeit vergeblich angewandt hat.
Dies beweist uns der Apostel Hebräer 3, wenn er uns sagt, dass (nach
vierzigjähriger Geduld und Bemühung ihnen Gutes zu erweisen durch die zu ihrem
Heile eingesetzten Gnadenmittel), dass nach alle dem der Juden Los war,
abgehauen und wegen ihres beharrlichen Unglaubens vom Gelobten Lande
ausgeschlossen zu werden. Und wir sehen, dass sie nicht haben können
hineinkommen, um des Unglaubens willen (V. 19). Darum ich entrüstet ward über
dies Geschlecht, und sprach: Immerdar irren sie mit dem Herzen und wissen meine
Wege nicht; dass ich auch schwur in meinem Zorn, sie sollten zu meiner Ruhe
nicht kommen (V. 10-11). Als wollte er sagen: Mein Wille war es, dass sie
sollten eingehen, denn dazu habe ich sie aus Ägypten gebracht, sie durch das
Rote Meer geleitet und sie unterwiesen in der Wüste. Aber meine Werke und
Lehren haben sie nicht beachtet, darum habe ich geschworen, ja, geschworen habe
ich es in meinem Zorn, sie sollen zu meiner Ruhe nicht kommen. Hier ist ein
Aushauen durch ein Gericht. So auch Hebräer 4, 3: So habe ich denn geschworen
in meinem Zorn, sie sollten zu meiner Ruhe nicht eingehen, obgleich die Werke
von Anbeginn der Welt gemacht waren. Hier (Hebräer 4, 3) wie dort (Hebräer 3,
11) heißt es: Sie sollen nicht zu meiner Ruhe kommen. Und wenn er sagt:
obgleich die Werke von Anbeginn der Welt gemacht waren, so weist er darauf hin,
dass wie zahlreich und unvergänglich auch die Vorbereitungen seien, die er zur
Seligkeit der Sünder getroffen hat, dass dennoch der Gott reizende, Gott
versuchende und unfruchtbare Bekenner ohne Anteil daran sei; ja, ohne Anteil,
obgleich die Werke von Anbeginn der Welt gemacht waren. Und Juda sagt: Ich will
euch aber erinnern an das, was ihr einmal wisset: dass der Herr, da er dem Volk
aus Ägypten half, wiederum, die da nicht glaubten, umbrachte. Und die Engel,
die ihr Fürstentum nicht behielten, sondern verließen ihre Behausung, hat er
behalten zum Gericht des großen Tages, mit ewigen Banden in Finsternis (Judas 1,
5-6). Hier haben wir ein kräftiges Beispiel; ein Beispiel von Menschen und von
Engeln: von Menschen, die, aus Ägyptenland erlöst, auf der Reise waren nach
Kanaan, dem Vorbilde des Himmels, und von Engeln, die geschaffen und gesetzt
waren im Himmel in große Pracht und Herrschaft; trotzdem sind beide ausgehauen,
weil sie Gott in ihrer Stellung keine Frucht brachten. Die Menschen sind von
Gott (wie der Grundtext sagt) verderbt; die Engel hat er zum Gericht des großen
Tages mit ewigen Banden der Finsternis bewahrt. Bei der Betrachtung dieses
Gegenstandes will ich über das Aushauen oder das Urteil, welches hier gefällt
wird, sprechen, insofern es sich um das direkte Eingreifen der Hand Gottes
handelt und um seinen Machtruf, der dem Bleiben des Sünders in dieser Welt ein
Ende macht. Nicht aber will ich reden von dem Aushauen, als einer Handlung der
Kirche. Vorab muss man nun bei diesem Aushauen feststellen, dass es nicht
stattfinden kann, bevor die Gnadenzeit des Feigenbaumes abgelaufen ist. Doch
muss dabei festgehalten werden, dass es wirklich, wie gesagt, einige Bekenner
gibt, deren Gnadentag endigt mit dem Worte: Haue ihn aus, und dass es in unsern
Textesworten heißt: Haue ihn darnach aus. Darnach, d. h. nach aller meiner Mühe
und Anstrengung, ihn fruchtbar zu machen, nachdem ich ihn verlassen und
dahingegeben und beschlossen habe, keinen Tag, Gelegenheit noch Mittel der
Gnade an ihn zu wenden, so haue ihn darnach aus. Überdies geht das Verlassen
dem Abhauen des Feigenbaumes vorher, und die Vollstreckung des Urteilspruchs
folgt nicht immer sofort dem Augenblicke, in welchem dasselbe ausgesprochen
wird; denn darnach, d. h. zu einer bestimmten, passenden Zeit wird er
ausgehauen. So heißt es hier im Text. Der Beschluss: »er soll verloren gehen«,
beruht darauf, dass er während des ganzen, letzten Jahres unfruchtbar geblieben
ist, wie auch darauf, dass alle an ihn gewandte Mühe und Arbeit zur Besserung
ohne Erfolg blieb. Aber die Zeit des Aushauens ist noch nicht da. Dies liegt in
dem Worte: darnach. So haue ihn darnach ab. Damit ich nun nach der Ordnung
verfahre, so muss ich folgende zwei Sätze zu Grunde legen:
1.
Der Tag
der Gnade endigt bei einigen Menschen, ehe Gott sie aus dieser Welt nimmt.
2.
Der Tod
oder das Aushauen solcher Menschen wird schrecklich sein. Denn das Wort: haue
ihn aus, wenn es im weitesten Sinne genommen wird (wie es denn auch hier
verstanden werden muss), bezeichnet nicht allein Gottes Zorn gegen jemandes
Leben in dieser Welt, sondern seinen Zorn wider ihn nach Seele und Leib und
heißt soviel als: Haue ihn aus von allen Vorrechten und Wohltaten der Gnade,
die sowohl in dieser, wie auch in der zukünftigen Welt genossen werden.
Dies will ich an einigen Beispielen zeigen und dann zum zweiten Satz
übergehen.
Das erste Beispiel, welches ich hier anführen will, ist Kain. Kain war
ein Bekenner; er brachte Opfer (1. Mose 4, 3); er war ein Diener Gottes, ja der
erste, von welchem wir nach dem Falle lesen. Aber seine Trauben waren stinkend
und wild; seine Werke waren böse (1. Mose 4, 2-8). Was er ausübte, tat er nicht
aus wahrhaft evangelischen Beweggründen, darum sah der Herr sein Werk nicht an.
Hierauf entbrannte er gegen seinen Bruder; seine Züge entstellten sich; er
erhob sich wider ihn, nahm die Gelegenheit wahr und erschlug ihn. An dem Tage
nun, an welchem er diese Tat vollbrachte, wurde der Himmel für ihn
verschlossen, wie ihm dies auch, als Gott ihn nach dem Blute Abels fragte, mit
Schmerz und Angst offenbar wurde. Und nun, verflucht seist
du (sprach Gott zu ihm) auf der Erde, die ihren Mund hat aufgetan, um deines
Bruders Blut von deinen Händen zu empfangen. Kain aber sprach zu dem Herrn:
Meine Sünde ist größer, denn dass sie mir vergeben werden möge. Siehe, du
treibest mich heute aus dem Lande, und muss mich vor deinem Angesichte
verbergen, und muss unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir es gehen, dass
mich totschlage, wer mich findet (1. Mose 4, 11. 13. 14).
