Evangelische Volksbibliothek

Band 1232

Gottfried Daniel Krummacher

Das Haupt der Gemeine

herausgegeben von

Andreas Janssen

2014


Vorwort

Wir nähern uns dem 500. Jahrestag der Reformation in Deutschland. Anders als in den vergangenen Jahrhunderten scheint es so, als ob dieser Tag für uns keine Bedeutung mehr hat. Sicher, die Namen einiger Reformatoren sind noch immer bekannt - Luther, Calvin, Zwingli, eventuell auch Melanchthon oder - vor allem in Süddeutschland - Brenz und Bucer. Aber ihre Leistung, ihr Werk, ihr Leben ist zumeist vergessen oder in Verruf gebracht worden.

An andere Reformatoren denkt man gar nicht - dabei wäre ohne sie das Werk der Reformation nie zustande gebracht worden.

Die Glaubensstimme bietet seit einigen Jahren kostenlos allen interessierten Lesern Texte auch dieser Reformatoren an. In Vorbereitung auf das Gedenkjahr 2017 wird jetzt in der Lesekammer die Reihe "Evangelische Volksbibliothek" herausgegeben. Die Titelseite dieser Reihe ist der gleichnamigen Buchreihe von Dr. Klaiber aus dem 19ten Jahrhundert entnommen.

Darüber hinaus bietet die "Evangelische Volksbibliothek" eine Reihe weiterer Bücher anderer christlicher Autoren aus den letzten 2000 Jahren.

Alle Bücher können kostenlos aus der Bibliothek der Glaubensstimme heruntergeladen werden.

Leimen, 01.12.2014

Andreas Janssen


Krummacher, Gottfried Daniel - Das Haupt der Gemeine

Erste Predigt

„Was machst du aus dir selber?“ Diese Frage taten die entrüsteten Juden an den Herrn Jesum nach Joh. 8,53., der da gesagt hatte: „So jemand mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen ewiglich,“ worauf sie ausriefen: Nun erkennen wir, nun ist's uns klar, daß du den Teufel hast, wie sie schon ihm einmal gesagt hatten. Abraham ist gestorben und die Propheten, und du sagst: so jemand mein Wort wird halten, der wird ewiglich nicht sterben? Bist du mehr als Abraham und die Propheten? Was machst du aus dir selbst? Sie glaubten also, Jesus stelle sich viel zu hoch, er maße sich etwas Ungebührliches an, so daß sie nach Steinen griffen.

Wunderbares Menschenherz! Wie erscheinen sie so heilig, als abgesagte Feinde aller ungebührlichen Selbsterhebung, gegen die ihr ganzer Sinn sich empört. Es ist ihnen keine Heuchelei, keine fromme Anmaßung, keine erzwungene Scheinheiligkeit, es ist ihnen großer Ernst. Und doch sind sie in der großen Selbsterhebung begriffen und hätten wohl fragen mögen: Was machen wir aus uns selbst? Und was machten sie aus sich selbst? Starke, die des Arztes nicht bedurften, Heilige, die keinen Seligmacher, Sehende, die keinen solchen nötig hatten, der ihnen die Augen öffnete. Sie machten sich zu Richtern des Sohnes Gottes selber. Sie irrten sich nicht, sondern er hatte Unrecht, sie Recht; er hatte den Teufel, sie waren von Gott; sie waren fromm, er gottlos; sie rechtgläubig, er ein Samaritaner.

Doch wir entlassen die Juden mit Spr. 27,19: „Wie das Bild im Wasser ist gegen das Angesicht, also ist eines Menschen Herz gegen das andere.“ „Es ist hie kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den sie vor Gott haben sollten,“ um uns zu uns zu wenden und zu fragen: Was machen wir aus uns selbst?

Zuvörderst bemerken wir, daß das nicht gilt, was wir, sondern was Gott aus uns macht, denn

So viel wird der Mensch nur taugen,
Als er gilt in Gottes Augen.

Jesus blieb derjenige, der er war, und die Juden waren das, was Jesus von ihnen sagte, vom Teufel. Leute, die sein Wort nicht kannten, die seine Sprache nicht hören konnten, die ihm darum nicht glaubten, weil sie nicht von Gott waren und aus dieser Ursache nicht hörten und Jesum verunehrten, sie mochten das an sich kommen lassen wollen oder nicht. Wir sind auch diejenigen, die wir sind, wir mögen aus uns machen, was wir wollen. Was machst du denn aus dir selbst? Wofür hältst du dich? Vielleicht hast du dich hierüber noch nicht besonnen, und es gehört am wenigsten zu deinem Überlegen, was du aus dir machst, und was du von dir halten sollst. Vielleicht bist du auch sehr wenig geneigt, oder gar wohl sehr abgeneigt, damit aufs Reine zu kommen, glaubst wohl sogar, es sei weder nötig, noch nützlich. So viel ist gewiß: Je mehr wir aus uns machen, desto weniger sind wir; für je frömmer wir uns achten, desto gottloser sind wir, und gerade um so viel schlechter wie andere Leute, als wir besser wie sie zu sein glauben. Je mehr wir zu können meinen, desto weniger können wir wirklich; je mehr wir in geistlichen Dingen zu wissen glauben, desto weniger wissen wir, welches alles so weit geht, daß, wer sich dünken läßt, er sei etwas, noch nichts ist, wie er es sein sollte. Wo soll es denn hinaus? Da hinaus soll's: Wenig und immer weniger, bis zuletzt gar nichts aus uns zu machen, und so viel und immer mehr und endlich alles aus Jesu zu machen.

Juda, du bist es, dich werden deine Brüder loben. Deine Hand wird deinen Feinden auf dem Halse sein; vor dir werden deines Vaters Kinder sich neigen. Juda ist ein junger Löwe. Du bist hoch gekommen, mein Sohn, durch große Siege. ER hat niedergekniet und sich gelagert wie ein Löwe und wie eine Löwin; wer will sich wider ihn auflehnen?

1. Mose 49,8.9

Bei Erwägung dieser Worte achten wir auf folgende vier Stücke:

  1. Auf die redende Person,
  2. auf diejenige, von welcher hier die Rede ist,
  3. wie, und endlich,
  4. was von ihr geredet wird.

Die redende Person ist der Erzvater Jakob, der nun 147 Jahre alt, krank und dem Tode nahe war; er führte auch den merkwürdigen Namen Israel, den ihm Gott selbst bezeichnet hatte, der ein Fürst Gottes bedeutet, und den er, wie er selbst sagt, bekommen, weil er mit Gott gerungen hatte. Er redet als Prophet und weissagt, weshalb er V. 1. sagt: Versammelt euch, daß ich euch verkündige, was euch begegnen wird in künftigen Zeiten. Seine leiblichen Augen waren dunkel geworden, daß er natürliche Dinge nicht wohl unterscheiden konnte, desto schärfer sah er in geistlichen Dingen, und blickte heller und klarer in die Zukunft, obschon er das nicht wohl erkannte, was im Natürlichen ihm nahe war. Er redete nicht aus eigenem, sondern aus göttlichem Antrieb, in Gottes Namen, in göttlicher Kraft und Autorität, und wie er's sagte, so geschah es auch.

In sonderbarer Stellung, nämlich in kreuzweis über einander gelegten Armen, hatte er seine beiden Enkelsöhne gesegnet, als sollten seine Arme auch auf den wahren Ursprung alles Segens, auf das Kreuz Christi hinweisen.

Obschon nicht in dieser körperlichen Stellung, durch ein auf Gott gerichtetes Gemüt, das er in den Worten zu erkennen gab: „Herr, ich warte auf dein Heil,“ segnete er, der von Gott gesegnete Vater, seine zwölf um ihn her stehenden Söhne.

Hier ist die Rede von seinem vierten Sohne, dem Juda, doch nicht bloß von seiner Person, sondern, wie bei allen, seine Nachkommenschaft mit eingeschlossen. In derselben ragte besonders einer hoch hervor, von dem Bileam aus göttlicher Eingebung mit Recht sagte: „Es wird ein Stern aus Juda aufgehen,“ ja, den Maleachi der unvergleichlichen Sonne vergleicht, von dem Paulus sagt: „Von Juda ist unser Herr aufgegangen“ (Hebr. 7,14), und den ein himmlischer Ältester den Löwen aus dem Stamme Juda nennt, der überwunden habe, weshalb Johannes nicht weinen sollte. Dieser unvergleichliche Eine ist hier vorab gemeint, wie es auch David von ferner Zukunft verstand, als ihm der Herr durch Nathan die Verheißung gab nach der Weise eines Menschen, der Gott der Herr ist. 2. Sam. 7,19. Von Jesu Christo ist auch hier die eigentliche Rede, der als der Held aus Juda entspringen, und dem die Völker anhangen sollten, wie der Erzvater nach V. 10 weissagt. Wie redet er deswegen von Juda? Mit ganz besonderer Auszeichnung. Dreimal nennt er ihn mit Namen, ihn nennt er Sohn, bei ihm hält er sich am längsten auf, gegen ihn setzt er alle anderen zurück als unbedeutend, wenn er sagt: Juda, du bist's und sonst ist's keiner. Vor dir ist niemand, denn du bist das A, nach dir ist keiner, denn du bist der letzte, neben dir ist keiner, denn du bist's allein, du bist's, von dem die Schrift von Anfang an zeugt. Du bist's, von dem alles Heil kommt, du der, in dem alle Fülle wohnt, du derjenige, durch welchen wir allein zu Gott kommen, derjenige, zu dem alle Ehre zurückkehrt; du bist's, und kein anderer, denn es ist in keinem anderen Heil. Wendet euch deswegen zu mir, so werdet ihr selig, denn ich bin Gott, und sonst keiner! Ist Moses groß: Hier ist noch ein Größerer, denn jener war nur ein Knecht, dieser der Sohn und der Herr über alles. War Salomon groß: Hier ist noch mehr denn er. War der Tempel groß, heilig und geehrt, wußte man sich viel damit, daß man rief: Hier ist des Herrn Tempel, hieß die ganze Stadt um seinetwillen die heilige, brachen selbst die Jünger über den Anblick in lauter Bewunderung aus, hier ist, der noch größer ist denn der Tempel. Er ist ein Sohn, der mit Recht wunderbar heißt, denn er ist der Sohn Gottes und der Menschen. Er ist höher denn die Engel, die ihn alle anbeten, und zu deren keinem er gesagt hat: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget. Gibt's Propheten, so ist er derjenige, von dem gesagt wird: Den sollt ihr hören. Gibt's Könige, so heißt's von ihm: Dein Stuhl, o Gott, währet von Ewigkeit zu Ewigkeit! Gibt's Priester, so gilt doch sein Opfer allein. Jesu, du bist's, du bist der einzige Arzt der Kranken, unter dessen Händen sie auch alle ganz genesen; du die einzige Hoffnung der Elenden, die sich ohne dich einer gänzlichen Verzweiflung preisgegeben sehen; du die gewünschte Zuflucht der Mühseligen und Beladenen, die außer dir so wenig wie Noahs Taube finden, wo ihr Fuß ruhen kann. Du bist der Trost Israels. Du bist der, der als der Aufgang aus der Höhe denen erscheint, die da sitzen in Finsternis und Schatten des Todes; du der helle Morgenstern, welcher Licht in ihre Finsternis sendet; du bist der große Hirte der Schafe, der sich der Hilflosen annimmt, das Verirrte sucht. Du bist's, der den Müden Stärke und Kraft genug den Unvermögenden gibt, der die müden Seelen erquickt und die hungrigen Seelen sättigt. Die Kraft der Schwachen bist du, und die Gerechtigkeit der Verdammten, die Heiligung der Unreinen, die Weisheit der Toren und die Erlösung der Elenden. Bist du es nicht, der gekommen ist, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist? ist nicht über dir der Geist des Herrn? Hat er dich nicht gesalbt? Sei uns tausendmal willkommen! Denn so hat man Ruhe, so erquickt man die Müden, so wird man stille. Juda, ja, du bist's! Nicht unsere Weisheit ist es, die für die schlimmste Torheit gilt, nicht unsere Kraft, die uns nur zu Starken macht, die des Arztes nicht bedürfen, und die wir verlieren müssen. Nicht unsere Gerechtigkeit ist's, die für ein unflätig Kleid geachtet wird, nicht unsere Heiligkeit und Werke, die wir aus uns selbst verrichtet haben. Dies alles ist der Weg nicht, ist das nicht, was gilt, was Stand hält, was beruhigt, sondern du bist's, und wer dich hat, hat alles. Du bist es, mag man dich auch nicht dafür anerkennen, mag man fragen: Was soll uns dieser weisen, was gut ist? Aber, Herr, erhebe du über uns das Licht Deines Antlitzes! Du warest es dennoch, mochten die Deinen dich auch nicht aufnehmen, sondern dich der Hohn, der Geißel und dem Kreuze hingeben. Ja, eben dadurch wurdest du es, was du uns Armen sein solltest. Und du bist es dennoch, mögen Menschen von dir halten, was sie wollen, weil die Sonne bleibt, was sie ist, obschon der Blinde sie nicht sieht. Du warst es, von dem Moses im Gesetz und die Propheten zeugten, du, den die Apostel predigten. Du warst es, auf den alle Gläubigen sich verließen, und bist es auch noch immerdar, zu dem alle Elenden ihre Zuflucht nehmen. Du bist es, stets der nämliche an Macht und Güte, an Huld und Gnade; wie man dich weiland erfuhr, so erfährt man dich noch; wie du weiland halfst, stärktest, tröstetest, heimsuchtest, so tust du es noch. Wie man sich weiland an dich wenden dürfte, so darf man's auch noch. Du bist es, auf den alles ankommt, von dem alles abhängt. Wärest du nicht, so gäbe es kein Volk Gottes, so gäbe es kein Überwinden, keine Weisheit, keine Gerechtigkeit, keine Heiligkeit, keine Seligkeit; so gäbe es kein gutes Werk, ja keinen guten Gedanken, so wie keine Gnade bei Gott, keine Vergebung der Sünden, kein Heil. Du bist es, dem wir's zu verdanken haben, daß es dies alles gibt, daß es Überwinder gibt, die in allem weit überwinden, Weise gibt, gegen deren Weisheit niemand stehen kann, die alles wissen, Starke gibt, denen alle Dinge möglich, und Gerechte, an denen keine Verdammnis zu sehen, Heilige, an denen kein Flecken, und Selige, die sich allerwege freuen. Dies alles, so wie jedes gute Werk, jede gute Gesinnung, ja jeder taugliche Gedanke, entstehet von ihm. Wohl mag's zu demjenigen heißen: Du bist's. Du bist's, den ein jeglicher für sich haben muß.

