1. Zur Einführung
a.
Zur Abfassung
I:
Die Anschrift
Das Schreiben ist von Paulus an einen seiner Mitarbeiter namens Titus
gerichtet. Über seine Herkunft wird spekuliert. Aus der Apostelgeschichte erfahren
wir nichts, aus den Briefen, dass er Grieche war, wohl Vollgrieche, denn im
Gegensatz zu Timotheus blieb er unbeschnitten. Seine Fähigkeit, mit Menschen
umzugehen, zeigte sich in seiner Aufgabe in Korinth.
Zum Zeitpunkt unseres Briefes scheint er
ein noch verhältnismäßig junger Mann und unverheiratet gewesen zu sein. Das
scheint im 2. Kolosser angedeutet zu sein. Dort werden ihm Anweisungen für
seine Verkündigung gegeben, darunter Worte für verschiedene Gruppen von
Christen.
Es ist aber in Verbindung mit den
jüngeren Männern, dass ihm nahe gelegt wird, ein Beispiel zu sein. Er scheint
also selbst nicht alt gewesen zu sein. Ferner, während Paulus ihm ein Wort für
ältere Männer, für ältere Frauen und auch für jüngere Männer gibt, fehlt die
Anrede der jüngeren Frauen. Das Wort an diese wird eingebaut in das Wort für
die älteren Frauen, die die jüngeren unterweisen sollen. Dieses könnte auf
einen gewissen Abstand hindeuten, den Titus wahren soll. In dem Fall dürfte es
ebenfalls von einem eher jüngeren Alter sprechen.
Obwohl sein Name in der
Apostelgeschichte nicht vorkommt, erfahren wir aus den Briefen, dass Titus seit
einer geraumen Zeit Mitarbeiter des Paulus ist. Zum Zeitpunkt der Abfassung
dieses Schreibens versorgt er eine Anzahl Gruppen von Christen auf der Insel
Kreta. Seine Aufenthaltszeit ist jedoch bemessen. Bald soll er weiter nach
Nikopolis ziehen. Er ist also nicht als ansässiger Bischof zu betrachten. Er
hat Älteste einzusetzen, unterscheidet sich also auch von diesen. Und da es
damals keine Pastoren gab, sondern die Ältesten die Aufseher und Hirten der
Gemeinden waren, ist Titus auch nicht als Pastor einzustufen.
Übrigens, da weder Titus noch Paulus
Pastoren sind, handelt es sich bei unserem Schriftstück auch nicht um einen
Pastoralbrief, wie er irrtümlicherweise seit einigen Hunderten von Jahren
bezeichnet wird. Aber es ist nun einmal so, dass Theologen die starke Neigung
haben, die ihnen gewohnten Formen kirchlichen Lebens in der Schrift finden zu
meinen.
Die Tätigkeit des Titus ist die des
Timotheus ähnlich und seine wiederum der des Paulus. Der Unterschied zwischen
Paulus und seinen Mitarbeitern war nicht nur das Alter, sondern die Quelle
ihrer Botschaft.
Nach dem Beispiel des Paulus und
Barnabas in der Apostelgeschichte 14 war es die Aufgabe von Missionaren bzw.
Aposteln, wie wir sie aus der Schrift kennen, Älteste einzusetzen, was auch
Timotheus und Titus machen. Timotheus wird denn auch in 1Th als Apostel
bezeichnet.
Wir kommen also zu dem Schluss, dass Titus
ein Missionar ist bzw. ein Apostel zweiter Ebene.
Die Insel Kreta, auf der Titus sich zu
dieser Zeit befindet, dürfte im AT als Kaphtor und in
der Altertumsgeschichte unter dem Namen Kandia
erwähnt sein. Philo und Josephus wissen zu berichten,
dass es dort viele wohlhabende und einflussreiche Juden gab. In der
Apostelgeschichte 2 lesen wir von der Anwesenheit von “Kretern” in Jerusalem am
Pfingstfest.
Das Schiff, mit dem Paulus das erste Mal
als Gefangener nach Rom reisen soll, hält in Kreta an. Wäre man dem weisen Rat
des erfahrenen Paulus, dort zu überwintern, gefolgt, hätte auf dieser Insel
wohl eine erste wenn auch beschränkte Zeugnistätigkeit seitens des Apostels und
seiner zwei Begleiter Lukas und Aristarchus stattfinden können. Das war jedoch
noch nicht in Gottes Plan.
Nach seiner Freilassung aber werden Paulus
und Titus dann dort gewirkt haben, wobei ersterer aus einem unbekannten Grund
weiterreisen musste. Darauf wird unser Brief von einem uns wiederum nicht
bekannten Ort aus verfasst. Ein älterer Missionar schreibt hier an einen
jüngeren Missionar und erteilt ihm Weisungen für die Nacharbeit nach
geschehener evangelistischer Tätigkeit. Zenas und Apollos, die auf ihrer Reise
Halt auf Kreta machen, dürften den Brief übermittelt haben. Beide waren Juden,
und man kann sich vorstellen, dass sie Titus eine gute Stütze waren im Blick
auf Kolosser 1,10.11, wo es heißt: “es sind viele – und sie sind solche, die
sich nicht unterordnen – unnütze Schwätzer und Sinnirreleitende (besonders die
aus der Beschneidung), denen man den Mund schließen muss, die ganze Häuser
verkehren und schändlichen Vorteils zuliebe lehren, was man nicht lehren
sollte.”
Die Christen auf Kreta sind – wenigstens im
Großteil – Nichtjuden. Sie sind sittlich schwach. Beiden Sachverhalten
entspricht wohl, dass Paulus in diesem Brief den Gottesbegriff in besonderer
Weise herausstellt.
II:
Über die Umstände der Abfassung
Im Philipperbrief, den
Paulus aus der Haft in Rom schreibt, lesen wir in Kolosser 1,25.26: “und da ich
von diesem überzeugt bin, weiß ich, dass ich bleiben werde – und zugleich bei
euch allen bleiben werde – zu eurem Fortschritt und eurer Freude des Glaubens,
damit euer Rühmen an mir in Christus Jesus reich sei durch mein Wiederkommen zu
euch.”
Im Brief an Philemon rechnet er ebenfalls
mit seiner Freilassung aus römischer Gefangenschaft.
Da wir der Voraussicht des Propheten Paulus
vertrauen dürfen, gelten diese Texte als Auskunft, dass er aus dieser Haft
entlassen wurde.
Dagegen vernehmen wir aus dem 2. Timotheusbrief
folgendes: "Schäme dich also des
Zeugnisses unseres Herrn nicht, auch nicht meiner, der ich sein Gebundener bin,
sondern erleide mit das Üble für die gute Botschaft gemäß der Kraft
Gottes" (1,8), und in 4,6: “denn ich werde schon als Trankopfer
ausgegossen, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden.”
Paulus ist wieder in Haft, erwartet aber
dieses Mal nicht, entlassen zu werden. Unseren Brief könnte er als zweitletzten
zwischen den zwei Haftzeiten geschrieben haben.
Drei zentrale Lehrtexte
enthält das Schreiben: 1,1-3; 2,11-15; 3,4-7. Sonst trägt es außergewöhnlich
starken ethischen Charakter. Wenn der Römerbrief und der Epheserbrief zusammen
als die Dogmatik des Paulus bezeichnet werden können, so ist der Titusbrief
seine Ethik, eine aber, die nicht im Gesetz, sondern im Evangelium verankert
ist, nämlich in den erwähnten drei Texten, die klares Heilsfundament bilden.
Der Brief zeigt, dass aus dem Evangelium reichlich Gnade fließt für ein Gott
wohlgefälliges Leben in dieser dunklen Welt und Zeit.
Als Brief hat das Schreiben die bekannten
drei Bestandteile: einen Eingangsgruß, einen Hauptteil (der das Thema
bespricht) und einen Abschluss.
Der Hauptteil könnte die Überschrift
tragen: “Weisungen für die Nacharbeit eines Missionars”. Er zerfällt ebenfalls
in drei ungleich lange Teile:
I:
Über die personale Aufgabe des Titus: 1,5‑11
II:
Über seine Verkündigungsaufgabe: 1,12 ‑ 3,8
III: Über den Umgang mit dem Verkehrten: 3,9-11
Eine sehr praktische Besprechung des
Briefes könnte unter folgenden Stichworten geschehen: Was es in der Gemeinde
Jesu immer braucht: 1. gute Beispiele (K. 1), 2. die rechte Verkündigung (K.
2), 3. dass sie ihre Botschaft mit Glaubwürdigkeit ausweist (K. 3).
2. Textbesprechung
a. Der Eingangsgruß
1,1-4
I: Der Grüßende weist sich aus.
V. 1‑3: „Paulus, leibeigener Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi
für den Glauben der Erwählten Gottes und die Erkenntnis der Wahrheit, die zur
rechten Ehrfurcht führt, auf Hoffnung ewigen Lebens, das der untrügliche Gott
vor undenklichen Zeiten versprach, aber er offenbarte sein Wort zu seinen
rechten Zeiten in Verkündigung, mit der ich betraut wurde nach ausdrücklichem
Befehl Gottes, unseres Retters“
A: Er nennt seinen Namen.
V. 1A: „Paulus“
B: Er nennt sich „leibeigener Knecht Gottes“.
V. 1A: „Paulus, leibeigener Knecht Gottes“
Paulus ist Gott verpflichtet. Er weiß um
seine Schuldigkeit als Gottes Leibeigener. Er ist sein Sklave. „Knecht” alleine
ist ein zu schwacher Begriff. Es handelt sich um einen starken Ausdruck der
Zugehörigkeit.
Es konnte früher vorkommen, dass der Herr
seinem Sklaven nicht unbedingt direkte Befehle gab. Der Sklave, bzw.. der
Leibeigene, war auf Gebärden seines Herrn angewiesen, musste ihn also ständig
beobachten, um aus Haltung und Bewegungen schließen zu können, was er zu tun
hatte. Paulus hält seine Augen auf den Herrn gerichtet und dient ihm wie ein
Sklave, ein Leibeigener. Er ist ganz vom Herrn abhängig.
Es ist auch nicht das erste Mal,
dass er sich als Sklaven bezeichnet. Er war stets bis ins Tiefste davon
überzeugt, dass er als ein durch den Tod Jesu Christi Erkaufter nicht sich
selbst gehörte. Es ist jedoch das einzige Mal, dass er sich "Sklave Gottes"
nennt. Warum, ist nicht ganz klar.
Denkt man an die Leser des
Briefes aus dem Judentum, so könnte diese Selbstbezeichnung als ein Ehrentitel aufgefasst
sein, denn im AT wurden solche wie Abraham, Mose, David und das erwählte Volk
Gottes so bezeichnet. Vielleicht hat Paulus sich so genannt, um sich vor seinen
Volksgenossen bewusst als Apostel auf dieselbe Stufe wie alttestamentliche Erwählte
Gottes zu stellen, um seine von Gott gegebene Vollmacht herauszustellen.
Denkt man auf der anderen Seite
an seine Leser aus dem Heidentum, so müssten sie diese Bezeichnung
unwillkürlich mit Niedrigkeit und Schmach in Verbindung bringen. Da er gleich
seine Apostelbezeichnung mit einem „aber“ seinem Sklavesein
gegenüberstellt, dürfte der zweite Beweggrund der wahrscheinlichere sein.
Als leibeigener Knecht Gottes ist
er für die noch schwachen Christen auf Kreta ein Vorbild. Er findet es für dringend
notwendig, dass sie zu einem Ernstmachen in ihrem Leben nach dem Evangelium
aufgerufen werden. Dementsprechend teilt er ihnen über Titus gleich eingangs
mit, dass er selbst keinerlei Freiraum für sich selbst in Anspruch nimmt und
somit kein Selbstleben duldet: Er ist ganz und vollzeitlich Sklave dessen, der
sein Leben für ihn gab.
C: Er nennt sich „Apostel Jesu Christi“.
V. 1A: „Paulus, leibeigener Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi“
1: Was bedeutet die Bezeichnung
„Apostel“?
a: Ein Sendbote, betraut mit
einer besonderen Aufgabe
Das macht ihn zu einem besonderen Gesandten. Er vertritt einen anderen,
steht ganz in dessen Schatten. Paulus ist zwar Leibeigener, aber als solcher auch ein Gesandter: „aber Apostel“.
Zu
jener Zeit gab es zwei Arten von Aposteln, d.h., von Sendboten des Evangeliums:
b: Einer von 2 Arten
Das waren solche, die
ihre Botschaft unmittelbar von ihrem Sendenden, Jesus Christus, bekommen
hatten, also jene, die Jesus während seines irdischen Wirkens kannten und
hörten bzw. als Auferstandenen erlebt hatten. Sie sind dadurch Propheten und
als solche die Fortsetzung der alttestamentlichen. Die Apostel erster Qualität
haben uns Wort Gottes gegeben. Und wenn wir ihre Botschaften lesen, lesen wir,
was Gott gesagt hat. Sie haben in
diesem Sinne die größere Autorität als die zweite Kategorie von Aposteln.
Bei dieser Gruppe handelt
es sich um Sendboten des Evangeliums, die einen ähnlichen Dienst tun wie Paulus
und die anderen fundamentlegenden Apostel, ohne
jedoch Propheten zu sein. Solche waren z.B. Titus, Timotheus, Barnabas, Silas, Andronikus, Rufus u.a.. So können Paulus und Barnabas zusammenarbeiten, weil sie
denselben Dienst tun, aber Paulus hat die größere Autorität, obwohl Barnabas
der ältere Mitarbeiter ist.
. Aktuelle Bezeichnungen
Heute haben wir leider
für diesen Sendbotenbegriff zwei Wörter. Das Wort ‚Apostel’ reservieren wir
normalerweise für die ersten, fundamentlegenden
Apostel, während wir die 2. Ebene ‚Missionare’ nennen.
2: In welchem Zusammenhang
erwähnt Paulus seine Apostelschaft?
Er beschreibt sich als „leibeigener Knecht Gottes, aber Apostel Jesu
Christi“. Er ist beides zugleich.
Ein Ausleger (Plitt,
bei Dächsel) schreibt: „Es kann Knechte Gottes geben, die nicht Apostel sind, aber
es kann keinen Apostel geben, der nicht Knecht Gottes ist.“
Als leibeigener Knecht Gottes tut
Paulus seinen aufopfernden Aposteldienst. Andererseits entsteht hier eine
gewisse Gegenüberstellung. Das Wort „aber“ stellt der Niedrigkeit des Sklaven die
hohe Stellung, die er vor Gott als Gesandter hat, gegenüber: Paulus ist ein
persönlicher Vertreter von Jesus Christus. Von sich aus ist er ein dankbarer
Knecht, von Gottes Berufung her mit einer hohen Stellung und Aufgabe betraut,
die gleich erwähnt wird.
3: Zu welchem Zweck ist er
Apostel?
V. 1-3
a: Er ist Apostel für Personen.
V 1: „Apostel Jesu Christi in Übereinstimmung mit dem Glauben der Erwählten
Gottes“
. Zum Wortlaut
Es ist schwierig, die
richtige Übersetzung für die Präposition vor „Glauben“ zu finden, im Gr ‚kata’.
Normalerweise würde man diese mit „nach“ wiedergeben, also: „Apostel Jesu
Christi nach dem Glauben ...“ Doch dann wird der Sinn nicht klar. Es geht hier
um den Zweck der Apostelschaft: Wofür ist Paulus
Apostel?
Wie sollen die zwei
präpositionalen Bestimmungen in V. 1 aufgefasst werden?
Einige Fragen gilt es zu klären:
- Die Frage nach der Präposition
Im gr Grundtext beginnen sie beide mit ‚kata’,
das jedoch verschieden wiedergegeben werden kann: Soll man rückblickend mit
„nach“ bzw.. mit „gemäß“ oder einem ähnlichen Wort
übersetzen, oder soll man vorausblickend mit „für“, „zwecks“ oder Ähnlichem
wiedergeben? Namhafte Ausleger haben hier verschiedene Wege eingeschlagen. Wie
soll jetzt der einfache Ausleger seinen Weg finden?
In beiden Fällen ist der
Grundgedanke „entsprechend“. Die Apostelschaft des
Paulus entspricht dem Glauben der Erwählten, und die zu erkennende Wahrheit
entspricht der rechten Ehrfurcht, aber wie? Ist der Glaube der Apostelschaft gemäß, oder ist die Apostelschaft
dem Glauben gemäß? Beides ist möglich, aber der Sinn ist verschieden. Ist die
rechte Ehrfurcht der Wahrheit gemäß, oder ist die Wahrheit der rechten
Ehrfurcht gemäß? Sprachlich ist beides statthaft, doch ist der Sinn wieder
nicht derselbe. Was hat Paulus eigentlich sagen wollen?
Zwei kleine Wörter im Text
könnten hinweisend sein:
Das erste ist „aber“, das in
Verbindung mit „Apostel“ gebraucht wird und so einmalig bei Paulus ist. Dass er
sich Apostel nennt, ist nichts Außergewöhnliches, das aber, dass er diese
Bezeichnung der Tatsache seiner leibeigenen Knechtschaft gegenüberstellt, wohl.
Von hierher gesehen klingt das,
das folgt, eher als eine Erklärung für sein „Dennoch-Apostelsein“.
Er dürfte sagen wollen, warum er, trotz seiner niedrigen Stellung vor Gott, zum
Sendboten Gottes bestimmt war, und somit nach Vorn blickend von seiner Aufgabe
sprechen.
Das zweite Wort, das auf eine
Antwort hinweisen könnte, ist das erste in V. 2: „auf“. „Auf Hoffnung ewigen
Lebens“ ist er Apostel. Noch stärker als das vorige Wort weist dieses in die
Zukunft. Als Apostel hat Paulus die Aufgabe, Menschen zum ewigen Ziel zu
führen.
Zusammenfassend dürfen wir wohl
sagen: „Glauben der Erwählten Gottes“, „Erkenntnis der Wahrheit“ und „rechte
Ehrfurcht“ sind nicht so sehr Gegebenes, woran das Apostelsein gemessen wird
(und die Präposition „gemäß“, bzw.. „nach“ fordern
würde), sondern das, wozu er als
Apostel bestimmt war und somit noch werden soll.
- Die Frage nach dem Bezug
Beziehen sich die zwei präpositionale Gefüge in V.
1 und das anfangs V. 2 nur auf „Apostel“ oder auch auf „leibeigener Knecht“?
Vom Satzbau her gesehen, wegen
des „aber“ in V. 1, scheinen sie sich auf „Apostel“ zu beziehen. Man darf
jedoch nicht die Kraft der ersten Aussage übersehen: „Paulus, leibeigener
Knecht Gottes“. Sie enthält zwar kein Zeitwort, doch ist eines unmissverständlich
vorausgesetzt: „ist“. Als leibeigener Knecht Gottes grüßt er seinen
Mitarbeiter. Leibeigener Knecht Gottes ist Paulus immer, auch als Apostel – bei
allem, das er als solcher tut.
- Wer sind die Erwählten?
Sind sie eigentlich „Auserwählte“? Und sind sie solche, die bereits im
Glauben stehen, oder sollen sie als zum Glauben im Voraus Bestimmte noch erst
dazu gebracht werden?
Die Vorsilbe „Aus“ ist vom Wort
im Grundtext her überflüssig, sogar irreführend, denn es muss sich bei diesen
nicht um solche handeln, die aus einer größeren Schar herausgewählt
wurden (siehe den Gebrauch des Begriffes in der Konkordanz). Auch darf man
„erwählt“ nicht mit „zum Heil vorherbestimmt“ verquicken. (Siehe auch die Vokabel
„bestimmt“ in der Konkordanz.)
Erwählte sind von Gott zum Heil
Vorausgesehene und im Heil Erfasste. Das Volk des Heils besteht aus
Ergriffenen, aus Geliebten, aus Menschen, die Gott aus Liebe erfasst hat, aus
dem Schlamm der Sünde herausgezogen und in das Königreich seines geliebten
Sohnes versetzt hat (Kolosser 1,13). Sie
wurden nicht nur vor Grundlegung der Welt erwählt (per göttlichem
Vorauswissen), sondern auch zu dem Zeitpunkt, als sie zu Jesus Christus kamen.
Hier handelt es sich um die, die Gott gerettet und somit kostbar, „erwählt“,
vorzüglich gemacht hat.
- Welche Bedeutung hat hier das Wort „Glauben“?
Bekanntlich ist Glauben eine Tätigkeit, die man vollzieht und die man als
„das Glauben“ bezeichnen kann, aber auch das, das geglaubt wird, so oft heute.
Wenn die zweite Bedeutung in der Schrift vorkommt, dann wohl recht selten. Es
wäre also nicht angebracht, ohne weiteres und genügend Grund sie hier
anzunehmen.
Hans Bürki
schreibt: „‚Glaube’ ist hier als ‚gläubig sein’ zu verstehen (wie 1. Timotheus
4,2; 2. Timotheus 3,8) und nicht als Glaubenslehre.“
- Was dürfte
Paulus nun in V. 1 gesagt haben?
„Paulus [grüßt als] leibeigener Knecht Gottes, aber Apostel Jesu Christi
entsprechend dem Glauben der Erwählten Gottes und zwar in dem Sinne, dass er
für ihn da ist, ebenso für die Erkenntnis der Wahrheit, die der rechten
Ehrfurcht entspricht und zwar in dem Sinne, dass sie zu einer solchen führt.“
. Paulus ist demnach nicht nur Evangelist, um
Menschen zum Glauben zu führen; er ist auch Lehrer, um die Gemeinde zu
festigen.
Er sagt aber nicht: „Gemeinde“.
Im Fordergrund steht nämlich nicht ein Korpus, sondern das Wohl des einzelnen
Erlösten.
Um was geht es nun bei diesen
Personen?
b: Paulus geht es als Apostel um
den Glauben der Erwählten.
V 1: „Apostel Jesu Christi in Übereinstimmung mit dem Glauben der Erwählten
Gottes“
Hier sollten wir wohl in erster Linie
. nicht denken an das, das geglaubt wird,
. nicht daran, dass Menschen zum
Glauben kommen möchten,
. sondern an die Glaubenstätigkeit, das Glauben, die Treue zu Jesus
Christus, das Wachstum und die Auswirkung des Glaubens.
c: Paulus ist Apostel, damit man
die Wahrheit erkennt.
Der Glaube wird näml mit Tatsachen genährt,
Erkenntnis der Wahrheit, Lernen und Anerkennen derselben. Diese Wahrheit ist
zweierlei Art.
I:. Sie ist
die ganze göttliche Wahrheit.
Es gibt die eindeutige,
endgültige Wahrheit, die Botschaft Gottes. Und sie ist absolute Autorität.
Dieser Gedanke ist heute für viele schwer zu fassen, auch für manche Christen,
denn sie sind in ihrem Denken weltlich geworden. Sich auf eine absolute
Wahrheit auszurichten, wird als intolerant empfunden; es ist so vieles relativ
geworden.
Bei der Botschaft Gottes geht es nicht nur
um die Wahrheit, die der Wirklichkeit entspricht, sondern auch um die Treue
Gottes sich selbst und seinem Volk gegenüber.
Es gibt also Apostel (Missionare,
kursierende Lehrer), damit die Gemeinde die Wahrheit erkennt. Was soll nun aber
die Gemeinde machen, wenn die Vertreter des Evangeliums, die Reichgottesarbeiter,
die vorangehen sollten, nicht mehr
die Wahrheit vertreten? Die großen Leitbilder vergangener Zeiten sind vielerseits verstorben. Heute fehlt es uns an solchen
Vorbildern. Wenn die Wahrheit nicht mehr vertreten wird, ist die Gemeinde in
großer Gefahr. Aus diesem Text haben wir zu lernen, dass jeder von uns mit dem
biblischen Wort der ersten Apostel in die Pflicht genommen ist. Wir müssen es
mit der Wahrheit ganz Ernst nehmen, sie erkennen
- nicht nur kennen lernen, sie auch bejahen. „Erkenntnis der Wahrheit” kann
hier auch „Anerkennen der Wahrheit” bedeuten.
II:. Sie ist
Wahrheit nach rechter Ehrfurcht.
V. 1: „Wahrheit, die in Übereinstimmung mit der
rechten Ehrfurcht ist”
Paulus spezifiziert: Was ist das
für eine Wahrheit, für die er Apostel ist? Es ist die Wahrheit, die zur rechten
Frömmigkeit bzw.. rechten Ehrfurcht führt, ihr
entspricht, Wahrheit, die sich in einer glaubwürdigen Lebensweise zeigt,
Wahrheit, die zum Gehorsam wird. Frömmigkeit, rechte Ehrfurcht, ist nicht eine
Stimmung, sondern ein Lebenswandel; sie ist der rechte Wandel, in dem man sich
bewähren soll, die Ethik des Christen. Der Christ muss wissen, was die Wahrheit
ist, und er hat dieser Wahrheit entsprechend zu leben.
Die
Theologie nennt diese beiden Bereiche „Dogmatik” und „Ethik”. Zwecks dieser
zwei Aspekte ist Paulus Apostel. Der Titusbrief hat einen sehr stark ethischen
Inhalt. In Bezug auf den gottesfürchtigen Wandel ist er eines der wichtigsten
Bücher der Bibel. Es geht um die rechte Ehrfurcht, d.h., um einen Wandel, der
im Zeichen der Ehrfurcht vor Gott geführt wird. Der Titusbrief zeigt, wie
Christen im Alltag leben sollten. In der Bibel gibt es nicht Theorie und
Praxis; es gibt Wahrheit und Praxis. Weil man in den Gemeinden heute
nicht mehr im Wort lebt, merkt man auch nicht, dass es Praxis ist. Und dann
will man das Wort zurechtbiegen, statt den Wandel nach der Bibel zu richten.
Wir merken: Missionare haben in die Wahrheit Gottes
einzuführen, eine, die über die Grenzen des Evangeliums als solches hinausgeht.
Hiermit ist der Apostel in das
Hauptanliegen seines Briefes eingestiegen: bei den Neubekehrten ein
rechtschaffenes Leben zu fördern, das in der Christusbotschaft verankert ist,
ihre Frucht sein wird.
4: Mit welchem Ziel ist Paulus
ein Apostel Jesu Christi?
V. 2.3: „auf Hoffnung ewigen Lebens, das der untrügliche Gott vor
undenklichen Zeiten versprach, aber er offenbarte sein Wort zu seinen rechten
Zeiten in Verkündigung, mit der ich betraut wurde nach ausdrücklichem Befehl
Gottes, unseres Retters“
a: Welcher Art ist die Hoffnung?
. Die Hoffnung, von der die Schrift spricht,
ist eine gewisse.
.
Sie ist die Hoffnung des ewigen Lebens.
Paulus hat ein Ziel im Auge, wenn er mit
Menschen umgeht. Das Ziel seiner Apostelschaft ist
das ewige Leben, auf das wir heute hoffen. Zu diesem Ziel will der Apostel
Menschen führen. Vgl. Kolosser 1,28.
. Diese Hoffnung steht in einem Kontrast zum
zeitlichen Leben.