Nun bist du verflucht, spricht Gott. Du hast mich heute vertrieben,
sagte Kain, und muss mich vor deinem Aasgesichte verbergen; ich kann nie wieder
auf dich Hoffnung setzen, keine Gunst noch Gnade ferner von dir empfangen. So
endigte Kains Gnadentag, und mit dem Herzen Gottes wurde auch der Himmel für
ihn zugeschlossen; doch lebte er noch eine lange Zeit (V. 15 ff.). Der Tag des
Aushauens war für ihn noch nicht gekommen. Er lebte nach dieser Zeit noch, um
ein Weib zu nehmen (V. 17), eine verfluchte Nachkommenschaft zu zeugen, eine
Stadt zu bauen und was sonst noch alles zu tun. Und dies konnte nicht in kurzer
Zeit alles geschehen, sondern Kain kann nach Ablauf seiner Gnadenzeit noch
mehrere hundert Jahre gelebt haben.
Das zweite Beispiel ist Ismael (1. Mose 17, 25-26). Er war ein Bekenner,
in dem Hause Abrahams erzogen und in seinem dreizehnten Jahre beschnitten, aber
er war ein Sohn der Magd (1. Mose 16, 12). Er brachte keine gute Frucht; er war
ein wilder, wüster Bekenner, denn ungeachtet all seiner Gottesdienste und
Bekenntnisse spottete er doch über die, welche besser waren, denn er selbst. Zur Zeit, da sein Bruder Isaak entwöhnt wurde, machte
Abraham ein Mahl und freute sich vor dem Herrn, weil er ihm den verheißenen
Sohn geschenkt hatte. Hierüber verspottete IsmaeI
sie, ihren Sohn und ihre gottgefällige Freude. Da kam der Geist Gottes über
Sara, und sie sprach zu Abraham: Treibe diese Magd aus mit ihrem Sohne; denn
dieser Magd Sohn soll nicht erben mit meinem Sohne Isaak (1. Mose 21, 9-10).
Paulus sieht in diesem Ausstoßen nicht allein ein Ausstoß en aus dem
Hausgesinde Abrahams, sondern viel mehr ein Ausschließen von allen Gütern,
welche den Heiligen im Himmel zuteil werden (Galater 4, 22-31). Auch Mose gibt
uns hiervon einen beachtenswerten Beweis, wenn er sagt, dass Ismael starb: und
er ward gesammelt zu seinem Volk (1. Mose 25, 17); zu seinem Volk von
mütterlicher Seite, denn er wird angesehen, als aus ihr stammend; er was der
Sohn der Hagar, der Sohn der Magd. Nun war aber seine
Mutter eine Ägypterin (1. Mose 21, 9), so dass er, trotz seines Bekenntnisses,
nach ihrem Tode gesammelt wurde an den Ort, dahin auch Pharao und sein Heer
nach ihrem Tode im Roten Meer gesammelt waren. Diese waren sein Volk, er war
aus ihnen, sowohl seiner Geburt, wie seiner inneren Beschaffenheit nach, denn
er war ein Verfolger, gleich wie sie. Aber wann endigte nun bei diesem Menschen
der Tag der Gnade? Merket, und ich will solches sagen: Ismael war dreizehn
Jahre alt, als er beschnitten wurde; Abraham zählte damals neunundneunzig Jahre
(1. Mose 17, 23-26). Im darauf folgenden Jahre wurde Isaak geboren, als Ismael
vierzehn Jahre alt war. Als Isaak nun entwöhnt wurde, nachdem er etwa vier
Jahre gesäugt war, musste für Ismael nach dieser Berechnung der Tag der Gnade
ungefähr mit seinem acht-zehnten Jahr das Ende erreicht haben (1. Mose 25, 12
ff.). Denn an dem Tage, da er spottete, hieß es: Treibe ihn aus. Dieses
Ausstoßen wird nun von dem Apostel so erklärt, wie wir oben andeuteten. Hüte
dich denn, du junger, unfruchtbarer Bekenner. - Nach jener Zeit lebte Ismael in
großer Sorglosigkeit und in Ehre unter den Menschen hundertneunundzwanzig Jahre
hindurch; auch zeugte er zwölf Fürsten (1. Mose 25, 16), nachdem der Tag der
Gnade für ihn vorbei war.
Das dritte Beispiel ist Esau (1. Mose 25, 27). Esau war auch ein
Bekenner, er war dem Isaak geboren und nach dem Gesetz beschnitten; aber er war
ein mutwilliger Bekenner, ein Jäger und Ackersmann, gebunden von seinen Begierden,
welche er mehr liebte, denn sein Geburtsrecht. So kommt er eines Tages müde von
der Jagd heim und verkauft seine Erstgeburt an Jakob, seinen Bruder. In jenen
Zeiten aber gehörte der Erstgeburt die Verheißung und
der Segen; ja, beides war so aneinander gebunden, dass eins ohne das andere
nicht sein konnte. Darum ist die Warnung des Apostels hier von großem Gewicht, dass nicht jemand sei ein Hurer oder ein Gottloser wie Esau,
der um einer Speise willen seine Erstgeburt verkaufte. Wisset aber, dass er
hernach, da er den Segen ererben wollte, verworfen ist; denn er fand keinen
Raum zur Buße, wiewohl er sie mit Tränen suchte (Hebräer 12, 16-17). Das Ende
des Gnadentages für Esau muss demnach von dem Augenblicke an gerechnet werden,
da er seine Erstgeburt verkaufte; denn so stellt es der Apostel fest: dass
nicht jemand sei wie Esau, der seine Erstgeburt verkaufte, denn die
Segensverheißungen gehen zugleich mit fort. Esau verkaufte aber lange vor
seinem Tode seine Erstgeburt, denn Jakob war nach dieser Zeit noch zwanzig
Jahre bei Laban (1. Mose 31, 41), und als er von da
zurückkehrte, zog sein Bruder Esau ihm entgegen (1. Mose 32, 6). Als ferner
Jakob einige Zeit bei seinem Vater gewohnt hatte, wurde dieser von Esau und
Jakob begraben (1. Mose 35, 29), so dass er noch vierzig, ja wohl achtzig Jahre
gelebt haben kann, nachdem er seine Erstgeburt verkauft und sich selbst der
Gnade Gottes beraubt hatte.
Bei diesen drei Bekennern will ich noch folgende drei Stücke
hervorheben.
1. Kaire war dem Zorn ergeben; Ismael war ein
spottender und Esau ein dem Wohlleben ergebener Bekenner, und dies sind drei
Kennzeichen eines unfruchtbaren Bekenners. Denn wer da zornig ist, spotten kann
oder seinen Lüsten folgt, kann Gott keine Früchte tragen.
2. Für diese Bekenner endigte der Tag der Gnade, als sie eine schwere
Sünde begingen: Kains Tag, als er seinen Bruder Abel erschlug, Ismaels Tag, als
er Isaak verspottete, und Esaus Tag, als er aus Liebe
zu seinen Begierden seine Erstgeburt verkaufte und verachtete. O unfruchtbarer
Bekenner, hüte dich! In einer halben Viertelstunde kannst du eine Sünde begehen,
von deren schrecklichen Folgen du möglicherweise in Ewigkeit nicht befreit werden
wirst.
3. Wenngleich der Tag der Gnade vorbei war, haben diese drei äußerlich
in bessern Umständen gelebt, denn je zuvor. Kain war später Herr über eine
Stadt (1. Mose 4, 17), Ismael war Vater von zwölf Fürsten (1. Mose 25, 16), und
Esau sprach später zu seinem Bruder: Ich habe genug, mein Bruder; behalte, was
du hast (1. Mose 33, 9). Ein gemächliches, friedsames und glückliches Leben in
äußeren Dingen, ist für einen unfruchtbaren Bekenner kein Beweis der Gunst
Gottes, sondern für ihn viel eher seines Zornes, weil er dadurch fähig wird,
sich selbst den Zorn (wie einen Schatz) zu häufen, auf den Tag des Zorns und
der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes (Römer 2, 5).