Suche Jesum und sein Licht,
Alles andre hilft Dir nicht!

Er ist's, sollst du deshalb noch etwas sein, so mußt du's durch ihn. Ist er's, so müssen wir aufhören, damit er alles und in allem wird. An diesem Du hing der alte Erzvater mit ganzer Seele. ER war's, mit dem er einst in finsterer Nacht gerungen hatte, weinend und betend, an dessen Halse er mit verrenkter Hüfte hing, dem er erklärte: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn, und den er daselbst segnete. Der war's, an den ihn jeder hinkende Tritt, den er nach verrenkter Hüfte tun mußte, erinnerte; war's, von dem er über Ephraim und Manasse sprach: „Der Engel Goel, der mich aus allem Übel erlöset, segne die Knaben,“ weil er durch den Glauben die Verheißung von ferne sah, sie küßte, und sich ihrer getröstete, dessen gewiß, daß der komme, der da kommen sollte.

Was sagt denn Israel von dem Juda? Er preiset vornehmlich seine Kraft, seine Siege, seine Ehre. Seine Kraft stellt er in dem treffendsten Sinnbild derselben vor, wenn er Juda einem Löwen und einer Löwin vergleicht, oder einem jungen Löwen, der sich in seiner vollen Größe und Kraft befindet. Ein treffenderes Bild von der Kraft gibt es nicht, sonderlich für Morgenländer, die dieses majestätische Geschöpf Gottes aus der Nähe kennen. Daher verschönerte auch Salomon die Stufen seines Thrones mit Figuren, welche Löwen vorstellten. Wir wissen, daß Jesus Christus der Löwe aus dem Stamm Juda genannt wird, der überwunden hat (Off. Joh. 5,5), und daß eins von den lebendigen Wesen vor dem Thron Gottes gleich war einem Löwen. Er ist gleichsam der geborene König der Tiere, die ihn auch alle fürchten, und übertreffen ihn auch manche an Größe, doch keine an Stärke. Und Jesus Christus heißt Jes. 9 starker Gott. Er ist aller Könige König, und alle Engel sollen ihn anbeten, wie vielmehr alle Menschen! Was ist er für ein unvergleichlicher König, da ihm alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, da alles unter seine Füße getan ist. Was ist das für eine Kraft, die er besitzt, wodurch er kann alle Dinge ihm untertänig machen, wodurch er alle Dinge trägt, womit er alle seine Verheißungen erfüllt, und die er in den Schwachen mächtig sein läßt, so daß sie durch ihn alles vermögen. Ein Löwe hat etwas majestätisches in seiner Gestalt, so daß man ihn nicht ohne eine Art von Respekt ansehen kann. Freilich solche, die die seligen Augen der Gläubigen nicht hatten und nicht haben, fanden, da sie ihn sahen, keine Gestalt an ihm, die ihnen gefallen hätte. sie war und ist auch noch von der Art, daß es heißt: Selig ist, der sich nicht an mir ärgert! Aber die Gläubigen aller Zeit fanden etwas an ihm, das sie zur tiefsten Ehrerbietung lockte, so daß sie von selbst vor ihm auf die Knie sanken, wie die heiligen drei Könige taten, da er nur noch ein kleines neugeborenes Kindlein war, das von ihren Ehrenbezeugungen nichts verstand. Was ist's Wunder, wenn der ganze Himmel vor ihm kniet und aufs Angesicht niederfällt, nachdem er zur Herrlichkeit erhoben ist, da er in Knechtsgestalt schon so hoch gefeiert wurde. Aber zu dieser Ehrfurcht gesellt sich die milde Empfindung eines oft grenzenlosen Zutrauens, das auch in tiefster Not bekennt: Ich weiß, an wen ich glaube, spricht nur ein Wort, oder gar: So du willst, die Empfindung einer unaussprechlichen Anhänglichkeit, die da sagt: Wenn sich auch alle ärgern, ich nicht: fragt: Herr, wohin sollen wir gehen? Du allein hast Worte des ewigen Lebens, wenn auch alle weggehen, die auch unterm Kreuze stehen bleibt und am Grabe weilt, und die schon aus Hiob sprach: Wenn du mich auch töten wolltest, sollte ich nicht auf dich hoffen, und aus Assaph und aus allen, die sich um seinetwillen erschlagen ließen; die Empfindungen einer brünstigen Liebe, die da sagen konnte: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt auch, daß ich dich lieb habe; Gesinnungen, die auch in jeglichem Herzen unfehlbar entstehen, die diesen Löwen voll Sanftmut und Demut, voll Gerechtigkeit und Wahrheit kennen lernen und einen Blick in sein den Sünder liebendes Herz tun dürfen; da zerfließt es in Dank und Liebe, und mag von nichts anderm wissen. Ein Löwe hat eine ungeheure Stärke, ein Schlag mit seinem Fuß streckt den, der ihn empfängt, zu Boden. Jesus brauchte nur dem Sturme gebieten: Verstumme, so ruhete er und dem Meere: Sei stille, so legten sich seine Wogen. Seine Kraft ist den Bedürftigen sehr erfreulich, den nun wissen sie, wer sie gewaltiglich zu erlösen vermag, vermag, was sie nicht vermögen. Ein Löwe besitzt und äußert einen gewaltigen Stolz, nur wer sich demütig vor ihm bückt, darf Schonung hoffen, nicht, was sich ihm zu widersetzen wagt. Wem war und ist der Löwe aus dem Stamm Juda hold? Dem stolzen Pharisäer, der vor ihm prangen will: Dies alles habe ich gehalten und bedarf dein nicht, oder dem demütigen Zöllner, der von sich nichts als seine Sünden zu nennen, nichts zu begehren weiß als Gnade? Nur ein zerbrochenes Herz ist ein ihm gefälliges Opfer, und er übermochte Israel, dessen Hüfte er durch bloßes Anrühren verrenkte, darum nicht, weil er weinte und flehte. (Hosea 12,5). Die Gewaltigen, mögen sie auch noch so gewaltig sein, stößt er vom Stuhl und erhebet die Elenden, die Hungrigen. Das Verachtete, Törichte, das Schwache, ja was nichts ist, erwählet er und macht zu Schanden, was etwas ist. Er leidet nicht, daß sich irgend ein Fleisch vor ihm rühme, indem er sich selbst allen Ruhm zueignet. Dem Löwen ist nichts überlegen. So wird in unserm Text gesagt: „Deine Hand wird deinen Feinden auf dem Halse sein,“ und gefragt: „Wer will sich wider ihn auflehnen?“ Ob viele Hirten schreien, fürchtet er sich doch nicht. Wäre dem Löwen aus dem Stamme Juda etwas überlegen, so würde schon längst die Rede nicht mehr von ihm sein. Die Juden, die sich an seine eigene Person machten, die Heiden, die seine Gemeine verfolgten, der Aberglaube und der Unglaube derer, die sich schamlos nach ihm nennen, hätten ihm schon längst den Garaus gemacht. Aber er wohnet im Himmel, die Pforten der Hölle werden ihn nicht überwältigen, auch kein einzelnes seiner Glieder. Er hat und wird sich zu allen Zeiten ein arm, gering Volk übrig bleiben lassen, das auf seinen Namen hofft, und die Klugen erhascht er in ihrer Lift. So bändigt und tötet er auch innerlich in den Seinigen, was sich dem Geiste widersetzt, und ist es gleich ihrer, so ist es doch nicht seiner Kraft überlegen, und so überwinden sie endlich in allem weit um dessen willen, der sie geliebet und sich selbst für sie dargegeben hat. Besonders merkwürdig ist an einem Löwen die dem Donner ähnliche Stimme, so daß der Prophet sagt: Der Löwe brüllt! Wer sollte sich nicht fürchten? Dies ist nur ein Schatten von der wirklichen Stimme des Löwen aus dem Stamme Juda, von der wirklichen Stimme des Löwen aus dem Stamme Juda, die auch dem Donner verglichen wird. Es bedurfte nur seiner Stimme, so entwichen ihm mit großem Geschrei die Teufel, die Krankheiten, der Tod. Was meinen wir, wirke seine Stimme, wenn er sagt: Sei getrost, dir sind deine Sünden vergeben! oder: Fürchte dich nicht! oder: Sei nicht ungläubig, sondern gläubig! War's Petri oder seine Stimme, die dreitausend widerspenstige Juden auf einmal bekehrte, und aus einem Saul einen Paulus schuf? Erregte nicht seine Stimme durch die Predigten der Apostel, die es ja nicht waren, die redeten, den Erdkreis?

Und wie ist es noch stets, wenn er selbst innerlich lehrt und predigt? Wie klar und lebendig wird da sein Wort! Wie schwinden die Nebel des Zweifels, des Kummers, der Anfechtung und der Sünde! „Ich will hören,“ sagt der Prophet, „was der Herr in mir reden wird.“ Seiner Stimme nur bedarf's, so fallen die Bollwerke des Judentums, des Heidentums, des Antichristentums, und sie richtet eine Flut an, wodurch die Erde voll wird von Erkenntnis des Herrn. Ein Löwe ist einer solchen Zärtlichkeit der Liebe fähig, daß man Beispiele hat, daß er vor trauernder Liebe um ein ihm gestorbenes Geschöpf selbst auch gestorben ist. Hier brauchen wir kein Wort weiter hinzusetzen. Wen ein Löwe schützt, der ist wohl beschützt, und ist der Löwe aus dem Stamme Juda für uns, wer mag wider uns sein? Das ist wahr, treffen kann uns dennoch Trübsal, oder Angst und Verfolgung, wie geschrieben stehet: Wir fürchten uns wohl. Wir sind ein Schauspiel worden der Leute, und eine Verachtung des Volks; aber, wer will euch schaden, so ihr dem Guten nachkommt? Nicht Schaden, sondern lauter Vorteil erwächst daraus. Wüßten die Gläubigen es nur recht, daß der mit ihnen ist, sie würden niemals kleinmütig, sondern auch getrost sein wie junge Löwen, und fragen: wer ist, der Recht zu mir hat? Was bedürfen wir neben ihm noch, da uns in ihm alles geschenkt ist? Ach, daß der Glaube kräftig werde durch Erkenntnis des Guten, das wir haben in Christo Jesu!