. Sie steht in einem geschichtlichen
Zusammenhang: Während die ersten 3 Berichterstatter des Lebens Jesu mehr von
einem Königreich Gottes und des Himmels sprechen, gebraucht Johannes gern den
Ausdruck "ewiges Leben" / "Leben". Es ist aber das Leben
des künftigen Reiches Gottes, eine Hoffnung.
. Die Hoffnung des ewigen Lebens ist verknüpft
mit einer Person. Wer im Hier u Jetzt in ihre Gemeinschaft tritt, hat die
Hoffnung.
b: Wessen Hoffnung ist sie?
. In erster Linie ist sie die Hoffnung des
Paulus selbst. Aus ihr schöpft er für seine schwere Arbeit als Apostel Kraft.
. In 2. Linie ist sie die Hoffnung derer, für
die er Apostel ist. Man bleibt nicht in dieser Welt. Das Evangelium ist ein Ruf
in eine ewige Gemeinschaft mit dem Rufenden.
c: Wie kommt es zu dieser
Hoffnung?
I:. Sie wurde zuerst
verheißen.
V. 2: „auf Hoffnung ewigen Lebens, das der untrügliche Gott vor
undenklichen Zeiten versprach“
Die Verheißung ist so gewiss wie
Gott nicht trügen kann. Sie wird sofort nach Eintritt des Todes verwirklicht,
aber sie wurde schon „vor undenklichen Zeiten“ versprochen.
Bei der Zeitangabe „vor undenklichen
Zeiten” haben wir wieder ein Übersetzungsproblem. Im Griechischen steht ein
Wort, das „eine sehr, sehr lange Zeit” oder „eine unübersichtlich lange Zeit”
bedeutet, auch „Ewigkeit”, aber nicht notwendigerweise. Die Bedeutung ergibt
hier keinen Sinn. An dieser Stelle haben wir den Hinweis darauf, dass die
Verheißung Gottes, die des ewigen Lebens, schon eine uralte ist – „vor
undenklichen Zeiten”. Bereits in 1. Mose 3 hat Gott dieses Leben versprochen.
Die Verheißung wurde von dem Gott gegeben,
der nicht lügt: von dem Gott, bei dem eine Verheißung, die vor 1000 Jahren
gegeben wurde, genauso Gültigkeit hat, wie wenn sie vor einem Tag gegeben
worden wäre.
Wenn Petrus in 2. Petrus 3,8 sagt, für Gott
seien 1000 Jahre wie ein Tag, meint er damit nicht, Gott habe eine
andere Zeitvorstellung als wir. Gott hat die Zeit geschaffen; er weiß genau,
wie sie beschaffen ist. Petrus spricht von Gottes Treue. Er will Spöttern den
Mund stopfen. Es gibt Leute, die denken: „Ja, das ist nun schon so lange her,
das wird wohl nicht mehr wahr werden.” Und nun sollen wir wissen, dass sich
Gottes Treue überhaupt nicht ändert. Nach 1000 Jahren gilt ein Versprechen
Gottes noch genauso viel wie nach einem einzigen Tag.
Es ist schwierig, an den Verheißungen
festzuhalten, wenn der Himmel über lange Zeit hinweg bedeckt ist, aber das ist
eine Übung, die wir nötig haben. Gott ist untrüglich.
II:. Der „untrügliche
Gott“ hat sie auch geoffenbart.
V. 3: „aber er offenbarte sein Wort zu seinen rechten Zeiten in
Verkündigung“
Wir merken uns hier die
Ausdrucksweise:
.
„aber“: Es blieb nicht bei einem
Versprechen. Das „aber” setzt V. 3 in Gegensatz zu der Tatsache, dass Gott das
ewige Leben vor sehr langer Zeit versprochen hat. Eine Verheißung ist Wort,
aber nicht sichtbares Wort; es ist noch nicht Realität. Dann jedoch wurde das
Wort geoffenbart, d.h., es wurde in der Person Jesu Christi sichtbar gemacht.
. „offenbarte“ heißt: machte sichtbar, zugänglich.
. „sein Wort“ – nämlich sein gegebenes
Versprechen
. „zu seinen rechten Zeiten“ – erst mit dem
Kommen dessen, der das ewige Leben erwarb, konnte es zugänglich gemacht werden.
Gott weiß genau, wann die rechte Zeit ist,
sein Wort zu offenbaren. Zur richtigen Zeit, als alles vorbereitet war, hat
Gott die Verheißung sichtbar werden lassen. Das ewige Leben wurde in Jesus
Christus sichtbar, denn er ist das Leben. Paulus schreibt im gleichen Sinn an
anderer Stelle: „als die Zeit erfüllt war” (Galater 4).
.
„in Verkündigung“ – dieser Ausdruck geht mit „offenbarte“ zusammen: „Er
offenbarte in Verkündigung“, eine nicht gewöhnliche Formulierung, wie übrigens
so vieles in der Schrift. Man sollte es deswegen nicht unbedingt ins
„Gewöhnliche“ übersetzen.
Warum heißt es also: „er
offenbarte sein Wort zu seinen rechten Zeiten in Verkündigung“? Wieso konnte es
in der Verkündigung erst zu seiner rechten Zeit sichtbar werden? Der
Unterschied ist, wie schon gesagt, Jesus Christus. Weil er durch den stellvertretenden
Tod das Leben, ein ewiges, erwarb, konnte auch die Verkündigung etwas
„sichtbares“, im Glauben Annehmbares anbieten.
„Rechte Zeit“ steht aber in der
Mehrzahl. Die Verkündigung der Hoffnung des ewigen Lebens konnte nicht nur
deshalb zur rechten Zeit geschehen, weil Jesus gekommen war, sondern weil auch
in Gottes Weisheit die Menschen nun für die Verkündigung vorbereitet waren. Das
Heil Christi wurde nämlich auf 2 Schienen vorbereitet: das Heil selbst und die
Menschen für die Aufnahme desselben.
Die Verkündigung der Offenbarung des Wortes
begann also mit Jesus Christus. Nach Heb 1,1 war Jesus Christus der erste, der
es verkündigte. Danach setzte sich die Verkündigung fort durch die, die ihn
hörten. Zu diesen Boten gehörte auch Paulus.
d: Wie wird Paulus Apostel für diese Hoffnung?
V. 3M: „er offenbarte
sein Wort zu seinen rechten Zeiten in Verkündigung, mit der ich betraut
wurde nach ausdrücklichem Befehl Gottes, unseres Retters“
I:. Ein Retter-Gott befiehlt
die Verkündigung seiner Rettungsbotschaft!
Dann will er aber auch retten!
Paulus gebraucht die Bezeichnung „Retter“ 12
Mal in seinen Briefen: in denen an Ephesus, Philippi und dem 2. an Timotheus je
einmal, im 1. Brief an Timotheus 3 Mal. Das macht zusammen 6 Mal. In unserem
Brief an Titus allein verwendet er ihn ebenfalls 6 Mal. Wenn er also im
vorhandenen Schreiben mit ungewöhnlicher Betonung auf die rechte Lebensweise
eines Nachfolgers Jesu hinweist, so geht das Hand in Hand mit der Tatsache,
dass es Gott in Christus ist, der uns von Sünde rettet und davor bewahrt.
II:. Mit
dieser Verkündigung ist Paulus betraut.
Paulus weiß sich von Gott
zu seinem Dienst gerufen. Er darf weder aus‑ noch zurückweichen. Er will
dem Ruf treu bleiben. Weil unser Gott ein Retter ist, ruft er Boten, welche die
Botschaft der Rettung verkünden sollen. So hat er Paulus durch einen
ausdrücklichen Befehl mit der Verkündigung derselben betraut. Wenn Gott so
bemüht ist, einen Boten zu schicken, zeugt das von seinem starken Willen, die
Menschen zu retten.
Das macht Paulus und Titus Mut. Der Apostel
kann nun gleichsam Titus die Fackel weiterreichen, die dieser dann den Ältesten
wiederum übergeben soll. Weil Gott retten will, soll das Wort verkündigt
werden.
III:. Der
Auftrag steht in einem Zusammenhang.
. Die Verkündigung ist die Wahrheit von V 1,
- die geglaubt werden soll,
- die erkannt werden soll,
- die das Leben verändert.
. Die Verkündigung ist das Versprechen von V 2,
- das Versprechen des ewigen
Lebens,
- das Versprechen aus
undenklichen Zeiten (beachten wir die Zeitspanne Vergangenheit bis Zukunft:
eine große Botschaft),
-
das Versprechen eines untrüglichen Gottes: ein "treues" Wort. Vgl.
1. Timotheus 1,15, zu Hoffnung Kolosser 1,5.
II: Warum diese doch etwas ungewöhnliche
Selbstdarstellung?
Diese Einleitung dürfte
die längste sein, die wir in den Briefen des Paulus finden. Er benutzt drei
ganze Verse, um sich auszuweisen. Warum ist er wohl so ausführlich?
Der Hauptgedanke des Briefes
liegt bereits in V. 1. Die V. 2.3 untermauern ihn.
Menschen, die wahrhaftig werden
sollen – und das sollten die Christen auf Kreta –, brauchen einen Gott, der
nicht lügt, und eine Botschaft, die wahr ist. Jede Religion bewirkt nämlich
ihren entsprechenden Charakter. Titus braucht diese Einleitung, weil die Kreter
sie brauchen. Die Kreter sind Menschen mit einem weichen Charakter. Damit sie
fest werden, müssen sie mit fester Hand angefasst werden.
Paulus gebraucht im Titusbrief
mehrere Ausdrücke, die von Betonung sprechen, z.B. in Kolosser 2,15: „Und weise
zurecht mit allem fordernden Nachdruck.” Titus soll fordern, soll mit Nachdruck
sprechen. Es könnte in der Folge dann wohl einmal zwischen Titus und den
Geschwistern auf Kreta zu Spannungen kommen, aber der Ernst der Ewigkeit soll
den Kretern bewusst werden.
Nach damaligem Beispiel dürften
die Gemeinden auf der Insel ebenfalls Einsicht in den Brief bekommen haben. Was
der Apostel seinem Mitarbeiter schrieb, bekommen sie mit. Mit diesen
Eingangsworten stärkt Paulus also den Rücken seines Gehilfen für seine
schwierige Aufgabe. Titus soll sich mit dem, was sein Arbeitgeber Paulus
geschrieben hat, ausweisen können. Er soll zeigen können, dass es hier um die
Wahrheit geht und dass man dieser Wahrheit nicht ausweichen darf.
Der Apostel wird also eine starke
Sprache zu gebrauchen haben. Da stellt er sich selbst in ausnehmender Weise als
leibeigenen Knecht unter die Herrschaft Gottes, weniger seine apostolische
Autorität. Diese Herrschaft kommt aber zum Ausdruck in einem Wort, einem Wort,
das einerseits als Verheißung alt ist, andererseits neu und ihm als Botschaft
anvertraut. Und es regiert nicht nur ihn, auch alle, die in der Gunst Gottes
stehen; regiert ihr Denken – in Glauben und Erkenntnis – und ihr Handeln – in
rechter Frömmigkeit.
Auch wir müssen den Ernst der Ewigkeit neu
erfassen. Wir sind zu stark von dieser Zeit ergriffen; nun müssen wir lernen,
im Lichte der Ewigkeit zu leben.
Man erkennt hier bereits den
weiten Horizont, der in diesem Brief aufgerissen wird. Vielleicht ist es auch
deshalb, dass Paulus den Oberbegriff der Gottheit gebraucht, wenn er sich
„leibeigener Knecht Gottes“ nennt. Die Einleitung wirft auch ein Licht auf die
ungeheure Reichweite des Evangeliums. Die Verse sprechen vom ewigen Leben, das
in die ewige Zukunft hineinreicht. Gleichzeitig ist die Rede von undenklichen
Zeiten in der Vergangenheit. Das Evangelium ist seit undenklichen Zeiten bis in
die ewige Zukunft vorhanden. Es erfasst die ganze Weltgeschichte und geht noch
darüber hinaus.
Paulus scheint Titus mit anderen Worten zu
sagen: „Wir haben eine große Botschaft. Verstecke dich nicht! Scheue dich
nicht! Schäme dich nicht!”
Diese Haltung drückt Paulus auch bei seiner
Absicht, nach Rom zu gehen, aus (Römer 1,16). Rom war die bedeutendste
Metropole jener Zeit, und Paulus hatte eine Botschaft, die Rom zur Kenntnis
nehmen sollte. Keine andere Philosophie, keine andere politische Lehre ist
größer und wichtiger als die Botschaft von Paulus. Deshalb schämte er sich auch
nicht.
Auch wir sollten da Mut fassen, denn wir
vertreten nicht irgendeine neue Ideologie, sondern die wichtigste und höchste
Wahrheit.
III: Der Gegrüßte
V. 4A: „Titus, echtem
Kind nach dem gemeinsamen Glauben“
Im Rahmen der Wahrheit des Evangeliums, an
das beide – Paulus und Titus – glauben, ist Titus Kind des Paulus. Wir wissen
nicht genau, was Paulus hier unter „Kind” versteht. Es könnte sein, dass er
Titus zum Herrn geführt hatte. Nur aus den paulinischen
Briefen erfahren nur etwas über Titus’ Geschichte. In der Apostelgeschichte
wird er nicht erwähnt.
Man
meint, Titus scheine aus Antiochien zu stammen. Möglicherweise ist Paulus ihm
dort begegnet. Vielleicht war Titus jedoch schon gläubig, als er mit Paulus
zusammentraf. In diesem Fall wäre Paulus ihm zum geistlichen Vater geworden;
d.h., Paulus hätte ihn als „Sohn im Glauben” angenommen.
IV: Das Grußwort
V. 4M: „Gnade,
Barmherzigkeit, Friede von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus,
unserem Retter.“
A:
Die Bedeutung des Grußwortes
Der uneingeweihte Leser steht hier vor einem Problem: Er sieht drei nebeneinander stehende Hauptwörter gefolgt von einem präpositionalen Gefüge, kein Prädikat, schon gar nicht ein Objekt. Mit unvollständigen Sätzen ist es schwierig umzugehen.
Und doch gibt es auch im Alltag den sinnvollen unvollständigen Satz, nämlich in Form eines Ausrufes. Und den haben wir oft in Grüßen, die, weil sie so oft wiederholt werden, gekürzt aber dennoch verständlich sind.
Das Objekt steht übrigens vorne. Es ist Titus, und ihm wird etwas gewünscht. Dieses Gewünschte ist jedoch so groß, dass kein menschlicher Grüßende es zu geben vermag. Da beruft man sich auf Den, der es nicht nur kann, sondern auch gerne tut. So aber wird das Grußwort zu einem Gebet, auch wenn es in der 3. Person geschieht.
Als Gebete sollten Grüße also
ernst genommen werden. Und sinnvolle Grüße, z.B. biblische, dürfen wir noch
öfter in unserem Verkehr, besonders im Briefverkehr wie hier, benutzen.
B: Die Elemente
Normalerweise grüßt
Paulus mit „Gnade und Friede”. Hier, wie auch in den Briefen an Timotheus,
begegnet uns ein drittes Element, die „Barmherzigkeit“.
Es wäre falsch, diese drei Briefe (Titus, 1.
Timotheus, 2. Timotheus) „Pastoralbriefe” zu nennen. Weder Paulus noch
Timotheus und Titus sind Hirten (lat: pastores). Sie sind Apostel, d.h., „Missionare“. Die
drei Briefe sind persönliche Schreiben, und gleichzeitig sind sie die drei
letzten Briefe von Paulus. Sofern sie nun vom überlieferten Text (textus receptus)
her übersetzt wurden, steht in allen der dreifache Gruß „Gnade, Barmherzigkeit
und Friede”. In den letzten Jahren seines Lebens scheint dem Apostel Paulus die
Barmherzigkeit Gottes besonders wichtig geworden zu sein.
Als verhältnismäßig junger Reich‑Gottes‑Mitarbeiter
schrieb er: „Denn ich bin der geringste von den Aposteln,...” (1. Korinther 15,9).
Später bezeichnete er sich als den „allergeringsten unter allen Heiligen” (Epheser
3,8), und in seinem drittletzten Brief lesen wir: „ ... um Sünder zu retten,
von denen ich der Erste bin.” (1. Timotheus 1,15). Ihm ist aufgegangen, dass er
gering ist. Wie Johannes, der Täufer, hat er erkannt, dass er klein werden
muss, damit Christus groß werden kann. Dementsprechend gewinnt die
Barmherzigkeit Gottes an Bedeutung. Und diese wünscht er dem Titus.
Gnade und Barmherzigkeit sind Ausdruck der
Liebe und führen hin zum Frieden, der nicht nur ein Ausbleiben von Spannungen
bedeutet, sondern, nach alttestamentlichem Muster, die Fülle der Segnungen
Gottes für die Seinen.
C: Die Quellen
V. 4M: „Gnade,
Barmherzigkeit, Friede von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus,
unserem Retter.“
„Vater“ ist ein ganz besonderer Titel
Gottes. Er spricht von seiner Güte. Auf diese Güte verlässt und beruft sich
Paulus, wenn er seinem jungen Mitarbeiter endlosen Segen „kleinverpackt“
wünscht.
Im Vers zuvor wurde Gott „unser Retter“
genannt. Nun wird es auch Christus. Durch ihn hat er uns seine Retterliebe
gezeigt und tut er es noch. Weil wir jeden Tag Gnade, Barmherzigkeit und Friede
brauchen, andererseits Gott Vater und Sohn uns helfend zur Seite stehen wollen,
darf man diese Segnungen von beiden erwarten.
Die Erwähnung der Beiden lässt uns an die
Dreieinigkeit denken. Somit aber fällt auf, dass der Dritte „im Bunde“ fehlt.
Das ist ein Hinweis darauf, dass der Geist in der Schrift in der Regel im Gebet
nicht angesprochen wird.
b.
Das Thema des Briefhauptteils: Weisungen für die Nacharbeit eines
Missionars
1,5 – 3,11
I:
Über die personale Aufgabe des Titus
1,5‑11
A:
Paulus erinnert an die Aufgabe.
V. 5.6A: „Aus diesem
Grunde ließ ich dich in Kreta zurück, damit du fortfahren möchtest, das
Fehlende zu ordnen und von Stadt zu Stadt Älteste einsetzen möchtest wie ich
dir anordnete, 6 wenn einer unanklagbar ist“
1: Paulus gibt an, worin der Auftrag besteht.
„das Fehlende zu ordnen und von Stadt zu Stadt Älteste einsetzen möchtest“
Das „und“ scheint im Sinne einer Erklärung
gebraucht zu sein. D.h.: Das Einsetzen von Ältesten ist das Fehlende, nicht
eine zusätzliche Aufgabe nebst ihm.
2: Dieser Auftrag ist der eigentliche Grund für
den Aufenthalt des Titus auf Kreta.
Nach V. 5 ließ Paulus
Titus aus einem einzigen Grund (Einzahl: „diesem Grunde“) auf Kreta zurück,
nämlich um Älteste einzusetzen. Folglich dient der Verkündigungsdienst, von dem
ab V. 12 die Rede ist, der Einsetzung von Ältesten. Wenn Paulus in Kolosser 2,1
schreibt: „Rede du aber das ...“, geht es nicht nur um die Predigt des Titus,
sondern um die Verkündigung des Wortes Gottes allgemein. Titus soll auf Kreta
eine Einführung in die Verkündigung der Botschaft geben. Was er redet, sollen
anschließend die Gemeindehirten sagen, und endlich ist es das, was alle
Christen weitergeben sollen. Die Missionstätigkeit des Titus zielt letztlich
auf den inneren Aufbau der Gemeinden ab, aber der Weg zu diesem Ziel führt über
die Einsetzung der Gemeindeleitung: Titus soll Älteste einsetzen und ihnen
sagen, was sie verkünden sollen. Er spricht zwar, wenn er als Missionar
verkündet, zur ganzen Gemeinde, aber indem die Ältesten zuhören, lernen sie,
was sie später lehren sollen. Wenn Titus wiederum den Ältesten als Vorbild
dient, dient er der Gemeindeleitung und somit der Gemeinde überhaupt.
Wenn es in einer Gemeinde gut gehen soll,
braucht es eine starke Führung. Damit ist nicht eine organisationsmäßig
eingesetzte Persönlichkeit, ein Pastor oder ein Prediger, gemeint. Für eine
Gemeinde bedeutet eine starke Führung, dass sie unter dem Einfluss von guten
Lehrern des Wortes Gottes steht, d.h., von Lehrern, die stark sind im Glauben,
im Wort Gottes.
Gott arbeitet mit Menschen. Er ist nicht
ein Gott, der es in erster Linie mit Sachen und Methoden zu tun hat. Er baut
sein Reich mit Personen, und diese Personen müssen fest stehen, Beispiele sein
und eine Ausstrahlung haben, weil sie vom Wort Gottes herkommen. Sie müssen
also im Wort Gottes zu Hause sein und sagen können: „So steht es geschrieben.
So lautet Gottes Wort!“ In der Gemeindeleitung braucht Gott Männer, die einen
starken Einfluss haben. Und die leitenden Brüder müssen unter sich einig sein,
damit sie in Einmütigkeit ein starkes Wort an die Gemeinde richten können: „So
muss gehandelt werden, denn so sagt es die Bibel.“
Nebst Jesus Christus gibt es in der
Gemeinde weltweit zwei Regierungsdienste: den Aposteldienst und den
Ältestendienst. Aber weder die Apostel noch die Ältesten sind Herren des
Glaubens der anderen (2. Korinther 1,24). Sie sind nicht im weltlichen Sinne
Regierende. Sie müssen zwar mit Überzeugung Gottes Wort lehren, aber kein
Verkündiger darf herrschen. Auf jemanden, der herrschen will, sollen wir nicht
hören. Hingegen auf Verkündiger, die Gottes Wort hochhalten und wie Johannes,
der Täufer, sagen: „Schaut auf Christus! Der ist das Lamm Gottes“, sollen wir
achten.
Auch bezüglich der Verantwortung sind die
Regierungsdienste in der Gemeinde anders geartet als in der Welt: Der Apostel
dient dem Ältesten. Zwar gibt der Apostel die Richtung an; doch dann reist er
weiter, und der Älteste bleibt bei den Gläubigen am Ort. Es hängt nicht alles
von den Ältesten ab, denn alle
Gläubigen erbauen ja einander. Es muss auch nicht um jeden Preis Älteste geben.
Die Christen müssen zusammenkommen und sich gegenseitig stärken und einander
mitteilen, was der Herr ihnen geschenkt hat, egal ob Älteste da sind oder
nicht. Aber, allgemein gesprochen, innerhalb des Kreises der Gläubigen mit
ihren jeweiligen Gnadengaben und den missionarischen Lehrern liegt die
Hauptverantwortung für Gottes Sache in der Welt bei den Ältesten. Sie sind die
Hirten der Gemeinde, und es sollte mehr getan werden, ihnen zu helfen.
Man kann sich vorstellen, dass sich das
Einsetzen von Ältesten auch organisatorisch auf die Gemeinden auswirkte. Doch
Titus erhielt eine personale Aufgabe,
nicht eine organisatorische. Paulus spricht hier nicht von Organisation (auch
wenn viele Ausleger hier zu Textschöpfern und damit zu Nicht‑Auslegern
werden). Wir müssen uns immer wieder davor hüten, über den Text hinauszugehen
und uns allerlei einfallen zu lassen, das gar nicht im Text steht.
In Kolosser 3,12 fordert Paulus Titus auf,
vor Ende des Jahres zu ihm zu kommen. Titus bleiben also nur noch wenige Monate
für die Ausführung seines Auftrages. Die lehrenden Missionare haben also an
einem Ort eine zeitlich begrenzte Aufgabe; dann müssen die Ältesten am Ort
sehen, wie sie weiterkommen. Man stelle sich die Kreter nun vor, wie sie in
Kolosser 1,10‑12 beschrieben werden. Paulus erwartet, dass es unter
diesen Leuten nach einigen Monaten Männer gibt, die so fest sind, dass sie in
ihren Gemeinden andere festigen können. Titus soll Menschen finden, die
Beispiele sind, Menschen die vorangehen. Paulus traut diesen Leuten vieles zu,
und er traut Titus vieles zu – auch dem Heiligen Geist und dem Evangelium.
Viele von uns stehen schon lange im
Glauben, und doch tun wir uns oft so schwer, fest zu stehen. Dieser Text macht
uns betroffen. Er weist hin auf die Kraft des Evangeliums, und er zeigt uns die
Wichtigkeit des Ältestendienstes.
3: Der Auftrag ist eine Fortsetzung.
V. 5: „Aus diesem Grunde
ließ ich dich in Kreta zurück, damit du fortfahren möchtest, das Fehlende zu
ordnen ... wie ich dir anordnete: ...“
Die missionarische Verkündigung und die
missionarische Nacharbeit sind eine Einheit. Das Eine gehört zum Anderen. Paulus ließ Titus auf Kreta zurück, damit dieser
das Noch‑nicht‑Geordnete ordne und Älteste einsetze.
Wir wissen nicht, wie lange Paulus auf
Kreta war, und ebenso wenig ist uns bekannt, warum es noch keine Ältesten gab.
Der Mangel könnte einen oder mehr folgender Gründe gehabt haben:
. dass er keine Gelegenheit hatte Älteste
einzusetzen, weil die Zeit, die er auf Kreta verbrachte, zu kurz war.
. dass es keine qualifizierten Männer in den
Gemeinden gab. Wie viele Männer zum Glauben gekommen waren, wissen wir nicht.
Solange es keine qualifizierten Männer gibt, kann es keine Ältesten geben, so
sehr man sie sich auch wünschen mag. Und im Grunde ist es auch nicht nötig:
Eine Gemeinde darf Älteste haben, wenn der Heilige Geist Männer dazu gemacht
hat, aber sie muss nicht notwendigerweise welche haben. Der Heilige Geist
schafft die Ältesten mittels Gnadengaben und Heiligung. Solange er das nicht
getan hat, darf eine Gruppe von Christen ihm nicht vorgreifen und Ältesten
einsetzen.
. dass es zwar grundsätzlich qualifizierte
Männer gab, sie aber noch nicht reif genug waren, um als Beispiele
voranzugehen.
4: Paulus macht deutlich, wo der Auftrag
wahrgenommen werden soll.
Titus erhielt nicht den
Auftrag, „in jeder Stadt” Älteste einzusetzen, sondern: „von Stadt zu Stadt”.
Dort, wo es Christen gab, sollte er geeignete Männer finden. Wir dürfen also
nicht annehmen, dass es bereits in jeder Stadt eine Christengemeinde gab.
5: Der Auftrag ist eine Wiederholung.
Titus hat den Auftrag
schon einmal erhalten. Jetzt wird er schriftlich wiederholt.
6: Der Auftrag ist an eine Bedingung geknüpft.
V. 6 wird mit dem Wort
„wenn” eingeleitet. Dieses deutet darauf hin, dass der Auftrag an gewisse
Voraussetzungen gebunden ist. Sind diese nicht erfüllt, wird der Auftrag
hinfällig: Wenn keine Männer den Anforderungen der Verse 6‑9 entsprechen,
kann Titus keine Ältesten einsetzen. Und die gleichen Bedingungen für die
Einsetzung von Ältesten gelten auch heute noch.
B:
Titus wird an die Voraussetzungen für die Ältesten erinnert.