Dies möge denn genügen zum Beweis der ersten Wahrheit, nämlich dafür, dass
der Tag der Gnade mit einigen Menschen endigt, ehe Gott sie von dieser Welt
nimmt.
Höret nun auch einige Merkmale, die uns erkennen lassen, ob für einen
unfruchtbaren Bekenner die Gnadenzeit schon vorbei oder dem Ende nahe ist, und
wisset vorab, dass alle, welche Gott und den Gnadenmitteln, welche sie zu
fruchtbaren Bäumen umgestalten sollten, widerstanden haben, in dieser Gefahr
stehen. Dies ist ja auch unzweifelhaft der Inhalt des Gleichnisses; denn der
Feigenbaum, von welchem hier geredet wird, ist mit mancherlei Gaben gesegnet
gewesen; ihm war Zeit gegönnt, diese Nahrung in sich aufzunehmen; aber dem
allem, ja allem, was der Landmann und der Weingärtner an ihn gewandt hat, hat
er beharrlich widerstrebt.
Doch ich will fünf besondere Kennzeichen noch anführen.
1. Der Tag der Gnade scheint beendet zu sein, wenn ein Bekenner Gottes
Langmut verachtet und erschöpft hat; dann ist er in Gefahr, denn er höhnt Gott
und zwingt ihn zu dem Befehl: Haue ihn aus. Es gibt etliche Menschen welche in
die Kirche eingeschlichen sind, welche ein Bekenntnis angenommen haben, und
niemand weiß wie. Sie sind gerade wie jener Feigenbaum, durch die Hände eines
andern, nicht durch die Hände Gottes, in den Weinberg gebracht worden; dort
bleiben sie dann ohne Leben, ohne Gnade, sorglos und mit einem bösen Gewissen
vor Gott. Vielleicht sind sie hineingekommen des Brots, des Geschäfts, des
guten Namens wegen oder um sich hervorzutun; vielleicht auch um die Mahnung und
die Angst eines erwachten und unruhigen Gewissens zu dämpfen und zu stillen.
Haben sie diesen ihren Zweck erreicht, so sind sie, wie die Sünder in Zion,
gelassen und ganz zufrieden, und sagen mit Agag (1.
Samuel 15, 32): Wahrlich, die Bitterkeit des Todes ist verschwunden, nun bin
ich ruhig, nun werde ich wohl selig werden und zum Himmel wandern. So bringen
sie denn in dieser eitlen Einbildung ein, zwei, ja drei Jahre zu, und bedenken
nicht, dass der Herr von jeder Gnadenzeit, von jeder Einwirkung des Evangeliums
Frucht suchen wird. Ach, Sünder! Unfruchtbarer Feigenbaum! Bis jetzt hast du
nur einen elenden Anfang gemacht. Gott kommt um Frucht zu suchen, und wenn er
dich findet, wird er sprechen: Welch ein Feigenbaum ist dies? Er hat während
dieses Jahres in meinem Weinberg gestanden und mir keine Frucht gebracht. Ich
will ihm zurufen: Bekenner! Unfruchtbarer Feigenbaum! Werde fruchtbar; ich
erwarte Frucht; ich muss Frucht haben; besinne dich wohl und nimm
dir dies zu Herzen! Wenn ein Bekenner dann solche Worte hört, so bleibt er ein
wenig stehen. Doch - es sind ja nur Worte, es ist noch keine Züchtigung, und
darum denkt er auch von Stund an nicht mehr über dieselben nach. Kommt der Herr
nun im nächsten Jahre in seinen Weinberg, so findet er ihn, wie er ihn verließ,
unfruchtbar, als ein Hindernis für das Land. Da klagt denn der Herr wiederum
und spricht: Zwei Jahre sind es nun schon, und noch zeigt sich keine Frucht.
Dennoch, um meines Namens willen will ich meinen Zorn noch länger zurückhalten,
und um meines Ruhmes willen will ich mich dir zu gut enthalten, dass du nicht
ausgerottet werdest (Jesaja 48, 9). Ich will noch warten, dass ich ihm gnädig
sei (Jesaja 30, 18). Doch alles dies hilft nicht, nicht den geringsten Eindruck
macht es auf den unfruchtbaren Feigenbaum. Ei was, spricht er, das ist keine
Drohung; Gott ist barmherzig, er wird seinen Zorn hinausschieben; er wartet,
damit er gnädig sein könne; ich bin noch nicht bange! O wie hindern die
gottlosen, in den Weinberg eingeschlichenen Menschen unseren Gott in der
Ausübung seiner Gnade! Sucht Gott nun im dritten Jahre abermals Frucht, so
findet er noch immer einen unfruchtbaren Feigenbaum. Da ruft er dann wieder: O
Weingärtner, komm her! Hier ist ein Feigenbaum in meinem Weinberg, der hat nun
schon drei Jahre mich in meinen Erwartungen getäuscht; vergebens habe ich auf
Frucht gehofft; haue ihn aus! Meine Geduld ist erschöpft, ich kann ihn hier
nicht länger dulden.
2. Nun beginnt er, den Feigenbaum mit seinen Drohungen zu erschüttern
und fordert seine Axt. Die Axt aber ist der Tod, und ihm befiehlt er, den
Feigenbaum zu fällen. Er rüttelt an dem Sünder, wirft ihn auf das Krankenbett
und spricht zum Tode: Greife ihn an; er hat meine Langmut und Geduld verachtet
und nicht bedacht, dass sie ihn zur Buße und deren Früchten leiten sollten.
Tod, wirf diesen Feigenbaum in das Feuer, bringe ihn in die Hölle! So kommt
denn der Tod mit grimmigem Gesicht in das Gemach bis zum Lager, ihm nach die
Hölle, und beide sehen unverwandt dem armen Bekenner in das Auge; ja, sie
beginnen gar, Hand an ihn zu legen. Der eine schlägt seinen Körper mit Leiden,
mit Kopf-, Brust- und Seitenschmerzen, mit Beengung, Ohnmachten, Zittern in den
Gliedern und Gelenken, mit Beklemmungen und alledem, woraus man auf unheilbare
Krankheit schließt. Während nun so der Tod den Körper peinigt, greift die Hölle
Gemüt und Gewissen an und quält das arme Geschöpf durch die feurigen Funken,
welche sie in das Gewissen wirft, um Angst und Zittern vor der ewigen
Verdammnis zu entzünden. Da fängt er dann an, sich zu besinnen und zu Gott um
Gnade zu schreien. Ach, ruft er, Herr, schone mich! Herr, schone mich! Nein,
spricht der Herr. Drei Jahre hast du mich gereizt; wie oft hast du meine
Erwartungen getäuscht, wie manche Gelegenheit zur Bekehrung hast du unbenutzt
vorübergehen lassen, wie manche Predigten und andere Segnungen hat meine
Langmut dir geschenkt? Doch alles vergebens. Tod, fasse ihn an! O guter Gott,
spricht der Sünder, schone mich nur noch diesmal; lass mich nur noch einmal
wieder aufkommen. Wohl ist es wahr, ich bin ein unfruchtbarer Bekenner; ich
habe unnütz in deinem Weinberge gestanden. Aber ach, ich bitte dich, schone
mich nur noch einmal, so will ich mich bessern. Fort, fort! erwidert der Herr,
das wirst du doch nie tun; seit drei Jahren habe ich dich schon beobachtet, du
bist ganz unnütz. Wenn ich dich wieder gesund mache, wirst du schlimmer werden,
denn je zuvor. - Dieses ganze Gespräch wird angesichts des Todes geführt. Der
Sünder aber ruft wieder und wieder: Herr, versuche es nur noch diesmal; lass
mich diesmal wieder aufkommen, und dann siehe, ob ich mich nicht bessern werde.