Freilich ist das Bild eines Löwen immer etwas Bedenkliches, denn dies Bild enthält nicht die uns Armen so wünschenswerten Züge der Freundlichkeit, der Sanftmut und des Wohlwollens, sondern nur die eines hohen feierlichen Ernstes. Darum wechselt dies Bild Offenb. Joh. 5 auch mit dem eines Lammes. Was so dem einen abgeht, ergänzt das andere Bild, und was das eine zu Scharfes oder Wildes hat, das hat das andere wieder Mäßiges. Beide gehören zusammen, und so wie er dem alten Menschen und allem, was dahin gehört, ein reißender und nicht verschonender Löwe ist, so ist er dem neuen Menschen Lamm und pflegender Hirte.

Israel gedenkt zweitens seiner großen Siege. Diese setzen Widersacher, und zwar zahlreiche und mächtige voraus. Und auch ihrer gedenkt Israel, wenn er sagt: „Deine Hand wird deinen Feinden auf dem Halse sein.“ Christus selbst rühmt sich seiner Siege, wenn er sagt: „Seid getrost, ich habe die Welt überwunden;“ und abermal: „Wer überwindet gleich wie ich.“ Offenb. Joh. 5. heißt's von ihm: „Weine nicht! Denn siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamme Juda.“ Er erklärt sich im voraus für unüberwindlich, wenn er sagt: „Der Fürst dieser Welt kommt und wird ausgestoßen.“ Diese Kriege wurden um seines Volks willen geführt, und ihnen zu Gunst die erfolgten Siege errungen. Unter ihren gemeinschaftlichen Feinden steht der Satan oben an, diese schreckliche Majestät, der auch ein Löwe, ein brüllender Löwe wegen seiner Kraft, ein Wolf wegen seiner Grausamkeit, eine Schlange wegen seiner List, ja sogar ein Gott dieser Welt genannt wird; dessen versuchende, verblendende, verführende Wirkungen uns also sehr gefährlich geschildert werden; der unser Geschlecht überwunden hat und alle verführt, die auf Erden wohnen. Mit ihm hatte der Löwe aus dem Stamme Juda einen langwierigen, wichtigen und ernsthaften Kampf. Auf ihn hatte Satan seinen ganzen Grimm geworfen, denn hier ging es um seinen Thron und Reich. Es war ihm erlaubt, alles wider das Lamm aufzubieten, was ihm an List, Bosheit und Macht, an Schrecknissen und Kräften irgend zu Gebote stand. Er machte den Anfang mit jener vierzigtägigen Versuchung, die Jesus glücklich überstand, so daß Satan von ihm wich, jedoch nur für eine Zeitlang, um ihn besonders in seinen letzten Lebenstagen, die deswegen auch nichts als Lebenstage für ihn waren, aus allen Kräften und von allen Seiten anzugreifen. Mit welchem Vergnügen mag Satan ihn am Kreuz haben hängen sehen, mit welcher feindseligen Lust ihn haben klagen hören: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Wie gewiß mag er selbst seines Sieges gewesen sein, da der starb, der allein wider ihn auftreten konnte! Aber wohl mag der, der Rat, Kraft, Held heißt, auch Wunderbar heißen, denn indem er überwunden schien, siegte er aufs vollständigste, und indem die Schlange ihm die Ferse zerstach, zermalmte er ihr den Kopf. Durch keine seiner Versuchungen hat er etwas anderes ausgerichtet als nur den klaren Beweis, daß er nichts damit ausgerichtet als nur den klaren Beweis, daß er nichts damit ausgerichtet, und nur sich selbst verletzt hatte. Zu gleicher Zeit besiegte er die alte löwenartige Sünde durch seine Heiligkeit, den Fluch, indem er ein Fluch ward, durch seine stellvertretende Gerechtigkeit und den alles beherrschenden Tod durch seinen Tod. Dies alles wies sich in rascher Folge durch seine lebendige Auferstehung, durch seine Himmelfahrt und insbesondere durch die herrliche Ausgießung des heiligen Geistes zur Freude des Himmels und zum Schrecken der Hölle, aus. So stimmt nun seine Gemeine das Loblied an: „An ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut. Er hat uns errettet von der gegenwärtigen argen Welt und von der Obrigkeit der Finsternis. So ist nun keine Verdammnis mehr an denen, die in Christo Jesu sind. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“ Billig heißen wir dies große Siege, sowohl wegen ihrer großen Erfolge, als ihrer erstaunlichen Mittel, da ein Sohn Gottes, indem er siegte, starb. Diese Siege über seine Feinde setzt Jesus noch immer fort, denn das zerstoßene Rohr will er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht will er nicht auslöschen, bis daß er durchführe das Gericht zum Siege. Es sind noch manche Siege im Großen auszuführen, damit ihm Kinder geboren werden, wie der Tau aus der Morgenröte. Nicht weniger sind die Siege im kleinen, das heißt, in uns. In uns stecken die Feinde Christi, der Unglaube, die eigene Gerechtigkeit, Weisheit, der Wille, das eigene leben, das Gesetz in den Gliedern, das Fleisch, das wider den Geist streitet, die Sünde. Seine Hand sei ihnen auf dem Halse! Er sei ihnen ein starker und nicht schonender Löwe und bringe uns ganz und gar unter das Gesetz Christi! Wie groß ist die Schar der Unbekehrten! Er bekehre sie! Wie viel sind der Schwachen! Er stärke sie!

Zudem stecken seine Gläubigen ja noch in mancherlei innern und äußern Trübsalen. Wollen haben sie, aber oft fehlt das Vollbringen. oft sind sie traurig in mancherlei Anfechtungen, aber Christus wird seine Siege fortsetzen, bis ihr alter Mensch ganz zerstört ist, sie aus aller Trübsal errettet und bei ihm daheim sind. Zeuch denn einher, du Held! Es werden die die Völker anhangen.

Drittens: Endlich gedenkt Israel seiner Ehre. „Du bist hoch gekommen, mein Sohn.“ Er kam aus der Höhe und ging wieder dahin. Er ist aus der Angst und dem Gericht genommen. Du bist in die Höhe gefahren. Gott hat ihn erhöhet und gesetzt über alles zum Haupt. Er hat sich gelagert, wie ein Löwe. Seine Arbeit hat der Ruhe weichen müssen, denn nachdem er ein Opfer gebracht, das ewiglich gilt, sitzet er nun zur Rechten Gottes und wartet, bis daß alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt sind. Alles, was sich wider ihn auflehnt, bereitet sich dadurch den gewissen Untergang. Küsset den Sohn, daß er nicht zürne! Durch den Glauben gehen wir in seine Ruhe und

genießen nun die Früchte
dessen, was er ausgemacht.

Vor dir werden deines Vaters Kinder sich neigen, und deine Brüder dich loben. Dies Neigen und Bücken besteht nicht in körperlicher Bewegung, wiewohl es auch daran nicht fehlt. Er sieht aufs Gemüt, und das neigt sich vor ihm, wenn es durch das Gefühl der Sünde belehrt, gewahr wird, wie sehr es dieses alles besiegenden Löwen und dieses sanften Lammes, wie sehr es seiner Kraft und Milde, seines verwundenden Eifers und seiner heilenden Liebe, kurz, wie sehr es seiner Weisheit, Gerechtigkeit und Erlösung bedarf. O, wie lernt man da schon fußfällig bitten: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich mein! Auch in der Folge wird das Neigen und Beugen vor ihm zustande gebracht, indem bald die Seele nicht weiß, wie sie sich genug wegen seiner freundlichen Herablassung zu ihr, wegen der ungemeinen Zutraulichkeit, die er ihr einflößt, wegen des starken Vertrauens, das er schenkt, wegen der festen Versicherung von seiner ewigen und unveränderlichen Gnade, die er verleiht, vor ihm beugen, in Dank und Anbetung zerfließen, sich seiner alleinigen und unbedingten Herrschaft überlassen soll, bald aber auch, wenn ihr dies alles wieder entzogen wird, ihn als denjenigen anerkennen soll, der es gar allein ist. so bereitet er die Seinigen, ihn und nur ihn zu loben, als durch den allein wir gerecht und selig, stark und heilig, getrost und weise werden, so daß ihm für alles, für das Geringste, wie für das Größte, der Ruhm allein und ganz gebührt, welches Lob im Himmel zu seiner Vollkommenheit gedeihen und in Ewigkeit fortgesetzt werden wird. Sie sind seine Brüder und seines Vaters Kinder, genau mit ihm verwandt und verbunden, und so Genossen an der Trübsal, am Leiden und an der Geduld Jesu. Wohl allen, denen es also gehet, die sich vor ihm neigen, die wird er erhöhen, und die ihn ehren, wird er wieder ehren. Ja, Juda, du bist's. Verherrliche deine Gnade an uns, damit wir dich loben.

Im Wort, im Werk, im ganzen Wesen,
Sei Jesus, und sonst nichts zu lesen!

Amen.


Zweite Predigt

Wenn ich sage, es seien am vorigen Donnerstag Abend, vor 305 Jahren, etliche Nägel in die Türe der Schloßkirche zu Wittenberg geschlagen worden, um ein Blatt daran zu befestigen, welche bis für den heutigen Tag die denkwürdigsten Umwälzungen bewirkt haben, so sage ich nichts, dem nicht jeder Kundige seine Zustimmung geben wird. Es ist nie eine Schlacht geliefert, nie ein Sieg errungen, der in seinen Wirkungen dem Ereignis an die Seite zu setzen wäre, das wir jetzt im Auge haben. Wir meinen aber die Reformation, dieses bewundernswürdige Ereignis, welches so wirklich an jenes Blatt, an jene Nägel anreicht, womit der große Mann Luther jenes Blatt am Aller-Heiligsten-Abend an die Schloßkirche anheftete, worin er, durch seine Stelle als Doktor und Professor der Theologie auf der Universität dazu ermächtigt, 95 Sätze aufstellte, deren Wahrheit oder Unhaltbarkeit von gelehrten Männern auf dem Wege öffentlicher oder mündlicher Disputation ausgemittelt, dabei aber nur der heiligen Schrift entscheidende Kraft beigelegt, und dann von einigen Universitäten entschieden werden sollte, wer Recht behalten habe. Luther selbst begriff damals die Wichtigkeit dieses Schrittes, die ungeheuren und unabsehbaren Folgen und Wirkungen, die derselbe nach sich ziehen, die entsetzlichen, zum Teil gänzlichen Umkehrungen, die er in ihren unzählbaren Beziehungen verursachen würde, dies alles begriff der noch zaghafte und unbefestigte Mönch (damals etwa 30 Jahre alt) noch nicht, sonst würde seine bebende Hand die Nägel nicht haben einschlagen können.

Sein Hammer und sein Blatt waren nichts anders, als eine Aufforderung zum Zweikampf an den, möchte' man sagen, allmächtigen Papst und den ihm ganz ergebenen römischen Kaiser, in dessen Staaten die Sonne nie unterging, vor dem Kurfürsten knien mußten, und der einen König von Frankreich als seinen Gefangenen nach Madrid führte, an die ganze Welt und den Teufel dazu. Das begriff damals der fromme, zaghafte, allein dastehende, schwache und wehrlose Mönch noch nicht, dessen der Papst und, wie es schien, mit Recht, als nicht bedeutend, hohnlächelte, daß durch das Blöcken dieses Schafs die reißenden Wölfe würden verjagt werden. Als er's aber in Gott begriff, da war teils an kein Zurückziehen mehr zu denken, teils wuchs auch sein Mut in dem Maße der Schwierigkeiten so, daß er nach Worms ziehen wollte, „und wenn soviel Teufel dort wären, als Ziegel auf den Dächern.“

Und welch' ein erstaunliches Werk reiht sich an jenes Blatt! Ein Werk, dessen Ausführbarkeit niemand würde geglaubt haben, wäre es voraus verkündigt worden, und das durch ein so schwaches Werkzeug, das damals selbst noch nicht wußte, wie es daran war, ob der Papst Recht oder Unrecht hätte.

Doch ich begnüge mich, bloß dies wenige zu bemerken, wozu die wechselnde Zeit veranlaßte, ohne weitere Anmerkungen daran zu knüpfen, die ich eurem beliebigen Nachdenken überlasse, obschon es wohl schon der Mühe wert gewesen wäre, unsern diesmaligen Vortrag ganz diesem großen Gegenstande zu widmen.

Wir gedenken aber mit der Betrachtung des erzväterlichen Segens über Juda fortzufahren, wozu uns der Herr alles Nötige und heilsame verleihen wolle! Wir werfen uns deswegen vor der allerhöchsten und einigen Majestät nieder in den Staub, begehrend:

Fülle uns frühe mit deiner Gnade, denn deine Güte ist besser als leben! Wir preisen dich über der großen Macht und Weisheit, Licht und Unverzagtheit, die du schwachen Menschen verleihen und durch sie gewaltig ausrichten kannst, wenn es dir also gefällt.