V. 6‑11
Zu beachten ist:
1: Die Richtlinien werden zusammengefasst in einem
Wort:
V. 6A.7A: „unanklagbar“
Um Ältester werden zu können, muss ein Mann
zwei grundsätzliche Bedingungen erfüllen: Er hat eine gewisse Begabung für das
Amt aufzuweisen und einen Charakter, der als Vorbild gelten kann. Über die
Voraussetzungen bei der Begabung spricht Paulus in 1. Timotheus 3. In unserem
Abschnitt liegt das Schwergewicht auf den Bedingungen bezüglich des Charakters.
Ein Ältester soll einen unanklagbaren
Charakter haben, d.h., einen unbescholtenen. Das
bedeutet nicht, dass er vollkommen sein muss. Es darf ihm aber nach Außen hin
nichts vorzuhalten sein. Das Unklagbar- / Unbescholtensein schließt alle
anderen Voraussetzungen ein und ist daher die Zusammenfassung der Verse 6‑13A.
Was auf „wenn einer unanklagbar ist” (V.
6A) folgt, sind Ausführungen zu diesem Unbescholtensein: Wo und wie hat ein Mann
unbescholten zu sein, um als Ältester in Frage zu kommen?
2: Zu beachten ist der Ort, an dem die Bedingung
besondere Anwendung findet.
V. 6: „wenn einer
unanklagbar ist, Mann einer Frau, Kinder hat, die treu sind, nicht unter
Anklage stehen wegen Ausschweifung oder weil sie sich nicht unterordnen, 7
denn es hat der Aufseher als Haushalter Gottes unanklagbar zu sein“
. Paulus legt in diesem Abschnitt großen Wert
auf das Thema „Familie”. Der ganze Text (Verse 6‑11) scheint sich um
dieses Thema zu drehen, denn in V. 11 denkt er immer noch an sie. Paulus
fordert die intakte Familie, obwohl er weiß, dass nicht alle Familien ganz
sind, wenn das Evangelium sie erreicht. Es geziemt sich, dass in dieser ersten
Gesellschaftseinheit, die Gott einsetzte, er angebetet und ihm gedient wird.
. Von einem Ältesten wird erwartet, dass er ein
geordnetes Familienleben führt. Dort soll er sich bewährt haben. Er hat in der
Familie unbescholten zu sein, weil ein Ältester grundsätzlich unbescholten sein
soll (V. 7A). Ein verheirateter Familienvater, der unbescholten lebt, zeigt das
in seinem Familienleben. In V. 6 sagt Paulus, wo der Älteste unbescholten sein
muss und wie es dann in seiner Familie aussieht.
. Warum ist ein geordnetes Familienleben bei
einem Ältesten so wichtig?
Die göttliche Institution der Familie ist
eine geschichtliche und grundsätzliche Voraussetzung für das Gemeindeleben,
denn die Gemeinde ist eine Familie Gottes. Gott hat sowohl die irdische als
auch die himmlische Familie eingerichtet.
Die ganze Gesellschaft ist aus Familien
zusammengesetzt. Die Familie bildet den Kern der größeren menschlichen
Gesellschaft. Das Volk wird letztlich von einer alle verbindenden
Blutsverwandtschaft zusammengehalten. Die Familie besteht aus zwei
Einzelpersonen, die eine zweigeschlechtliche Beziehung eingegangen sind, und
aus deren Kindern. Diese Kinder verknüpfen sich durch Ehen mit anderen
Familien, sodass Sippen entstehen, die dann ein Volk bilden. Diese
Blutsverwandtschaft ist ein Faktor für den Zusammenhalt der menschlichen
Gesellschaft.
Bei der Neuordnung der menschlichen
Gesellschaft, wie sie heute stattfindet, geht man jedoch nicht mehr von der
Familie aus. Man schuf die Nation als Zusammensetzung der Einzelbürger in einem
geographischen Raum. In einer Nation fehlt der bindende Faktor
„Blutsverwandtschaft“. Den Zusammenhalt versucht man mit künstlichen Mitteln
wie örtlichen Regierungen, Erziehungsprogrammen usw. zu
erreichen. Da diese Mittel nicht notwendigerweise von Gott geschaffen sind,
wirken sie mit der Zeit nicht mehr.
Die Gemeinde ist zwar eine Gottesfamilie.
Dennoch müssen wir zugeben, dass sie nicht wie ein Volk aus irdischen Familien
besteht. Jesus machte deutlich, dass das Evangelium mitten durch Familien
hindurch Grenzen ziehen werde. Und Paulus zeigt an, dass die Grenze sogar durch
Ehen gehen kann. Die Familie ist demnach nicht als Einheit garantiert, und es
wäre nicht richtig, zu behaupten, im NT seien ganze Familien getauft worden,
nur weil der Vater zum Glauben gekommen war. Es wurden Einzelpersonen getauft.
Kam es jedoch vor, dass alle Einzelpersonen einer Familie sich taufen ließen,
dann war es, weil sie alle glaubten; d.h., es handelte sich um glaubensfähige
Mitglieder der Familie.
Die Gemeinde besteht also nicht nur aus
Familien, in denen alle gläubig sind; aber wer als Familienoberhaupt gläubig
ist, soll im Stande sein, seine göttliche Menschenaufgabe wahrzunehmen,
nämlich, in der Familie unbescholten zu sein. Wenn er das nicht kann, kommt er
als Ältester in der Gemeinde nicht in Frage.
. Zu dieser Aufgabe gehört, dass er „Mann einer
Frau“ ist.
Es geht bei der Ehe also offensichtlich um
eine Beziehung zwischen einer Person männlichen und einer Person
weiblichen Geschlechts. Wenn ein Mann eine Ehefrau hat, soll diese Frau die
einzige für ihn sein.
Es gibt Ehemänner, die zwar nur eine
Ehefrau haben, in deren Herzen es aber noch andere Frauen gibt, sodass sie
nicht Männer nur einer einzigen Frau sind. Paulus sagt hier, dass das Herz
eines verheirateten Ältesten ganz und gar für seine Ehefrau schlagen soll.
Keine andere Frau darf ihm den Kopf verdrehen.
Was nun, wenn der Älteste seine Frau nicht
liebt, wenn es ihm leid tut, dass er sie geheiratet
hat? Dann ist Gottes Gnade genügend: Er kann lernen, sie zu lieben. Und wenn es
ihm leid tut, sie zur Frau genommen zu haben, sollte
er darüber Buße tun, dass es ihm leid tut. Jetzt, da er verheiratet ist, ist
seine Ehefrau die richtige für ihn, denn die Ehe ist von Gott eingesetzt,
selbst wenn die Eheleute einen Wahlfehler begangen haben, als sie heirateten.
Es gibt kein Zurück mehr. Sobald die Ehe geschlossen wird, ist sie Gottes
Wille, und es ist möglich, in einer solchen Ehe zu leben. Die Ehe gilt, ob der
Partner „geeignet“ ist oder nicht.
. Zu seiner Familienaufgabe gehört ferner, dass
er „Kinder hat, die treu sind“.
Das griechische Wort, das für „treu“ steht,
kann auch mit „gläubig“ oder „überzeugt“ übersetzt werden. Um die richtige Wahl
zu treffen, sollte der Übersetzer andere Bibelstellen zu Rate ziehen.
Beachten wir zuerst, dass es in Titus 1,6.7
um den Charakter des Ältesten geht.
Offenbar ist auch vom Charakter der
Kinder die Rede. Es geht nicht so sehr um die Frage, ob sie bekehrt sind,
sondern ob sie sich richtig benehmen.
Wenden wir uns nun 1. Timotheus 3 zu, wo
Paulus ebenfalls über die Voraussetzungen für Älteste spricht. In den Versen
4.5 lesen wir dort:
„einer, der dem eigenen Hause wohl
vorsteht, der seine Kinder mit aller Würde in Unterordnung hält 5 (Wenn
jemand dem eigenen Hause nicht vorzustehen weiß, wie wird er für eine Gemeinde
Gottes sorgen?)“
Auch hier geht es um ein geordnetes
Familienleben; und wenn die beiden Parallelstellen einander kommentieren, dann
scheint „treu“ eine bessere Übersetzung zu sein als „gläubig“ oder „bekehrt“.
Vergleichen wir auch mit Titus 1,9: „einer,
der sich an das treue Wort der Lehre hält“. Im Griechischen steht hier für
„treu“ dasselbe Wort wie in V. 6, wobei es hier nicht „gläubig“ oder „bekehrt“
bedeuten kann.
In Römer 3,3 haben wir ebenfalls dasselbe
Wort im Grundtext: „Wie denn, wenn auch etliche ungläubig waren, hebt etwa ihr
Unglaube die Treue Gottes auf?“ Rein sprachlich könnte es auch „Glauben Gottes“
heißen. Es geht aber eindeutig um seine Treue und nicht um seinen Glauben.
„Glaube“ ist im Griechischen „Treue“, und „Treue“ ist „Glauben“. An Jesus
Christus zu glauben, heißt also, ihm gegenüber die Treue einzuhalten.
Titus 2,10: „sondern alle gute Treue
erweisen“
In Epheser 1,1 und Kolosser 1,2 kann das griechische Wort, das die
Briefempfänger kennzeichnet, durchaus mit „Treue“ bzw. „treu“ übersetzt werden,
was auch durch den unmittelbaren Zusammenhang klar wird. Es geht in diesen
Stellen um solche, die als Christen treu sind. Paulus setzt voraus, dass es in
jener Zeit Menschen gibt, die zwar Christus bekennen, aber nicht wie Christen
leben. Für die Gemeinde gelten sie im streng genommenen Sinn nicht als
Christen.
Man vergleiche dazu auch die Adressaten des
1. Thessalonicherbriefes:
5,27: „Ich beschwöre euch und verpflichte
euch auf den Herrn, den Brief vor allen heiligen Brüdern lesen zu lassen.“
„Heilig“ heißt: „Gott zugeordnet“, nicht: „sündlos“. Der Brief geht an alle
Brüder, die Gott geheiligt leben. Die anderen, die sich zwar Brüder nennen,
sind nicht notwendigerweise Gegenstand dieses Briefes. Schon in jener Zeit
macht Paulus einen Unterschied zwischen echten und unechten Christen.
Das sehen wir auch in Epheser 6,24: „Die
Gnade sei mit allen, die unseren Herrn lieben, Jesus Christus, mit
unverderblicher Liebe. Amen.“ D.h.: Die Gnade soll mit den echten Christen
sein, mit jenen, die Jesus Christus wirklich lieben.
Anhand dieser Beobachtungen scheint es
sinnvoll, in Titus 1,6 die Übersetzung „treu“ zu wählen. Dadurch wird dann die
oft geforderte Voraussetzung, dass die Kinder eines potentiellen
Gemeindeaufsehers unbedingt gläubig sein müssten, abgeschwächt.
Das Beispiel von Samuel dürfte hier am
Platz sein. Seine Söhne folgten nicht in seinen Fußspuren, aber es steht
nirgends geschrieben, dass es Samuels Schuld gewesen wäre. Wir dürfen nicht
annehmen, er sei nicht ein treuer Vater gewesen. Die Eltern haben bei den Kindern
nicht alles in der Hand. Es wird nicht immer so sein, dass auch die Kinder zum
Glauben kommen, wenn der Vater sich bekehrt hat. Der Fehler liegt dann nicht notwendigerweise
bei den Eltern. Und es ist auch nicht Bedingung, dass die Kinder eines Ältesten
unbedingt alt genug sein müssten, um sich bekehren zu können.
Eltern tragen aber dennoch große
Verantwortung. Das zeigt ein anderes Beispiel aus dem Alten Testament. Die
Söhne Elis waren gottlos. Daran aber trug Eli Schuld. Ihr Verhalten war auf
schlechte Erziehung zurückzuführen. Die Kinder eines Ältesten müssen „treu“
sein, den Eltern und dem Evangelium gegenüber, sofern sie es kennen.
Heranwachsende Kinder können der Bibel gegenüber Treue erweisen, auch wenn sie
sich noch nicht bekehrt haben. Sie können bei den Hausandachten, in Gesprächen usw.
mitmachen, bis der Heilige Geist sie überführt. Auf diese Weise sind die Kinder
kein Anstoß für die Arbeit des Vaters.
In V. 6 wird auch noch erklärt, um was es
bei dieser Treue geht. „Treu zu sein“, heißt: „nicht unter Anklage stehen wegen
Ausschweifung oder weil sie sich nicht unterordnen“.
3: Zu beachten ist, was die Voraussetzung im
Einzelnen bedeutet.
Um in der Familie
unbescholten sein zu können, muss ein Ältester grundsätzlich
unbescholten sein. Dieses Unbescholtensein wird in den Versen 7‑11
beschrieben. Zeitlich gesehen gehen diese Verse dem Unbescholtensein in der
Familie voraus. Hier ist ein Wink für die Väter: Das Beachten der Verse 7‑11
hilft ihnen in der Erfüllung von V. 6. Ein Mann muss sich also zuerst in den
Versen 7‑11 üben, dann in V. 6, und dann kommt er als Ältester in Frage.
a: Was fehlen soll
V. 7: „denn es hat der
Aufseher als Haushalter Gottes unanklagbar zu sein: nicht selbstgefällig, nicht
zornmütig, nicht dem Wein hingegeben, nicht ein Schläger, nicht einer, der auf
schändlichen Vorteil aus ist“
I:. Allgemeines
In diesem Text fällt auf,
dass Paulus einige Sünden bei den Gläubigen für möglich hält. Man sieht das
auch bei Jakobus. Es könnten unter Christen gewisse Sünden vorkommen, und
dennoch würden diese Menschen noch als Christen gelten. Aber es gibt auch
Sünden, die nicht vorkommen dürfen. Lebt man in diesen, so muss man als
Nichtchrist betrachtet werden. Die Liste solcher Sünden könnte uns bei der
Beurteilung, ob jemand Christ ist und somit zur Gemeinde gehört oder nicht,
eine Hilfe sein. Zunächst einmal beurteilt man einen Christen nach seinem
Bekenntnis: Was sagt er mit seinem Mund? Danach beurteilt man ihn nach seinem
Handeln: Was sagt er mit seinen Taten? Wie lebt er?
Paulus nennt hier Sünden, die bei einem
„üblichen“ Christen schon einmal vorkommen könnten. Aber bei einem
Ältesten, der ja für die anderen ein Vorbild sein sollte, dürfen sie nicht
vorhanden sein. Ein Mann, bei dem diese Sünden vorkommen, darf zwar in der
Gemeinde als Christ gelten, aber als Ältester kann er nicht in Betracht gezogen
werden.
II:. Fehlen soll bei
einem angehenden Ältesten die Selbstgefälligkeit.
V. 7A: „denn es hat der
Aufseher als Haushalter Gottes unanklagbar zu sein: nicht selbstgefällig“
Es gibt für die Ältestenschaft kategorische
bzw. absolute und auch relative Voraussetzungen. Nähme man die Voraussetzung,
dass ein Ältester nicht selbstgefällig sein darf, im absoluten Sinne, dürfte
niemand diesen Dienst übernehmen. Wie es in seinem Innersten aussieht, das ist
die persönliche Frage eines potentiellen Aufsehers. Aber die Selbstgefälligkeit
soll nicht sein Wesen bestimmen. Für die Mitchristen soll zu erkennen sein,
dass er im Umgang mit anderen selbstlos vorgeht. Selbstgefällig zu leben
bedeutet, für die Lust zu leben, den eigenen Genuss zu suchen, den eigenen
Wünschen nachzugehen. Menschen, die hauptsächlich auf die Befriedigung ihrer
Wünsche aus sind, werden eigensinnig und stur. Es ist schwierig, mit ihnen
zusammenzuarbeiten. Ein Ältester muss hingegen fähig zur Zusammenarbeit sein.
Wie verbreitet dieses Problem ist,
offenbart Paulus in Php 2:
V. 19-22: „Ich hoffe aber in dem Herrn
Jesus, Timotheus bald zu euch zu schicken, damit auch ich erfrischt sei, wenn
ich eure Umstände erfahren habe, 20 denn ich habe niemanden, der so
eingestellt wäre, der sich mit echter Sorge eurer Umstände annehmen wird, 21
denn sie suchen alle das Ihre, nicht das, das Christi Jesu ist. 22 Aber
ihr kennt seine Bewährung, dass er, wie ein Kind für den Vater, zusammen mit
mir Leibeigenendienst leistete für die gute Botschaft.“
III:. Zornmut
V. 7: „es hat der
Aufseher als Haushalter Gottes unanklagbar zu sein: ... nicht zornmütig“
Ein Ältester darf nicht gewohnt sein,
zornig zu werden.
IV:. Hingabe an den Wein
V. 7: „es hat der
Aufseher als Haushalter Gottes unanklagbar zu sein: ... nicht dem Wein
hingegeben“
Zur Zeit, als
Paulus den Titusbrief schrieb, pflegte man den Wein stark zu verdünnen. Jemand,
der dem Wein hingegeben war, hatte also nicht nur einen verkehrten Appetit,
sondern er verschwendete auch seine Zeit, denn es dauerte sehr lange, bis man
von solchem Wein „genug“ hatte.
V:. Schlägerei
V. 7: „es hat der
Aufseher als Haushalter Gottes unanklagbar zu sein: ... nicht ein Schläger“
Ein Ältester darf nicht dazu neigen, auf
handgreiflichem Wege Probleme zu lösen.
VI:. Schändlicher
Vorteil
V. 7: „es hat der
Aufseher als Haushalter Gottes unanklagbar zu sein: ... nicht einer, der auf
schändlichen Vorteil aus ist“
In Epheser 5 spricht Paulus vom Geiz. Wenn
jemand kontinuierlich als Habsüchtiger gilt, darf er wohl nicht mehr als Christ
gelten. Wenn man aber merkt, dass der Betreffende am Kämpfen ist, könnte es
sein, dass der Heilige Geist am Werk ist und ihm Sieg geben will. Paulus weiß,
dass Werte vertauscht werden können. Wenn jemand auf schändlichen Vorteil aus
ist, sucht er etwas, das in Gottes Augen nicht als Gewinn geachtet ist. Im
Lichte der Ewigkeit ist das eine Schande. Solange ein Christ über diese Sünde
wie über die anderen genannten Schwächen nicht Sieg hat, kommt er als Ältester
– und somit als Leitbild – nicht in Frage.
VII:. Noch ein
grundsätzliches Wort
Bei solchen Versen geht
es nicht nur um Information, die in unser Wissen aufgenommen werden soll,
sondern auch um das Prägen unserer Empfindungen. Wir haben über solche Dinge
nachzudenken, bis der Heilige Geist uns ein richtiges Empfinden gibt und wir
dann intuitiv gegen Ungeordnetes, Gott nicht Wohlgefälliges reagieren, wenn wir
es bei anderen sehen oder uns selbst dabei ertappen. Und wenn wir bei anderen
Sünde feststellen, müssen wir sehr vorsichtig sein: Wir haben die Sünde
gesehen; wir hassen sie, aber nun haben wir in heiliger Weise mit dem
Unheiligen umzugehen. Wir dürfen nicht ungeduldig werden oder dem anderen ein
Joch auflegen, denn eine Veränderung braucht Zeit. Wir sollten für den anderen
beten und bereit sein, irgendwie Wort Gottes in sein Leben hineinzutragen,
sodass der Heilige Geist dieses Wort gebrauchen und im Leben dieses Menschen
die richtige Einstellung zum Herrn und zur Sünde entstehen kann.
Christentum ist mehr als Information. Mit
Christus zu wandeln, heißt auch, dass unser Empfinden, unser innerstes Wesen
umgestaltet wird, sodass wir lieben, was wir lieben sollten, und hassen, was es
zu hassen gilt, achten, was wir achten sollten, und verachten, was
verachtungswürdig ist.
In V. 6 sagte Paulus, ein Ältester müsse in
der Familie unbescholten sein. Angesichts der Gefahr von außen, die auch
Familien zu verkehren droht, muss bei einem Ältesten einiges fehlen und anderes
vorhanden sein. Der Älteste muss sich an das Wort halten, damit er der falschen
Lehre – und damit dem Verkehren von ganzen Familien – wehren kann.
b: Was nicht fehlen soll
V. 8‑11
I:. Im Allgemeinen
V. 8
A:. Im Verhalten
V. 8A: „sondern gastfrei,
ein Freund des Guten“
B:. Im Denken
V. 8M: „gesunden Sinnes
und züchtig“
Um gesunden Sinnes zu sein, brauchen wir
gesunde Speise. Isst man gesund, ist man gesund – zumindest bis Infektionen an
einen geraten. Da brauchen wir dann Schutz, aber zunächst einmal benötigen wir
Zufuhr von guter Nahrung.
C:. Im Charakter
V. 8M: „gerecht, heilig,
einer, der sich beherrscht“
Gerechtigkeit und Heiligkeit sind die zwei
Seiten einer Münze. Gerecht ist man, wenn man dem Maßstab – dem Gesetz
Gottes, seinem geoffenbarten Willen, – entspricht. Heilig ist man, wenn man
Gott ganz hingegeben und von der Sünde abgesondert ist.
Selbstbeherrschung ist eine Frucht des
Geistes (Galater 5,22).
II:. Im Besonderen
V. 9‑11
Die Verse 9-16 zeigen, wie wichtig es ist,
sich an das Wort zu halten.
A:. Was darf im
Besonderen nicht fehlen?
V. 9A: „einer, der sich
an das treue Wort der Lehre hält“
Vielleicht ist unter dem Begriff „Wort“
noch nicht „Bibel“ zu verstehen. Paulus bestimmt den Begriff näher, wenn er
sagt, es gehe um das Wort, das für das Lehren in der Gemeinde „treu“ sei, das
zuverlässige Wort, auf das man sich verlassen könne, das einen nicht im Stich
lassen werde. Das trifft natürlich auf die Bibel zu, und dementsprechend geht
es im Grunde schon um die Heilige Schrift, die in der Gemeinde gelehrt werden
soll. Es geht um die grundlegende Forderung an jeden Christen: Halte dich an
das Wort!
Hielten sich die Christen wirklich an das
Wort, gäbe es weniger Probleme. Aber gerade da fehlt es: Man ist nicht bereit,
das Wort entscheiden zu lassen, hält sich nicht unausgesetzt daran. Man kann
heute christlich sein, sogar die Etikette „bibeltreu“ vor sich her tragen, ohne
dass es ihm einfallen würde, dauernd zu kontrollieren, was die Bibel sagt. Es
gibt in der Bibel nicht einfach bestimmte Regeln, die es einzuhalten gibt, und
dann ist man Christ. In jeder Situation müssen wir mit Hilfe des Heiligen
Geistes prüfen, wie wir der Bibel gemäß zu reagieren haben. Dazu haben wir
immer zu versuchen, die Schrift als zusammenhängendes Ganzes zu verstehen.
Im AT gab es zwar Gebote, doch zwischen den
Geboten gab es auch Lücken, wo die Israeliten überlegen mussten, was Gott nun
in diesen Fällen von ihnen erwarte. Solche Überlegungen werden nun besonders in
der neutestamentlichen Zeit nötig. Das NT ist nicht eine Sammlung von Regeln.
Begriffe wie Liebe, Keuschheit, Freundlichkeit usw. sind zunächst einmal nicht
vollkommen deutliche Begriffe. Wenn wir in eine bestimmte Situation
hineinkommen, müssen wir uns fragen, was sie nun konkret meinen und was
dementsprechend dem Herrn wohlgefällig wäre. „Geduld“ kann das eine Mal heißen
zu schweigen, das andere Mal zu reden; „Liebe“ äußert sich je nach Situation
verschieden. Wir haben immer wieder neu zu prüfen, was das Wort eigentlich
sagt.
Der Älteste soll sich an das Wort halten,
das für die Lehre, für die Aufgabe des Lehrens, „treu“ ist. Die Schrift ist
treu, verlässlich. Verkünden wir sie, gehen wir nie irre. Es ist heute durchaus
möglich, Gemeinde aufzubauen und als solche zu leben, genau so, wie Paulus es
tat. Diese Art von Missionieren und Gemeindeleben ist in jedem Land, zu jeder
Zeit, in jeder Generation anwendbar. Die Bibel ist sehr einfach, und was sie
lehrt, ist immer durchführbar. Sie ist allezeit gültig. Es ist nie eine
Illusion, sich an das Wort Gottes zu halten. Wir Menschen sind es, die alles
kompliziert machen.
Üben wir uns also darin, die Schrift
selbständig zu lesen und immer wieder zu fragen: „Was steht hier geschrieben?
Wie kann ich meinem Herrn wohlgefällig sein?“ Würden wir mehr so vorgehen,
hätten wir festen Boden unter den Füßen.
B:. Warum darf diese
Eigenschaft eines Ältesten nicht fehlen?
V. 9M‑11
Warum soll sich
ein Vater in der Familie und ein Ältester in der Gemeinde an das Wort halten,
um unanklagbar/unbescholten zu sein?
1:. Wegen der Aufgabe
V. 7A.9: „es hat der
Aufseher als Haushalter Gottes ... einer ... zu sein, ... der sich an das treue
Wort der Lehre hält, damit er in der gesunden Lehre aufrufen und Zuspruch geben
und auch die Widersprechenden zurechtweisen kann“
Väter und Älteste sollen sich an das Wort
halten, damit sie etwas zu sagen haben, damit sie fähig sind, in der Familie
und in der Gemeinde das Richtige zu tun und zu sagen.
Der Ausdruck „aufrufen und Zuspruch geben“
deckt sich nicht mit dem Begriff „ermahnen“, wie er heute gebraucht wird. Er
kann zwar unter Umständen „ermahnen“ einschließen, aber er ist nicht darauf
beschränkt. Er bedeutet „aufrufen, zusprechen, Zuspruch geben“.
Die „gesunde Lehre“ ist die biblische, die
gesund ist und gesund macht. Es gibt keine Fehler an der biblischen Lehre, und
sie krankt nirgends.
Väter und Älteste sollen sich an das Wort
halten, um „auch die Widersprechenden zurechtweisen“ zu können, also um für
Auseinandersetzungen gewappnet zu sein. Das ist heute schwierig geworden; zu
korrigieren ist nicht mehr modern. Man hört immer wieder, man müsse „tolerant“
sein.
Die Korrektur soll allerdings nicht in
schroffer Art geschehen. Jedoch selbst wenn sie nicht immer in der gelungensten
Weise angebracht werden, sollen Zuspruch, Ermahnung, Aufruf und Trost nicht
fehlen. Man kann lernen, dort, wo es nötig ist, etwas zu sagen. Man kann
lernen, mit Menschen in entsprechender Weise umzugehen und sich auf sie
einzustellen, wenn man bereit ist, sich in ihre Denkweise und in ihre
Empfindungen hineinzuversetzen. Man kann lernen, aufzurufen und Zuspruch zu
geben. Und man kann auch lernen, Widersprechende zurechtzuweisen.
2:. Wegen der
Menschen
V. 10.11
a:. Ihre
Kennzeichnung
V. 10: „denn es sind
viele – und sie sind solche, die sich nicht unterordnen – unnütze Schwätzer und
Sinnirreleitende (besonders die aus der Beschneidung)“
Obwohl seit Christi Tod erst wenige
Jahrzehnte vergangen waren, gab es schon zu Paulus' Zeiten viele unnütze
Schwätzer und Sinn‑Irreleitende. Wir sollten uns keine falschen
Vorstellungen über die Gemeinde Jesu zu jener Zeit machen.