Aber, spricht der Herr, gelobst du mir denn, dich zu bessern? Ja, ja, Herr! dazu
verpflichte ich mich; es soll nimmer wieder so arg mit mir werden wie zuvor;
nein, ich will mich völlig bessern. Nun wohl, sagt der Herr, Tod, lass diesen
Bekenner diesmal noch frei. Ich will ihm noch eine kleine Probezeit vergönnen;
er hat gelobt, ja, sich heilig verpflichtet, er wolle seine Wege ändern.
Vielleicht bleibt er seines Gelübdes eingedenk. Gelübde verpflichten den
Menschen; vielleicht zittert er davor, sie zu brechen. Stehe denn auf von
deinem Lager. So spricht der Herr und legt seine Axt nieder. Da ist denn der
arme Mensch sehr dankbar, er lobt und preist den Herrn, und tut, als komme es
ihm von Herzen, ja er fordert auch andere auf zum Danken. Dann steht er auf,
als sei er in Wahrheit eine neue Kreatur geworden. Hat er aber seine Kleider
angezogen, sein Bett verlassen, seine Werkstatt aufgesucht, um zu sehen, wie
die Sachen stehen, so bekommt er schon andere Gedanken und spricht zu seinen
Leuten: Was habt ihr zuwege gebracht? Wie liegt doch alIes
durcheinander? Ach, wie weit bin ich doch zurückgeblieben! Man kann bald sehen,
wenn man nur kurze Zeit nicht bei der Hand ist, dass ihr weder Weisheit noch
Verstand habt, die Dinge in rechter Weise zu handhaben. - Anstatt nun seine
übrige Zeit für den Herrn zu verwenden, verdoppelt er seinen Eifer im Nachjagen
der Welt. Man muss nichts verloren gehen lassen, sagt er; wir müssen
in«schicklicher Weise für die Zukunft sorgen. So werden die Angst des Todes,
die Qualen der Hölle, die Versprechen und Gelübde, welche Gott geleistet
wurden, ganz vergessen, und weil nicht bald geschieht ein Urteil über die bösen
Werke, dadurch wird das Herz dieses Menschen voll, Böses zu tun (Prediger 8,
11).
3. Ist dies alles dann fruchtlos, so nimmt Gott abermals die Axt in die
Hand und sendet den Tod, der ihm Weib, Kind und Vieh nimmt. Ich tötete eure
junge Mannschaft durch das Schwert und ließ eure Pferde gefangen wegführen
(Amos 4, 10). Ich will ihn schlagen, ihm widerstehen, ihm seine Hoffnungen zerstören, ihn zu Boden werfen und mich setzen wider alles,
daran er die Hand legt. Darüber fängt der arme, unfruchtbare Bekenner wieder an
zu bitten und ruft: Herr, ich habe gesündigt; schone mich noch einmal, ich
bitte dich. O, nimm doch nicht weg die Lust meiner
Augen; schone meine Kinder; segne das Werk meiner Hände, so will ich mich
bessern. Nein, spricht Gott, das letzte Mal hast du mich belogen, jetzt kann
ich dir auch hierin nicht mehr trauen. Und so wirft er denn Weib, Kind und
Güter in das Grab, und geht wiederum an seinen Ort, bis dieser Bekenner
aufrichtig seine Schuld erkennt (Hosea 5, 15). Dies macht den armen Menschen sehr
niedergeschlagen; er zerreißt seine Kleider und beginnt, über die gebrochenen
Gelübde nachzusinnen. Er bereut, er betet, er geht wie Ahab eine Zeitlang
jämmerlich einher (1. Könige 21, 27) und überdenkt, wie die gerechte Hand
Gottes über ihn gekommen. Und nun erneut er sein Gelübde und spricht: Herr,
versuche es nur noch diesmal; nimm deine Hand von mir, und du sollst es sehen.
Der ist schon weit abgewichen, der nicht wiederkehren kann. - Nun wohl, der
Herr schont ihn abermals, und senkt nochmals die Axt. Er rettete sie oftmals;
aber sie erzürnten ihn mit ihrem Vornehmen und wurden verzehrt um ihrer
Missetat willen (Psalm 106, 43). Nun scheinen sie wieder dankbar und
entschlossen zu sein, wahrhaftig gottselig zu werden. Sie beten, sie lesen, sie
verkehren mit den Gottesfürchtigen, und scheinen so eine Zeitlang Ernst zu
machen - doch am Ende vergessen sie wieder alles. Ihre Begierden beginnen sie
zu stacheln, lockende Versuchungen treten an sie heran, und so neigen sie sich
zu ihren krummen Wegen: Wenn er sie erwürgte, suchten sie ihn, und kehrten sich
frühe zu Gott, und heuchelten ihm mit ihrem Munde und logen ihm mit ihrer Zunge
(Psalm 78, 34. 36).
4. Dennoch lässt der Herr diesen Bekenner nicht, nur nimmt er wieder
seine Axt zur Hand. Er nimmt ihn in eine Zucht, die sein Herz besser
durchforscht, die ihm das Unterste nach oben kehrt, eine Zucht, die für ihn
ist, was Elia dem Ahab war, indem er ihm begegnete in allen seinen Gräueln. Nun
wird die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Noch mehr, nicht nur das böse
Herz wird in dieser Zucht erforscht, nein, es werden auch die goldenen Strahlen
des herrlichen Evangeliums dem Sünder vor Augen geführt; Christus Jesus wird
ihm leuchtend vorgestellt; die Gnade wird ihm auf das Lieblichste aufgedeckt,
und alle Verheißungen werden ausgegossen wie ein Salböl und geben ihren Duft.
Aber ach! Noch immer zeigt der Baum keine Frucht. Denn während sein Herz
durchforscht wird, streitet er dagegen; während die herrliche Gnade des
Evangeliums sich ihm enthüllt, wird er übermütig und treibt dieselbe auf
Mutwillen (Judas V. 4); er sammelt einige Brocken derselben und schmeckt so das
gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt, und trinkt den Regen,
der oft über ihn kommt (Hebräer 6, 5. 7), aber er bringt kein edles Kraut noch
Frucht dem, dessen Evangelium es ist; viel weniger wandelt er im Gesetz des
Herrn, des Gottes Israels, von ganzem Herzen (2. Könige 10, 31). Denn er denkt,
es bestehe die Herrlichkeit des Evangeliums in Worten und äußerem Schein, der
Gehorsam gegen dasselbe im Spekulieren, und gute Werke in guten Worten. Er
meint, wenn er von solchen Dingen schön sprechen könne, so sei er Gott
angenehm. Er glaubt, das Reich Gottes bestehe allein in Worten, und nicht in
Kraft. Darum ist denn auch das vierte Mittel kraftlos bei ihm.