Es wird das Szepter von Juda nicht entwendet werden, noch ein Meister von seinen Füßen, bis daß der Held komme, und demselben werden die Völker anhangen.

1. Mose 49,10.

Der sterbende Israel legt in diesem Wort ein schönes Glaubensbekenntnis ab, das durch den Erfolg und durch die Schriften des neuen Testaments seine volle Klarheit erhält, an sich aber in einige Dunkelheit gehüllt ist und mehr enthält, als der heilige Geist unter dem alten Bunde klar zu machen für gut fand.

Nachdem wir den ersten Teil dieser Weissagung unlängst betrachtet, gehen wir daher jetzt zu diesem zweiten über, worin wir eine Nachricht finden von der Zukunft des Erlösers.

Von der Zukunft des Erlösers redet der heilige Erzvater im 10. Vers also: „Es wird der Szepter von Juda nicht entwendet werden, noch ein Meister von seinen Füßen, bis daß der Held kommt, und demselben werden die Völker anhangen.“

Wo in unserer Übersetzung das Wort Held gebraucht wird, steht im Hebräischen das Wort Schilo, welches nur dies einzige Mal in der heiligen Schrift vorkommt, dessen eigentliche Bedeutung daher den Gelehrten viel zu schaffen gemacht hat. Das Wort bezeichnet aber wohl einen solchen, welcher selber ruhet und anderen Ruhe gibt, weil er sich im Besitz vieler Güter befindet, woran er andere gütig teilnehmen läßt.

Ein jeder sieht leicht, welcher der Mann sei, auf den dieses im ausgezeichnetsten Sinne paßt; der nämlich, der die Mühseligen und Beladenen zu sich einladet unter der Verheißung, sie zu erquicken und der Aufforderung, sein sanftes Joch, seine leichte Last auf sich zu nehmen und so Ruhe zu finden für ihre Seelen.

Als einen ruhenden Löwen hatte Jakob ihn soeben vorgestellt, wenn er von ihm sagt, er habe sich gelagert wie ein Löwe etc., und so fährt er in diesem Bilde fort und nennt ihn den Schilo, den in welchem alles, was wahrhaft beruhigen kann, wohnt, von dem die wahre Seelenruhe allein ausgeht, bei dem sie allein zu finden ist. Hat das Wort Schilo eine Dunkelheit, so war dies dem alten Bunde völlig angemessen, während dessen das Geheimnis der Gottseligkeit nur von ferne geahnt, nicht klar verstanden wurde, eine Dunkelheit jedoch, welche die Gläubigen reizte, nachzuforschen, auf welche Zeit der Geist Jesu Christi deutete, der in ihnen war. Und freilich mag auch etwas mit den dürresten Worten da stehen, so muß es uns doch durch den heiligen Geist klar gemacht werden. Der Apostel zeigt uns aber Hebr. 4, wie von Anfang an auf den gedeutet worden sei, der der Urheber wahrer Ruhe ist, nämlich Jesum. Er findet dies schon in der Heiligung des siebten Tages, der seinen Namen von der Ruhe hat; sodann wie Josua, der das Volk durch die Einführung desselben ins gelobte Land zu derjenigen Ruhe gebracht zu haben schien, von welcher während des Herumziehens der Kinder Israel, als einer solchen die Rede war, zu welcher die Ungläubigen und Ungehorsamen nicht kommen sollten. Demnächst aber findet der Apostel den Beweis, daß dies die gemeinte Ruhe nicht sei, darin, daß David, nachdem die Kinder Israel schon längst in Kanaan wohnten, abermals einen Tag der Ruhe verkündigt. Das, was Josua nicht in der Wirklichkeit, sondern nur im Bilde vermochte, nämlich zur Ruhe zu führen, das tat und tut der wirkliche und eigentliche Josua, von dem Jakob als vom Schilo redet. Er gibt eine ganz vollkommene Ruhe, die weder durch das Gesetz, noch durch das Gefühl ihrer Sündlichkeit, weder durch den Ungestüm der Menschen, noch durch die Bitterkeit der Leiden, weder durch Schrecken des Todes, noch durch die Majestät des zukünftigen Gerichts, ich will nicht sagen aufgehoben, nicht einmal gestört werden kann, da doch außer Christo uns ein rauschendes Blatt in die Flucht jagen kann; ja der Gottlose fleucht wohl, wo ihn niemand jagt. Der Schilo war's, der auch das Gemüt des nun seinem Tode nahen Erzvaters so völlig stillte und beruhigte, daß er jetzt erst seine Reise zurückgelegt zu haben und ins Vaterland zu gehen glaubte. Daher wird auch V. 33 von seinem Tode wie von einer Kleinigkeit, und gleichsam scherzend gesprochen: Er tat seine Füße zusammen aufs Bette und verschied, und ward versammelt zu seinem Volk. Und o, wie viele sind, die bei diesem Schilo Ruhe gefunden haben für ihre Seelen! Möchten ihrer auch unter uns viele sein, die sie wenigstens bei ihm suchen.

Zur völligen Ruhe ist aber erforderlich, daß man im Besitze aller derjenigen Güter sich befinde, die alle unsere Begierden so befriedigen, daß ihnen nichts zu wünschen übrig bleibt, denn so lange uns noch etwas zu wünschen übrig bleibt, haben wir keine Ruhe. Insbesondere muß derjenige, der uns als der Schilo, als der Ruhegeber angepriesen wird, reich, er muß im Besitz unendlicher Güter sein, solcher Güter, bei welchen oder über welche hinaus nichts zu wünschen übrig bleibt; er muß sie ohne Maß und zur völligsten Disposition und Verteilung nach seinem Wohlgefallen und nach dem Verlangen der Begehrenden besitzen. Es gehört aber unaussprechlich viel dazu, die weiten Räume einer menschlichen Seele auszufüllen, daß sie in eine völlige vergnügende Ruhe eingeht. Die ganze Welt mit all ihren Gütern ist so wenig dazu geschickt, daß sie die Begierden eher reizt und aufregt, als stillt und befriedigt. Man hat Menschen gesehen, welche die ganze bewohnte Erde besiegt hatten und nun begehrten, einen Weg nach dem Monde zu erfinden, um denselben ebenfalls zu unterjochen. Wer da meint, durch einen gewissen Teil irdischer Güter befriedigt werden zu können, verrechnet sich gänzlich. So lange man nicht alles hat, kann man nicht ruhen. Jakob aber hatte alles genug, und Paulus alles und überflüssig. Kein Wunder, wenn sie Ruhe hatten. Wer nicht alles bekommen kann, dem kann etwas, und wenn's noch so viel wäre, nicht genügen, wiewohl man auch mit wenig, ja mit nichts zufrieden sein kann. Jedoch durfte Israel es getrost wagen, den, welchen er im Sinne hatte, als den Schilo, vollkommenen Ruhegeber, zu preisen, denn derselbe ist im uneingeschränktesten Besitz aller der Güter, die ein menschliches Herz, ja alle menschlichen Herzen zur völligen Sättigung befriedigen können, so daß ihnen nichts weiteres oder anderes zu wünschen übrig bleibt. Von ihm lehrt uns die Schrift: Alle Schätze seien in ihm verborgen, sein Reichtum sei unausforschlich, ja alle Fülle der Gottheit wohne in ihm leibhaftig. Es wird von reichen Gütern seines Hauses geredet; das, was man bei ihm finden kann, wird unter dem glänzenden alles Herrliche in sich schließenden Bilde eines königlichen Hochzeitmahles vorgestellt und gesagt: Er sei reich über alle, die ihn anrufen. Er wird uns als derjenige vorgestellt, welcher der Kanal ist, wodurch sich alle Segnungen von Gott auf uns ergießen, als der, dem alle Dinge übergeben sind, der der Pfleger der wahrhaftigen Güter ist. Wie reich und mildtätig er sein müsse, das erhellt ja auch daraus, daß er ohne Einschränkung verspricht, alles zu tun um was wir in seinem Namen bitten, und wiederum. so ihr in mir bleibet, und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren.

Wir haben auch viele herrliche Exempel dessen, was sich seine zu ihm versahen und ihm zutrauten. Galt es ihre Rechtfertigung, so durften sie wohl, auf ihren Schilo gestützt, fragen: Wer ist, der Recht zu mir hat, wer will beschuldigen oder gar verdammen? Denn aller Zeug, der wider dich zubereitet ist, dem wird es nicht gelingen, und alle Zunge, so sich wider dich setzt, sollst du im Gericht verdammen (Jes. 54,17). Galt es den Sieg über Feinde und Versuchungen, die ihnen als solche weit überlegen, unter welchen sie als Schafe unter Wölfen waren, so durften sie, auf den nämlichen Grund gestützt, rühmen: In dem allen überwinden wir weit um deswillen, der uns geliebet hat (Römer 8,37). Galt es die Ausübung der göttlichen Gebote, oder die Übernahme von Leiden, so pochten sie auf ihres Schilos Rechnung: Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht. Galt es das Durchkommen durch diese Welt oder das Beharren bis ans Ende, so waren sie für sich und andere des in guter Zuversicht, daß der in ihnen angefangen habe das gute Werk, der werde es auch vollführen bis an den Tag Jesu Christi. Gilt es noch Stärke, so ist er's, der die Geringen tröstet wie eine Mutter; der eine gelehrte Zunge hat, mit den Müden ein Wort zu seiner Zeit zu reden. Gilt's Hülfe, so ist er ein Meister zu helfen, und an dem keiner zu Schanden wird, der sein harret. Gelte es, was es wolle, so tritt er daher und fragt: Was willst du, daß ich dir tun soll? O gäbe es nur der Blinden, Krüppel und dergl. viel, die ihm auf solche Frage schon Antwort zu geben wüßten, und so in ihnen selbst erführen, was es um diesen Schilo ist! Wir werden auch gar nicht in Zweifel gelassen, welches die Personen sind, die sich sein getröstet mögen, und welche nicht. Nein, es wird teils keineswegs so ins Blaue hinein geredet, als ob's alle und jede anginge, mögen es Bußfertige sein oder nicht, Gläubige sein oder nicht; mögen sie nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, oder nur die Erde begehren; mögen sie über ihre Sünden und Unarten, über ihre Trägheit, Torheit und Ohnmacht Leid tragen oder sich darin gefallen; mögen sie sich zu Jesu wenden oder es lassen. O nein! Ihr seid wohl rein, sagt Jesus, aber nicht alle. Er scheidet Schafe von Böcken, Gläubige von den Ungläubigen, Bußfertige von den Unbußfertigen. Teils wird das Wort von Christo auch nicht so aufs Ungewisse hin geredet, als ob's erst in jener Welt kund würde, welche er vorher versehen hat; denn welche er zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet, daß sie gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes (Römer 8,29). An den Früchten sollt ihr sie erkennen. Er nennt ja selbst die Armen als diejenigen, denen das Evangelium gepredigt wird, und welcher das Himmelreich sei; die leide tragen als die, die getröstet werden sollen; diejenigen, die da hungern und dursten nach der Gerechtigkeit, die, so reines Herzens sind, als solche, die gesättigt werden und Gott schauen sollen. Und so ist's ja gewißlich wahr und ein teures wertes Wort, daß Christus Jesus ist gekommen in die Welt, die Sünder selig zu machen. Wo, wollten doch auch Sünder, die tot sind in Sünden, und in deren Fleisch nichts Gutes wohnet, wo wollten sie doch finden, was zu ihrem Frieden dient? Wo wollten sie selbst die Buße, den Glauben, die Hoffnung, die Liebe finden, wenn der, der uns den Schilo gegeben, uns mit ihm nicht alles geschenkt hätte? Nicht zu verwundern ist es demnach, wenn er zur Martha sagte: Eins ist not! und dies ist auch uns zur Nachricht und Nachahmung aufgeschrieben. Zar erklärt sich Jesus etwas näher darüber, was er unter diesem Eins und dem guten Teil verstehe, was Maria gewählt habe, und was nicht von ihr genommen werden würde; aber diese Erklärung wird sich schon zur Zeit finden, vorausgesetzt, daß wir unsere Seligkeit schaffen mit Furcht und Zittern. Der große Apostel Paulus erlebte auch eine Zeit, wo er ausrufen mußte: Ach, ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? wo die Sünde in ihm lebendig, und er überaus sündig wurde durchs Gebot; wo er Wollen des Guten hatte, es ihm aber am Vollbringen fehlte; wo er das Gesetz in seinen Gliedern spürte, welches ihn gefangen hielt in der Sünde Gesetz, so daß er das Gute, was er wollte, nicht tat, und das Böse tat, was er nicht wollte. Aber darauf folgte eine Zeit, wo er ausrufen konnte: Ich danke Gott durch Christum. So diene ich nun mit dem Gemüte dem Gesetz Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde. Ich habe alles für Schaden geachtet gegen die überschwengliche Erkenntnis Jesu Christi (Phil. 3,8).