. Sie unterordnen sich nicht.
Es gab und gibt Gefahr
von außen. Es gibt Menschen, die in die Gemeinde hineinschwatzen, die nicht
richtig reden. Der Fehler liegt in der mangelnden Unterordnung.
Das ist seit Adam und Eva unsere Sünde.
Gott gab Adam und (über Adam) Eva das Gebot, sie sollten nicht vom Baum der
Erkenntnis essen. Sie setzten sich jedoch über das Gebot hinweg und aßen.
Seitdem sind wir in unserem Wesen gänzlich verderbt. Unser Wesen hat sich
seither nicht verändert. Auch die Wiedergeburt ändert nichts daran. Wir wollen
uns nicht unterordnen. Jeder von uns möchte einmal oben auf der Weltkugel
sitzen und der ganzen Menschheit sagen, „wo's lang geht“. Jeder von uns würde
gerne Gott spielen, wenn Gottes Gnade nicht da wäre, die uns von dieser
Wesensart mehr und mehr befreit.
Nicht nur Kinder und Frauen, sondern auch
Väter und Älteste haben zu lernen, sich zu unterordnen. Väter in der Familie
und Älteste in der Gemeinde müssen sagen: „Ich habe mich zu demütigen. Ich habe
mich Gott zu unterordnen. Und ich erwarte von euch, dass ihr es macht wie ich.
Wir müssen uns alle Gott unterordnen.“ Sie sollen mit gutem Beispiel
vorangehen. Die Familie und die Gemeinde müssen sehen können, dass sie sich dem
Wort beugen und sich ihm unterordnen. Wenn sie das nicht tun, kommen sie als
Älteste nicht in Frage.
. Sie unterordnen sich nicht als unnütze
Schwätzer.
Paulus sagt nun, dass man
auf der Hut sein solle bei Menschen, die diese Gnade nicht erlebt haben und
sich nicht unterordnen wollen. Wir sollen uns an das Wort Gottes halten, nicht
an deren Geschwätz. Was Menschen, die sich über das Wort Gottes erheben, sagen,
ist eben „Geschwätz“. Wenn die Bibel sagt: „So ist es“, haben wir nicht zu
sagen: „Nach meinem Dafürhalten verhält es sich aber anders.“ Wenn wir nicht
wie die Bibel denken, haben wir den Mund zu halten. Wer Bibelkritik betreibt,
will sich nicht unterordnen. Und es gibt viele, die sich an dieser Stelle nicht
unterordnen wollen.
Was diese Schwätzer sagen, mag für irdische
Zwecke nützlich sein, mag weise klingen. Dennoch sind es unnütze Schwätzer,
denn ihr Gerede nützt nichts zur Gottseligkeit. Es bringt uns nicht weiter in
unserer Beziehung zum allmächtigen Gott, bringt uns geistlich nicht voran. In
Gottes Haus spreche man Gottes Worte, sagt Petrus (1. Petrus 4,11). Aus Worten,
die geistlich nützen, ergibt sich dann auch Weisheit für irdische Zwecke.
. Als Sinnirreleitende unterordnen sie sich
nicht.
Durch die Reden der Sinn‑Irreleitenden
wird das Denken (der Verstand) irregeleitet. Fragt man solchen nach dem Weg,
wird man in die falsche Richtung gewiesen. Man erhält falsche Information.
Zu Paulus' Zeit waren es hauptsächlich
Juden, die der gesunden Lehre widersprachen, aber die Warnung gilt allgemein:
Allen, die falsch lehren, ist der Mund zu schließen. Den Mund schließt man
ihnen, indem man ihnen das Wort Gottes sagt, auf welches sie nicht mehr antworten
können.
Aber es gibt Menschen, die sich den Mund
nicht schließen lassen, die trotz biblischer Zurechtweisung fortfahren zu
widersprechen. Diese Leute müssen wir verlassen. An anderer Stelle weiß Paulus
auch von der Distanzierung zu sprechen.
b:. Ihre Zahl
V. 10: „denn es sind
viele – und sie sind solche, die sich nicht unterordnen – unnütze Schwätzer und
Sinnirreleitende (besonders die aus der Beschneidung)“
. „es sind viele“
Wer sagte, die
neutestamentliche Gemeinde sei ideal gewesen?
. Besonders Juden, „die aus der Beschneidung“,
gerade solche, von denen man mehr erwarten sollte, weil sie schon lange das
Wort Gottes hatten
c:. Die
Aufgabe
V. 11A: „denen man den
Mund schließen muss“
d:. Die
große Gefahr
V. 11M: „die ganze Häuser
verkehren“
e:. Ihr
Vorgehen
V 11E: „und schändlichen
Vorteils zuliebe lehren, was man nicht lehren sollte.“
II:
Über die Verkündigungsaufgabe des Titus
1,12 – 3,8
Vgl. 1,9-11 mit 1,13.
A:
Von nötiger Zurechtweisung
V. 12‑16
Nach den Versen 10 und 11 gibt es solche, die Falsches verkünden, und nach den Versen 12 und 13A
solche, die für diese Verkündigung anfällig sind. Wenn falsche Verkündiger auf
Menschen treffen, die dafür offen sind, entsteht Unheil. Deshalb sollen Väter
und Älteste sich an das Wort halten.
Es muss Leute geben, die die Irrlehrer
bekämpfen, sich aber auch der Schafe annehmen und sie vor Verführung
warnen.
1: Der Anlaß zur
nötigen Zurechtweisung
V. 12.13A
a: Ein altes Zeugnis
V. 12: „Einer aus ihnen,
ihr eigener Prophet, sagte: ‚Kreter sind gewohnheitsmäßige Lügner, böse Tiere,
faule Bäuche!“
b: Eine erstaunliche Aussage
V. 13A: „Dieses Zeugnis
ist wahr.“
Die
Aussage steht in der Gegenwartsform. Was war, ist heute. Der Kreter, den Paulus
hier zitiert und Prophet nennt (im eigentlichen Sinne: ‚ein Sprecher für einen
anderen’), war Epimenides. Er hatte dieses Urteil etwa 600 Jahre vor Christus
abgegeben. Paulus sagt, die Kreter seien – 700 Jahre später! – immer noch so.
2: Die Aufforderung zur nötigen Zurechtweisung
Paulus wendet das harte
Urteil nicht nur auf die Kreter seiner Zeit an, sondern auch auf die Gemeinde, denn
er fährt fort (V. 13M): „Aus diesem Grunde weise sie mit Schärfe zurecht“.
Das Wort „sie“ bezieht sich auf die
Gläubigen. Älteste sollen dafür sorgen, dass die für die Irrlehre Anfälligen
bewahrt bleiben. Paulus weiß, dass Titus es auf Kreta mit einer alten Kultur zu
tun hat. Hier ist ein ganzes Volk, das gewohnheitsmäßig lügt, böse und faul
ist. Wie soll da das Evangelium Fuß fassen? Wie sollen da Menschen verändert
werden? Der Apostel erwartet, dass ein Volk, das seit Jahrhunderten von der
Sünde geprägt ist, in kurzer Zeit durch die Kraft des Evangeliums verändert
wird!
Diese Zuversicht darf Missionaren auch
heute Mut machen: Ähnliche, über Jahrhunderte hinweg von Sünde geprägte
Kulturen, die durch nichts verändert werden konnten, werden durch die Botschaft
der Bibel umgewandelt. Jesus Christus, der Heilige Geist, das Wort Gottes
können Menschen radikal umgestalten: Männer beginnen, ihre Frauen zu lieben,
Frauen ihre Männer und Kinder; beide stehen standhaft zur Wahrheit; junge
Menschen können der Versuchung widerstehen, usw. Das ist die Kraft der
Gottesbotschaft. Nicht Gesetze und Regeln oder der Druck von Mitchristen
bewirken diese Veränderung, nicht Psychologie noch Psychotherapie, sondern die
Person Jesus Christus. Seine Kraft ist stärker als alle alten Gewohnheiten und
alle Triebe, die sich melden.
„Ich lebe, aber nicht ich, sondern Christus
lebt in mir.“ (Galater 2,20).
Das Evangelium ist die Botschaft, dass
Jesus Christus selbst in uns wirkt. Fassen wir Mut! Die Kraft liegt nicht nur
im Wort Gottes, nicht nur in der „stillen Zeit“. Die Kraft, die uns zuteil
wird, ist nicht eine Sache: Sie ist Jesus Christus.
Titus
soll als Missionar für die Ältesten ein Vorbild sein. Da er kein Pastor ist und
bald abreisen wird, haben die Ältesten zu wissen, wie sie zu leben und was sie
zu lehren haben. Um Vorbild sein zu können, hat Titus zwei Grundsätze zu
beachten: Er muss, zum Einen, die Gefährdeten
zurechtweisen, zum Anderen, das Wesen der Gefährdenden verstehen.
Wir sehen in diesem Abschnitt auch, dass
die Bibel, wenn es um Widerstand gegen Irrlehren geht, ihr Augenmerk vor allem
auf die Gläubigen richtet und nicht so sehr auf den Feind. Es gilt
hauptsächlich, den Gläubigen zu helfen, sich nicht von Falschem beeinflussen zu
lassen.
„Schärfe“ ist nicht ein Wort, das von
fleischlicher Emotion spricht. Es geht um Genauigkeit. Titus soll präzise
zurechtweisen, soll die Christen mit Genauigkeit auf die Wahrheit aufmerksam
machen.
„Schärfe“ spricht aber auch vom Ernst der
Angelegenheit. Die Wahrheit ist die Wirklichkeit, über die man sich nicht
hinwegtäuschen darf.
3: Das Ziel nötiger Zurechtweisung
V. 13E.14: „weise sie
zurecht, damit sie im Glauben gesund seien, nicht achten auf jüdische Mythen
und Menschengebote und so sich
von der Wahrheit abwenden.“
Der Glaube ist der Schlüssel unserer
Beziehung zu Gott. Aber man kann an der Stelle des Vertrauens, des Glaubens,
krank sein. Am Anfang jeder christlichen Tugend steht der Glaube, sogar vor der
Liebe.
Im Glauben gesund zu sein, bedeutet zum
einen, nicht auf jüdische Mythen zu achten. Mythen sind unsichere Erzählungen,
die halb ersonnen und halb wahr sind und die oft noch zu den biblischen
Schriften hinzugenommen wurden, so wie z.B. etliche Geschichten in den Apokryphen. Das Wort Gottes dürfen wir nicht als Mythos
betrachten. Es ist sicheres, zuverlässiges Wort. Was hingegen mythisch oder
ungewiss in Bezug auf die Wahrheit ist, das sollen wir nicht beachten.
Zum anderen bedeutet es, nicht auf
Menschengebote zu achten. Man trifft immer wieder auf die Meinung, die Gemeinde
habe das Recht, sich selbst Regeln zu geben. Luther vertrat z.B. diesen
Standpunkt. Die Schrift als solche ist uns Regel, und wir sollten bei allen
Fragen, auch praktischer Art, versuchen herauszufinden, was sie dazu sagt. Je
nach Problem und Situation wird die Lösung einmal so und einmal anders
aussehen. Eigentlich ist alles im Wort „Liebe“ zusammengefasst, aber was es nun
zu lieben gilt und wie die Liebe sich äußert, wird je nach Situation
verschieden sein. Man kann nicht einfach alles durch gewisse Vorschriften zu
regeln versuchen. Die Gefahr, Menschliches hineinzubringen, ist zu groß.
Wenn wir wiederholen, was Gott gesagt hat,
ist es natürlich nicht Menschengebot. Wir können dann sagen: „So steht es
geschrieben.“ Aber wir müssen dann immer wieder kontrollieren, ob wir es auch
wirklich so formuliert haben, wie es in der Schrift steht.
Achtet man auf „jüdische Mythen und
Menschengebote“, wendet man sich von der Wahrheit ab. Der Glaube hat einen
Gegenstand, und er ist gesund, wenn dieser Gegenstand die Wahrheit ist. Wenn
man von der Wahrheit abkommt und glaubt, was verkehrt ist, ist der Glaube
krank.
4: Erklärungen
V. 15.16: „Alles ist den
Reinen rein. Aber den Befleckten und Ungläubigen ist nichts rein, sondern ihr
Denksinn und ihr Gewissen sind befleckt. Gott bekennen sie zu kennen: Sie
wissen da Bescheid, sagen sie. Aber mit den Taten verleugnen sie [ihn]. Sie
sind nämlich verabscheuungswürdig und im Unglauben ungehorsam und zu jedem
guten Werk nichtgutzuheißen, verwerflich.“
Einsicht in das
wahre Wesen der Gefährdenden ist notwendig.
Die Gläubigen sollen wissen, dass sie durch
das Blut Jesu Christi, durch den Heiligen Geist, durch den Glauben, durch Jesus
Christus Gereinigte sind (1. Korinther 6,11: „ihr seid gereinigt“). Früher
mögen sie Ehebrecher, Diebe usw. gewesen sein (1. Korinther 6,10), aber jetzt
sind sie geheiligt, gewaschen.
Bei Christen, die Reine sind, ist alles
rein. Alles? Kommt in der Bibel das Wort „alles“ / „alle“ vor, müssen wir uns
fragen, wie der Rahmen dieses Wortes aussieht. Das Wort wird wohl nie im
absoluten Sinne, also uferlos, gebraucht. „Alles“ bezieht sich auf den Inhalt
eines gewissen Rahmens, alles in einem begrenzten Feld, und es ist unsere
Aufgabe, jeweils den „Zaun“ zu finden, der den Anwendungsbereich des Wortes
begrenzt.
Will Paulus hier sagen, es gebe keine Sünde
mehr? Meint er, Reine dürften alles tun? Wenn wir
Gottes Wort als Gottes Wort annehmen, dürfen wir nicht durch eine falsche
Auslegung einzelner Stellen Widersprüche zu anderen Stellen hervorrufen.
Deshalb dürfen wir hier nicht zu weit gehen.
„Alles“ dürfte sich hier auf das von Gott
Geschaffene beziehen. Das ergibt sich zwar nicht aus dem unmittelbaren, wohl
aber aus dem größeren Zusammenhang: Wenn Paulus speziell die jüdischen Mythen
erwähnt hat, dann wohl, weil es auf Kreta jüdische Irreführende hat. Wir haben
es also mit Irrlehre jüdischer Art zu tun. Diese Irrlehren beschäftigten sich
immer wieder mit der Frage der Reinheit: Was darf man tun, was nicht? Es ging
dabei um Menschengebote und um alttestamentliche Gesetze. Eine Diskussion über
solche Fragen haben wir in Apostelgeschichte 15. Das Gesetz ist im Einzelnen
nicht Regel für die Gemeinde. Das Volk Gottes soll nicht erneut unter ein Joch
gebracht werden. Dennoch gibt es im AT Richtlinien, die dem Evangelium und der
Liebe entsprechen. Wie sie im einzelnen anzuwenden
sind, muss von Fall zu Fall neu geprüft werden. Dieses geschieht auch in
Apostelgeschichte 15. In der Diskussion kristallisiert sich heraus, was von den
besprochenen Regeln zu jener Zeit noch zu beachten wäre.
Wir
müssen immer wieder eine Antwort auf die Frage suchen: Wie sieht das aus, wenn wir,
dem Gott des AT entsprechend, im Evangelium leben?
Grundsätzlich ist alles rein, das Gott
geschaffen hat. Das heißt aber nicht, dass wir alles, das Gott geschaffen hat,
ohne weiteres genießen dürfen, ohne je dabei Schaden zu nehmen. Gott hat die Welt
nach einer gewissen Ordnung geschaffen, jedes mit seinem Zweck.
„Verabscheuungswürdig“ ist ein emotional
geladenes Wort. Auch Spurgeon konnte Sünder und Sünde verabscheuen, wenn sie
sich nicht Gott untertänig machen wollten. Wenn sie sich rufen ließen, konnte
er wieder barmherzig sein, konnte sie mit Leidenschaft rufen und ihnen sagen,
dass Jesus ihnen vergeben wolle.
Der Unglaube ist die Triebfeder für den
Ungehorsam. Sie glauben der Wahrheit nicht, halten sich nicht daran, richten
sich nicht danach aus. Und dann versuchen sie zwar, gute Taten zu tun, aber sie
können es nicht, sind nicht tüchtig dazu. Niemand ist von sich aus tüchtig,
aber wir haben hier einen indirekten Hinweis darauf, wie wir tüchtig werden
können. Gemäß 2. Korinther 3,5 kommt unsere Tüchtigkeit (Fähigkeit, Kompetenz)
von Gott. Durch seinen Geist, durch sein Wort und durch Gnadengaben macht er
uns tüchtig. „Die Schrift ist von Gott gehaucht und ist nützlich zur Strafe,
Züchtigung, Belehrung, … damit der Mensch Gottes tüchtig sei, ausgerüstet
(wörtlich: „zurechtgerenkt, eingerenkt“) zu jedem guten Werk“ (2. Timotheus
3,16).
Tüchtig sind wir, wenn wir glauben und
gehorsam sind. Glauben wir nicht, sind wir für das, das von Gott als gutes Werk
betrachtet wird, untüchtig. Nicht alle scheinbar guten
Werke sind auch in Gottes Augen gut. Wir müssen die Brille der Heiligen Schrift
gebrauchen, um richtig zu urteilen.
B: Über Geziemendes für
verschiedene Gruppen von Christen
1: Der Auftrag, über Geziehmendes zu sprechen
V. 1: „Rede du aber das, das der gesunden Lehre
geziemt“
. Was nach diesem Kapitel Titus
reden soll, hat größtenteils mit dem Verhalten zu tun. Dieses Verhalten soll
der Lehre entsprechen. Es ist ihre Frucht.
Paulus
beschreibt das zu Sagende so: „was gesunde Lehre geziemt“. Wer die Lehre der
guten Christusbotschaft kennt, soll wissen, was sich daraus ergibt.
Titus soll in seiner Verkündigung
ein Beispiel für die Ältesten sein. An Hand seiner Verkündigung können die
Ältesten lernen, wie und was sie zu lehren haben.
Es geht um die Ethik, d.h., um
das Christenleben, um das rechte Verhalten eines Christen unter seines Gleichen sowie unter Ungläubigen. Dieses Verhalten
ist die Frucht des Evangeliums, das hier „Lehre“ genannt wird. Wer die Lehre
des Evangeliums kennt, soll wissen, was sich daraus ergibt. Es genügt nicht, zu
wissen, dass Jesus Christus für uns in die Welt gekommen und am Kreuz gestorben
ist. Wir müssen auch wissen, welche Lebensweise daraus hervorgeht. Dafür sollte
man gleichsam ein Gespür bekommen.
. Noch einmal finden wir hier ein Wort vor, das
nicht von vornherein klar ist, nämlich das Wort „geziemt“. Über den Bezug ist
man verschiedener Meinung, ähnlich wie bei Ausdrücken wie „ehrbar“, „züchtig“,
„angenehm“, „was frommt“, „Liebe“ usw. Man ist sich heute nicht mehr darüber
einig, was gutes Benehmen ist. Aber wir haben
uns einig zu werden, d.h., zusammen
haben wir zu lernen, aus den im NT genannten Grundsätzen die richtigen
Schlussfolgerungen zu ziehen. Wie bereits erwähnt, ist das NT kein Gesetzbuch,
das für jede Situation eine entsprechende Verhaltensregel bereithält. Wir haben
also zu lernen, mit geheiligtem Denken zu überlegen, was die praktischen
Konsequenzen der in der Bibel enthaltenen Aussagen sind. Was bedeutet für
mich täglich z.B. die Tatsache, dass Jesus Christus gekommen ist, Sünder zu
retten? Wenn Jesus Christus mein König ist, welche Folgen hat das für mein
Leben?
. Damit erzieht uns die Bibel zur Mündigkeit.
Jeder muss die Bibel selber lesen und für sich selbst herausfinden, was es
heißt, als Christ biblisch zu leben. Wir müssen lernen, selbständig zu denken,
sollen reif werden.
Es gilt dabei, zwei Aspekte des Christenlebens
zu beachten: Der Christ ist einerseits ein selbständiges Individuum,
andererseits aber auch Teil des Leibes Christi. Diese zwei Seiten müssen in
Harmonie gebracht werden. In der Gemeinde müssen beide Seiten vorhanden sein.
Christen, die nur in der Gemeinschaft leben, werden schwach und abhängig,
solche, die nur als Individuen leben, schwierig und einseitig.
(Wir dürfen nicht vergessen, dass das Bild
des Leibes nicht das ganze Christenleben abbildet, sondern eben unsere
gemeinsame Beziehung zu einander und zum Haupt. Ein Teil unseres Lebens mit dem
Herrn wird immer alleine gelebt werden. Dort werden Grundsteine gelegt, die
dann unentbehrlich sind auch für das Zusammenleben. Umgekehrt erfahren wir
vieles nur in der Gemeinschaft, das für das Alleinleben unentbehrlich ist.)
Gemeinde Jesu braucht Individuen,
die reif sind, die alleine stehen
können, die ihre Bibel selbständig lesen und alleine beten und kämpfen können,
die fähig sind voranzugehen, die aber gleichzeitig mit anderen Christen zusammenleben
können. In der Gemeinde muss nicht alles organisiert werden, damit es gut
läuft. Eine Gruppe von solchen Menschen, die im Leben reif sind, kommt ohne
manches an Organisation aus. Und Christen sind da im Vorteil, denn sie haben
mit der Wiedergeburt bereits eine gewisse Reife erlangt:
In Römer 8,15 sagt Paulus: „Ihr
habt den Geist der Sohnesstellung [o: des Sohnesstandes] bekommen.“
In Galater 4 wird diese Stellung
näher erklärt: „zu dem vom Vater bestimmten Zeitpunkt tritt das Kind in den Reifestand.“
In der römischen und griechischen
Kultur konnte das Kind als Eigentum der Eltern betrachtet werden, rechtlos sein
wie ein Sklave. So bedeutet das griechische Wort ‚pais’
gleichzeitig ‚unmündiges Kind’ und ‚Haussklave’. Das Gleiche gilt im übertragenen
Sinne für unsere Beziehung zu Gott. Solange jemand unter dem Gesetz ist, wie es
die Juden waren, ist er leibeigener Knecht. Aber „als die Zeit erfüllt war,
sandte Gott seinen Sohn“, und dieser Sohn nahm die Stelle des Gesetzes ein. Es
war wie ein Zaun (Epheser 2,14), der abgebrochen wurde, und wir sind befreit
worden. Um gesetzlos zu leben? „Nie und nimmer“, sagt Paulus. „Das sei fern!“ (Römer
6,1.2) Dasselbe Wort Gottes ist seinem Wesen nach immer noch da, nur ist es
jetzt nicht mehr Zaun, sondern inwendige Wegweisung.
In Heb 8,10 heißt es: „ich will
ihnen meine Gesetze in den Sinn geben und sie in ihre Herzen schreiben“.
Das Gesetz, der Wille Gottes, ist
also hineingraviert in unser Wesen, und zwar (nach 2. Korinther 3,3) durch den
Heiligen Geist. Jesus Christus hat uns den Geist gegeben, und mit ihm ist der
Sinn Gottes, sein Denken, in unser Denken hineingebracht. Wir denken jetzt
(wenn wir geistlich gesund sind) von innen heraus gemäß dem Willen Gottes. Wir
prüfen mit Hilfe des Heiligen Geistes von innen her, was Gott will. Sein Wille
ist nicht mehr – wie ein sichtbarer Zaun – immer auf Anhieb klar und erkennbar.
Epheser 5,10: „Prüft also, was
dem Herrn wohlgefällig sei.“
Römer 12,2: „Und passt euch nicht
diesem Weltlauf an, sondern verändert euer Wesen durch die Erneuerung eures
Denksinnes, um prüfen zu können, was der Wille Gottes sei.“
. Titus soll lehren, bzw. reden, „was der
gesunden Lehre geziemt“. Paulus gibt nicht eine Regel, ein Gebot, ein Gesetz. Titus
und alle Christen müssen lernen, was das bedeutet. Dieser Lernprozess vollzieht
sich individuell sowie im Gespräch mit anderen. Jeder muss lernen, allein reif
zu werden, aber dann auch fähig zu sein, mit anderen zu leben. Und weil wir als
Christen die Sohnesstellung und damit die Reife erhalten haben, lieben wir
einander, achten wir einander und sprechen wir miteinander. Deshalb brauchen
wir auch nicht viel zu organisieren. Wir wissen, was es zu tun gibt, und packen
gemeinsam an, und dann wird bald klar werden, wer was gut kann. Die
Gnadengaben, die auch mit der Wiedergeburt gegeben wurden, sind der Kern der
Dienste, und diese werden bei der Arbeit sichtbar. An den Gnadengaben
kristallisiert sich auch Leitung heraus. Es ist nicht der weltliche Weg des Organisierens; wir brauchen unter
Christen nicht Gesetze, Polizei und Gerichte. Unter Christen entsteht Leitung
auf organische Weise.
. Es sind nun Worte für die verschiedenen
Gruppen in den Kreisen von Christen, die Titus erhält: ältere Männer, ältere
Frauen, junge Frauen, junge Männer. Es ist nicht
von ungefähr, dass Paulus mit den älteren Männern beginnt. Männer tragen in der Sache
Gottes größere Verantwortung als
Frauen. Und unter den Männern
tragen ältere mehr Verantwortung als jüngere.
Paulus beginnt also dort, wo
die Hauptverantwortung liegt.
2: Ein Wort für die älteren
Männer
V. 2: „dass alte Männer nüchtern seien, ehrbar, gesunden Sinnes und
züchtig, gesund im Glauben, in der Liebe, in der Ausdauer“
. Zum Begriff „ehrbar“
Das Wort im Grundtext bedeutet: „ernst in der Einstellung zum Leben, somit
zurückhaltend in Verhalten u Kleidung“
. Zum Ausdruck „gesunden Sinnes und züchtig“:
ausgeglichen im Gemüt als Ergebnis steter Selbstzucht
3: Ein Wort für die älteren
Frauen
V. 3‑5: „alte
Frauen desgleichen in einem Betragen wie es Geweihten geziemt, [dass sie] nicht
verleumderisch [seien], nicht vielem Wein versklavt, Lehrerinnen des Edlen, 4 damit sie den jungen Frauen zu
gesundem Sinn und Zucht verhelfen, so dass sie [ihre] Männer lieben, ihre
Kinder lieben, 5 gesunden Sinnes und
züchtig sind, keusch und rein, Wächterinnen [ihrer] Häuser [und Familien], gut,
den eigenen Männern unterordnet, damit das Wort Gottes nicht in Verruf komme.“
Sechs Gedanken seien angemerkt:
a: Es scheint, als ob die
Eigenschaften von V. 2 auch von den Frauen erwartet werden.