5. Nun aber wird die Axt
höher erhoben, denn Gott ist nun ernstlich willens, den Sünder zu fällen, doch
ehe er ihm den entscheidenden Schlag versetzt, will er schließlich noch ein
Mittel versuchen. Ist auch dieses wirkungslos, so muss er fallen. Dieses letzte
Mittel nun ist, dass er mit solchem Bekenner durch seinen Geist kämpft und
streitet. So kommt denn der Geist des Herrn zu ihm, jedoch nicht, um. ewig mit
ihm zu streiten (1. Mose 6, 3); für eine Zeitlang tut er es. Er weckt ihn auf
und überführt ihn; er ruft ihm seine vorigen Sünden ins Gedächtnis zurück, die
Gerichte Gottes, die Untreue gegen seine früheren Versprechungen und Gelübde,
den Missbrauch der vergangenen Tage. Er führt ihm überzeugende, anspornende
Sprüche vor, liebliche Verheißungen, schreckliche Gerichte, die Kürze der
Gnadenfrist, und sagt ihm, dass noch Hoffnung für ihn sei, wenn er nur kommen
wolle. Der Herr zeigt ihm ferner die Gewissheit des Todes und des zukünftigen
Gerichts. So streitet und kämpft er mit dem Sünder. Aber siehe, hier liegt der
Grund des Übels: der Mensch streitet auch. Der Geist überführt, aber der Mensch
macht sich taub gegen Gott; der Geist ruft: kehre dich zu meiner Zucht und
lebe, aber der Mensch kehrt ihm den Rücken; der Geist heißt ihn aufmerken, auf
welchem Wege er geht, aber der Mensch schließt das Auge davor zu; der Geist
wendet Gewalt an, aber der Mensch streitet und widersteht ihm, er schmähet den
Geist der Gnade (Hebräer 10, 29). Doch zum zweiten Male redet der Geist mit ihm
und hält ihm das Wort von der Notwendigkeit einer neuen Geburt vor, aber der
Sünder erwidert: Nein, ich will mit den Fremden buhlen und ihnen nachlaufen
(Jeremia 2, 25). Darüber erhebt sich der Grimm Gottes. Nun verlässt er seinen
Ort und ist erschrecklich; nun schwört er in seinem Zorn, dass er nicht soll zu
seiner Ruhe eingehen (Psalm 95, 11). Ich habe über dir meine Langmut
geoffenbart, und dennoch hast du dich nicht zu mir bekehrt. Ich habe dich
geschlagen an deinem eigenen Leibe, an deinen Blutsverwandten und an deiner
Habe, und dennoch hast du dich nicht zu mir bekehrt, spricht der Herr (Arnos 4,
6-12). Deine Unreinigkeit ist so verhärtet, dass, ob
ich dich gleich gerne reinigen wollte, dennoch du nicht willst dich reinigen
lassen von deiner Unreinigkeit. Darum kannst du
hinfort nicht wieder rein werden, bis mein Grimm sich an dir gekühlt habe (Hesekiel
24, 13).
Ein Bekenner ist beinahe, wo nicht ganz, außer aller Gnade, wenn Gott
ihn dahingibt und fahren lässt, d. h. wenn er ihn alles ungehindert tun lässt,
ihm nicht beisteht, weder in den Werken der Heiligung, noch in Bedrängnissen
und sonstigen Nöten. Ephraim hat sich zu den Götzen gesellet; so lass ihn
hinfahren (Hosea 4, 17). Wehe ihnen, wenn ich von ihnen bin gewichen (Hosea 9,
12). Ich will Lachen in eurem Unfall, und eurer spotten, wenn da kommt, das ihr
fürchtet (Sprüche 1, 24-30). Unfruchtbarer Feigenbaum! Du bist vorher umgraben
und bedüngt; Gottes Spaten ist an deinen Wurzeln gewesen; der Dünger des
Evangeliums ist dir nahe gebracht worden; der Herr hat mit dir gestritten; er
hat dich überführt und aufgeweckt; er ließ dich sehen und schmecken, dass du
ausrufen musstest: O, welche Seligkeit! Er ist dir in seinem Worte freundlich
begegnet; dein Herz wurde geschmolzen; dein Geist beugte sich; deine Seele
zitterte und du hast etwas gefühlt von der Kraft des Evangeliums. Aber du hast
gesündigt; du hast seine heiligen Augen erzürnt; deine Ungerechtigkeit ist
offenbar geworden und musst verworfen werden. Nun hat vielleicht Gott dich
verlassen, dich dahingegeben und dich fahren lassen. Früher warst du
empfindlicher; dein Gewissen zitterte vor der Versuchung zu Sünden, denn du
warst durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesu Christi dem Unflat der
Welt entflohen (2. Petrus 2, 20-22). Aber was du ausgespieen, dem du früher
entflohen warst, dasselbe leckst du jetzt wieder auf, und in dem Kot, von
welchem du vorher gewaschen schienst, wälzest du dich jetzt aufs neue.
Doch - hiervon genauer. An drei Zeichen erkennt man, dass ein Mensch von
Gott dahingegeben ist:
1. Wenn ihm Freiheit gegeben wird zum Sündigen, oder seinen Lüsten die
Zügel schießen gelassen werden und er an diese überlassen wird. Und gleichwie
sie nicht geachtet haben, dass sie Gott erkennten, hat sie Gott auch dahin gegeben
in verkehrten Sinn, zu tun, das nicht taugt; voll alles Ungerechten (Römer 1,
28-29). Wenn du jemanden siehst, der zuvor die Erkenntnis Gottes und Ehrfurcht
vor seiner Majestät hatte; ich sage, wenn du solch einen siehst, mutwillig in
seinen Sünden (2. Petrus 2, 13), die Gnade unsers Gottes auf Mutwillen treiben
und nach seinen eigenen gottlosen Begierden wandeln; über solchen Menschen ist
das Urteil von lange her nicht säumig, und seine Verdammnis schläft nicht (2.
Petrus 2, 3). Hörst du dies wohl, unfruchtbarer Feigenbaum? Entsetzlich ist es
anzusehen, wie solche, welche zuvor Kinder des Lichts zu sein und sich zu
bereiten schienen zum ewigen Leben, um ihres Herzens Härtigkeit
willen, durch das gerechte Gericht Gottes dahingegeben sind, ruchlos zu werden,
sich der Unzucht zu ergeben und allerlei Unreinigkeit
zu treiben (Epheser 4, 19). Solcher gab es in den ersten Zeiten des Evangeliums
eine große Zahl, über welche Petrus, Judas und Johannes das schwere Gericht
Gottes ausgesprochen haben: Petrus und Judas stellen sie auf eine Stufe mit den
gefallenen Engeln (2. Petrus 2, 2-8), und Johannes gebietet, für solche nicht
zu beten (1. Johannes 5, 16), weil sie gleiches überkommen ist wie den
gefallenen Engeln. Diese behielten nicht ihr Fürstentum, sondern verließen ihre
Behausung. Darum hat Gott sie auch behalten zum Gericht des großen Tages mit
ewigen Banden in Finsternis (Judas 1, 6-7). Unfruchtbarer Feigenbaum, vernimmst
du wohl?
Solche sind 1. außer aller Gnade; 2. außer allen Verheißungen; 3. außer
aller Hoffnung auf Bekehrung. Sie haben 4. keinen Fürsprecher, noch
irgendwelchen Anteil an dem Schlachtopfer für die Sünden. 5. Für solche ist
nichts übrig geblieben, denn ein schreckliches Warten des Gerichts, und darum
sind dies 6. die eigentlichen Flüchtigen, welche von Gott, von Christo, von der
Gnade und von allen Verheißungen verlassen, ohne alle Hoffnung umherirren, hin
und her rennen wie ihr Bundesgenosse Satan, bis es zum Sterben kommt, oder bis
sie in einen Kampf ziehen und umkommen.
2. Wenn er aber auch ruhig unter dem Gehör des Wortes gelassen wird, und
dasselbe hin und wieder in sein Ohr dringt, so hat er doch keine Freude, keinen
Geschmack an den Gnadenmitteln, keine Herzensbewegungen, kein Mitleiden mit
sich selbst noch Liebe zu seiner eigenen Seligkeit. Wohin sie nur sehen,
allenthalben erblicken sie solche Wirkungen des Wortes an andern: Beweise von
Buße, Liebe zu Gott und zu Christo; aber sie beugen ihren Rücken allezeit (Römer
11, 10). Gott hat ihnen gegeben einen Geist des tiefen Schlafs, Augen, dass sie
nicht sehen und Ohren, dass sie nicht hören, bis auf den heutigen Tag. (Römer
11, 8). Und wie sie gewandelt haben zu der heiligen Stätte, so kommen sie von
dannen zurück, und werden vergessen in der Stadt, in welcher sie also getan
haben (Prediger 8, 10). Nur den einen Schadenholen sie sich, dass sie nach
ihrem verstockten und unbußfertigen Herzen sich selbst den Zorn häufen, auf den
Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes (Römer 2, 5).