Dieser Schilo ist die Hauptsache in dem Segen, den Juda empfängt, wiewohl das Meiste, was von ihm gesagt ist, in ein geheimnisvolles Dunkel eingehüllt und in seltsamen Bildern vorgetragen wird, wie es dem damaligen Stand der Kirche angemessen war. Deshalb bekam Israel in jenem nächtlichen Kampf auch keine Antwort auf die Frage: Wie heißest du? die er dem Manne tat, der mit ihm rang. Und überhaupt entsteht die rechte Klarheit erst durch die Erleuchtung des heiligen Geistes; da wird das Weissagen zu einem Verstehen und Erkennen. Wir haben ein festes prophetisches Wort, und ihr tut wohl, daß ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheinet in einem dunkeln Ort, bis der Tag anbreche, und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen (2 Petri 1,19). Übrigens bezeichnet Israel den Juda als denjenigen, von welchem der seinem Großvater Abraham verheißene segnende Same abstammen sollte, welches er natürlich nur aus einer göttlichen Offenbarung wissen konnte. Von diesem Schilo sagt der heilige Erzvater: Er wird kommen. Er war also noch nicht da. Zwar sagte Jesus zu den Juden: Ehe Abraham war, bin ich, und Johannes steigt noch höher hinauf, wenn er schreibt: Im Anfang war das Wort. Allein dieses ist von seiner Gottheit zu verstehen, wie Paulus Hebr. 1 von ihm sagt: Gott, dein Stuhl währet von Ewigkeit zu Ewigkeit. Zu dem Glaubensbekenntnis der alten Kirche gehörte aber die Versicherung: Er wird kommen, und es hieß: Ob er verzeucht, harre sein! Die Art seines Kommens ward auch immer deutlicher bestimmt, so daß Jesaias von ihm sagt: Er werde als ein Kind kommen, von einer Jungfrau geboren, und Micha Bethlehem als den Ort nennt, woraus der Herzog kommen werde, dessen Ausgänge von Anfang und von Ewigkeit sind. Glaubte nun sogar eine Samariterin: Wenn der Messias kommt, so wird er's uns alles sagen, so knüpften die gläubigen Juden noch vielmehr die herrlichsten Erwartungen an sein Kommen. Er sollte aber kommen und ist jetzt gekommen als ein göttlicher Gesandter an die Menschen, ihnen seinen Willen kund zu machen; als das große und einzige Opfer für die Sünde, um selbige zu versöhnen; als der vollkommene Arzt, um sie von der Sünde und ihren schrecklichen Folgen zu heilen; als der mächtige Erlöser derer, die auf Hoffnung gefangen liegen; als der Weg, die Wahrheit und das Leben; als der wahre Hirte der Schafe und die einzige Tür, durch welche man Eingang findet; als das Licht, zu erleuchten die Heiden, als der Trost Israels und das Heil der Welt. Er ist gekommen vom Himmel auf diese Erde, und dies nicht mit Glanz und Herrlichkeit, sondern in tiefste Knechtsgestalt eingehüllt, nicht um sich dienen zu lassen, sondern daß er diene; ist gekommen, um den Himmel gegen einen Stall und den Thron gegen das Kreuz und die Herrlichkeit gegen Schmach und Fluch und Elend zu vertauschen, damit er die Seinigen zur Seligkeit und Herrlichkeit erhöbe. Er ist gekommen, die Missetat zu versöhnen, und die nur ihm überwindliche Sünde vom Thron zu stürzen und den starken Gewappneten zu binden, um ein Reich zu errichten, das inwendig im Menschen ist und in Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen Geist besteht; gekommen, nicht den Frieden zu bringen, sondern den Krieg; gekommen zum Gericht, daß die Sehenden blind, und die Blinden sehend werden; gekommen, nicht die Gerechten, sondern die Sünder zur Buße zu rufen; gekommen, zu trösten alle Traurigen. Er kommt noch zu einer Seele, wenn er sie in die Buße leitet, sie tröstet und stärkt und heiligt, oder auch sie heilsam schilt, sie stäupt, sie demütigt und züchtigt, damit sie mehr gereinigt werde und seine Heiligung erlange. Alsdann erscheint er der Seele wohl als ein Grausamer, als ein Eiferer, der mit der Peitsche in der Hand und Stühle und Tische umwerfend, seinen Tempel reinigt. So kommt er das eine Mal als ein rauher, brausender Nordwind, der Eichbäume entwurzelt und nur das Niedrige schont, das sich vor ihm zur Erde biegt. Jetzt kommt er als ein besänftigendes Öl, dann als ein beißender Wein, als die Seife der Wäscher oder das Feuer eines Goldschmiedes; zuweilen scheint er auch zu verziehen. Wohl aber allen, über die er in Gnaden, wehe aber allen Verächtern, über die er im Zorn mit Feuerflammen kommt! Begegnet deswegen dem Herrn eurem Gott, küsset den Sohn, daß er nicht zürne, demütiget euch vor ihm, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Auch die Kirche des neuen Testaments betrachtet ihn als einen Kommenden; denn er wird kommen, wie ihn die Jünger sahen gen Himmel fahren. (Apg. 1,11). Und wie sahen sie ihn gen Himmel fahren? Segnend. Zu allen Zeiten hat die Kirche seiner Zukunft entgegen gesehen und sich ihr entgegen gesehnt. Schon zwei tausend Jahre hindurch hat sie auf sein Geheiß gebetet: „Dein Reich komme“ und schon oft gemeint, sie nähme die Zeichen seiner Zukunft wahr, und sich doch wieder zu neuem Harren verwiesen gesehen. Sie erwartet aber noch vor der letzten Zukunft Christi zum Gericht, eine alle vorigen weit übertreffende Erweisung seiner herrlichen Macht und Gnade, eine Zerstörung des Unglaubens, des Aberglaubens und des antichristlichen Wesens, in der Bindung des Satans auf tausend Jahre, in Erfüllung der dem alten Volke Gottes gegebenen Verheißung, in Bekehrung der Heiden, in reicher Ausgießung des heiligen Geistes über alles Fleisch, wodurch die Erkenntnis des Herrn, wie mit Wasser des Meeres bedeckt, groß werden wird (Jes. 11,9); in der Aufhebung des Kriegs, in der Sammlung zu einer Herde und einem Hirten. Hierum hat die Kirche schon an zwei tausend Jahre gebetet, und wenn endlich das mehr als tausendjährige Gebet mit der Erfüllung zurückkommen wird, so wird das freilich etwas geben, wobei uns sein wird wie den Träumenden; etwas, das alle Erwartungen übertreffen wird, das also des heißen Verlangens aller Gläubigen unendlich wert ist. Und dies Verlangen wird ja in unsern Zeiten sehr angefeuert, teils durch allerhand betrübte Ereignisse, wegen eines heftigen Unglaubens, Verfall in Lehre und Leben, Sorglosigkeit und Ruchlosigkeit der Menschen, teils durch allerhand sehr erfreuliche Ereignisse, als da sind: Die bewunderungswürdige Verbreitung der heiligen Schrift in allen Sprachen der Erde; die eifrige Tätigkeit zur Ausbreitung des Evangelii unter Juden und Heiden und die glücklichen Erfolge derselben, die merkwürdigen Erweckungen, die sich an vielen Orten in der Christenheit zeigen, und der Widerstand, den sie finden, so wie die angenehme Erfahrung, daß nicht wenige von den jungen Gottesgelehrten dem Evangelio gehorsam werden. Dies alles muntert auf, desto eifriger zu schreien: Ja, komm, Herr Jesu! Endlich erwartet die Kirche die Zukunft Jesu Christi zum Weltgericht, wo wir alle vor seinem Richterstuhl offenbar werden müssen, auf daß ein jeglicher empfahe, nachdem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei gut oder böse.

Der heilige Erzvater hat hier aber insbesondere die Erscheinung des Schilo ins Fleisch im Auge, wiewohl das Alte Testament die zweite Zukunft damit zu verknüpfen pflegt, weshalb auch die Jünger glaubten, das Reich Jesu Christi würde noch während seines Wandels auf Erden in seiner ganzen Herrlichkeit offenbar werden, was es doch bis auf diese Stunde nicht ist.

Er bestimmt den Zeitpunkt seiner Erscheinung im Fleisch durch zwei Umstände, nämlich: Das Szepter würde von Juda nicht entwendet werden, noch ein Meister von seinen Füßen, bis daß der Schilo komme. Das Wort, welches Luther durch Szepter übersetzt, hat diese Bedeutung allerdings, eigentlich heißt es doch Stamm. Diese Redensart zeigt teils überhaupt an, daß Juda so lange ein abgesonderter, für sich bestehender Stamm sein und bleiben werde, bis der Schilo werde gekommen sein, aber auch nicht länger, teils insbesondere, daß der Stamm oder die Linie, aus welcher er entspringen würde, ebenfalls bis so lange würde nachgewiesen werden können. Dies eine sowohl wie da andere ist eine höchst merkwürdige Weissagung, deren in die Augen leuchtende Erfüllung die Wahrhaftigkeit des göttlichen Wortes auf eine auffallende Weise dartut. wie leicht war es nicht möglich, daß der Stamm Juda in einem Zeitraum von zwei tausend Jahren und darüber, entweder ausstarb, oder durch die vielen Kriege ausgerottet wurde, oder sich sonst unter andere Stämme verlor.

Wo sind die zehn Stämme geblieben, welche in die assyrische Gefangenschaft gerieten? Wie leicht war es möglich, daß dem Stamm Juda in der babylonischen Gefangenschaft das Nämliche widerfuhr. Aber voll Zuversicht sagt Jakob: Es wird nicht geschehen, und es geschieht auch nicht. Ja, wie viel leichter war es, daß ein einzelnes Geschlecht unterging, woraus der Schilo hervorgehen sollte. Aber auch dies sollte nicht sein und war nicht; sondern da Christus geboren wurde, war man noch vollkommen imstande, seine Abstammung von Juda und David auf eine unleugbare Weise darzutun, wie uns ja Matthäus und Lucas dies Geschlechtsregister liefern, und letzterer sogar bis auf Adam. Nicht weniger merkwürdig ist es, wenn Jacob zu erkennen gibt: Länger als bis zur Ankunft des Schilo werde Juda kein abgesonderter Stamm bleiben, welches ja auch augenscheinlich in Erfüllung gegangen ist, da die Juden seit der Zerstörung Jerusalems keinen einzigen Stamm mehr nachweisen können. So beweiset demnach sowohl die lang erhaltene Absonderung des Stammes Juda als das Aufhören desselben die Wahrhaftigkeit der heiligen Schrift überhaupt, so wie die Erfüllung der Verheißungen unsers Textes insbesondere.

Das andere Zeichen besteht darin, daß auch der Meister oder Gesetzgeber nicht eher aufhören sollte, bis der Schilo gekommen wäre. Dieser Meister oder Gesetzgeber ist der hohe Rat, welcher das jüdische Volk, Wesen und den äußerlichen Gottesdienst aufrecht erhielt. Dieser Gottesdienst, der sehr kostspielig war, sollte alles Druckes ungeachtet als ein Schattenriß der zukünftigen Güter erhalten bleiben, bis der Schilo komme. Und er wurde erhalten. Obschon Nebukadnezar den Salomonischen Tempel gänzlich zerstörte, so ward er doch 70 Jahre später wieder auferbauet, und von diesem zweiten Tempel, der dem ersten an Pracht durchaus nicht gleich kam, verheißen: Seine Herrlichkeit sollte dadurch viel größer als die des ersten werden, daß der Herr selber zu demselben kommen werde, welches in der Person Jesu Christi wirklich geschah. Jetzt war der Körper selbst da, nun mußte der Schatten schwinden, und er schwand auch, da der Tempel vierzig Jahre nach Christi Himmelfahrt zerstört ward, um nie in seiner vorigen Art wieder aufgebaut zu werden.