V. 1-3A: „Rede du aber das, das der gesunden Lehre geziemt: 2 dass alte Männer nüchtern seien,
ehrbar, gesunden Sinnes und züchtig, gesund im Glauben, in der Liebe, in der
Ausdauer; 3 alte Frauen desgleichen“
Jeder Christ soll früher oder
später so werden, wie es die älteren Männer sein sollen. Eigentlich ist das
nichts Außergewöhnliches. Es wird speziell in Bezug auf alte Menschen erwähnt,
weil sie ein Vorbild sein sollen, aber dadurch wird es für jeden Christen zum
Ziel. Den Jüngeren gibt Paulus allerdings mehr Zeit. Er hat mehr Geduld mit
ihnen. Das Leben ist kurz. Deshalb müssen die Älteren schneller arbeiten,
dürfen sie ihre Zeit nicht mehr vergeuden, d.h., müssen sie manchmal auf Dinge
verzichten, für welche sie sich 20 Jahre früher noch hätten Zeit nehmen können.
Ältere Männer und Frauen müssen es ernster nehmen mit der Heiligung und dadurch
Vorbild sein. Auch alte Frauen sollen also ehrbar, nüchtern, besonnen und
züchtig sein und gesund im Glauben, in der Liebe und in der Ausdauer.
b: Der Apostel motiviert:
Christliche Frauen sind Gott Geweihte.
V. 3A: „alte Frauen desgleichen in einem Betragen wie es Geweihten geziemt“
Diese Etikette soll die Frauen
ermutigen. Sie sollen merken, dass das Evangelium etwas aus ihnen macht. Auf
Kreta gab es viele Juden, aber in der Gemeinde dürften auch viele Nichtjuden
gewesen sein, und in jener Zeit waren die Frauen im Heidentum oft verachtet.
Aus diesem Stand sind sie durch das Evangelium herausgehoben: Sie sind nun Gott
Geweihte, werden geachtet und sind etwas wert, sind für Gott da. Das motiviert.
c: Er nennt dann weitere Erwartungen, die
ebenfalls Geweihten geziemen.
V. 3M: „[dass sie] nicht verleumderisch [seien], nicht vielem Wein
versklavt, Lehrerinnen des Edlen“
. „nicht verleumderisch“
Wenn ich ein Gott Geweihter bin, darf ich nicht verleumden, jemandes Ruf schädigen. Wenn jemand aus dem Bekanntenkreis fehlgelaufen ist, vielleicht gesündigt hat, kann es manchmal nötig sein, darüber zu sprechen, aber dann gilt es, Rücksicht zu üben. Wo diese Rücksicht versäumt wurde, ist die Sünde zu bekennen. Gott erwartet von uns, dass wir niemanden in Verruf bringen. Auch wir sollen dieses Wort zu Herzen nehmen und das „Verleumderisch-Sein“ gänzlich aufgeben.
. „nicht vielem Wein versklavt“
In jener Zeit – und auch
heute noch in heidnischen Ländern – konnte es vorkommen, dass die Frauen die
harten Arbeiten erledigen mussten. Daher ist es nicht erstaunlich,
dass sie oft zu Alkohol griffen,
um ihre Not zu lindern. Heute treibt die Einsamkeit viele Frauen zum Alkoholkonsum. Aber es ist nicht mehr nötig,
einsam zu sein. Das Evangelium schenkt
Gemeinschaft. Wir brauchen nicht mehr Rauschmittel, um etwas zu vergessen.
Der Apostel hat also den Frauen nicht sämtliches
Lehren untersagt. Die älteren sollen Lehrerinnen des Edlen sein. Wenn Frauen
sich als Geweihte wissen und im Glauben, in der Liebe und in der Ausdauer
gesund geworden sind, wenn sie sich entschlossen haben, nicht verleumderisch zu
sein, sondern über andere Gutes zu sagen, und wenn sie sich nicht mit Wein
benebeln, dann können sie anderen zum Segen werden. Sie sind dann in der
Heiligung nicht nur für Jesus selbst da, sondern sie werden zu Lehrerinnen.
d: So sind sie fähig für einen
Dienst an jüngeren Frauen.
V. 4.5: „damit sie den jungen Frauen zu gesundem Sinn und Zucht verhelfen,
so dass sie [ihre] Männer lieben, ihre Kinder lieben, 5 gesunden Sinnes und züchtig sind, keusch und rein, Wächterinnen
[ihrer] Häuser [und Familien], gut, den eigenen Männern unterordnet“
Die älteren Frauen haben bei den jüngeren
die Möglichkeit, das Evangelium weiterzugeben. Um das tun zu können, müssen sie
das Evangelium kennen und leben.
Paulus hat sich Zeit genommen, den Frauen
zu zeigen, dass auch sie etwas weiterzugeben haben. Bei den Männern war von
vornherein klar, dass sie andere belehren sollten, aber bei Frauen war das
nicht selbstverständlich. Dementsprechend ist der Text für die Frauen hier auch
länger als derjenige für die Männer. Paulus erklärt also den Frauen, dass das
Evangelium ihnen die Möglichkeit gibt, den Mund zu öffnen, um das Evangelium zu
lehren, d.h., um das Evangelium weiterzusagen. Sie dürfen Lehrerinnen des Edlen
sein. Das Evangelium ist adelig, und es adelt.
Der Apostel verwendet hier den griechischen
Begriff „kalos“, der „schön“ bedeutet (vgl „Kaligraphie“ = Schönschrift). Das Wort steht ebenfalls
in 2. Timotheus 4,7, wo er sagt: „Ich habe einen schönen Kampf gekämpft.“ Er
meint damit, dass er sich in seinem Kampf nicht versündigt, sondern auf eine
Gott verehrende Weise gekämpft habe. Manchmal wird das Wort „kalos“ auch für „gut“ gebraucht, wobei es dafür aber
noch zwei andere Begriffe gibt.
Merken wir uns den Nebensatz am Ende: Die
Welt kann (im Gewissen) durchaus einen Sinn für das Richtige haben. Wenn wir
nicht gehorsam sind, uns nicht beugen und unterordnen können, widersprechen
oder aufbegehren, bringen wir das Wort des Evangeliums in Verruf, auch wenn wir
das nicht sogleich merken.
e: Beachten wir die stille Voraussetzung, die
die jüngeren Frauen angeht: Bereitschaft, von älteren zu lernen.
Das ist heute nicht mehr
modern, aber wir müssen zurück zur gesunden Beziehung zwischen Menschen. Das
Evangelium schafft gesunde Gemeinschaft, nicht nur zwischen Gleichaltrigen und
zwischen Menschen mit gleichem Beruf oder gleichen Interessen, sondern auch
zwischen ganz unterschiedlichen Menschen und Generationen. In der Gemeinde Jesu
kann jeder mit jedem Gemeinschaft haben. Wir sollten lernen, uns
evangeliumsgemäß zu integrieren. Die jungen Frauen sollen sich zur Zucht
anleiten lassen. Worin besteht nun diese Zucht?
. „dass sie ihre Männer lieben, ihre Kinder
lieben“
Den ersten Teil dieses Satzes könnte man wie folgt übersetzen: „dass sie ihre Männer gern haben wie Freunde.“ In manchen Ehen lebt man einfach nebeneinander her, besonders im Heidentum. Aber das Evangelium macht uns fähig zu lieben, fähig zur Gemeinschaft. Es macht uns zu wirklichen Freunden.
Die jungen Frauen sollen zur Zucht
angeleitet werden, sodass sie ihre Männer gern haben, dass sie gern mit ihren
Männern sind und ihre Männer mit ihnen. Auch Kinder sollen unsere Freunde sein.
Sie sind nicht nur unsere Schützlinge, die wir hin‑ und herschieben
können wie Schachfiguren. Kinder sind Individuen, selbständige Wesen. Jedes
Kind, das zur Welt kommt, ist etwas vollständig Neues, noch nie Dagewesenes. Es ist wichtig, dass wir über die Beziehung
mit Jesus lernen, mit Kindern so umzugehen, wie es das Evangelium lehrt.
. „gesunden Sinnes und züchtig“
Junge Frauen sollen auch
besonnen („gesunden Sinnes und züchtig“) sein. Weil Frauen oft spontan handeln,
legt Paulus es ihnen nahe, sich Zeit zum Überlegen zu nehmen.
. „Wächterinnen ihrer Häuser und Familien“
Die jungen Frauen haben zudem Wächterinnen ihrer Häuser und Familien zu sein. Das Griechische kennt kein Wort für „Familie“, gebraucht dafür das Wort „Haus“. Der Übersetzer muss deshalb jedes Mal überlegen, ob der griechische Schreiber „Haus“ oder „Familie“ meinte. Wenn es in unserer Stelle nur um das Haus ginge, müsste man daraus schließen, dass die Frau zu Hause bleiben und das Haus hüten müsse. In Spr 31 lesen wir jedoch, dass die Frau auch sehr stark außer Hauses beschäftigt sein kann. Und das Verhalten der Frauen im AT dient den neutestamentlichen Frauen zum großen Teil als Vorbild. Das Wort „Haus“ darf hier also nicht nur im begrenzten Sinne aufgefasst werden. Die Frauen sollen wohl Wächterinnen des Hauses sein, d.h., im Haus die Augen offen halten und zum Guten schauen, aber Paulus schließt wahrscheinlich auch die Familie in das zu Bewachende ein. Die Frau soll eine Wächterin der Familie sein, besonders wenn die Kinder am Heranwachsen sind. Schwieriger wird es für die Frauen, wenn ihre Kinder erwachsen sind und selbst schon Kinder haben. Es ist nicht so leicht loszulassen, wenn man älter wird, und außerdem hat man das Wächterinnenamt auch nicht ganz niedergelegt. Auch Großmütter müssen noch Wächterinnen ihrer Familien sein. Die Frage ist bloß, wie?
. „gut“
Alte Frauen sollen junge
auch anleiten, gut zu sein. Im Wörtchen „gut“ liegt eine Welt von Information.
Nun gilt es zu lernen, was es heißt, gut zu sein.
. „den eigenen Männern unterordnet“
Ferner sollen die jungen Frauen angeleitet werden, sich ihren eigenen Männern zu unterordnen. „Unterordnen“ ist an dieser Stelle besser als „gehorchen“, denn „Gehorsam“ ist zu absolut. Unterordnung ist eine grundsätzliche Stellung, die, wenn es sein muss, die Möglichkeit, ungehorsam zu sein, offen lässt. Wo man Gott ungehorsam sein müsste, wäre Gehorsam dem Mann gegenüber nicht angebracht. Dennoch soll die Unterordnung nicht eine Angelegenheit der Laune sein. Jeder von uns muss lernen, sich unterzuordnen (vgl auch Kolosser 3,1). Paulus erwartet Unterordnung (gemäß Kolosser 1,10) von jedem Christen. Er sagt, Nicht‑Christen seien manchmal nicht fähig zur Unterordnung, aber unter Christen muss jeder den Kopf beugen und sich unterordnen können. Wir müssen lernen zu spuren. Wenn Eltern ihre Kinder lieben, werden sie ihnen auch dieses beibringen, werden ihnen die Realität zeigen, d.h., die Kinder lehren, dass ihre Freiheit dort aufhört, wo diejenige des anderen beginnt. Wir sind im Evangelium zwar nicht gesetzlich, aber dennoch gesetzestreu. Unser Gott ist ein Gott der Ordnung, und wir müssen lernen, in Zucht zu leben.
f: Beachten wir auch das Ziel
dieses Wortes an diese Frauen.
V. 5E: „damit das Wort Gottes nicht in Verruf komme.“
4: Beachten wir den leisen Wink
an Titus: Nicht er ist der unmittelbare Lehrer der jungen Frauen.
V. 1-4A: „Rede du aber das, das
der gesunden Lehre geziemt: 2 dass
... 3 alte Frauen ... [seien] ...
Lehrerinnen des Edlen, 4 damit sie
den jungen Frauen zu gesundem Sinn und Zucht verhelfen, sodass sie, [die jungen
Frauen], ...“
5: Ein Wort für die jüngeren
Männer
V. 6: „Desgleichen rufe die jüngeren Männer auf, gesunden Sinnes und
züchtig] zu sein“
a: Wer sind sie?
. Eine von nur 3 Gruppen männlichen Geschlechts: die Männlichen zwischen Kindern und Alten! Wir haben bereits gesehen, dass man die Grenzen der genannten Altersgruppen nicht genau bestimmen kann. Es geht hier um Männer, die dem Kindesalter entwachsen aber noch nicht alt sind.
. Solche, die Ältere sein werden. Sie
sollten jetzt schon auch das Wort an jene bedenken.
b:
Die Art des Wortes
V. 6A
I:. Es ist ein Aufruf.
Wenn Paulus seinen Aufruf mit „desgleichen“ einleitet, deutet er damit an, dass auch die Worte für die anderen Gruppen Aufrufe waren. Bedenken wir nochmals, dass „aufrufen“ nicht „ermahnen“ bedeutet. Während einer Ermahnung ein Fehlverhalten oder Widerstand vorausgeht und somit Korrektur nötig ist, setzt ein Aufruf nichts dergleichen voraus. „Aufrufen“ ist ein positives Wort, das darauf hinweist, wie man etwas tun soll. Es ist Unterweisung zur Tat. Aufruf ist Indikativ (Aussage) und Imperativ (Befehl) zugleich. Dieses schöne Vorgehen in der Unterweisung finden wir im NT immer wieder, z.B. Römer 12,1, und es ist ein lohnenswertes Studium, allen Stellen im NT nachzugehen, wo dieses Wort vorkommt.
Der
Aufruf an die jüngeren Männer setzt die Worte an ältere Männer und Frauen fort.
Paulus ruft in diesem Brief mehrere Male zu Zucht und Besonnenheit auf.
II:. Es ist wesensmäßig mit den
anderen verwandt.
„Desgleichen“ bezieht sich in 1. Linie auf V. 1, möglicherweise auch auf
den Tenor des ganzen Bisherigen.
c: Der Inhalt des Wortes
V. 6M: „gesunden Sinnes und züchtig zu sein“
Der Aufruf, besonnen („gesunden Sinnes und züchtig“) zu sein, ist gleichsam die Zusammenfassung der Ethik. Zunächst heißt es nur: „besonnen sein“, aber in der Bedeutung geht es hier um einen Doppelbegriff. „Besonnen sein“ („gesunden Sinnes sein“) bedeutet ursprünglich „richtig denken“. In der griechischen Kultur kommt jedoch die angewandte Bedeutung hinzu: Wer richtig denkt, handelt auch richtig. Die Zucht beginnt im Denken, aber diese Besonnenheit führt dann zur Selbstbeherrschung und somit zur Zucht in der Tat. Das im Text verwandte Wort bündelt also die ganze Tätigkeit des Menschen zusammen: sein Denken und sein Handeln, wobei im Handeln Tat und Empfinden inbegriffen sind, denn Zucht ist auch Selbstbeherrschung in den Empfindungen.
Das
Wort eignet sich nicht nur als Maßstab für das Verhalten eines griechischen
Christen von damals, sondern für das Verhalten aller Christen seit dem. Wir
stellen fest, dass Paulus von den Christen will, was eigentlich die Griechen
von ihren Landsleuten erwarteten. Der Unterschied liegt darin, dass die
Griechen diese Erwartungen nicht erfüllen konnten. Das Griechentum war
gekennzeichnet von mancherlei Fehlverhalten. Aber jetzt kommt das Evangelium
und bringt Licht in diese dekadente Gesellschaft. Es hegt dieselbe Erwartung,
aber nun ist jemand da, der wirklich Menschen verändern kann. Jesus Christus
lässt Menschen anders denken und dadurch auch anders handeln.
„Gesunden Sinnes und züchtig!“ Dieser Aufruf erging an die älteren Männer, dann an die
Frauen und nun auch an die jüngeren Männer.
6: Eine Einfügung für Titus: Er wird
aufgefordert, ein Vorbild zu sein.
V. 7.8
a: Achten wir auf die Verbindung
mit V. 6.
V. 7A: „dabei erweise dich“
Wobei? Während er das eben
Gesagte beachtet, und das steht in V. 6:
„Desgleichen rufe die jüngeren
Männer auf, gesunden Sinnes und züchtig zu sein;“
„dabei“, sagt der Apostel,
„erweise dich selbst in jeder Hinsicht als Vorbild edler Werke, im Lehren
Unverfälschtheit, Ehrbarkeit, Unverdorbenheit, gesunde, schuldlose Rede“
„Dabei“ gibt also an, wann Titus ein Vorbild sein
soll, nämlich während er auffordert. Beim Aufrufen, d.h., dann, wenn er jüngere
Männer aufruft, soll er selbst ein Vorbild sein. Diese Stelle könnte ein
Hinweis darauf sein, dass Titus selbst noch ein verhältnismäßig junger Mann
war. Und besonders da, wo er es mit Gleichaltrigen zu tun hatte, sollte er ein
Beispiel sein, damit jene an ihm sehen konnten, was seine Worte bedeuteten. Mit
seinem Handeln sollte Titus seinen Worten Bedeutung verleihen.
b: Achten wir darauf, wie Titus
ein Vorbild sein soll.
V. 7'8A
. Mit edlen Werken
Titus soll mit edlen Werken vorangehen. Das griechische Wort für „edel“
könnte bekanntlich auch mit „gut“ oder „schön“ übersetzt werden, aber „edel“
scheint besser angebracht zu sein. Titus soll also handeln: Es soll nicht nur
das Gesetz eingehalten werden, nicht nur in rechtschaffener Weise gelebt
werden, sondern es sollen auch gute Werke entstehen; man soll etwas Gutes für
andere tun. Eine Form von edlen Werken kann sein, das Richtige zu tun;
das heißt, man tut das, was recht ist; man tut nichts Falsches. In diesem Fall
handelt man gut. Man vollbringt gute Taten. Aber es geht um mehr. Wir sollen
noch mehr tun, als nur das Richtige. Viele Christen begnügen sich damit, eine
gewisse Moral einzuhalten; ansonsten sind sie lässig, was das Reich Gottes
betrifft. Sie faulenzen regelrecht, leben nicht für den Herrn, sondern für sich
selbst. Es gilt, am Wirken zu sein, weil die Nacht kommt, wo niemand wirken
kann.
. Dieses in jeder Hinsicht
Paulus sagt zu Titus, er solle in jeder Hinsicht ein Beispiel für edle
Werke sein. Tagaus, tagein und überall, wo es Gelegenheit gibt, soll man das
Gute tun.
. Es kommt zum Ausdruck in seiner
Lehrtätigkeit. Hier hat er durchschaubar zu sein: Was er tut, was er ist, wird
beim Lehren zu vernehmen sein.
. Besondere Eigenschaften
- „Unverfälschtheit“
Während Titus nach V. 6 aufruft und unterweist, soll er in der Lehre
unverfälscht sein. Die Lehre selbst soll die richtige Lehre sein. Es ist sehr
leicht möglich, dass wir das Falsche lehren. Wir müssen davor bewahrt bleiben,
verkehrt anzuweisen und dadurch anderen einen falschen Weg zu zeigen. Und Titus
soll, während er lehrt, unverfälscht handeln; das
Beispiel, das er im Handeln gibt, soll ein unverfälschtes sein.
- „Ehrbarkeit“
Weiter wird Titus zur Ehrbarkeit aufgerufen. Ein ehrbares Verhalten ist
eines, das andere dazu veranlasst, einem Ehre entgegenzubringen, und das nicht
wegen der eigenen Person, sondern des aus dem Evangelium stammenden Verhaltens
wegen.
- „Unverdorbenheit, gesunde, schuldlose Rede“
Seine Lehre darf durch sein Handeln also keinen Widerspruch erfahren.
Handeln und Lehren sollen einen einzigen Guss bilden.
c: Achten wir auf den Grund für
diese Aufforderung.
V. 8
Der Aufruf, sich selbst als Beispiel zu zeigen,
hat zwei Gründe, wobei der zweite Grund den ersten näher begründet.
. Der erste Grund: „damit der Gegner beschämt werde“ – was
allerdings nicht garantiert werden kann. Es soll jedoch des Titus (und unser)
Ziel sein.
Eigentlich weiß der Gegner auf
Kreta, dass er bei seinem eigenen Volk nicht voraussetzen kann, dass die
ethischen Erwartungen, z.B. besonnen und züchtig zu sein, erfüllt werden. Nun
kommt eine neue Lehre, die für ihn unglaubhaft ist. Er kann sich nicht vorstellen,
dass eine Kraft existiert, die diese Erwartungen erfüllen könnte. Aber wenn er
merkt, dass durch die Christusbotschaft nicht nur jüngere, sondern auch ältere
Männer verändert werden und in ihrem Leben die Kraft haben, wirklich besonnen
und züchtig zu sein, wird er beschämt. Es soll natürlich nicht bei dieser
Beschämung bleiben. Wenn der Gegner beschämt werden soll, soll er dadurch für
das Evangelium empfänglich werden. Es dürfte hier vorausgesetzt sein, dass
Titus weiter mit diesen Gegnern spreche und versuche, sie zu Jesus zu führen.
. Die anschließende Begründung: „da er nichts
über euch zu sagen hätte, das schlimm wäre.“ Das soll vermieden werden.
Der Gegner wird beschämt, „weil
er nichts Schlimmes zu sagen hat“. Zuerst lästert er, spricht übel von den
Christen, weil sie anders sind, eine andere Lehre bringen, nicht mehr richtig
in die Gesellschaft passen. Aber dann stellt er fest, dass die Botschaft von
Jesus Christus eine verehrungswürdige ist, und dann muss er den Mund halten.
d: Achten wir auf die in V. 8E
Angesprochenen: „euch“
Wer ist in diesem „euch“ eingeschlossen? Titus und die Mitarbeiter; Älteste und Christen.
Der Brief wurde möglicherweise
von zwei Brüdern nach Kreta gebracht, sodass diese dabei gewesen sein könnten,
als Titus ihn las. Es könnte also sein, dass Paulus auch an sie dachte, als er
den schrieb. Aber er schloss bestimmt auch die jungen Männer mit ein, von denen
er soeben geschrieben hatte. Und auch die Ältesten, die ja die
Verkündigungsaufgabe von Titus übernehmen sollen, haben dieses Wort zu
beherzigen. Letztlich geht es alle Christen an: Alle Christen sollen so leben,
dass Menschen, die nicht Christen und im Grunde gegen das Evangelium sind,
nichts an ihnen auszusetzen haben. So viel erwartet Paulus von den Kretern!
Nichts soll an ihnen auszusetzen sein. Sie sollen sich vor den Nichtchristen
nicht blamieren.
Was könnte nun Schlimmes von den
Christen zu sagen sein? Schlimm wäre es, wenn jemand gesündigt hätte, das
heißt, wenn er sich, gemessen am Evangelium, falsch verhalten hätte. Hingegen
wäre es nicht schlimm, wenn man den Christen Schlimmes nachsagen würde, das
nicht zuträfe. „Selig seid ihr“, sagt Jesus, „wenn das geschieht.“ Für unser
Empfinden mag es schlimm sein, wenn man Falsches über uns sagt, aber es ist
nicht schlimm, wenn wir an die Belohnung denken und an unseren Herrn, der auch
so behandelt wurde.
7: Ein Wort für gläubige Sklaven
V. 9.10: „Die Sklaven [rufe auf], sich den eigenen Herren zu unterordnen,
in allem angenehm zu sein, indem sie nicht widersprechen, nichts unterschlagen,
sondern alle gute Treue erweisen, damit sie die Lehre Gottes, eures Retters, in
allem zieren“
a: Zur Stellung dieses Wortes im Kapitel
In V. 9 fehlt das Prädikat, das weisende Tätigkeitswort für Titus. Der Vers
ist demnach die Fortsetzung des Satzes, der mit V. 6 begann, und dort steht:
„Desgleichen rufe auf ...“
Das Wort für die leibeigenen Knechte ist
also ein Aufruf. So wie Titus die jüngeren Männer, und vor diesen die älteren Frauen und die
älteren Männer, aufgerufen hat, so soll er auch die Sklaven aufrufen.
b: Was soll Titus diesen nun
sagen?
I:. Sie sollen sich unterordnen.
V. 9A: „Die Sklaven [rufe auf], sich den eigenen Herren zu unterordnen“
Der Sklavenstand wird zunächst
akzeptiert, auch wenn er nicht notwendigerweise anerkannt wird. Das Evangelium
wirft heidnische Gesellschaftsstrukturen nicht sofort um, selbst wenn sie nicht
ganz der Bibel entsprechen, sondern es wirkt wie ein Sauerteig, d.h., es
arbeitet langsam, bis sich die Wirkung voll entfaltet. Wer im Sklavenstand
steht, soll also bereit sein, dem Leibherrn als Sklave ein Beispiel zu sein.
Im Titusbrief spielt die
Unterordnung eine wichtige Rolle. Christen sollen nicht für Auflehnung bekannt sein, sollen nicht rebellisch sein und ihre Freiheit und
Individualität betonen. Dort, wo es wichtig ist, sollen sie bereit sein, sich
zu unterordnen.
II:. Sie sollen in allem angenehm
sein.
V. 9M-10M
. Paulus erwartet, dass Sklaven für die
Menschen in ihrer Umgebung, und ganz besonders für die Christen und die Lehrer
des Evangeliums, angenehm sind. Das bedeutet nicht, dass sie eines jeden
Erwartungen erfüllen müssen. Das wäre gar nicht möglich. Es muss also einen
konstanten Maßstab geben. Dieser ist letztlich das Evangelium. Manchmal haben
auch Nicht‑Christen einen Sinn für das Richtige und können insofern auch
das Richtige von uns erwarten. Manchmal sind die Erwartungen der Ungläubigen
sogar gesünder als diejenigen der Christen. Aber das „Angenehmsein“ wird
eigentlich nicht von den Erwartungen der Mitmenschen bestimmt, sondern von der
Lehre Gottes. Wir müssen also zu V. 7 zurück. Es geht grundsätzlich darum, Gott
angenehm zu sein.
. Wie können Sklaven angenehm sein?
- Das
schließt zunächst etwas aus.
V. 9E.10A: „in allem angenehm zu sein, indem sie nicht widersprechen,
nichts unterschlagen“
- Es schließt etwas ein.
V. 10: „sondern alle gute Treue erweisen“
Es fällt auf, dass Paulus die Treue mit zwei
Adjektiven („alle“ und „gute“) charakterisiert. Gibt es denn schlechte Treue?
Es gibt echte Treue, die aber fehl am Platz ist. Im Dritten Reich war die Treue
dem „Führer“ gegenüber unangebracht. Petrus erinnert uns daran, dass wir Gott
mehr gehorchen sollen als der Obrigkeit, wenn diese gegen Gottes Verordnungen
verstößt. Wenn ein Herr ungläubig ist, könnte es leicht vorkommen, dass er von
seinem Sklaven etwas erwartet, das nicht richtig wäre. Der Sklave wird nun
nicht aufgefordert, unter allen Umständen das zu tun, was sein Herr von ihm
erwartet, sondern er wird aufgefordert „gute Treue“ zu erweisen. Dort, wo die
Treue angebracht ist, soll sie in jeder Hinsicht und zu jeder Zeit erwiesen
werden; alle gute Treue soll es sein.
c: Was ist das Ziel dieses
Wortes?
V. 10E: „damit sie die Lehre Gottes, eures Retters, in allem zieren“
Wir finden hier die Bestätigung der Vermutung, dass das
„Angenehmsein“ an der Lehre gemessen werden müsse. Man soll so angenehm sein,
wie es das Evangelium erwartet. Ist man Gott angenehm, so wird die Lehre
geziert.