So hüte dich denn, unfruchtbarer Bekenner.
3. Wird er nach der gewöhnlichen Weise der Menschen heimgesucht mit
Krankheit, Not oder sonst einem Elend, so erscheint kein Gott, keine heiligende
Hand des Herrn, keine Barmherzigkeit gesellt sich zu der Trübsal: doch wird er
krank und wird wieder gesund wie das Vieh. Oder er ist in Angst wie Saul,
welcher, in Krieg mit den Philistern verwickelt, sich von Gott verlassen wusste
(1. Samuel 28, 4-6). Da nun die Philister sich versammelten, und kamen und
lagerten sich zu Sunem, versammelte Saul auch das
ganze Israel und lagerten sich zu Gilboa. Da aber Saul der Philister Heer sah,
fürchtete er sich, und sein Herz verzagte sehr. Und er ratfragte
den Herrn; aber der Herr antwortete ihm nicht, weder durch Träume noch durchs
Licht, noch durch die Propheten. Der Herr antwortete ihm nicht mehr, er war mit
ihm fertig; er hatte ihn verlassen und verworfen und ihn lassen stehen und
fallen in seinen Sünden. Doch hiervon mehr zum Schluss dieser Betrachtung.
Solche Menschen mögen nun tun, was sie wollen, sie mögen laufen von Gefühl zu
Gefühl, von Begriff zu Begriff und von Sekte zu Sekte - nirgends können sie zum
ruhigen Haltmachen kommen; sie sind an ihre eigene Unbeständigkeit übergeben.
Sie haben keine Gnade, die ihr Herz erquicken könnte, und obschon einige von
ihnen sich dieser Freiheit gerühmt haben, so werden sie doch von Judas genannt:
irrige Sterne, welchen behalten ist das Dunkel der Finsternis in Ewigkeit (Judas
1, 13). Sie sind, wie vorhin gesagt, dahingegeben, um unstet auf der Erde
umherzuirren, um allenthalben hinzurennen, ohne irgendwo bleiben zu können, bis
sie hingehen an ihren Ort (Apostelgeschichte 1, 25) mit Kain und Judas, welche
gleich waren wie sie.
Ein Bekenner steht außer der Gnade, wenn sein Herz so verhärtet, so
versteinert und undurchdringlich ist, dass nichts hineindringen kann. Unfruchtbarer
Feigenbaum, beachte dies. Ein hartes und unbußfertiges Herz ist ein Fluch
Gottes. Ein Herz, welches sich nicht bekehren kann, ist schlimmer als alle
sonstigen Plagen zusammen. Darum sagte Gott von Pharao, als er drohte ihn der
Macht seines Zornes zu übergeben: Denn ich will diesmal alle meine Plagen in
dein Herz senden (2. Mose 9, 14). Gott sendet manchen, welche unter dem Mantel
der Frömmigkeit schwer gesündigt haben, dies Zeichen seines Zornes; ihnen wird
die Macht, sich zu bekehren, geweigert; ihre Herzen werden gebunden, so dass
sie unmöglich sich bekehren können, und lebten sie gleich tausend Jahre. Es ist
unmöglich, solche, wo sie abfallen, wiederum zu erneuern zur Buße, als welche
ihnen selbst wiederum den Sohn Gottes kreuzigen und öffentlich zum Spott machen
(Hebräer 6, 4-6). Diese Verhärtung des Herzens ist ein Gericht Gottes, ein
Hindernis, welches Gott der Herr diesen Sündern in den Weg legt, dass sie nicht
selig werden. Dies war der Schluss der Klage Spieras:
Ich kann nicht; o, ich kann nun nicht mehr! Dieser Bekenner sieht, was er
begangen hat, was ihm hätte helfen können und was aus ihm werden wird, und
dennoch kann er sich nicht bekehren. Vorher zuckte er mit den Schultern und verschloss
seine Augen. So wurde er von Gott verlassen, und so bleibt er stehen bis heute.
Unveränderlich, wie auch das Weib Lots, da es in eine Salzsäule verwandelt
wurde (1. Mose 19, 26), das noch stehen blieb, den Blick über die Achseln
zurückgewandt, mit denn Angesichte nach Sodom gekehrt. Wie das Gericht sie erfasste,
so wurde sie fest gebannt und als Zeichen des göttlichen Zornes für kommende
Geschlechter hingestellt. Man liest von etlichen Menschen, dass in ihr Gewissen
ein Mal eingebrannt sei. Ihr Gewissen ist gänzlich gefühllos, wie denn stets
der Teil eines Menschen, der gänzlich verbrannt ist, ohne irgendwelches Gefühl
ist. Sie haben Brandmal in ihrem Gewissen. (1. Timotheus 4, 2). Das Gewissen
ist der Teil, welcher, soll jemals etwas Gutes gewirkt werden, erfasst und
erreicht werden muss durch Empfindung, durch Zittern und Zerknirschung. Um
solch Gewissen aber steht es schlimmer, als um das Gewissen derer, welche noch
in Sünden schlafen. Denn ein in festem Schlafe liegendes Gewissen kann noch
kräftig erweckt und dann bewahrt werden, das Gewissen aber, welches zugebrannt und ausgedörrt ist, wie ausgebrannte Asche, kann
niemals in dieser Welt ein Gefühl von Buße haben. Unfruchtbarer Feigenbaum,
merke doch auf! Entsetzlich ist die Verhärtung, die durch Gottes Gericht
erfolgt ist. Es besteht ein Unterschied zwischen der Verhärtung, welche allen
Menschen eigen ist, und der, welche einigen Menschen widerfährt, als ein
besonderes Gottesgericht. Wohl kann jede Verhärtung des Herzens im gewissen
Sinne ein Gericht genannt werden, doch gibt es eine Verhärtung, die sich nur
bei denen findet, welche verloren gehen; sie ist ein Gericht zur Strafe für den
Missbrauch des empfangenen Lichtes, eine Vergeltung ihres Abfalles.
Diese besondere Verhärtung durch ein Gottesgericht unterscheidet sich
von jener allgemeinen in folgendem:
1. Es ist eine Verhärtung, welche nach einer reichen Mitteilung von
Licht erfolgt, und zwar wegen schwerer Sünden, welche wider dieses Licht und
wider die durch dasselbe geschenkte Gnade begangen
sind. Es ist eine Verhärtung, wie sie bei Pharao erfolgte, nachdem der Herr vor
seinen Augen jene Wunderwerke getan hatte; es ist solch eine Verhärtung, wie
sie den Heiden widerfuhr, indem ihre Herzen verfinstert, und sie dahingegeben
wurden in verkehrten Sinn (Römer 1, 21-23). Diese Verhärtung ist dieselbe, vor
welcher der Apostel warnt (Hebräer 3, 7-8), eine Verhärtung, welche
hervorgerufen wird durch ein ungläubiges Herz, durch das Abweichen von dem
lebendigen Gott; eine Verhärtung, herbeigeführt durch Betrug der Sünde (Hebräer
3, 12-13), wie in der Verbitterung, am Tage der Versuchung, in der Wüste; darum
Gott auch schwor in seinem Zorn, dass sie sollten zu seiner Ruhe nicht kommen
(Hebräer 3, 8-11). Diese Art der Verhärtung brach auch über Kain, Ismael und
Esau herein, nachdem sie jene schweren Sünden begangen hatten.