Endlich gedenkt der heilige Erzvater der Frucht der Erscheinung des Schilo, wenn er sagt: Dem werden die Völker anhangen oder gehorchen. In diesem Worten liegt die Anzeige, daß der Schilo unter Jakobs Nachkommen bei seiner Erscheinung so sonderlich viele Anhänger nicht finden werde, daß er an ihrer Statt deren aber unter allen Völkern dennoch finden werde. So deutlich kündigte Jakob die ferne und segensvolle Zukunft an. Wir sind des freilich alle überzeugt, daß der Schilo gekommen sei. Möchten wir alle auch Beweise von der Erfüllung des letzten Teils der Weissagung des heiligen Erzvaters sein: Dem werden die Völker anhangen! Freilich bekennen wir uns zu der christlichen Religion und nennen uns nach Christo Christen; aber größtenteils so, wie es dort von den Juden heißt: Sie sagen, sie seien Juden und sind's nicht. Darauf kommt's an, daß wir ihm anhangen, welches nur mit unserm Sinn, mit unserm Herzen, mit unserm Verlangen geschieht, mit unserer Liebe und Vertrauen. Sollen wir ihm anhangen, so müssen wir von allem andern ablassen, denn: Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht wert. Freilich, wer sich so als den armen, den elenden, verlorenen Sünder, und Jesum als den einigen und vollkommenen Seligmacher kennen lernt, wer keine andere Zuflucht, Rettung, Hülfe und Seligkeit zu finden weiß, als bei diesem Schilo, bei dem wird sich auch schon das Anhangen finden. Wie hing ihm jener blinde Bartimäus mit seinem Geschrei: Jesu, du Sohn Davids, erbarme dich mein! an, um von seiner Blindheit geheilt zu werden, mochte ihn schweigen heißen, wer wollte. Wie hing ihm jenes kanaanäische Weib an und ließ mit ihrem Flehen nicht ab, mochte er sogar selbst sie abzuweisen scheinen! Werdet ihr erst eure Sündennot recht gewahr, und sie muß erst zu einer Not werden, o wie wird sich da das Anhangen schon finden! Werdet ihr sodann gewahr werden, wie sehr mit Recht er Schilo, Ruhegeber, heißt, und wie er reicht macht, gewahr werden, wie ihr arm in euch selbst seid und bliebt, o wie innig werdet ihr ihm anhangen! Suchet derhalben diese Seelengestalt, so werdet ihr inne werden, daß, die dem Herrn anhangen, ein Geist mit ihm sind. Amen.


Dritte Predigt

Der heilige Apostel heißet die gläubigen Korinther Kap. 1, 26. die Gemeine ansehen, wo sie nicht viel weltliche Weise und edle Glieder unter sich gewahr werden würden, und fügt dann im folgenden Verse hinzu, daß Gott das Törichte, Schwache, Unedle, Verachtete, ja was nichts ist, erwählet habe. Dies ist eine alte, fortwährende Regel, die Gott in seiner Haushaltung befolgt, und wovon es im großen und kleinen, im ganzen und einzelnen, vielfache Beweise gibt. Das ganze Volk Israel ist ein Beleg davon. Es gab, wie Gott selbst sagt, andere Völker, welche in aller Absicht dieses Volk übertrafen; er ging aber an ihnen vorbei und nahm diese heraus. Was waren doch die Apostel für Leute, um sie unter die Völker zu senden, wie gar nicht geeignet, daß durch solche der Zweck erreichbar schien, wozu sie gesandt wurden! An Gelehrsamkeit fehlte es ihnen, Paulus ausgenommen, ganz, und sie schien doch sehr nötig, um bestehen zu können, wenn sie mit Gelehrten möchten zu tun haben, wo sie ja Gefahr liefen, in ihrer Unwissenheit und Blöße dargestellt zu werden. An Beredsamkeit fehlte es ihnen nicht weniger, und die galt doch bei den Heiden alles, und offenbar konnten sie weder gegen das Eine noch gegen das Andere an. Wurden sie nach weltlicher Gelehrsamkeit und Beredsamkeit gefragt, so mußten sie sich für überwunden erklären; sie durften sich auch der Vorschrift ihres Herrn gemäß auf nichts vorbereiten, sondern mußten sich auf eine außer ihnen befindliche, fremde Weisheit verlassen, die ihnen zur Stunde gegeben werden sollte. Was ist das aber für ein mißlicher und schmaler Weg für die Vernunft; ja, nehmen wir an, daß in den angeführten Worten auch gleichsam der Reiseplan und der Entwurf der Führung jedes Einzelnen enthalten ist, so möchte man ja auch ausrufen: Das widerfahre dir nur nicht! Soll dasjenige, was weise und stark, ja sogar das, was etwas in uns ist, zu nichts werden, so sieht's seltsam und bedenklich aus. Ob das auf eine liebliche oder schmerzhafte Weise zugehet, davon werden wir wohl nicht eher richtig zu urteilen imstande sein, bis die Reihe an uns kommt, und bis wir die Erfahrung davon machen. Überhaupt mag zwischen dem wirklichen Christentum, das nicht in Worten, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft bestehet, und der Vorstellung, die sich unser Verstand davon macht, wohl ein größerer Unterschied stattfinden, als man meint, und ein Geförderter andere Ansichten davon haben, als ein Anfänger. So viel scheint gewiß oder ist vielmehr gewiß, daß es eine sehr herrliche Sache um ein wahres Christentum sei, daß man aber dabei nicht klimmt, sondern herunter steigt. Die Erfahrung weist es so aus. Es wird uns zugemutet, sehr armselige Gedanken von uns selbst zu haben, wozu uns auch unsere diesmalige Betrachtung manches an die Hand geben kann.

Er wird sein Füllen an den Weinstock binden und seiner Eselin Sohn an den edlen Reden. Er wird sein Kleid in Wein waschen, und seinen Mantel in Weinbeerblut.

Seine Augen sind rötlicher denn Wein, und seine Zähne weißer denn Milch.

1. Mose 49,11.12.

Der fromme Erzvater hat von einer merkwürdigen Person geredet, welche aus Juda entspringen wird, und hier beschreibt er:

- seine Tat, - seine Eigenschaften.

Was seine Tat anbetrifft, heißt's davon: Er wird sein Füllen an den Weinstock binden etc. Dies scheint teils nichts großes oder sonderliches zu sein, teils etwas seltsames und ungereimtes. Überhaupt, so edel und erhaben das vorhin gebrauchte Bild von einem Löwen, so gemein und unedel ist das Bild von einem Esel; und das Binden desselben an den Weinstock und an den edlen Reben scheint eine Handlung zu sein, die man eher lächerlich als bemerkenswert finden möchte, die wenigstens nichts wichtiges ist. Ein Esel ist ein vor andern her verachtetes Geschöpf. Seine Gestalt, seine Stimme, seine Eigenschaften, sind auch gar nicht geeignet, ihm Achtung zu verschaffen. Er scheint dazu geboren, von jedermann unter die Füße getreten zu werden und bekommt nur Spreu und Disteln zum Lohn seiner Arbeit und zur Unterhaltung seines Lebens. Man bürdet ihm die schwersten Lasten auf und schlägt ihn noch dazu. Es ist seltsam, wie er sich in diese Weissagung gleichsam verirrt, und wie Jakob gegen alle Regeln des Geschmacks und der Wohlredenheit von einem Löwen auf einen Esel gerät. Dies Bild ist gar nicht geeignet, um von seinem Schilo und dessen Thun eine hohe Vorstellung zu erregen, und man sollte denken, Jakob hätte wohl etwas vortrefflicheres von demselben angeführt, als seinen Esel und dessen Füllen, welche gar keine Bilder des Reichtums, der Macht und der Ehre sind, sondern eher etwas niedrigeres andeuten. Ist's anders nichts? möchte man sagen. Bist du's, der da kommen soll? Ja Juda, du bist's! das Binden eines Esels an den Weinstock und an den edlen Reben scheint auch eher etwas ungereimtes und zweckwidriges, als etwas von Bedeutung zu sein, und nur auf eine ungewöhnliche, wunderliche Handlungsweise zu deuten, die manchem eher lächerlich als ehrwürdig vorkommen möchte, wo man's nicht gar anstößig und unnatürlich finden möchte. Das ist alles wohl wahr.

Wir müssen aber wissen, daß der heilige Geist, durch welchen getrieben, die heiligen Männer Gottes geredet haben, zwar Beweise genug in vielen Stücken der heiligen Schrift gegeben hat, daß er seine Werkzeuge, die Propheten, mit einer Beredsamkeit begeistern kann, wogegen alles weit zurück bleibt, was es sonst an Beredsamkeit begeistern kann, wogegen alles weit zurück bleibt, was es sonst an Beredsamkeit gibt, daß er's aber dennoch gar nicht die Mühe wert geachtet, sein Buch, die heilige Schrift, durch genaue Befolgung der Regeln der Beredsamkeit auch solchen zu empfehlen, denen der Inhalt derselben gleichgültig und unverständlich bleibt; daß er sie weit eher in einer Art hat aufsetzen lassen, die sehr geeignet ist, solche abzuschrecken, die für den Inhalt keinen Sinn haben. wie wenig ladet z.B. das Geschlechtsregister, womit Matthäus die erste Seite des neuen Testaments beginnt, zur Fortsetzung ein! Wie wenig Zusammenhang ist manchmal unter den Sprüchen sichtbar, und wie kommt nirgends das geringste vor, das bloß dazu dastände, den Lesern Vergnügen zu machen. Wie trocken werden die allererhabensten Gegenstände, wie z.B. das leiden Jesu Christi erzählt, gerade als wäre den Beschreibern selbst nichts, oder doch beinahe nichts daran gelegen gewesen, und als wollten sie ihre Leser auch gar nicht dafür interessieren. Nie wird ein Lehrsatz für sich abgehandelt, daß man etwa ein Kapitel fände, das z.B. von der Dreieinigkeit, ein anderes, das von dem Verderben des menschlichen Herzens, wieder eins, das von der Erlösung durch Christum, eins, das von der Rechtfertigung, und eins, das von der Heiligung handelt, etwa wie der Katechismus verfährt. Wäre unsere Weisheit bei Abfassung der Schrift zu Rate gezogen worden, so möchten wir ihr wohl eine solche systematische Form gegeben und damit dem Meinungsstreit vorgebeugt haben. Aber auch in dieser Hinsicht waren unsere Gedanken nicht die des Herrn. Nach der herrlichen Fülle, womit die Apostel redeten und schrieben, bringen sie überall ein ganzes hervor und reden z.B. von der Rechtfertigung so, daß alsbald ihre Frucht in der Erneuerung zum Vorschein kommt; bald redet die Schrift so, als ob der Mensch das Gute aus sich selbst zustande bringen könne, und gibt ihm die größten Gebote, daß es sogar heißt: Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist, und indem man im Begriff ist, daher den Schluß zu leiten, als ob jedem Menschen das dazu erforderliche Vermögen inwohne, tritt wieder eine andere Gedankenreihe in den Weg, die ihm alles Vermögen, sogar etwas zu tun, alles Vermögen, etwas zu denken, gänzlich abspricht, oder beides auf die seltsamste Art aneinander knüpft, wenn sie z.B. sagt: Schaffet, daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern; denn Gott ist es, der in euch wirket beides, das wollen und Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.

Auch dies gehört zu der unvergleichlichen Weisheit, womit die heilige Schrift aufgesetzt ist, so daß es dergleichen Bücher weiter nicht geben kann, wobei es nicht so sehr darauf ankommt, was, als wie man lieset, weswegen auch Jesus ebensowohl sage: Sehet zu, was, als wie ihr höret. Die Jünger hatten ohne Zweifel die Schrift auch gelesen, sie verstanden sie aber erst dann, als Jesus ihnen das Verständnis öffnete, was auch an uns geschehen muß. Ferner gibt die heilige Schrift selten oder nie bestimmte Erklärung ihrer Lehren und Gebote, etwas den Glauben ausgenommen, wovon Paulus sagt: Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hoffet, und nicht zweifelt an dem, das man nicht siehet. Sie sagt nirgend, was sie unter Liebe, Fleisch, Geist, alter und neuer Mensch, die Versöhnung, der Gerechtigkeit Gottes u. dergl. versteht, etwa wie im Katechismus Fragen beantwortet werden, was die Wiedergeburt etc. sei; und wenn die Apostel heutzutage predigten, so möchten ihre Predigten schwerlich einen größern Beifall finden als ihre Schriften. Wir haben also noch einen Ausleger der heiligen Schrift nötig und werden an den heiligen Geist, als denjenigen verwiesen, der uns alles lehren werde. Es ist demnach gar nicht zu verwundern, wenn ungeheiligte Gemüter der heiligen Schrift nicht hold sind, und nicht nur ihre Bilder, sondern auch ihre Art und sogar ihren Inhalt seltsam und widerwärtig finden. Mögen sie es auf ihre Gefahr, sie bleibt doch, was sie ist. Sie ist dem Frommen eine Leuchte seines Fußes; sie redet auch da wahre und vernünftige Worte, wenn ein Festus ruft. Du rasest.