Die Lehre, die wir zieren sollen,
ist die Lehre des Retter‑Gottes. Unser Gott ist ein Retter. Seine Lehre
ist nicht einfach eine Moral, sondern die Ethik des Gottes, der uns vom
falschen Verhalten des Heidentums und von dessen Folgen rettet und uns zu neuen
Menschen machen kann. Diese Lehre ist nicht eine bloße Forderung; sie ist eine
helfende Forderung.
In V. 11 spricht Paulus von der
Gnade Gottes, die uns erzieht. Weil Gott ein Retter‑Gott ist, hat er uns
eine gnädige Lehre gegeben, eine Lehre, die nicht nur fordert, sondern auch
hilft. Gnade bringt nicht nur Vergebung; sie gibt auch Hilfe. Und so hilft die
Gnade Gottes dem Sklaven, angenehm zu leben, besonders wenn er bis zum Tode
gedrückt oder gar gefoltert wird. Die Sklaverei zur Zeit des Paulus war
furchtbar, sodass die Sklaven manchmal nachts angekettet werden mussten, damit
sie nicht Selbstmord begehen konnten. Viele Sklaven entflohen. Wurde ein
flüchtiger Sklave jedoch erwischt, konnte er gebrandmarkt werden, wodurch er
fürs Leben gekennzeichnet blieb. Trotz dieser schlimmen Zustände erwartet
Paulus, dass gläubige Sklaven sich dem Evangelium entsprechend verhalten.
8: Über die Gnade Gottes
V. 11-14: „denn es erschien die Gnade Gottes, allen Menschen die rettende, 12 uns erziehend, damit, nach Absagen
des ehrfurchtslosen Wesens und der weltlichen Lüste, wir mit gesundem Sinn und Zucht und in Gerechtigkeit und
mit rechter Ehrfurcht in der jetzigen Weltzeit leben sollten, 13 dabei die selige Hoffnung und
Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters, Jesus Christus,
erwarten [sollten], 14 der sich
selbst für uns gab, damit er uns von aller Gesetzlosigkeit erlöse und sich
selbst ein besonderes Volk reinige, das für edle Werke eifrig wäre.“
a: Schauen wir uns zuerst die Gestalt des Textes
an.
I:. Er ist organischer Bestandteil eines größeren Abschnittes.
Die Verse 6-14 sind im Grundtext ein einziger Satz, die Ve
11-14 also ein abhängiger, der das Vorangehende ergänzt.
In welchem Sinne ergänzt er das
Vorangehende?
Das Haupttätigkeitswort des
ganzen Satzes befindet sich in V. 6. Es ist das Wort „aufrufen“ in der
Befehlsform: „rufe auf“. Titus soll in den Vn 6-8 die
jüngeren Männer zu einer rechtschaffenen Lebensweise aufrufen, in den Vn 9-11 die leibeigenen Knechte. Dazwischen wird er selbst
angehalten, ein Beispiel zu sein. Solche Lebensweise soll die Lehre ihres
Gottes und Retters „zieren“, in ein gutes Licht stellen. Man soll also von
einem auf das andere schließen.
Dementsprechend gibt uns der
Apostel anschließend eine kurze Zusammenfassung dieser Lehre, die das
Evangelium ist, und führt sie mit dem Begründungswort „denn“ ein. Das
geforderte Verhalten wird auf diese Weise in der Gnade Gottes verankert.
II:. Innerhalb unseres Textes haben wir ebenfalls eine Struktur, die
nicht ganz einfach zu erkennen ist.
A:. Das erste Problem haben wir in
V. 11.
Der Ausdruck „allen Menschen“ ist etwas unklar. Soll man das Komma davor/danach setzen? Heißt es:
„es erschien die Gnade Gottes, allen Menschen die rettende“, oder: „es erschien
die Gnade Gottes allen Menschen, die rettende“? In beiden Fällen entsteht eine
Lehrschwierigkeit:
Lesen wir: „Die Gnade Gottes
erschien allen Menschen“, so haben wir das Empfinden, dass zu viel ausgesagt
wird. Ersetzen wir aber den Dativ durch ein „für“, was legitim ist, so lesen
wir: „Es erschien die Gnade Gottes für alle Menschen.“
Ist nun andererseits der Ausdruck
„allen Menschen“ mit „retten“ zu verbinden, so kann man lesen: „Es erschien die
Gnade Gottes, die alle Menschen rettet“, was wiederum zu viel aussagt. Doch ist
in diesem Fall nicht ganz richtig übersetzt, denn, wie zuvor, steht „allen
Menschen“ im Dativ: „Die Gnade Gottes ist allen Menschen die rettende.“ Auch
hier kann ein „für“ es klarer machen: „für alle Men die rettende“.
Beide Varianten haben etwas für
sich. Da man aber nur eine von beiden schreiben darf, scheint die 2. die etwas
einfachere zu sein.
B:. Welche
Beziehung besteht zwischen den Vn 11 & 12?
Die Hauptaussage liegt in V. 11. Die Ve 12-14
schließen sich im Grundtext dieser mit einem Partizip ergänzend an. Weil wir
nun im Deutschen diese Wortform nach Möglichkeit vermeiden, macht das die Üsg schwierig. Weil die alte ElbÜsg
eine genaue sein wollte, ist sie reicher an solchen Partizipien,
Tätigkeitswörtern in der beschreibenden Form. Ganz kommen wir aber im D nicht
ohne sie aus und fügen sie hier und da doch ein.
Wie sieht es nun in unserem Text
aus? Zu schnell gehen Kommentarschreiber über die Beziehung des Vs 12 zu V. 11
hinweg. Luther verbindet sie mit „und züchtigt uns“. Ich selbst wollte die
Verknüpfung etwas stärker herausstellen und schrieb: „wobei sie uns erzieht“.
Bei näherem Studium jedoch habe ich gemerkt, dass so oder so der Text zu stark
entstellt wird, denn, während das Wort „erscheinen“ in V. 11, das hier ergänzt
werden soll, in der Vergangenheitsform steht: „erschien“, schreibt man in V. 12
das Wort „erziehen“, bzw. „züchtigen“, in der Gegenwartsform:
„erzieht“/„züchtigt“. Paulus sagt aber eigentlich: „Die Gnade erschien
erziehend.“
Dass diese Erziehung sich in die
Gegenwart erstreckt, stimmt und ergeht schon aus der Tatsache, dass diese Verse
ja den Christen auf Kreta klarmachen wollen, warum und auch wie sie anders zu
leben haben. Sie beginnt aber in der Vergangenheit. Ausnahmsweise meine ich
also, hier ohne das Partizip im Deutschen nicht auskommen zu können.
C:. Und die Ve 13'14?
Sie bilden eine kleine Einheit, die sich ebenfalls mittels eines Partizips
an V. 12 anschließt, aber diese Verbindung bereitet weniger Schwierigkeiten.
II:. Werten wir nun das Gewonnene aus für einen vorläufigen Überblick
über unseren Text.
Das Ganze ist Begründung für die zuvor geforderte rechtschaffene
Lebensweise. V. 11 bildet die Hauptaussage, die Hauptbegründung: Die Gnade
Gottes ist ohne Unterschied für alle Menschen da. Und die Ve
12-14 teilen mit, wie diese Wahrheit zu der erwünschten Lebensweise führt.
Dabei lenkt V. 12 den Blick auf den gegenwärtigen Aspekt dieses Lebens, während
V. 13 in die Zukunft weist. V. 14 erinnert dann daran, dass der Kommende der
Gekommene von V. 11 ist, sowie an die ursächliche Verbindung zwischen V. 11 und
dem Vorherigen.
Auf diese elegante Weise wird
Leben in Lehre verwurzelt, Gesetz und Evangelium eins.
b: Nun zur Hauptaussage des
Textes.
V. 11: „es erschien die Gnade Gottes, allen Menschen die rettende“
I:. Was heißt es, dass die Gnade erschien?
. Das Wort im Grundtext für „erscheinen“ ist
eine verstärkte Form von „sichtbar machen“, also: „in hellem Licht sehen
lassen“. Es wird auch vom Aufgehen der Sonne gebraucht. Gott hat uns seine
Gnade ins helle Licht gestellt, zur Bewunderung und zur allseitigen Annahme.
. Aus anderen Texten wissen wir, dass die Gnade
Gottes in einer Person erschien, die Zacharias (Lk
1,78) „Aufgang [der Sonne]“ nennt und von der Johannes schreibt: „Aus seiner
Fülle ...“
II:. Welche Gnade erschien?
. Was ist Gnade?
- das Angenehme, Erhebende, freudig
Stimmende
- Vergebung
- Kraft
- beides aus Liebe, Zuneigung
. Paulus sagt, es ist die Gnade Gottes, die
erschien. Die Gnade Gottes ist sein Handeln am Menschen in seiner Liebe,
besonders sein Handeln in seinem Sohn.
Wenn Menschen gnädig sind, ist
ihre Gnade aufs beste nur eine kümmerliche. Gottes Gnade aber lässt sich
überall sehen. Sie fließt aus seinem Wesen, das Liebe ist, ist überreich für
alle Bedürftige, ja, den größten Schuldner.
Es ist auch zu beachten, dass
Paulus, wenn er in dieser Weise vom Erscheinen der Gnade Gottes spricht, meint,
dass nun die Möglichkeit gegeben ist, in der Kraft Gottes das Leben zu führen,
zu dem der Mensch unter dem Gesetz nicht fähig war:
Römer 8,3.4: „was das Gesetz nicht konnte, worin es schwach war durch das Fleisch: Gott
schickte seinen eigenen Sohn in
der Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde und für Sünde und verurteilte die Sünde im Fleisch, damit das Gerechte des
Gesetzes in uns erfüllt würde, die wir nicht nach dem Fleisch leben, sondern
nach dem Geist“
. Zudem, sagt der Apostel, ist es die rettende
Gnade, die erschien. Sie rettet aus jeder erdenklichen Not, und sie rettet
jeden, denn sie ist ohne Ausnahme für alle Menschen erschienen.
Schlatters
Bemerkungen hierzu sind beachtenswert: „Weil sie, [die Gnade], für alle sich
geoffenbart hat, gibt es in der Gemeinde keinen verachteten, der nicht mit
demselben Anteil an der göttlichen Gnade allen anderen gleichgestellt wäre;
darum gibt es aber auch keinen Stand, der in der Sünde bleiben dürfte und das
Recht zum Ungehorsam hätte. Vielmehr darf und muss ein jeder sein Leben so
führen, dass an ihm die Gnade in ihrer errettenden Wirkung erscheint. Daher
kann sich auch die Gemeinde nie der Rücksicht auf ihre Umgebung entschlagen, da sie die Gnade Gottes nie bloß auf sich
selber beziehen darf, sondern daran denken muss, dass sie für alle bestimmt
ist.“
Und Luthers Glosse (bei Dächsel)
ist trefflich: „Was folgt hieraus anders, denn dass ohne die Gnade Gottes all
unser Ding ungöttlich Wesen, weltliche Lüste sei? Denn wäre in jemand etwas
göttlichen Wesens und geistliche Lust, so dürften nicht alle Menschen absagen dem ungöttlichen Wesen und weltlichen Lüsten,
wäre auch nicht noth der Gnade noch ihres Heils
Erscheinung.“
Nicht zu übersehen ist die
Möglichkeit, dass Paulus beim Ausdruck „alle Menschen“ auch an ein
Überschreiten der Grenze des Volkes Israels dachte. Da nach Kolosser 1
unbiblisches jüdisches Gedankengut in den von Titus betreuten Kreisen ein
Störfaktor war, könnte es sein, dass er hiermit die Einheit der Gläubigen
unterstreichen wollte.
c: Wie erfüllt nun diese Wahrheit
vom Erscheinen der Gnade Gottes ihre Aufgabe?
V. 12‑14
I:. Erinnern wir uns zuerst noch einmal an die Aufgabe.
Unser Text ist die Begründung für die Aufrufe der Ve
6-10. Zu rechtschaffener Lebensweise wird da aufgefordert – mit einem
zweifachen Ziel (V. 8M): „damit der Gegner beschämt werde, da er nichts über
euch zu sagen hätte, das schlimm wäre“; (V. 10M): „damit sie die Lehre Gottes,
eures Retters, in allem zieren“. Diese Ziele sind erreichbar, „denn“ (V. 11)
„es erschien die Gnade Gottes, für alle Menschen die rettende.“ Wie diese
Tatsache es nun zum gewünschten Ziel kommen lässt, will der Apostel nun kurz
ausführen.
II:. Es geschieht durch Erziehung.
V. 12
A:. Dieses Wort
bedarf einer Erklärung.
Das Wort im Grundtext stellt die Aufgabe eines gr
Pädagogen dar. Der war jedoch nicht der Hochschullehrer etwa unserer Tage,
sondern wahrscheinlich ein Sklave mit einiger Erziehungsbegabung. Erwartet
wurde wohl auch, dass er sich ein wenig in den traditionellen Motivierungen
Güte und Strenge auskannte.
B:. Die Erziehung
geschieht in diesem Fall durch die rettende Gnade Gottes, die in Christus
erschien.
Die Erziehung fängt also mit der Geburt unseres Herrn an. Sein ganzes Wesen
und Leben ist für uns ein Erziehungsmittel Gottes,
. denn die Lebensweise, zu der
Paulus aufgerufen hat, ist ja keine andere als die
Christus ähnliche.
. Dann ist es die Gnade Gottes im
Reden Jesu, die uns erzieht,
. zum 3. die Gnade Gottes im Tode
Jesu für unsere Schuld,
. dann die Gnade Gottes in der
siegreichen Auferstehung und Himmelfahrt,
. ferner sein Mittlerdienst zur
Rechten Gottes,
. sodann die Sendung seines Geistes,
. nicht zuletzt die Gnade Gottes im
Dienst seiner Apostel und Propheten, die uns auch sein Wort hinterlassen haben.
Aus allen diesen Gründen
vertiefen wir uns in sein Wort, durch welches nebst der Hilfe des Geistes seine
Gnade am Wirken ist. Aus dem Wort erfahren wir auch, dass alle unsere
Erfahrungen Wege der Erziehung Gottes sind – aus Gnade und mit Gnade.
C:. Diese
Erziehung, sagt Paulus, führt in eine bestimmte Richtung.
Der extrahierte Kurzsatz in V. 12 lautet: „damit wir leben sollten“, nicht
„wandeln“ oder ähnliches, sondern gerade: „leben“. Die Erziehung Gottes ist
immer eine gnädige, und das heißt, dass sie uns zum Leben und nie zum Schaden
dient.
1:. Nun sagt
uns der Apostel, wo dieses Leben geführt wird.
V. 12: „uns erziehend, damit ... wir ... in der jetzigen Weltzeit leben sollten“
– nicht in der Welt von Gestern, nicht in der von Morgen, nicht in einer
Phantasiewelt, nicht in einer von uns zurechtgebastelten, nicht schon im
Himmel, sondern gerade in der, in welcher wir uns heute befinden mit aller
ihrer Not, aber auch der, die Gott in seiner Gnade mit viel Schönheit versieht.
Darüber lässt sich lange
nachdenken.
Luthers Anmerkungen hierzu (bei
Dächsel) dürfen beherzigt werden: „Er spricht aber: ‚in dieser Welt’, zum
Ersten darum, dass es nicht mit einzelnen Werken sei ausgerichtet, sondern es
soll das ganze Leben also sein, dieweil wir hier sind; zum Anderen, dass
niemand sein gut Leben spare bis nach diesem Leben oder in den Tod, denn hier
auf dieses Leben muss geschehen, was wir in jenem Leben sollen gewarten. Aber mehr noch sagt er darum; ‚in dieser Welt’,
anzuzeigen die Kraft der heilwärtigen Gnade Gottes, dass
die Welt so böse ist und nun ein göttlicher Mensch gleich allein, ohne Exempel,
wie eine Rose unter den Dornen leben muss.“
2:. Weiterhin wird uns mitgeteilt, wie das
Leben, zu dem die Gnade Gottes uns erzieht, gelebt wird.
a:. Die
Gnade erzieht nämlich zur Verleugnung, zum Absagen, zum Neinsagen.
. Abgesagt soll werden das
„ehrfurchtslose Wesen“ – Respektlosigkeit und Unachtsamkeit. Dieses ist
grundsätzlich.
. Abgesagt soll werden alle
falsche Erfüllung: „weltliche Lüste“. Sie verderben.
Sp 14,12: „Es gibt einen Weg, der dem Menschen richtig erscheint, aber sein
Ende ist der Weg des Todes.“
b:. Sie
erzieht zum Jasagen.
V. 12: „damit ... wir mit gesundem Sinn und Zucht und in Gerechtigkeit und mit rechter Ehrfurcht in der
jetzigen Weltzeit leben sollten“
. Mit gesundem Sinn
(Besonnenheit) und Zucht.
Beides liegt im selben Wort.
Liebe u. Vergebung „ziehen“ hinauf.
. „in Gerechtigkeit“
. „mit rechter Ehrfurcht“
3:. Nachdem uns
gesagt ist, wo und wie das Leben, zu dem die Gnade Gottes uns erzieht, geführt
wird, erfahren wir nun auch, wohin es geht.
V. 13.14: „dabei die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit
unseres großen Gottes und Retters, Jesus Christus, erwarten [sollten]“
Was über diese Richtung, welche
ein Leben, das von der Gnade Gottes geprägt ist, hier ausgesagt ist, können wir
in folgenden Sätzen festhalten.
. Wir erwarten, schauen nach vorn
und nach oben.
. Wir erwarten während die Gnade erzieht.
. Wir erwarten eine sichere
Hoffnung.
. Wir erwarten die Verwirklichung
dieser Hoffnung in der Erscheinung unseres Retters, Jesus Christus.
.
Weil wir ihn lieben, lieben wir auch seine Erscheinung und sind Hoffnung
und Erscheinung selig, frohmachend.
. Der Retter, der kommt, ist kein
anderer als der große Gott selbst, der Gott-Mensch.
. Weil Jesus Christus der große Gott selbst
ist, wird er in seiner ganzen göttlichen Herrlichkeit erscheinen mit seinen
himmlischen Dienern.
. Der, der kommt, ist derselbe,
der als Gnade Gottes einmal erschien.
- Er ist es, „der sich selbst für
uns gab“.
- Er ist es, „der sich selbst für uns gab,
damit er uns von aller Gesetzlosigkeit erlöse“.
- Er ist es, „der sich selbst für uns gab,
damit er ... sich selbst ein besonderes Volk reinige, das für edle Werke eifrig
wäre.“
. Hiermit nun wird der Kreis
geschlossen. Es wird mit anderen Worten wiederholt: Die Gnade, die am Kreuz
erschien, hat den Zweck eines heiligen Lebens und des Dienstes. Die Gnade
Gottes erschien, wurde sichtbar auf der Erde, in der Krippe, am Kreuz, dort, wo
auch wir in der jetzigen Weltzeit unser Leben führen – bis die personifizierte
Gnade aus dem Himmel erscheint, um uns dahin zu nehmen.
9: Eine anschließende
Aufforderung für den Verkündiger
V. 15
Vier getrennte Aufforderungen:
.
„Dieses rede!“
.
„Und rufe auf!“
.
„Und weise zurecht mit allem fordernden Nachdruck.“
.
„Niemand missachte dich!“
Paulus spricht seinen Mitarbeiter immer
wieder direkt an. Titus soll reden, soll reden, was Paulus eben zuvor gesagt
hat, das Evangelium der Verse 11‑14, und über das Verhalten, das dieser
guten Botschaft entspricht. Dieses Reden soll „mit allem fordernden Nachdruck“
geschehen: ein deutliches Wort! Verkünder des Evangeliums haben ein bestimmtes
Leben und Verhalten zu fordern: Wir sollen die Welt verleugnen, dem Evangelium
entsprechend leben und auf den Herrn Jesus warten. Es ist für einen Verkünder
nicht immer leicht, solches mit Nachdruck zu fordern.
Paulus ruft Titus zu, niemand solle ihn
verachten/missachten. Wie kann man das verhindern? Der Aufruf klingt in unseren
Ohren wie eine Forderung, die wir an andere zu richten hätten: „Du, bitte, du
sollst mich nicht missachten. Steht geschrieben. Ich soll dafür sorgen, dass du
mich ehrst.“
Lenski übersetzt:
„Niemand setze sich über dich hinweg.“
Es geht hier nicht darum, dass wir das
Verhalten und die Denkweise unserer Mitmenschen bestimmen, sondern darum, dass
wir anderen keinen Anlass geben, uns zu missachten. Wir sollen für uns selbst
sorgen, auf unseren Wandel achten, zuerst unsere eigenen Lehrer sein und dann
ein Beispiel abgeben. Ähnlich verhält es sich z.B. auch mit der Aufforderung,
das Böse zu überwinden. Es ist nicht unser Auftrag, überall das Böse
auszuschalten, sondern in uns die Neigung zum Bösen zu überwinden (Römer 12,21).
Wenn uns Unrecht getan wurde, haben wir nicht andere davon abzuhalten, so zu
handeln, sondern wir haben das Böse zu überwinden, indem wir, statt böse zu
werden, in Liebe reagieren.
C:
Alle sollen erinnert werden.
3,1-8
1: An was sollen sie erinnert
werden?
V. 1.2
Sie sollen daran erinnert werden,
wie man sich verhalten soll.
a: Vor den Behörden
V. 1: „Erinnere sie, sich denen, die in erster Stellung sind, und
Obrigkeiten zu unterordnen, sich ihnen zu fügen“
Es werden hier zwei Instanzen genannt.
. Die, die in erster Stellung sind
Die letztgenannte dürfte
die höhere Instanz sein. Paulus beginnt bei der Instanz, die unmittelbar über
dem Normalbürger Kretas steht, also bei der örtlichen Behörde. Diesen
Bezirksbehörden soll man sich unterordnen. In Kolosser 1,10 hat Paulus darauf
hingewiesen, dass Kreter es schwer haben, sich zu unterordnen. Aber diese
Krankheit ist nicht nur bei den Kretern anzutreffen; sogar unter uns ist sie zu
finden. Wir sind als Christen immer noch im Fleisch, kommen von Adam und Eva
her, die sich über Gott selbst, also über die höchste Instanz, stellten. Und
diese Tendenz, höher sein zu wollen, ist immer noch in uns. Wenn wir das
Evangelium annehmen, müssen wir davon befreit werden. Das ist ein schwerer Weg.
Jeder von uns möchte nur allzu gern die höchste Instanz spielen, aber wir haben
zu lernen, uns Gott zu unterordnen – und denjenigen Menschen, die in einem
bestimmten Bereich eine erste Stellung einnehmen.
Eigentlich wissen die Kreter schon, dass
sie sich unterordnen sollen, aber Paulus sagt dem Titus dennoch, er solle sie
daran erinnern.
. Obrigkeiten
Die zweite Instanz im
Staat, also die höhere, ist die Obrigkeit, d.h., die höchste Regierung im Staat.
Die Obrigkeit besteht aus sündigen, meistens unbekehrten Menschen, die nur
allzu schnell Forderungen stellen können, die dem Wort Gottes widersprechen. Da
soll der Christ wissen, dass unsere allerhöchste Instanz der Herr Jesus
Christus ist – und der Vater im Himmel. Das lesen wir z.B. in der Rede des
Petrus in der Apostelgeschichte 4,19. Wir orientieren uns in erster und letzter
Linie an Gott. Aber gerade er ist es, der uns auffordert, uns menschlichen
Obrigkeiten zu fügen. Und wenn deren Forderungen nicht gegen Gottes Wort
gerichtet sind, soll es bei diesem Sich‑Fügen
bleiben.
b: Im Allgemeinen
V. 1.2: „Erinnere sie, ... zu jedem guten Werk bereit zu sein, 2 niemanden zu lästern, nicht zänkisch
zu sein, milde zu sein und alle
Sanftmut gegen jedermann zu erweisen“
. V. 1E: „zu jedem guten Werk bereit zu sein“
Christen sind nicht nur
gerufen, sich an der missionarischen Tätigkeit zu beteiligen, sondern sie
sollen immer wieder Gutes tun. Wie soll nun der Christ vorgehen, wo es doch so
viel Gutes zu tun gibt?
Galater 6,11 gibt uns eine erste Lösung.
Wir sollen uns mit unserer Kraft, unserer Zeit, unserem Geld zuerst für die
Familie Gottes, d.h., für die Gläubigen einsetzen.
Eine
weitere allgemeine Regel, die es zu beachten gilt, ist die, dass wir auf die
Nöte in unserer Nähe achten. Durch die Medien erfahren wir heute von viel mehr
Not, als die Menschen auf Kreta damals wahrnehmen konnten. Es wurde zwar schon
in jener Zeit viel gereist, aber es dauerte viel länger, bis man von Erdbeben
oder Kriegen in anderen Gebieten erfuhr. Da das Wort Gottes auf gleiche Weise
gültig ist wie damals, muss es für die guten Werke eine allgemeine Regel geben,
eine, die für alle Generationen gilt. Wir müssen uns nicht verpflichtet fühlen,
allen Notrufen, die uns über die Medien erreichen, nachzukommen. Zunächst
kommen die Nöte in der nächsten Umgebung daran.
(Wir sollten ohnehin den Medien kritischer
gegenüberstehen. Um die Gefahren des Fernsehens wissen ja selbst Ungläubige.
Christen können eigentlich auf das Fernsehen und Radiohören – und zum größten
Teil sogar auf das Zeitungslesen – verzichten, zum einen, weil viel Unnötiges
berichtet wird, und zum anderen, weil viel gelogen wird. Die Berichterstattung
hat heute nicht mehr zum Ziel, möglichst objektiv zu informieren; vielmehr
gebraucht man die Nachrichten, um die Meinung der Öffentlichkeit zu steuern.
Daher müssen wir bei der Wahl unserer Informationsquellen sehr vorsichtig
sein!)
. V. 2: „niemanden zu lästern“
Wir sind auch aufgerufen,
niemandes Ruf zu schädigen. Das Wort „lästern“ klingt in unseren deutschen
Ohren recht schwerwiegend. Im Griechischen bedeutet es aber einfach „Schlechtes
über jemanden sagen“. Wenn wir über die Fehler anderer sprechen, dürfen wir die
Personen nicht in ein schlechtes Licht stellen. D.h. nicht, dass wir die Fehler
von anderen nicht erwähnen dürfen; wir haben dabei aber sehr vorsichtig zu
sein, und manchmal müssen wir einfach schweigen. Es gibt Dinge, die besser
ungesagt bleiben.
. „nicht zänkisch zu sein“
Das zänkische Wesen ist
ebenfalls zu lassen. Jeder von uns hat die Tendenz, auf seine eigene Meinung zu
bestehen und es dabei zu Auseinandersetzungen kommen zu lassen. Sehr schnell
rutschen uns Bemerkungen heraus, die uns hinterher leid
tun bzw. leid tun sollten. Es kann auch unter Christen einmal vorkommen, dass
sie zanken. Schon das ist Sünde. Aber „zänkisch sein“ bedeutet, dass das Zanken
zur Gewohnheit geworden ist, und das sollte bei uns gar nicht der Fall sein.