2. Es ist der stärkste Grad der Verhärtung, weshalb es auch von solchen
Menschen heißt, sie seien härter, denn ein Fels (Jeremia 5, 3), und ein Demant (Sacharja 7, 12), d. h. härter denn ein Kieselstein,
so hart, dass nichts hineindringen kann.
3. Es ist eine Verhärtung, welche ein großer, göttlicher Zorn über
jemanden bringt, damit seine Seele so fest gebunden werde, dass ihr die
Bekehrung unmöglich wird.
4. Darum ist es auch eine unheilbare Verhärtung, an welcher man sterben
und verloren gehen muss. Unfruchtbarer Bekenner, nimm dies doch zu Herzen.
Ein Bekenner ist ganz aus der Gnade gefallen, wenn er sein Herz
verhärtet wider den Inhalt des göttlichen Wortes. Wer hätte sich wider ihn
verhärtet und hätte Frieden gehabt (Hiob 9, 4)? In solchem Zustande setzt sich
unser Geist wider Gott (Hiob 15, 13). Gleich als wenn jemand nach einem Zeugnis
vom Herrn Jesu und von der Lehre der Wahrheit und der Gottseligkeit sich
erkühnt, Sündenwege zu wandeln, und sich selbst vorzureden, er werde
nichtsdestoweniger Leben und Seligkeit erlangen. Unfruchtbarer Bekenner, merke
doch auf! 5. Mose 29, 18 steht ein Wort, welches auf eine Wurzel deutet, die da
Galle und Wermut trägt, auf eine Wurzel, welche vor Gott ein Gräuel ist, ja,
die von seiner Seele gehasst wird; denn solche Leute segnen sich in ihrem
Herzen und sprechen: ich werde Frieden haben, obschon ich wandele, wie es mein
Herz dünket; auf dass der Trunkene mit dem Durstigen
dahinfahre (V. 19). Diese Herzensstellung steht gerade dem Worte Gottes
entgegen, ja geht sogar gegen die Natur Gottes selbst an, weshalb auch V. 20
folgt: Da wird der Herr dem nicht gnädig sein, sondern dann wird sein Zorn und
Eifer rauchen über solchen Mann und werden sich auf ihn legen alle Flüche, die
in diesem Buche geschrieben sind. Und der Herr wird seinen Namen austilgen
unter dem Himmel. Ja, es kann nicht fehlen, solch ein Mann muss kräftiglich verderbt werden; denn so sagt der Text weiter
V. 21: Und der Herr wird ihn absondern zum Unglück aus allen Stämmen Israels,
laut aller Flüche des Bundes, der in dem Buch dieses Gesetzes geschrieben ist.
Er wird ihn absondern zum Unglück. Er wird ihn übergeben und ihn seinem eigenen
Herzen überlassen. Er wird ihn absondern auf diese oder jene Art, doch wird sie
ihm sicherlich zu hart werden. So handelte der Herr mit Ahab, einem Manne, der
sich verkauft hatte, Böses zu tun (1. Könige 21, 25). Und der Herr sprach: Wer
will Ahab überreden, dass er hinaufziehe und falle zu Ramoth
in Gilead? Und einer sagte dies, der andere das. Da ging ein Geist heraus und
trat vor das Angesicht des Herrn und sprach: Ich will ihn überreden. Der Herr
sprach zu ihm: Womit? Er sprach: Ich will ausgehen und will ein falscher Geist
sein in aller seiner Propheten Munde. Er sprach: Du sollst ihn überreden und
sollst es ausrichten; gehe aus und tue also (1. Könige 22, 20-22). Du sollst es
ausrichten, tue nach deinem Willen; ich gebe ihn in
deine Hand; gehe aus und tue also.
In diesen Gerichten bietet der Herr alles auf, diejenigen, welche ihn so
lange gereizt haben, zu führen, wie er es will. Sie sind es, deren Verderben er
beschließt und ausführt nach seinem Rat. Ich will erwählen den Lohn ihrer.
Taten, und was sie scheuen, will ich über sie kommen lassen (Jesaja 66, 4). Ich
will ihre Taten oder die Ausgeburten ihres gottlosen Herzens erwählen, und will
machen, dass sie dieselben umarmen und an ihnen ihre Lust haben. Doch wer sind
die, mit welchen so verfahren werden soll? Es sind solche Bekenner, von denen
gesagt wird: Diese erwählen auch ihre Wege, und ihre Seele hat Gefallen an
ihren Gräueln (Jesaja 66, 3). Dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht
haben angenommen, dass sie selig würden, darum wird ihnen Gott kräftige
Irrtümer senden, dass sie glauben der Lüge (2. Thessalonicher 2, 10-11). Gott
wird sie ihnen senden; dies ist ein schweres Wort; ja, Gott wird ihnen kräftige
Irrtümer senden; ein schweres Wort ist dies; Irrtümer, die sie verführen
werden, den Lügen zu glauben. Und warum wird er dieses tun? Auf dass gerichtet
werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der
Ungerechtigkeit (V. 12). Nichts erregt mehr den Zorn des Herrn,. als wenn jemand Gelübde ablegt, sobald Gott droht, und
dann sich leichtsinnig einbildet, er werde wohl selig, ob er gleich gottloser
lebt als vorher. Solches Menschen Seele steht in einer Abkehr von der Wahrheit
Gottes, und darum ist es kein Wunder, wenn auch Gottes Herz sich von ihm
abwendet. Er hat einen Weg gefunden zum Schaffen seiner Seligkeit, welcher den
Wegen Gottes zuwider ist; wie darf es uns denn wundern,
wenn Gott mit ihm den Weg zur Verdammnis einschlägt! Und weil solch ein Rebell
zu dem Schluss gekommen ist: Ich werde Frieden haben, so will Gott einmal
versuchen, wessen Wort bestehen wird, sein Wort oder das Wort dieses Rebellen.
Für einen Menschen ist der Tag der Gnade vorbei, wenn er über dieselbe
spottet und innerlich gegen sie tobt, ja, wenn er einen Hass wider Gott hat,
wenn er sich unter Verachtung der Boten Gottes heimlich vornimmt, seinen
eigenen Weg festzuhalten. Wenn jemand das Gesetz Moses bricht, der muss sterben
ohne Barmherzigkeit. Wie viel, meint ihr, ärgere Strafe wird der verdienen, der
den Sohn Gottes mit Füßen tritt (Hebräer 10, 28-29)? Wider solche Verächter
tritt Gott selbst auf und hat ihnen vorher verkündigt, dass sie nicht glauben
sollen, sondern müssen vergehen und verderben. Sehet,
ihr Verächter, und verwundert euch und werdet zunichte; denn ich tue ein Werk
zu euren Zeiten, welches ihr nicht glauben sollt, so es euch jemand erzählen
wird (Apostelgeschichte 13, 41; Habakuk 1, 5).
Bis jetzt haben wir nur von dem unfruchtbaren Feigenbaum oder Bekenner
geredet und einige Zeichen beigefügt, an welchen man ihn erkennen kann, so wie
auch die Kennzeichen eines Menschen angegeben, der nicht fruchtbar werden kann
oder will, sondern elendiglich umkommen muss. Nun sind wir bei der Vollziehung
des Urteilsspruches angelangt, und ich will auch hierüber einige Worte sagen.
So haue ihn darnach aus, Christus übergibt diesen unfruchtbaren Feigenbaum
endlich der Gerechtigkeit Gottes; er verlässt ihn und überliefert ihn, weil er
unnütz ist, zum Verbrennen.