Auch die Bilder, die Jakob von seinem Schilo in unserm Text braucht, mögen sie auch dem gebildeten Geschmack nicht einleuchten, enthalten teils lauer Wahrheiten, teils viele Herrlichkeiten. Jakob trägt kein Bedenken, seinen Schilo als einen solchen vorzustellen, der seinen Esel an den Weinstock bindet, der also etwas ungewöhnliches und ungereimtes tut; denn wer bindet wohl einen Esel an einen Weinstock? Aber erschien nicht Christus bei seinem Auftreten in der Welt wirklich so seltsam, daß er selbst den für selig erklärt, der sich nicht an ihm ärgert, und Johannes ihn fragen läßt: Bist du, der da kommen soll? Er findet noch stets wenig Aufnahme, ja man ist feindselig gegen ihn gesinnt, obschon man's nicht Wort haben will. Die eitle Welt macht sich selbst einen Christus, der als Tugendlehrer und Vorbild figuriert, mit dessen Nachfolge sie sich aber gar nicht sonderlich abgibt, der als Märtyrer für die Wahrheit seiner Lehre gestorben sein soll, die sie nicht glaubt und es noch besser wissen will. Gegen einen solchen Christus hat die Welt nichts einzuwenden, denn er ist einer nach ihrer Mode, der keinen Esel an den Weinstock bindet. Ist das eine seltsame Handlungsweise, die sonst nirgends Mode ist, wer kann's leugnen, daß Jesus seltsam in seiner Lehre, seltsam in seinem Verhalten war und ist? Seine Lehre ist wirklich so schnurstracks den Gedanken des natürlichen Menschen entgegen gesetzt und zieht so entschieden, nicht nur gegen alles, was jeder Sünde und Laster nennt, sondern selbst gegen alle eigene Weisheit, Gerechtigkeit und Kraft zu Felde; sie ist für die Eigenliebe so kränkend, daß Jesus wohl Ursache hatte, davor zu warnen, daß man sich seiner Worte nicht schämen solle, und Paulus zu sagen: Er schäme sich des Evangeliums nicht; denn wirklich gehet dasselbe so gegen die vorgebliche ausgemachteste Weisheit an, daß derjenige, der in der Welt für weise und einsichtsvoll gelten will, sich des Evangeliums enthalten, derjenige aber, der dasselbe als Gottes Weisheit und Kraft umarmt, sich gefallen lassen muß, für einen Narren, Schwärmer, ja gar gefährlichen Menschen, gehalten zu werden. Leider schämten die Kirchenlehrer schon in den ersten Jahrhunderten sich der christlichen Lehre vor den heidnischen Weisen und fürchteten sich so sehr, von ihnen ausgelacht zu werden, daß sie die Lehre selbst entstellten und ungern mit der Sprache heraus wollten. Wage es jemand, die menschliche Natur als durchaus verderbt zu schildern, eigene Werke und eigenes Wollen und laufen als vergeblich darzustellen, und die erbarmende Gnade Jesu Christi als die einzige Rettung zu verkündigen, so kommt's zwischen ihm und dem ansehnlichen Teil der Welt zu einem Bruch, den er vielleicht mit dem Leben büßen muß, wofür er wenigstens ihren Zorn erntet.

Seltsam war der Schilo auch in seinem Verhalten, und gar nicht nach der Mode, sondern band sein Füllen an den Weinstock. Hinter seinem Rücken lästerte man ihn wohl als einen Fresser und Weinsäufer; aber wenn er sie ins Angesicht fragte: Wer kann mich einer Sünde zeihen? dann mußten sie schweigen. Sonst möchte man in der Tat wohl sagen, daß er statt stolzer Rosse verächtliche Esel erwählte und sie selbst anband; denn mochte die Verachtung groß sein, welche auf Zöllnern und Sündern ruhte, so verschmähte er sie, so viel ihrer bußfertig waren, so wenig, daß seine Feinde wirklich die Wahrheit von ihm sagten, wenn sie sprachen: Dieser nimmt die Sünder an und isset mit ihnen. Dazu kam noch seine Äußerung: Daß er nicht gekommen sei, die Gerechten zur Buße zu rufen; daß er gekommen sei, die Sünder selig zu machen, das Verlorene zu suchen; und sein Verhalten, wo er die für gerecht gehaltenen Personen angriff, daß man wohl merkte, mit ihm sei nicht zurecht zu kommen, es sei denn, daß man von sich selbst sehr armselige Gedanken hege, wozu sowohl damals als jetzt nur wenig Leute geneigt sind, auch sonderlich keine Ursache dazu zu haben glauben, und lieber die Würde der menschlichen Natur gepriesen haben. Indessen findet der heilige Assaph kein Bedenken, zu sagen: Ich bin wie ein Tier vor dir. Mag ein Esel die verachtetste unter allen Kreaturen sein, so ist doch kein unvernünftigeres Geschöpf höher geehrt worden als gerade er; denn ein Esel war's, der klüger redete, als der aufgeblasene Prophet, der darauf ritt, und ein Esel, nicht ein Roß war's, der gewürdigt wurde, den Herrn des Himmels und der Erde auf seinem Rücken zu tragen. Mag uns ein Esel lächerlich sein, so war es doch dieses Tier, von dem der große Erzvater hier und hernach im prophetischen Geiste weissaget. Und es bleibt gewiß, daß Gott noch stets das erwählt, was verachtet, und liegen läßt, was ansehnlich vor der Welt ist. Wäre es nicht lächerlich anzuhören, so würde man eine ernste und beherzigenswerte Wahrheit aussprechen, wenn man sagte: Es sei besser, in Jesu Reich ein Esel, als im Reich des Teufels ein König zu sein. Mögen die Gläubigen verachtet sein bei der Welt, so sind sie doch groß in den Augen Gottes.

„Er wird sein Füllen an den Weinstock binden!“ Dieses seltsame Bild enthält neben der Wahrheit auch viel Herrliches. Dies Tier erinnert an den Frieden, denn zum Krieg bedient man sich der Rosse, und wenn Offenb. 19 Christus als streitend und siegend vorkommt, so wird er als reitend auf einem Pferde vorgestellt. Der Esel bedient man sich in Zeiten des Friedens. Der Schilo ist der rechte Friedensfürst, er bringt den Frieden zwischen Gott und den Menschen, zwischen Himmel und Erde, er bringt Frieden in die Seele, indem er sowohl das Gewissen beruhigt, als auch die Gemütsbewegungen ordnet, daß das Herz nicht mehr einem ungestümen Meere gleicht, das nicht still sein kann, sondern einem stillen See, auf dessen spiegelglatter Oberfläche sich die Sonne und der ganze Himmel abbildet. Er zieht das Gemüt aus der Mannigfaltigkeit der Sorgen und Mühen in das allgenugsame völlig befriedigende Eins, was not ist, er sammelt die Seele, die sich in der Menge ihrer Wege zerarbeitet, daß sie in ihm Frieden, wenn sie auch in der Welt Angst hat. Und o, wo ist ein Friede, wie derjenige, den er gibt! Er ist höher als alle Vernunft. Wo ist ein Friede, der so begehrenswert wäre? Denn wo er ist, da hat man allenthalben Frieden auf alle Weise, auch mit den Tieren auf dem lande, wie Eliphas, Hiob 5,23 sagt. Und wenn er stillt, wer will beunruhigen? sagt Elihu Hiob 34,29. Mag nun das Bild etwas grob sein, desto feiner ist die Sache, worauf es deutet. Dies Bild deutet auf eine ungemein glückselige Zeit hin. Sind sonst Disteln und Spreu die Nahrungsmittel, womit ein Esel sich begnügt, so bindet ihn der Schilo an den Weinstock, um das Vortrefflichste zu genießen, was es unter den Gewächsen auf Erden gibt, um ungewöhnlicher Weise Wein zu trinken, von dem Jotham in seiner Fabel Richter 5 sagt, er erfreue das Herz der Götter. Dies ist das höchste Bild glückseliger Zeiten, denn was muß andern zu teil werden, wenn dieses verächtliche Tier so hoch gehalten wird? Die Propheten bedienen sich ähnlicher Bilder der durch den Messias zu bewirkenden Glückseligkeit, wenn z.B. Jesaias sagt: Die Ochsen und Füllen werden geworfeltes, von aller Spreu gereinigtes Futter genießen (Jes. 30). Ein fleischlicher Mensch verstehet alles fleischlich, und so träumten sich die Juden unter dem Reich des Messias ein Leben in lauter sinnlichen Wohltaten, und der natürliche Mensch vernimmt überhaupt nichts von den Dingen, die des Geistes Gottes sind. Die Worte Christi sind Geist und Leben. Werden wir nur innerlich mit den reichen Friedensgaben Christi erfüllt und gelabet, so mag es ungemein leicht, daß uns das äußere gut genug ist, was uns beim Mangel der innerlichen Fülle ohne ihn nicht zufrieden stellen kann, und wäre es noch so glänzend.

Hoffentlich werden unsere Ohren so gar fein und verwöhnt nicht sein, daß sie sich weigern sollten, es zu hören, daß hier das Lasttier, und insbesondere das Füllen, die Gläubigen aus den Heiden, der Eselin Sohn aber die Nachkommen jener Juden abbildete, welche, nachdem sie Christum verworfen haben, auch verworfen sind; deren späte Nachkommen aber den sehen werden, den jene durchstochen haben, und werden darüber weinen, wo sie sich dann zu dem Herrn bekehren werden. Was sollte unter des Schilo's Esel anders verstanden werden können, als seine Gläubigen? Und wer ist der Weinstock anders, als er selbst, der sich Joh. 15 also nennt? Alles aber, was der Begriff eines Esels verächtliches, häßliches und widerliches in sich faßt, das ihn zu nichts weniger berechtigt, als an den Weinstock gebunden zu werden, um sich an demselben nach aller Herzenslust zu laben und zu ergötzen, das alles wird durch das Wörtlein: sein, „Er wird sein Füllen,“ überflüssig erstattet. Mag's eine häßliche, verachtete Kreatur an sich selbst sein, da der Jakob den Schilo auch als einen majestätischen Löwen schildert, sie dessen ungeachtet sein nennt, so wird keinem zu raten sein, diese Kreatur oder ihre Lehre zu verachten oder zu mißhandeln, der Schilo möchte es ungnädig aufnehmen und strafen. Mochten jene sagen: Nur das Volk, das nichts vom Gesetz weiß und verflucht ist, läuft ihm nach, so gebot er doch: Lasset diese gehen, und sagt nicht die Gemeine: Sehet mich nicht an, daß ich so schwarz bin? und wiederum: Wer will verdammen, beschuldigen, scheiden?

Wohl dem, der in seinen Augen so dumm, oder, wie Paulus sagt, ein solcher Narr vor der Welt geworden ist, daß er Christum allein als seine Weisheit annehmen muß, der wird gewiß weise genug sein, obschon er mit dem weisen Agur gestehet: Verstand ist nicht in mir, ich habe Weisheit nicht gelernt, und was heilig ist, weiß ich nicht. Wohl dem, der sich selbst so häßlich vorkommt, daß er sich nirgends darf sehen und sich nur muß in Christo erfinden lassen, der sich so verächtlich in seiner Gestalt, Stimme, Beschaffenheit und Benehmen vorkommt, daß er nur durch Christum zu Ehren zu kommen weiß. Er wird ihn an den Weinstock binden durch das Band des heiligen Geistes. Sein Elend, sein Glaube, seine Liebe wird ihn daran binden. Er kennt seines Herrn Krippe. Wo soll er hingehen? Nur dieser hat Worte des ewigen Lebens, und er hat geglaubt und erkannt, daß dieser ist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Und zu welchem Ende werden sie angebunden? Teils, daß es nur eine Gemeine sei. Er selbst wird es zu seiner Zeit bewirken, daß alles ein Hirt und eine Herde werden wird; daß das innigste Band des Friedens sie alle umschlingt, daß eine völlige Einigkeit im Geiste stattfindet, alle einerlei Sprache führen und eines Sinnes sind und sich brünstig untereinander lieb haben, was aber keines andern als sein Werk sein kann. Er wird sie binden, teils zu dem Ende, daß diese nichtswürdigen Tiere das allerbeste essen und das köstlichste trinken, was die Erde hervorbringt, so daß sie trunken werden und rumoren wie vom Wein, wie der Prophet sagt.