. „milde zu sein und alle Sanftmut zu erweisen
gegen jedermann“
Im Aufruf „milde zu sein
und Sanftmut zu beweisen“ haben wir die Alternative zum Zanken. Auf dem Amt, am
Arbeitsplatz, in der Familie, in der Begegnung mit Nachbarn, überall und
gegenüber jedermann sollen wir milde und sanftmütig sein. Gebe Gott uns die
Gnade, dieses zu lernen. Milde und Sanftmut schließen nicht aus, dass man
manchmal jemandem ernsthaft zusprechen muss, aber wir werden dabei
Zurückhaltung zu üben haben. Wir dürfen nicht einfach so ‚auf den Tisch hauen’
und fleischlich handeln. Wir müssen lernen, wie Jesus Christus zu handeln.
2: Warum erinnert wird
V. 3‑7
V 1A'3A: „Erinnere sie, ... denn
...“
Wenn wir von Verkündigung sprechen, denken
wir nicht nur an die Verkündigung in der Versammlung der Gläubigen, sondern
auch an das Weitersagen des Evangeliums im kleineren Kreis oder von Mann zu
Mann. Auch das Gespräch des Philippus mit dem Äthiopier war ein Predigen, denn
es heißt: „... und verkündigte ihm die gute Botschaft von Jesus.“ Paulus
erklärt nun, was man bedenken sollte, wenn man Gottes Wort weitergeben will.
a: Überlegungen, die demütig
machen
V. 3: „wir waren auch
einmal unverständig, im Unglauben ungehorsam, irregeleitet, dienten wie Sklaven
mancherlei Lüsten und Genüssen, führten das Dasein in Schlechtigkeit und Neid, waren Gegenstand des Abscheus und
hassten einander.“
. „denn“
Dieses Wörtchen leitet
die Begründung für das in den Vn 1 und 2 geforderte
Verhalten ein.
. „wir waren auch einmal unverständig“
Paulus erinnert uns an
unseren früheren Zustand. In 1. Johannes 5,20 lesen wir, dass das Evangelium
uns Verständnis gibt. Wir waren einmal in der Dunkelheit, in der
Desinformation, aber das Wort Gottes ist das Licht, und so haben wir die
göttliche und folglich die richtige Information. Immer wieder zeigt sich, wie
blind der Mensch im allgemeinen ist, wie groß seine
‚Fähigkeit’, in die Irre zu gehen. Dieses zeigt sich auch in der Tendenz, sich
allerlei unvernünftigen Auffassungen hinzugeben.
Die Erinnerung an unsere frühere
Unverständigkeit widerspricht nicht der Aussage des Paulus, er vergesse was
dahinten sei (Php 3). Paulus vergisst nicht, wie er
sich verhalten hatte, bevor er sich bekehrte. Noch gegen Ende seines Lebens
berichtet er Timotheus davon (1. Timotheus 1,13). Es gibt einiges, das wir
nicht vergessen sollen (vgl Epheser 2,11ff).
. „im Unglauben ungehorsam“
Früher waren wir „im
Unglauben ungehorsam“. Das gr Wort bedeutet
„Unglauben“ und „Ungehorsam“ zugleich. Weil man die Wahrheit nicht annehmen
wollte, blieb man im Unglauben und war somit ungehorsam.
. „irregeleitet“
Und weil auch wir einmal
irregeleitet waren, sollen wir mit Unverständigen, Ungehorsamen und
Irregeleiteten Geduld haben. Vielleicht kann der Heilige Geist sie bei unserem
Zeugnis überführen. Wir sollen nicht gleich ‚die Flinte ins Korn’ werfen und
davongehen.
. „dienten wie Sklaven mancherlei Lüsten und
Genüssen“
Als wir noch in unserem
natürlichen Zustand waren, leisteten wir Sklavendienst, waren wir leibeigene
Diener der Sünde. Es gibt so viele Arten von Lust: Augenlust, Fleischeslust,
hoffärtiges Leben und allerlei Abarten der drei genannten Arten. Und wir
führten dementsprechend unser Leben in dem, das faul und schlecht war.
Vielleicht mag es noch den Anschein von Gutem gehabt haben, wie ein von innen
her verfaulender Apfel, dem man es an der Außenseite nicht anmerkt, aber es war
dennoch im Wesen schlecht und böse.
. „führten das Dasein in Schlechtigkeit“
Paulus sagt: „Wir führten
unser Leben in Schlechtigkeit.“ Dabei war er doch ein Pharisäer, unsträflich im
Gesetz. Ja, das war er in den Augen der Menschen. Die ersten neun Gebote, die
die Menschen überprüfen konnten, hatte er eingehalten. Aber das letzte Gebot nicht.
Das kann man brechen, ohne dass andere es sehen. Gott hingegen sieht es, wenn
wir uns gelüsten lassen. Und Paulus zeigt in Römer 7 anhand des letzten
Gebotes, wie Gott ihn einholte und ihm zeigte, wie schlecht und verdorben sein
ganzes inneres Wesen war. Paulus gibt hier vor Titus zu: „Nicht nur du und die
Kreter, sondern auch ich, wir alle führten unser Dasein von Tag zu Tag in
Schlechtigkeit.“
. „und Neid“
Der Neid kennzeichnete
dieses Dasein ebenfalls. Wie gern wäre Paulus (damals noch Saulus) der Erste im
Synedrium gewesen. Die Pharisäer waren ja darin geübt, bei Feierlichkeiten die
ersten Plätze zu ergattern. Man kann nach außen hin sehr bescheiden wirken,
aber früher oder später zeigt sich das Herz. Es kann nicht verborgen bleiben.
. „waren Gegenstand des Abscheus“
In unserem alten Zustand
waren wir sogar Gegenstand des Abscheus. In unserer Zeit wird vor allem
Toleranz gepredigt. Wir haben es verlernt, zu „verabscheuen“. Christen haben
wieder zu lernen, die Sünde zu hassen, böse Sitten zu verabscheuen, dabei aber
die Menschen festzuhalten, sie zu lieben. Sind wir Heilige geworden, müssen wir
um die „Dreckigkeit“ der Sünde wissen. Im Zeichen unserer Verbundenheit mit
Gott müssen wir die Sünde verabscheuen.
. „und hassten einander“
Anstatt einander zu
lieben und die Sünde zu hassen, hielten wir an ihr fest und verabscheuten
einander. So verkehrt macht uns die Sünde!
Die Verse 1‑3 sind Teile eines langen
Satzes. Sie zeigen uns, wie man sich nicht verhalten
und was man bedenken sollte.
Moody konnte sagen, als er einen
verabscheuungswürdigen Betrunkenen in der Gasse liegen sah: „Wäre es nicht für
die Gnade Gottes, läge Moody da!“
Jeder von uns ist so, wie die schlimmsten
Sünder; wir sind aus demselben Material. Sehen wir Sünde oder sündige Menschen
um uns, wollen wir innehalten und uns daran erinnern: „Das war ich und bin ich
eigentlich noch in meinem Wesen. Wenn Gottes Gnade nicht wäre, könnte ich da
sein.“ Aber die Gnade Gottes ist groß! Und es ist etwas Herrliches, diese Gnade
im Leben von Menschen zu beobachten und zu sehen, wie sie Einzelne, ja, ganze
Familien und sogar ganze Gegenden verwandelt.
„Aber er rettete uns.“ Das ist der Kernsatz
des folgenden Abschnittes.
b: Überlegungen, die Hoffnung
machen
V. 4‑7
I:. Gott rettete uns. So lautet die Hoffnungsbotschaft.
Wir finden in diesem
Abschnitt die dritte Verankerung der Aussagen des Paulus im Evangelium, d.h.,
in der Christusbotschaft.
Der Kernsatz steht in V. 5: „nach seiner
Barmherzigkeit … rettete er uns“
Weil dieser Satz ein abhängiger ist, stehen
Subjekt und Verb vertauscht. Wenn wir den Satz aber herausnehmen und in einen
einfachen verwandeln, lesen wir: „Er rettete uns.“ Im ganzen Abschnitt gilt es,
diesen Kernsatz zu bedenken. Was mit der Kernaussage zusammenhängt, finden wir
mit Hilfe von 4 Fragen heraus.
A:. Wann rettete er
uns?
Diese Frage
soll uns Hoffnung in der Verkündigung machen. Gott rettete uns, „als die
Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes erschien“. Die Rettung kommt also erst
mit Jesus Christus, nicht vorher. Das ist eine wichtige Feststellung. Bevor
Jesus Christus in die Welt kam, gab es keine Rettung, nur Verkündigung
derselben, nur zeichenhafte Rettung. Aber in der Person Jesu Christi erscheint die Freundlichkeit und
Menschenliebe Gottes, und in ihm ist uns Rettung angeboten.
Wann rettete er uns?
V. 4: „Aber als die
Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Retters, erschien“
B:. Warum rettete
er uns?
Auf diese Frage gibt der Text zunächst eine
verneinende Antwort.
V.
5A: „nicht auf Grund von Werken, die wir in Gerechtigkeit verrichteten“
Paulus nennt Gründe, die eben nicht zur
Rettung führen, obwohl sie manchem einleuchten könnten. Es gibt immer wieder
Menschen, die meinen, sie würden es schon in eigener Leistung schaffen. Aber
die Antwort ist klar: Gott rettete uns nicht auf Grund von Werken, die wir
verrichtet hätten. Nicht unsere Art von Gerechtigkeit, von Gutes‑Tun,
von Gesetz-Befolgen, nicht unsere Leistungen führen zur Rettung. Gott rettet anders.
Warum rettete er uns?
V 5A: „nicht auf Grund von
Werken, die wir in Gerechtigkeit verrichteten, rettete er uns, – sondern nach
seiner Barmherzigkeit“
C:. Wie rettete er
uns?
V. 5M‑7A: „sondern nach seiner
Barmherzigkeit rettete er uns durch Waschung der Wiedergeburt und Erneuerung
des Heiligen Geistes, 6 den er durch
Jesus Christus, unseren Retter, reichlich über uns ausgoss, 7 damit wir, [durch] die Gnade
desselben gerechtfertigt“
Barmherzigkeit
ist die Verlängerung der Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes von V. 4. Nach
alttestamentlichem Vorbild ist sie „die Herablassung“: Gott lässt sich in Liebe
herab, neigt sich herab zu dem Notdürftigen. Wir befinden uns in Not, sind
gefallen, sind nicht da, wo Gott ist. Wir sind in Sündennot und in der Not der
Folgen dieser Sünde, aber Gott neigt sich zu uns herab.
„Nach seiner Barmherzigkeit“ oder „in
seiner Barmherzigkeit“ zeigt uns die Haltung, in der Gott uns rettete.
. „durch Waschung der Wiedergeburt“: die zweite
bejahende Antwort
Was
bedeutet hier „Waschung“? Ist sie eine Wiedergeburt, oder ist die Wiedergeburt eine Waschung?
Viele behaupten, die Wiedergeburt geschehe
durch die Taufe. Demnach würde Paulus hier in erster Linie von diesem Taufbad
sprechen und damit die Taufe als Wiedergeburt bezeichnen. Die Taufe ist aber
nicht heilsnotwendig. Buße und Glaube genügen zur Rettung. Die Menschen im
Hause des Kornelius, zum Beispiel, erhielten den Heiligen Geist, weil sie Buße
taten und glaubten. Ohne Taufe wurden sie gerettet.
Gibt es zu der Regel, die Taufe sei
Bedingung für die Rettung, auch nur eine einzige Ausnahme, so ist sie keine
echte Regel mehr. Bei Gott ist eine einzige Abweichung genug, um zu verhindern,
dass eine Auffassung zur Lehre erhoben werden kann. Wahrheit muss auf der
ganzen Linie stichhaltig und konsequent sein. Wenn also an einer einzigen
Stelle die Taufe zur Rettung nicht nötig war, kann man nicht mehr lehren, sie
sei Rettungsmittel. Es gibt noch andere Gegenargumente zu dieser Auffassung,
aber diese eine Stelle genügt, um zu zeigen, dass Paulus hier nicht sagen will,
die Rettung komme durch die Taufe.
Vergleichen wir diese Stelle mit dem Befehl
des Ananias an Saulus, sich sofort nach seiner Bekehrung taufen zu lassen und
seine Sünden „abzuwaschen“ (Apostelgeschichte 22,16). Im metapherischen
Sinn (der oft bildlichen Sprache des Juden) kann man diesen Befehl
unwidersprochen so stehen lassen.
Die Wiedergeburt wird also mit einem Bad,
einer Taufe oder, besser übersetzt, mit einer Waschung verglichen. Die
Wiedergeburt ist wie eine Waschung: Gott rettete uns, indem er uns in der
Wiedergeburt wusch, indem er uns reinigte. Reinigung und Wiedergeburt sind also
eins. Auch Heiligung ist Waschung, so dass wir hier Neugeburt und Heiligung
vereinigt haben.
Zur
Waschung der Wiedergeburt kommt noch die Erneuerung des Heiligen Geistes hinzu.
Wie haben wir das
„und“ innerhalb dieses Satzteils aufzufassen?
In den Sprachen der Bibel ist nicht jedes
„und“ im addierenden Sinne gemeint. Das gr ‚kai’ hat noch andere Bedeutungen. Manchmal wird es im Sinne
des hebräischen „und“ gebraucht, denn die neutestamentlichen Schreiber waren ja
zum größten Teil Hebräer. Hier und da schimmert augenscheinlich die hebräische
Denkweise und der hebräische Satzbau durch, und dort wird es manchmal im Sinne
von „das heißt“ gebraucht.
Vom biblischen Zusammenhang her wird klar,
dass das „und“ in V. 5 in diesem Sinne verwendet wird: „Er rettete uns durch
Waschung der Wiedergeburt, das heißt, durch Erneuerung des Heiligen Geistes.“
Durch den Heiligen Geist wird erneuert,
gewaschen, zur Wiedergeburt gebracht. Vgl. auch 1. Korinther 6,9‑11. Gott
rettete uns nach seiner Barmherzigkeit mittels des Heiligen Geistes, durch
seinen Einsatz.
. V. 6: „den er durch Jesus Christus, unseren
Retter, reichlich über uns ausgoss“
In V. 6 kommt – nebst
Gott und dem Heiligen Geist – eine dritte Person Gottes hinzu: Auch Jesus
Christus ist Retter. Gott goss durch Christus den Heiligen Geist reichlich über
uns aus, der die Rettung gleichsam ‚an den Mann’ bringt, sie bei uns
‚abliefert’. Das geschah bei unserer Bekehrung. Wir wurden zu jenem Zeitpunkt
mit dem Heiligen Geist getauft. Römer 5,5 ergänzt Titus 3,6. Die Liebe Gottes
wurde durch den Heiligen Geist in uns ausgegossen, sodass wir
die zwei Aspekte haben, die auch in 1. Korinther 12,13 erwähnt werden: getränkt
mit einem Geist und in einem Geist zu einem Leibe getauft,
wobei „getränkt mit Geist“ bedeutet, dass der Geist reichlich in uns
hineingetan wird, und „getauft im Geist“ heißt, dass wir vom Geist umgeben
sind. Der Geist ist über und in uns ausgegossen und das „reichlich“. Wir sind dadurch
wirklich rein, wirklich abgewaschen, wirklich erneuert, wirklich Gott
wohlgefällig.
. V. 7A: „[durch] die Gnade desselben
gerechtfertigt“
Wenn
wir fragen, wie Gott uns gerettet habe, finden wir in unserem Text eine
negative und mehrere positive Antworten. Die Liste der bejahenden Antworten
beginnt mit der Barmherzigkeit und endet mit der Rechtfertigung. Gott
rechtfertigte uns durch Ausgießung des Heiligen Geistes. Dadurch geschah die
Rechtfertigung. Das ist ein herrlicher und sehr wichtiger Vers! In der
reformatorischen Tradition betrachtete man die Rechtfertigung lediglich als
eine Rechtsprechung vor dem Gesetz. Aber die Rechtfertigung ist mehr. Sie ist
nicht nur „Gerechtsprechen“, sondern auch ein „Gerechtmachen“. Die
Rechtfertigung verändert uns nämlich. Wir bleiben nicht dieselben Sünder.
Unserem Wesen nach bleiben wir im Grunde Sünder, aber durch Jesus Christus,
durch seine Innewohnung, sind wir neue Menschen geworden (ein Geheimnis, das
man nicht ganz erklären kann, denn die Dogmatik muss bei einigen Geheimnissen
stehen bleiben, aber wir dürfen das, das geschrieben steht, dennoch zitieren
und uns darüber freuen).
. Also:
1.)
Gott rettete uns nach seiner Barmherzigkeit;
2.)
Gott rettete uns durch die Waschung der Wiedergeburt, d.h., durch die
Erneuerung des Heiligen Geistes, und
3.)
Gott rettete uns durch die Rechtfertigung aus Gnade.
D:. Wozu rettete er
uns?
V. 7:
„damit wir, durch die Gnade desselben gerechtfertigt, Erben würden nach der
Hoffnung des ewigen Lebens.“
Durch die Gnade Jesu Christi sind wir
gerechtfertigt, damit wir Erben würden. Die Rechtfertigung macht uns zu Erben.
Um uns zu Erben zu machen, rettete Gott uns.
Sünder müssen verloren gehen; Gerechtfertigte dürfen in das kommende Königreich
eingehen. Sie sind Miterben Christi (Römer 8,17), denn Christus erbt vom Vater
her.
In
Psalm 2,8 steht: „Bitte von mir, und ich gebe dir Völker zum Erbe.“
Christus nimmt uns in seine Gemeinschaft, in sein Reich. Er rettete uns,
damit wir eines Tages zusammen mit ihm seine Herrlichkeit erben könnten. Dieser
Zweck stimmt mit der Tatsache überein, dass wir die Hoffnung ewigen Lebens
bekommen haben.
Unsere Zukunft wird also in V. 7 dreifach
beschrieben:
·
als
Erbe,
·
als
Hoffnung und
·
als
ewiges Leben.
Die Hoffnung spricht von unserer Erwartung
durch den Glauben. Ewiges Leben ist die Qualität unserer Zukunft. Das Erbe
deutet an, dass uns diese Zukunft in der Verbindung mit Jesus Christus
geschenkt worden ist.
Vgl. 1,2.
II:. Der Zusammenhang
Betrachten wir die V. 4-7 im Zusammenhang, so stellen wir fest: Wir haben
im Brief hier die zweite Verankerung der Ethik in der Christus-Botschaft.
3: Wie Titus erinnern soll
V 8A: „und in Betreff dieser [Punkte] ist es mein Wille, dass du sie fest
und kräftig vertrittst“
Paulus
hat Titus verschiedene Worte gegeben, und er will, dass er diese fest, konsequent
und kräftig vertritt bzw. verkündet. Er soll nicht zurückstehen oder schüchtern
werden. Er soll sich nicht verängstigen lassen, sondern unerschrocken zu dieser
Gnadenbotschaft stehen, zumal diese Botschaft ja eine erziehende Kraft hat.
4:
Weitere Gründe für die Erinnerung
V. 8: „Treu ist das Wort,
und in Betreff dieser Punkte ist es mein Wille, dass du sie fest und kräftig
vertrittst, damit die, die das Vertrauen auf Gott gesetzt haben, darauf bedacht
seien, sich edlen Werken zu widmen. Diese Dinge sind edel und den Menschen
nützlich.“
a: Die Zuverlässigkeit des Wortes
V. 8: „Treu ist das Wort“
D.h.: Treu ist die Verkündigung, die
Botschaft des Evangeliums.
Für uns ist Treue eine Eigenschaft eines Menschen
oder eines Tieres. Wie kann nun eine Botschaft treu sein?
Sie ist genauso treu, wie der treu ist, der
sie gesagt hat. Die Botschaft stellt nämlich eine Person dar. „Treu ist das
Wort“ bedeutet somit: „Treu ist der Geber der Botschaft.“ D.h.: Gott ist treu.
Auf ihn und auf sein Wort kann man sich verlassen. Die Botschaft des
Evangeliums wird uns nie im Stich lassen. Was Gott versprochen hat, das kann er
einhalten.
„Bei Gott ist kein Ding unmöglich“, sagte
der Engel zu Maria (Lk 1). Das griechische Wort „hreema“ bedeutet „Ding“ und auch „Wort“. Man könnte daher
auch übersetzen: „Kein Wort Gottes ist unmöglich.“ Der gleiche Ausdruck wird
auch in Epheser 6,17 gebraucht: „Und nehmt das Schwert des Geistes, welches ist
das Wort (‚hreema’) Gottes.“
Gott hält alle seine Aussprüche. Er ist
damit auch nicht lässig. Seine Treue ist nach 2000 Jahren noch genauso
unverbraucht, wie am Anfang. Wenn Gott uns „gerettet hat“, dann stimmt das.
Diese Rettungsbotschaft hinterlässt eine Prägung. Paulus hält Titus an, dieses
Wort zu verkünden, denn es wird seine Wirkung haben. Es wird sich aufprägen,
wird Menschenleben und Charaktere umgestalten. Titus kann sich darauf
verlassen, dass mit der ihm aufgetragenen Botschaft der Heilige Geist sein Werk
an den Herzen der Hörer ausrichten wird.
b: Glaubensfrucht ist gefragt.
V. 8M: „damit die, die Gott vertraut haben, darauf bedacht seien, sich
edler Werke anzunehmen und sie auszuführen.“
. Hierzu heißt es im Calwer Handbuch der
Bibelerklärung: „O, wie viel Bedürfnisse gibt es immer am Leib Christi, in
einer Gemeinde, in einer Familie, bei Gesunden und Kranken, bei Kindern und
Waisen, wo man Leute brauchen könnte, die beflissen sind, sich solchem, was gut
und löblich ist, werktätig zu widmen!“
. Das Wort „bedacht sein“ heißt auch „Vorstand
sein“. Jeder Christ darf ein „Vorstand“ sein und gute Werke tun. Zeigt ein
Christ Freundlichkeit, dann steht er diesem kleinen Werk vor. Wir sollen also
Initiative ergreifen. Jedes Mal, wenn wir ein gutes Werk tun, sollen wir wie
ein kleiner Vorstand sein. Wir gebrauchen das Wort „vorstehen“ normalerweise
nicht in diesem Zusammenhang, aber es macht hier deutlich, dass wir über die
guten Werke verfügen. Wir sollen zu Gottes Wegen „ja“ sagen und uns ganz damit
identifizieren. Diese Identifizierung schließt die Botschaft selbst und auch
ihre ethischen Auswirkungen ein. Die Botschaft des Evangeliums ist eine gute,
auch für die Gesellschaft: Sie tut Gutes. Sie ist ein Licht in der moralischen
Dunkelheit dieser Welt.
Christen sollen bedacht
sein, edle Werke zu tun. Wir begegnen hier noch einmal diesem Begriff aus der
Ästhetik, der auch ‚schön’ und ‚gut’ bedeutet. Kann man ihn wissenschaftlich
definieren? Gibt es allgemeine Kriterien, die bestimmen, was edel ist? Oder
geht es hier um Geschmack, um Auffassung?
Die christliche Botschaft führt zu
Einmütigkeit im Denken, nicht zu einem stereotypen Denken, sondern zur
Einmütigkeit in der Vielfalt; die Vielfalt bekommt einen Zusammenhang, eine
Harmonie.
Die Vielfalt der Toleranz dieser Welt ist
oft widersprüchlich. Man merkt gar nicht mehr, dass sich z.B. die Religionen
widersprechen. Der Papst kann Muslime und Christen zum gemeinsamen Gebet
aufrufen, obwohl Islam und Christentum sich diametral entgegenstehen. Die
Vielfalt, die wir in dieser Welt tolerieren sollen, ist eine unmögliche
Vielfalt.
Die Wahrheit, jedoch, kann nicht
widersprüchlich vielfältig sein. Man hat also eine Wahl zu treffen. Von der
Bibel her gesehen gibt es zwei große Lager: die Wahrheit und die Unwahrheit.
Die Vielfalt der Wahrheit bleibt eine große Wahrheit, genau wie die
Natur, die in ihrer Vielfalt eine Harmonie bildet, trotz dessen, dass es in ihr
seit dem Sündenfall einen Riss gibt.
Wir dürfen also in der Vielfalt
Einmütigkeit haben. Das Evangelium führt Christen zur Harmonie und gibt ihnen
Einmütigkeit in der Anschauung über die Schöpfung und die Wahrheit Gottes.
Deshalb können wir aufgerufen werden, gleichgesinnt, edel zu sein, nach dem
Schönen zu trachten, usw.
b: Es ist richtig so.
V. 8E: „Diese Dinge sind edel und den Menschen nützlich.“
Auch „nützlich“ ist ein relatives Wort. Was
mir nützlich ist, könnte einem anderen schädlich sein. Aber im Grunde wissen
wir, was unseren Grundbedürfnissen entsprechend nützlich und schädlich ist. Das
Evangelium, sagt Paulus ganz praktisch, ist sehr nützlich. Es befreit z.B. von
dem Bedürfnis, etwas zu entwenden. Es verändert uns. Menschen, die meinen, das
Evangelium sei unnütz, haben keine Ahnung von dem, das geschieht, wenn das Wort
in einem Leben Wurzeln zu fassen beginnt.
III: Weisungen für die Begegnung mit dem
Verkehrten
V. 9-11
A:
Mit verkehrter Thematik
V. 9: „Aber von törichten Fragestellungen und Geschlechtsregistern und
Streitigkeiten und Gezänk um Gesetzesgelehrtheit enthalte dich, denn sie sind
unnütz und eitel.“
Die Nützlichkeit ist ein gutes Kriterium bei der Wahl von Themen, die,
sei es im größeren, sei es im kleineren Kreis, besprochen werden. Sie sollten
uns auf dem Weg zum ewigen Leben förderlich sein. Es gilt, Prioritäten zu
setzen.
„Eitel“ ist, was leer ist.
B: Mit dem verkehrten Menschen
V. 10.11: „Einen
Menschen, der eine Sonderrichtung vertritt, meide nach einer und einer zweiten
Ermahnung in dem Wissen, dass ein solcher ganz verkehrt ist und am Sündigen
ist, durch sich selbst verurteilt.“
1: Wer ist dieser Mensch?
. Er liebt seine Partei mehr als Ch.
. Seine Lehrauffassungen weichen von der Christus-Botschaft
ab.
. Er wird 2x an die Wahrheit der Christus-Botschaft
erinnert.
. Diese lehnt er ab.
. Damit spricht er sein eigenes Urteil.
. Jetzt ist die Sünde, die NichtVersöhnung,
sein Lebensbereich.
2: Zum Thema Sonderrichtung
Das gr ‚hairesis’ bezieht sich auf
eine Option, eine Wahlmöglichkeit. Unter mehreren Varianten, Alternativen gibt
sie eine Möglichkeit, sich einzusetzen. Es gibt verschiedene Auffassungen, um
die sich Menschen gruppieren, und Aussenseiter können eine Partei wählen und
sich dann darin einbringen. Die Pharisäer waren eine Option; daneben gab es
noch die Sadduzäer, die Essener und die Herodianer.