Haue ihn aus
Auf zwei Dinge haben wir hier zu achten:
1. auf den, welcher das Urteil ausführen wird, nämlich auf den großen,
erschrecklichen und ewigen Gott. In obigen Worten wird uns deutlich zu verstehen
gegeben, wie bereits gesagt ist, dass Christus, der Mittler, durch welchen
allein die Seligkeit kommt, und durch den allein die Vollstreckung des Urteils
hinausgeschoben worden, nunmehr die Seele aufgegeben hat. Er legt kein Wort
mehr für sie ein, versucht nicht das geringste Gnadenmittel mehr zur Besserung,
sondern überliefert sie nun ganz dem schrecklichen Los, zu fallen in die Hände
des lebendigen Gottes (Hebräer 10, 31).
2. haben wir zu achten auf das Mittel, durch welches das Urteil
vollzogen wird, nämlich auf den Tod, welcher hier mit einer Axt verglichen
wird. Wie nun ein Baum nicht mit einem Schlage fällt, so folgt auch hier ein
Schlag dem andern, bis die Zahl voll ist, die zu seinem Falle nötig ist; denn
wenn die Zeit des Aushauens gekommen ist, so ist es auch sein Los, völlig
ausgehauen zu werden. So haue ihn darnach aus. Der Tod, sage ich, ist die Axt,
welche Gott manchmal gebraucht, um einen unfruchtbaren Feigenbaum aus dem
Weinberge, aus seiner Kirche und zugleich auch aus der Welt herauszureißen.
Diese Axt aber ist nun scharf geschliffen und wird mit scharfer Schneide in die
Wurzeln dieses unfruchtbaren Feigenbaumes hineingetrieben. Sie ist geschärft
durch die Sünden, durch das Gesetz und durch ein bloßes Gewohnheitsbekenntnis;
darum muss sie auch tief einschneiden, nicht allein in das natürliche Leben,
sondern auch in Herz und Gewissen dieses Bekenners. Der Tod ist der Sünde Sold
(Römer 6, 23), und der Stachel des Todes ist die Sünde (1. Korinther 15, 56).
Darum kommt auch der Tod zu ihm nicht, wie zu den Heiligen, besiegt und ohne
Stachel, sondern mit geöffnetem Rachen, in seiner vollen Kraft. Ja, seine
Erstgeburt, nämlich seine Schuld, wird die Riegel seiner Hütte verzehren, und
ihn treiben zu dem König der Schrecken (Hiob 18, 13-14).
Doch ich will noch in einigen Worten vorführen, wie der Tod dieses
Bekenners ist.
1. Jetzt auf seinem Lager wird er durch seine Unfruchtbarkeit und durch
all die Legionen seiner Missetaten belagert; denn: den Gottlosen wird seine
Missetat fangen, und er wird mit dem Strick seiner Sünde gehalten werden (Sprüche
5, 22).
2. Dann wird ihm, zum Grauen und Entsetzen seines Gewissens, eine
schreckliche Erkenntnis von Gott geschenkt: Er wird solches über ihn führen,
und wird seiner nicht schonen; es wird ihm alles aus seinen Händen entfliehen
(Hiob 27, 22).
3. Das finstere Tor, durch welches er wandern muss, wird ihm Grauen
einflößen, denn es sollen Schrecknisse sein auf dem Wege (Prediger 12, 5). Ja,
Schrecken wird ihn überfallen, wenn er aufgesperrt sieht den gähnenden Rachen
des Todes, wenn er die Türe zur Finsternis des Todes geöffnet sieht, um ihm aus
dieser Welt den Durchgang zu geben. Nun ruft er aus: Wer wird mir an diesem
finstern Orte begegnen? Wie kann ich durch diesen dunklen Vorhang in die andere
Welt hinübergehen?
4. Nun wird wegen des schuldbeladenen, zitternden Gewissens sein Leben
vor ihm schweben, Nacht und Tag wird er sich fürchten und seines Lebens nicht
sicher sein. Des Morgens wird er sagen: Ach, dass es Abend wäre! Und des Abends
wird er sprechen: Ach, dass es Morgen wäre! vor Furcht seines Herzens, die ihn
schrecken wird, und vor dem, dass er mit seinen Augen sehen wird (5. Mose 28,
66-67).
5. Nun wird auch sein Mangel wider ihn aufstehen, ja ihn übereilen, wie
ein gewappneter Mann (Sprüche 6, 11). Ein schreckliches Lager für solche,
welche im Herzen ohne Gnade und im Leben unfruchtbar sind. Dieser Mangel wird
ihm beständig in die Ohren rufen: es fehlt die neue Geburt, es fehlt ein neues
Herz und ein neuer Geist, es fehlt der Glaube, die Furcht Gottes und ein
gottseliger Wandel; man hat dich in einer Waage gewogen und zu leicht gefunden
(Daniel 5, 27).
6. Es finden sich auch ein die Gesellen des Todes, die Hölle, die Teufel
und die endlosen Qualen, die seiner harren in den ewigen Flammen eines
verzehrenden Feuers. Wenn Gott sich aufmachten wird wider das Volk, wird er es
anfallen mit Scharen (Habakuk 3, 16). Wie wird aber dieser Mensch sterben? Wird
sein Herz nun bestehen, oder werden seine Hände stark sein (Hesekiel 22, 14)?
Gott, Christus und alle Barmherzigkeit haben ihn jetzt verlassen; seine
Sünden wider das Licht, wider die Gnade und die Langmut Gottes sind wider ihn
aufgetreten; seine Hoffnung, sein Vertrauen sterben mit ihm, und sein Gewissen
zittert und bebt in seinem Leibe immerfort.
Der Tod arbeitet nun wirklich an ihm, ihn auszuhauen, Rinde und Herz,
Leib und Seele reißt er voneinander. Zwar seufzt und stöhnt er, aber der Tod
achtet es nicht; er ist geängstet, erschreckt und
niedergeschlagen; er seufzt, schwitzt und bebt, aber den Tod stört das nicht.
Nun wird er mit fürchterlichen Gedanken erfüllt; Eigenschaften Gottes, die
dem Sünder schrecklich sind, erschrecken auch ihn. Jetzt hat er Zeit zu
bedenken, was der Verlust des Himmels und was die Qualen der Hölle bedeuten;
jetzt wird er erschreckt, er mag sehen, wohin er will.
Jetzt möchte er wohl leben, aber unerreichbar ist das Leben für ihn;
jetzt möchte er wohl leben, wenn auch nur bettlägerig und hinsiechend, doch es
ist ihm nicht vergönnt. Der, welcher ihn aushaut, schüttelt ihn, wie der
Holzhauer einen schwankenden Baum, bald biegt er ihn hier-, bald dorthin; dann
bricht endlich eine Wurzel, es springt eine Herzader.
Könnte jetzt die Seele vernichtet werden! 0, wie glücklich würde sie
sich schätzen! Aber sie sieht, dies kann nicht geschehen. Nun ist sie in großer
Bedrängnis; im Leibe bleiben kann sie nicht, ihn zu verlassen wagt sie nicht. -
Dann schwindet das Leben, das Blut steht still in den Adern, der Lunge
fehlt die Kraft, Luft zu schöpfen, und so verlässt endlich die abgemattete Seele den Körper, um von den Teufeln, die
darauf nur gewartet haben, in Empfang genommen zu werden. Die Freunde tragen
für den Leichnam Sorge, hüllen ihn in ein Tuch und legen ihn in den Sarg. Die
Seele aber ist außer ihrem Bereich, sie ist niedergestiegen in die Kammern des
Todes.
Ich beabsichtigte anfangs, meine Betrachtungen hierüber noch weiter
auszudehnen, doch will ich nicht weiter gehen. Gott, welcher die Menschen
lehret, was gut ist, der segne dies kurze und schlichte Wort an euern Herzen,
die ihr noch steht als Bekenner im Lande der Lebendigen, unter den Bäumen
seines Weinberges. Amen.