Apostelgeschichte 5,17: „Es erhob sich aber
der Hohe Priester und sein ganzer Anhang, nämlich die Sonderrichtung der Sadduzäer.“
15,5: „Es standen aber einige von der Sonderrichtung der Pharisäer ...“
24,5:
„... als einen Anführer der Sonderrichtung der Nazarener.“
Zu den oben genannten Parteien war nun eine
fünfte gekommen. Die Nazarener waren eine neue Wahlmöglichkeit für die Juden.
Das kam den anderen nicht gelegen. Man wollte diese neue Partei auslöschen.
24,14: „Das bekenne ich aber, dass ich nach
dem Wege, welchen sie eine Sonderrichtung nennen, dem Gott der Väter also
diene ...“
Nennt Paulus selbst seinen Weg eine Sekte?
Nein, es sind die Juden, die Paulus angeklagt haben. Sie treten als Zeugen auf
und sagen sinngemäß: „Wir haben folgendes gefunden: Paulus gehört zu einer
Partei, und diese Partei ist eine laute Pest.“ Dann darf Paulus selbst
sprechen. Er bekennt, dass er zu einer Gruppe von Menschen gehöre, aber diese
Gruppe werde von den Juden Partei,
Sonderrichtung genannt.
Diese Begebenheit scheint in der Geschichte
des Wortes ‚hairesis’ eine Art Weichenstellung
gewesen zu sein. Paulus wollte das Wort nicht auf den Weg Jesu anwenden. Er war
nicht bereit zu sagen, die Sache Jesu Christi sei lediglich eine zusätzliche Wahlmöglichkeit.
Sie ist die einzige Wahrheit. Es gibt gar keine Auswahl. Alles andere ist
verkehrt. Paulus wollte die bestehenden Parteien nicht bekämpfen, sondern
bezeugen, dass die Sache Jesu die Wahrheit sei. Seither ist das Wort ‚hairesis’, von dem das Wort Häresie stammt, unter Christen
zu „Irrlehre“ geworden; d.h., das griechische Wort hat eine ganz besondere
Prägung bekommen. Es hat die ursprüngliche Bedeutung ‚Partei’, ‚Option’
verloren, und „Häresie“ heißt nun „falsche Lehre“. Die Häresie steht der
Wahrheit gegenüber, ist abzulehnen. Mit Jesus stehen wir in der Wahrheit; alles
andere ist Häresie, Irrlehre, denn Jesus Christus ist einzigartig; seine Person
macht den Unterschied aus.
Jh 14,6: „Ich bin
der Weg und die Wahrheit und das Leben.“
15,1: „Ich bin der wahre Weinstock.“
Jesus Christus ist der echte, der
wirkliche, der einzig richtige Weinstock, der für die Zweige Lebenssaft
spendet. Alle anderen Weinstöcke, die sich anbieten, liefern nicht Lebenssaft,
sondern Gift. Jesus liefert aus seiner Quelle wirklich Leben. Er ist
einzigartig. Er passt in keinen Pluralismus von Parteien oder Religionen hinein
und stellt deshalb keine zusätzliche Wahlmöglichkeit dar. Wer nicht ganz ihn
meint, ist ein Häretiker. Johannes zeigt in seinem ersten Brief, dass auch
unter Nachfolgern Jesu Gemeinschaft nur da möglich ist, wo man aus dem Wort
Christi lebt:
1. Johannes 1,3: „Was wir gesehen und
gehört haben, das verkünden wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt.
Und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn, Jesus Christus.“
Johannes schreibt hier an Christen.
Grundsätzlich haben Christen mit Christen Gemeinschaft. Aber damit Gemeinschaft
möglich ist, braucht es eine bestimmte Person: Nur wenn von Jesus Christus die
Rede ist, sind die Bedingungen für Gemeinschaft erfüllt. Gemeinschaft entsteht
nur durch ihn. An Jesus Christus scheiden sich die Gemüter, und es kommt in ihm
zur Gemeinschaft oder ausser ihm zur Kluft. Das Eins‑Sein mit Jesus
bewirkt naturgemäß die Trennung von dem, das nicht mit Jesus ist. Weil nun also
das Wort, das ursprünglich ‚
Sonderrichtung’,
‚Partei’ hieß, die Bedeutung von ‚Irrlehre’, ‚falsche Ausrichtung’, ‚Häresie’
angenommen hat, übersetzt man in Titus 3,10 auch: „einem sektiererischen
Menschen“. Wir haben es nämlich mit einem Menschen zu tun, der nicht nur eine
andere Meinung vertritt, nicht nur parteisüchtig ist, sondern der sich
grundsätzlich von Jesus Christus abgewandt hat oder einer Lehre anhangt, die
mit der Lehre Jesu Christi nicht in Einklang zu bringen ist.
3: Die Ermahnung
„... nach
einer und einer zweiten Ermahnung ...“
Eine Ermahnung ist eine Information, eine
Erinnerung an vorausgegangene Information, und ein Aufruf, das Verhalten zu
ändern. Es handelt sich nicht um eine Anklage oder Strafe, sondern um eine
Bitte um Korrektur in Meinung oder Verhalten.
Vielleicht genügt eine Ermahnung bei
einem sektiererischen Menschen. Vielleicht braucht es einen zweiten Versuch.
Wenn auch dieser keine Veränderung bewirkt, kommt es zum Bruch, zum Meiden, zum
Abbruch der Gemeinschaft. Es gilt Abstand zu nehmen, nicht mehr dieselbe
Gemeinschaft zu haben. Man kann diesem Menschen weiterhin human begegnen, zeigt
ihm aber nicht mehr die gleiche Herzlichkeit. Man gibt ihm zu verstehen, dass
man nicht mehr im gleichen Lager ist. Bei Menschen, die noch nie zur Gemeinde
Jesu gehörten, verhält man sich anders, als bei Menschen, die einmal dabei
waren. Jesus hat mit den Pharisäern und Zöllnern gegessen, und er konnte mit
Huren Umgang haben, um sie zu gewinnen. Ihnen gegenüber kann man sich also
unbekümmert und gelassen zeigen, während bei denjenigen, die einmal
dazugehörten, eben ein Abstand angebracht ist. Umgang mit jemandem zu haben,
ist nicht das Gleiche wie Gemeinschaft zu pflegen.
4:
Die neue Lage
. „... in dem Wissen, dass ein solcher ganz verkehrt ist ...“
Hier ist
etwas Grundsätzliches geschehen: Der sektiererische Mensch hat sich von Jesus
Christus gelöst. Deshalb hat man ihn als einen Nichtchristen zu betrachten.
. „... und am Sündigen ist ...“
Dieser
Ausdruck charakterisiert im NT einen Menschen, der nicht Christ ist. In 1.
Johannes 3 steht, dass wer am Sündigen ist, nicht in der Wahrheit ist. Wenn wir
einmal sündigen, haben wir einen Fürsprecher (1. Johannes 2,1), aber nicht,
wenn wir dauernd sündigen. Es ist nicht dasselbe, ob jemand „mal sündigt“ oder
ob er „am Sündigen“ ist. Jemand, der fortwährend, immer wieder sündigt, der in
der Sünde lebt, offenbart dadurch etwas von seinem Wesen: Er ist nicht vom
Evangelium geprägt, ist nicht in Jesus, und einen solchen Menschen haben wir zu
meiden.
. „... durch sich selbst verurteilt”
Dieser Mensch hat sein Urteil selbst
gesprochen, weil er „Nein“ zu Jesus und zur Wahrheit sagte, als man ihn
ermahnte.
c. Schlussworte
3,12-15
Der
Brief endet mit mehreren konkreten Anweisungen für Titus und den Grüßen des
Paulus.
I: Über Reisepläne
V. 12.13
V. 12: „Wenn ich Artemas zu dir schicke, oder Tychikus, befleißige dich, zu
mir nach Nikopolis zu kommen, denn ich habe beschlossen, dort zu überwintern.“
Titus ist, wie Paulus, ein Missionar und weilt nur vorübergehend auf Kreta,
um dort die, die durch das Evangelium zum Glauben kamen, als Paulus und Titus
dort predigten, zu befestigen. Paulus hat vor, einen von zwei Mitarbeitern nach
Kreta zu schicken. Offenbar soll er Titus ablösen. Vielleicht kommen sogar
beide. Paulus weiß noch nicht, wen er schicken wird, aber auf jeden Fall möchte
er dann, dass Titus zu ihm kommt. Paulus braucht seine Mitarbeiter. Das ist ein
schöner Zug von ihm. Er ist nicht unabhängig. Er kann selbständig leben und
arbeiten, aber er möchte es sehr gern mit seinen jüngeren Kolosser legen
zusammen tun. Und er will natürlich auch in deren Leben investieren. Titus soll
also nach erfolgreichem Abschluss seiner Tätigkeit abgelöst werden und sich
wieder Paulus anschließen.
Titus hat sich als sehr fähiger Mitarbeiter
von Paulus herausgestellt, denn wenn jemand mit der Gemeinde von Korinth zurecht kam, musste er Fähigkeiten haben. Titus war offenbar
geduldig und weise. Er besaß wohl eine gute Paarung von Heiligkeit und Liebe.
Er wurde also in seinem Dienst in Korinth gesegnet, sodass Paulus ihn auch zu
den schwierigen Leuten auf Kreta schicken konnte. Wir dürfen annehmen, dass der
Herr auch diesen Dienst gesegnet hat. Paulus erwartet, dass sein Beitrag
beendet werden kann. Dieses Vertrauen hat er zu Titus. Dennoch will er die
Gläubigen auf Kreta nicht ganz alleine lassen, sondern er schickt jemanden, der
Titus ablösen soll. Sobald diese Ablösung kommt, soll Titus zu Paulus nach
Nikopolis reisen, wo dieser zu überwintern gedenkt.
Wir sehen hier etwas vom Planen der
Gläubigen und der Reichgottesarbeiter im NT. Manchmal sagen sie: „so Gott will“
oder: „so wir leben“, manchmal sagen sie es nicht. Aber immer ist es im
Vertrauen, dass der Herr führen wird. Hier und an anderen Stellen zeigt sich
jedoch, dass das Planen eine Notwendigkeit ist. Paulus geniert sich nicht,
Pläne zu machen und sie kundzugeben. Man weiß nicht, ob er dann auch wirklich
den ganzen Winter dort verbracht hat, vielleicht sogar dort zum zweiten Mal
verhaftet wurde.
B: Abreise zweier Mitarbeiter
V. 13: „Befleißige dich, Zenas, den Gesetzesgelehrten, und Apollos fürsorglich abzufertigen, damit es ihnen an nichts fehle.“
Titus
wird angewiesen, den Mitarbeitern wohlzutun. Und auch
darin soll man sich ihn auf Kreta zum Vorbild nehmen. Wo tauchen Zenas und
Apollos plötzlich auf? Wir lesen von ihnen, als wären sie auf Kreta.
Wahrscheinlich waren sie es, die Titus den Brief des Paulus brachten.
Vielleicht gab es eine Zeit gemeinsamer Tätigkeit auf Kreta; vielleicht reisten
sie bald weiter. Wir wissen nicht wie lange sie da blieben.
Titus soll sich ihnen gegenüber
befleißigen. Es braucht Fleiß, Jesus zu dienen. Wir sind manchmal völlig von
irdischen Dingen absorbiert und sind dabei ganz fleißig. In der Reichgottesarbeit
hingegen leisten wir es uns, langsam zu sein. Wir nehmen den Sonntag nicht
ernst genug, nehmen die Gemeinde nicht ernst genug. Viele kommen sonntags
daher, um sich auszuruhen und zuzuhören. Man sieht es ihnen an jedem Zug ihres
Körpers an. Andere sind fleißig und betätigen sich, aber da es wenige sind,
muss man um so mehr Arbeit auf sie häufen. Und so gibt
es eine starke Divergenz zwischen den Langsamen und den Schnellen.
Im Grunde ist jeder von uns träge, auch
Titus. Und es bedarf der Ermahnung, sich zu befleißigen. Wir sollten die
Ewigkeit ernst nehmen, wissen wir doch nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt.
Wir sollen fleißig sein bei der Arbeit. „Verflucht ist der, der die Arbeit des
Herrn mit Trägheit tut", heißt es bei Jeremia. Wir sollen schnell sein,
dem Herrn zu dienen, auch was praktische Angelegenheiten betrifft.
Paulus spricht von „Zenas, dem
Gesetzesgelehrten“. Er hält es für wichtig, ihm diesen Titel, den er vielleicht
schon lange Zeit getragen hat, immer noch zu geben. Wenn das, das wir als
Ungläubige lernten, gut war, ist es nicht verkehrt, es weiter zu benutzen. Wenn
jemand ein Schriftgelehrter war, und das wird Zenas gewesen sein, kannte er das
Gesetz. Das war nicht verkehrt. Nur der Umgang mit dem Gesetz war bei den
Schriftgelehrten und Pharisäern verkehrt. Zenas wird nicht nur als Ungläubiger
ein jüdischer Schriftgelehrter gewesen sein, sondern auch noch als Christ. Und
da er nun mit dem AT umzugehen wusste, konnte er sein Wissen weiterhin
gebrauchen. Durch die Botschaft von Christus erkannte er die richtige Beziehung
zwischen dem alten und dem neuen Bund und konnte so den Dienst am Evangelium umso
fruchtbarer tun.
Apollos ist uns
von der Apostelgeschichte 18 her bekannt. Er war der Gelehrte von Alexandrien,
der anfänglich nur von der Taufe des Johannes etwas wusste, dann aber von
Aquila und Priskilla, Mitarbeiter des Paulus in Ephesus, eines besseren belehrt
wurde. Im Evangelium dann unterwiesen, zog er weiter nach Korinth, wo er vielen
helfen durfte. Apollos war ein beredeter Mann, ein
Rethoriker.
Beide, Apollos und Zenas, waren also fähige
Männer, beide Juden, beide Gelehrte in der Schrift und dann im Evangelium,
d.h., im Wort des neuen wie des alten Testamentes gefestigt. Sie konnten Titus
wahrscheinlich für kurze Zeit beistehen, ihn ermutigen, mussten aber
weiterziehen. Und Titus sollte dafür sorgen, dass sie für ihre Reise gut
versorgt würden. Vielleicht mussten sie Nahrungsmittel mitnehmen, vielleicht
neue oder bessere Kleider, vielleicht sonst etwas. Titus sollte also nach ihren
irdischen Bedürfnissen schauen und sie fürsorglich abfertigen.
Auch an anderen Stellen finden wir diese
schöne Gepflogenheit der damaligen Zeit, z.B. in 3Jh 6. Christen sorgen dafür,
dass die Reichgottesarbeiter auf ihren Reisen das Nötige haben, um dem Herrn
dienen zu können.
II: Eine letzte Anordnung
V. 14
A: Der Anlass
„Lass die Unsrigen auch lernen“
Der Anlass für die Anordnung
scheint die Aufforderung von V. 13 zu sein: „Befleißige dich, Zenas, den
Gesetzesgelehrten, und Apollos fürsorglich abzufertigen, damit es ihnen an
nichts fehle.“
Auch darin ist Titus ein Vorbild.
Wie er für das Wohl der Diener Gottes sorgt, sollen die anderen ebenfalls
lernen, fürsorglich zu sein.
Paulus spricht hier von den „Unsrigen“. Es gibt
nämlich ein Drinnen und ein Draussen. Die ganze Menschheit ist in zwei Gruppen
aufgeteilt, aber nicht mehr nach dem Muster des AT, sondern nach der Botschaft
des NT. Im AT gab es einerseits das Volk Israel und andererseits die Heiden,
die Menschen aus den anderen Völkern. Jetzt verläuft die Grenze anders: Das
Volk Gottes ist nun die aus Juden und Heiden bestehende Gemeinde, und diesem
Volk stehen alle Menschen gegenüber, die Jesus Christus als Messias ablehnen.
Zu dieser zweiten Gruppe gehören auch Menschen aus dem Volk Israel. Nur wer
gerettet ist, gehört zur Gemeinde; wer zur Gemeinde gehört, gehört also zum
Heil. Diese neue Grenze ist nicht sichtbar. Sie ist nicht die Abgrenzung um
eine so genannte Ortsgemeinde. Die Schrift kennt, abgesehen von der Gemeinde im
Himmel, nur eine Gemeinde, die der Heilsmenschen. Es ist nicht immer leicht zu
wissen, wer zur Gemeinde gehört; deshalb kann die Gemeinschaftsgrenze anders
verlaufen als die Gemeindegrenze. Manchmal haben wir Gemeinschaft mit weniger
Menschen, als es in der Rettungsarche gibt, weil wir uns von jemandem
distanzieren müssen oder weil wir nicht wissen, wer gerettet ist. Andererseits
haben wir Gemeinschaft mit Leuten, von welchen wir annehmen, sie seien in der
Gemeinde, die es aber nicht sind. Unsere Gemeinschaft ist also nicht so
deutlich abgegrenzt wie die Gemeinde, dennoch müssen
wir prüfen, mit wem wir Gemeinschaft pflegen. Wir dürfen jedoch nicht
vergessen, dass die Zahl der Geretteten mit der Zahl der Menschen, die zur
Gemeinde gehören, identisch ist.
Die Schrift spricht auch an anderen Stellen
von denen, die innerhalb, und denen, die ausserhalb der Grenze sind, z.B. in
Apostelgeschichte 4: Petrus und Johannes kommen vom Hohen Rat und gehen zu den
„Ihrigen“.
B:
Die Anordnung
„... lernen, für die
notwendigen Bedürfnisse sich edler Werke anzunehmen und sie auszuführen“
Hierzu noch einmal das Calwer
Handbuch: „In diesem Zusammenhang kann die Ermahnung, worin sich V. 8
wiederholt, nur bedeuten, dass die neuen Christen von dieser Missionsausrüstung
lernen sollten, tüchtig zu arbeiten, um an dem großen Werke der Ausbreitung des
Reiches mit Hand anlegen zu können. Dazu gehört, dass ein jeder es in seinem
Geschäft zu einer gewissen Meisterschaft bringe („schönen Werken vorzustehen“),
in seinem Handeln vorausdringe und sie nachziehe,
kurz seine Ehre darin suche, viele Frucht zu bringen.“
Paulus sagt, bei guten Tätigkeiten sollten
Christen sich vorn anstellen, an der Spitze stehen, sich hervortun. Wir sollten
uns fragen: Wo ist Not? Wo kann ich helfen? Gute Werke zu tun, heißt nicht nur,
das Evangelium zu verkündigen und dazu beizutragen, dass es vorangehen kann. Es
heißt auch einfach, auf irdischer Ebene Not zu lindern.
Paulus gibt uns dazu in Galater 6,10
einen helfenden Hinweis: Wenn wir mehrere Möglichkeiten haben, sollten wir
Gläubigen zuerst helfen. Sie bilden den inneren Kreis. Sie gehören zum Hause
Gottes, und da ist unsere erste Verpflichtung.
Die guten Werke an den Ungläubigen
sollten wir nicht nur deshalb tun, weil wir wollen, dass sie sich bekehren.
Einerlei was dabei herauskommt, ob Menschen zum Glauben kommen oder nicht, sind
wir aufgefordert, gute Werke zu tun. Auch im Gespräch haben wir zu lernen, mit
Ungläubigen über Themen zu sprechen, über die es sich überhaupt zu sprechen
lohnt, weil es gute Themen sind, und nicht nur weil wir sie als Sprungbrett
benutzen wollen. So kann der Gesprächspartner feststellen, dass man gemeinsam
etwas für gut hält, und lässt sich eher gewinnen.
Die guten Werke sollen natürlich
zur Ehre Gottes dienen. Aber da die Schöpfung gut ist, heißt es, an ihr zu
arbeiten, Salz zu sein und den Schöpfungsauftrag von 1. Mose 1 wahrzunehmen.
C: Das Anliegen
„damit sie nicht
unfruchtbar seien.“
Frucht ist das, woran der Weingärtner Freude haben kann (Jh 15). Unser Tun ist dann Frucht, wenn es im Auftrag
Gottes und zu seiner Ehre getan wird. Es kommt vom Himmel her und wird in
seinem Namen getan. Wir wissen, dieses ist etwas, das er getan haben will und
von dem er sagt, dass es gut ist. Unfruchtbarkeit ist ein Zeichen dafür, dass
das Leben stockt und am Absterben ist. Die toten Zweige müssen früher oder
später entfernt werden. Die Aufgabe des Titus ist es also, den Christen zu
zeigen, wie sie gute Werke tun können und warum sie sie tun sollen.
III: Grüße
V. 15
Was bedeutet es, zu grüßen? Bei den Grüßen am Anfang der Briefe des
Paulus gibt er den Inhalt des Grußes an. Manchmal haben wir auch am Schluss
eines Briefes Grußinhalt.
Grüße sind geistliche Wünsche, die
eigentlich nur Gott erfüllen kann. Keiner von uns kann wirklich grüßen. „Grüß’
dich“ kommt ja von „Gott grüße dich!“ Das ist einer der schönsten Grüße, den
eine Kultur haben kann. Schade, dass er so leichtsinnig gebraucht wird. Aber
wir dürfen ihn gedanklich mit Gebet füllen, wenn wir jemanden grüßen, wie
Paulus es tut:
„Gnade euch und Friede von Gott, unserem
Vater, und von dem Herrn Jesus Christus.“
Gnade und Friede sind die besten Grüße.
Gnade, das ist die herablassende Liebe Gottes, und der Friede Gottes wird uns
im Zuge der Gnade zuteil. Schon zu biblischen Zeiten wurden beim Grüßen diese
Wünsche ausgesprochen. Die Griechen grüßten in einer Form des Wortes „Gnade“.
Die Hebräer grüßten mit „Schalom“. Auch Christen
dürfen diese neu gefüllten und geheiligten Grüße weitergeben. Wir wünschen
damit Menschen eine bessere Beziehung zu Gott und alles, das Gott ihnen geben
möchte.
A: Grüße von Freunden des Paulus an Titus
„Alle, die bei mir sind, grüßen dich.“
Die
Freunde des Paulus denken an Titus, aber sie wollen auch, dass Gott an ihn
denkt, D.h., im Grunde beten sie für ihn, denn ein Gruß ist ein Gebet in der
dritten Person.
B:
Von Paulus über Titus an gemeinsame Freunde
„Grüße die, die uns im
Glauben lieben.“
Hier merken wir wieder, wie die zwei christlichen Tugenden Glaube und
Liebe Hand in Hand gehen. Glaube ist der Schlüssel und Träger unserer Beziehung
zu Gott. Durch den Glauben an Jesus Christus treten wir mit Gott in
Gemeinschaft, und durch das Vertrauen zu ihm wird diese Beziehung getragen. Ihr
Wesen ist die Liebe. Glaube und Liebe sind so die Kardinaltugenden des
christlichen Glaubens.
Paulus wünscht sich, dass die Christen auf
Kreta wirklich echt glauben, und dass sie innerhalb dieses Glaubens wirklich
lieben. Wenn sie wirklich den Herrn lieben, werden sie die Botschaft des Herrn
lieben. Diese Botschaft verkündet Paulus. Wenn er spricht, spricht der Herr.
Die Botschaft des Herrn Jesus Christus und die Botschaft des Paulus sind ein
und dieselbe. Bei uns ist das anders. Wir predigen schon die Botschaft Jesu
Christi, aber es kommen immer wieder eigene Worte dazu.
Wer also den Herrn und seine Botschaft
liebt, liebt Paulus und seine Botschaft und umgekehrt. Und wer den Herrn liebt,
der wird auch die Gemeinde, d.h., alle Gläubigen, lieben. Die Liebe zu Gott
drückt sich horizontal in der Beziehung zu Mitchristen aus. Das steht schon im
AT. Das verkündete Jesus, und auch die Apostel wussten davon. Wo diese Liebe
echt ist, darf man auf eine gesunde Beziehung zum Herrn schließen.
Was ist aber mit denjenigen, die Paulus
nicht im Glauben lieben? Hier wird wieder die Grenze spürbar: Es gibt einen
Unterschied in der Beziehung zu Christen und zu Nichtchristen. Und die
Christen, die mit Paulus Mühe haben? Man muss sich fragen, ob sie wirklich
Christen waren. Paulus hat mit den Korinthern so viele Sorgen, dass er sich
fragt, ob sie wirklich Christen sind (2. Korinther 13,5):
„Prüft euch
selbst, ob ihr im Glauben seid. Stellt euch selbst unter Beweis. Oder erkennt
ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist? – wenn ihr nicht etwa
Verwerfliche seid.“
Und wenn sie Christen sind und dennoch mit
Paulus und seiner Botschaft Schwierigkeit haben, ist die Frage berechtigt, ob
sie nicht dabei sind abzufallen. Wahre Christen sind Menschen mit einer echten
Liebe zu Jesus Christus. Sie ist ihr Ausweis. Und die Liebe zu Jesus Christus
kann von der Liebe zu den Gläubigen nicht getrennt werden. Natürlich lieben wir
auch andere Menschen, aber hier geht es ja um den Gruß an die Gemeinde Jesu. An
diese ist das Schreiben gerichtet. Durch den Brief des Paulus an Titus sollen
die Gläubigen auf Kreta gegrüßt werden.
Die Liebe kommt aus dem Glauben an Jesus
Christus. D.h., sie wird uns von Gott geschenkt, nachdem wir seinen Ruf
angenommen und unser Vertrauen auf ihn gesetzt haben. Glaube verzichtet auf
Eigenleistung, vertraut ganz auf den Herrn. Keiner von uns vermag von sich aus
zu lieben. Keiner vermag gute Werke zu tun. Jeder muss gestehen: „Ich habe
keine Liebe. Ich bin eine Schale. Ich bin leer, bin nichts.“ Wir sind alle
restlos verdorben und bleiben es. Alle Liebe bei uns muss aus dem Vertrauen auf
den Herrn und seine Tugenden hervorgehen. Es ist der Herr, der gut ist, der
Liebe und Heiligkeit ist. Als Zweige am Weinstock beziehen wir unser Sein, das
neue Leben mit allen seinen Qualitäten, von ihm.
C:
Von Paulus an Titus und Freunde
„Die Gnade sei mit euch
allen.“
Der letzte Gruß gilt Titus und allen
Gläubigen, denen er auf seinen Reisen begegnet. Welchen besseren Gruß könnte
man in Empfang nehmen?
Der Brief ist also nicht nur für Titus
gedacht gewesen, obwohl er in erster Linie an ihn gerichtet war. Titus sollte
ihn weitergeben, zunächst an die Ältesten, dann aber auch an alle Gläubigen. Da
der Brief zudem aufgehoben wurde, gilt der Gruß auch uns.
IV:
Das letzte Wort
V. 15E: „Amen.“
Mit diesem Wort bekräftigt Paulus den
ganzen Brief nochmals. Es bedeutet „so sei es“, „so ist es“ oder „wahrlich“.
Der Titusbrief hat das praktische Leben
betont, mittels Unterweisung und Anweisung, Botschaft und Vorschrift, oder, um
es noch anders auszudrücken, Indikativ und Imperativ. Die Imperative des
Briefes sind in den Indikativen, d.h., den drei Abschnitten
über die Christusbotschaft, verankert. Nur aus dem Bestehenden, nämlich aus
dem, das Christus für uns getan hat, kann es werden, wie es sein soll.