Das Gewächs des Weinstocks, der Wein, ist in der heiligen Schrift ein gewöhnliches Bild der vortrefflichsten, auch geistlichen Güter, so daß ja auch Christus den Wein im heiligen Abendmahl als eine Abbildung des neuen Testaments angeordnet hat, so wie von einem Trunkenwerden von den reichen Gütern des Hauses Gottes, vom Vollwerden des heiligen Geistes die Rede ist. Die Trunkenheit macht aber aus den Menschen gleichsam ganz andere Leute, wie sie sonst sind, daß sie auf eine ganz andere Weise sich benehmen und reden wie sonst. Daher sagt die Schrift, der Wein erfreue des Menschen Herz, und Salomon will, man soll den Trauernden Wein geben, damit sie ihres Leides vergessen, er macht die Blöden voll Mutes, die Verschlossenen offenherzig, und die Wortlosen beredt. Die Trunkenheit ist freilich ein großes Laster, welches schon die Vernunft untersagt, und nach der Schrift werden die Trunkenbolde so wenig wie die Geizigen ins Reich Gottes kommen. Gewiß ist's aber, daß die Mitteilung des heiligen Geistes durch den Glauben an Jesum Christum ganz andere Leute aus uns macht, als wir ohne denselben sind: Lebendige, da wir sonst tot waren in Sünden, geistliche, da wir sonst natürliche waren; er, der heilige Geist, macht aus Blinden Sehende, und aus geistlich Lahmen solche, welche laufen den Weg der göttlichen Gebote. Er macht kindlich und offen gegen Gott und Menschen, er erfreut das Herz, daß es sich in muntere Lobpreisungen des Namens Gottes ergießt, er macht es mutig und getrost wie junge Löwen, daß es sich vor nichts fürchtet und durch nichts abschrecken läßt. Erscheinen Trunkene in ihrem Verhalten und Reden leicht lächerlich und töricht, so kam das, was die Welt an den Aposteln sah und hörte, derselben vor, daß sie sie beschuldigten, sie seien voll süßen Weines, da sie doch voll Geistes waren. Zu wünschen wäre es, wir möchten alle voll dieses Geistes werden, aus eigner, reichlicher Erfahrung. Wir können es aber besonders an den Aposteln und anderen Christen sehen. War es nicht eine ungeheure Verwegenheit, daß Petrus und die übrigen sich unterstanden, aufzutreten und öffentlich zu lehren und zu predigen, ohne dazu weder bei der geistlichen noch bürgerlichen rechtmäßigen Obrigkeit die Erlaubnis nachzusuchen, bloß dem innerlichen Trieb und gewaltigen Brausen folgend? So stehen sie da öffentlich, brechen durch alles hindurch und predigen den, dem ganzen Volk verhaßten Namen Jesu, und rücken es ihnen als eine ungeheure Sünde vor, daß sie ihn gottloser Weise gekreuziget und getötet haben, ohne jemand zu fürchten, sei er, wer er wolle. Und da sie vom hohen Rat gegeißelt wurden, schwiegen sie fortan so wenig, daß sie sich vielmehr freueten, würdig gewesen zu sein, um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden. Trunken vom heiligen Geiste denken sie: Jesus ist unser König, und so ist alles unser, Himmel und Erde, und gehen hin und verkündigen die Großtaten Gottes. Sodann greifen sie das ganze römische Reich an, ihnen ihren Götzendienst vorrückend, und tun nichts anders, als ob sie Herren wären der ganzen Welt, überall zu gebieten hätten; kein Gefängnis noch Bande scheuend, treten sie vor Könige und Gewalthaber, Gelehrte und Volk, ihnen ewiges Verderben ankündigend, wenn sie nicht hören du gehorchen und die Lehre von einem getöteten und wieder auferstandenen Christus gläubig annehmen, dafür schlägt man sie überall tot, wie Luther hierüber redet.

Aber nicht nur die Apostel und ihre nächsten Schüler, sondern selbst zarte Frauen spotten aller Gewalt, die sich wider sie erhebt; bekümmern sich nichts um den Rachen der Löwen, um Schwert und Scheiterhaufen. Ein Luther wagt's allein, sich gegen die ganze Welt aufzulehnen! Sind diese nicht wie die Trunkenen? Was meinen jene ungelehrten Leute, Fischer, Weiber und ein einzelner Bettelmönch, daß sie, wehrlose Schafe, sich gegen ein Heer von wütenden Wölfen auflehnen und des Sieges gewiß sind, sollten sie auch darüber zu Grunde gehen? Ist Luther nicht ganz toll, daß er sagt: Er wolle nach Worms, und wenn daselbst so viele Teufel wären wie Ziegel auf den Dächern? Das ist die Trunkenheit des Glaubens und der Verheißung des heiligen Geistes, womit zu des Schilo Zeiten alles erfüllt werden sollte, daß sie den Tod, Teufel und alles Übel für nichts achteten und besiegten. So erstaunt die Welt noch immer und weiß nicht, wie sie sich dabei anstellen soll, wenn durch den heiligen Geist Erweckungen bewirkt werden, die nicht bei einzelnen Personen bleiben, sondern weit um sich greifen, so daß sie ruchbar werden. Sie spottet ihrer, wie man Trunkener zu spotten pflegt, hält sie für närrische und schwärmerische Köpfe, oder gar für gefährliche Leute, über welche man ein wachsames Auge haben muß. Aber ach! Möchte es dem heiligen Geiste gefallen, unserer ganze Scharen an den Weinstock zu binden, damit wir seines Gewächses essen und trinken, und trunken werden! Möchten so des Herren Großtaten unter uns groß werden! Möchte sich dann die Welt blind daran ärgern, sie hätte einen Anlaß dazu, wodurch der Vater im Himmel gepriesen würde! Möchte so die Zahl der an den Weinstock gebundenen sich mehren, und so der Priester Herz voll Freude werden, und des Herrn Volk seiner Gaben die Fülle haben! Amen.


Vierte Predigt

Zu der Zeit wird das Haus Davids und die Bürger zu Jerusalem einen freien, offenen Born haben wider alle Sünde und Unreinigkeit. So sagt der Prophet Sacharja, 13,1. In diesem Spruch wird erstens von einem Brunnen wider die Sünde und Unreinigkeit geredet, und wen dabei des Hauses Davids gedacht wird, so beschuldigt dies zugleich alle Welt der Sünde und Unreinigkeit. Die Allgemeinheit des Übels verringert aber seine Wichtigkeit und Bedenklichkeit nicht, da es ohnehin das höchste Übel ist. Diejenigen sind also in einem äußerst kläglichen und schädlichen Irrtum befangen, die sich eben deshalb wenig daraus machen, daß sie Sünder sind, weil alle anderen es auch seien. Aber diejenigen sollten erst einmal lernen, daß sie Sünder sind, dann würden sie mit Paulo sagen: Was andere sind oder gewesen, kümmert mich nicht. Zweitens liegt in diesem Spruche die Wahrheit, daß man sich selbst nicht reinigen könne. Dies geben einige gern zu, um nur, aller Mühe enthoben, fortschlummern zu können, und so hat die Wahrheit durch ihre eigene Schuld bei ihnen die Wirkung eines tödlichen Giftes, was sie auch nicht besser verdienen. Andere sträuben sich dagegen, weil ihre Krankheit im Selbstvertrauen besteht, die sich darin zeigt, daß sie Arznei zurückweisen. Einige ängstiget es, weil sie der Arznei nicht trauen, oder besorgen, sie gehörten weder zu dem Hause Davids noch zu den Bürgern zu Jerusalem. Andere demütiget es und leitet sie recht. Die dritte Wahrheit, die wir hier niedergelegt finden, ist die: Es gibt einen Born wider die Sünde und Unreinigkeit. Mag er von noch so vielen verschmäht werden, und das Haus Davids, an welchem er seine Kraft erweiset, eben nicht zahlreich sein, so hebt dies die Wahrheit nicht auf. Sie steht aber hauptsächlich für diejenigen da, denen der Feind und der Unglaube gern glauben machen möchte, es sei kein Retter da. Das ist's aber doch, dein Unglaube mag sagen, was er will. Auch gegen diese Sünde des Unglaubens ist ein Born geöffnet; aber wo ist dieser Born anzutreffen? Es wäre wohl genug, darauf aus Hiob 28,23 zu antworten: Gott weiß seine Stätte; denn der Wievielte ist um die Antwort verlegen! Was soll dem Tauben das Saitenspiel? Der Text sagt auch nichts davon, und wenn wir das Folgende lesen, so geht es wunderlich durch einander, bis derjenige, wo er anzutreffen ist, wirklich genannt, und von dem Herrn der Mann, der ihm am nächsten, und der Hirte genannt, auch von ihm gesagt wird: Er wird seine Hand zu den Kleinen kehren. Für das Haus David war dies genug gesagt, und es ging ihm, wie den Weisen aus Morgenland, denen Herodes gar nicht zu sagen brauchte: Forschet nach dem Kinde. Es ist einer, der sein Kleid in Wein und seinen Mantel in Weinbeerblut wäscht.

Er wird sein Kleid in Wein waschen und seinen Mantel in Weinbeerblut. Seine Augen sind rötlicher denn Wein, und seine Zähne weißer denn Milch.

1. Mose 49,11.12

Die Weissagung Jakobs vom Schilo wird auch diesmal den Gegenstand unserer Betrachtung ausmachen. Es geschiehet aber im 11. Vers Meldung von seinen ferneren Taten, und im 12. von seinen Eigenschaften. In geheimnisvollen Bildern fährt der sterbende Erzvater Israel fort, die glücklichen Folgen der Zukunft des Schilo zu schildern, wenn er von ihm sagt: Er wird sein Kleid in Wein waschen und seinen Mantel in Weinbeerblut. Der alte Israel redet in Bildern und erläutert sie nicht, sondern überläßt die Erläuterung der Zeit der wirklichen Erfüllung. Seine Bilder lassen mehrere Deutungen zu, ja alle diejenigen, welche schriftgemäß und dem Glauben ähnlich sind. Und so ist es nicht schwer, ihre Deutung zu finden. Israel drückt sich schön aus und zierlich. Es würde matt lauten, wenn er gesagt hätte: Er wird sein Kleid und seinen Mantel in Wein waschen, oder nicht so wohl klingen, wenn er sagte: Er wird sein Kleid in Wein waschen, und seinen Mantel in Wein, als es nun heißt, wenn er spricht: Er wird sein Kleid in Wein waschen und seinen Mantel in Traubenblut, welches nichts anderes ist als Wein; und was ist Wein anders, als gleichsam das Blut der roten Trauben, wie denn diese im gelobten Lande die gewöhnlichsten waren. Jedoch bemerkt Luther, daß das Bild vom Waschen der Kleider in rotem Wein nicht weniger ungereimt sei als das vom Binden des Füllens an den Weinstock. Die Pracht der Morgenländer bestand in weißen Kleidern von kostbarer Leinwand. Jener reiche Schlemmer trug roten Purpur, aber zugleich die feinste ägyptische Leinwand. Die Priester trugen schneeweiß, und selbst die Engel erschienen in langen weißen Kleidern; ja die Kleider des Sohnes Gottes selbst wurden bei der Verklärung so weiß wie der Schnee, daß sie kein Färber auf Erden konnte so weiß machen. (Mk. 9,3). Und als Johannes ihn im Gesichte sah, hatte er gleichfalls ein bis auf die Füße herabhängendes weißes Gewand mit einem goldenen Gürtel; selbst sein Haupt und seine Haare waren weiß. Offenb. Joh. 3 wird denen, die überwinden, ein weißes Kleid verheißen, womit sie bekleidet werden sollen, und in dem ganzen Buche werden sowohl die himmlischen Ältesten, als die ganze große Schar, welche niemand zählen konnte, als in weiß gekleidet, vorgestellt. Würden nun weiße Kleider in Traubenblut gewaschen, so hieße dies ja nichts anders, als sie ganz und gar verunstalten und verderben. Und der Schilo sollte so etwas Ungereimtes tun? Treffend ist die Bemerkung des heiligen Augustinus, welche Luther hierbei anführt, welcher sagt: „Die Ungereimtheit des buchstäblichen Sinnes zwingt uns, auf den geistlichen zu achten. wir müssen daher das Waschen der Kleider in Wein geistlich deuten, weil es im buchstäblichen Sinne nie, und am wenigsten zu Christi Zeiten in Judäa geschehen ist.“

Was wäre aber der geistliche Verstand dieses ungewöhnlichen Bildes? Es kann offenbar mehrere Deutungen erleiden, die alle gleich wahr sind. Wir führen deren insbesondere drei an. Die erste ist die des gottseligen Lampe, im zweiten Teile seines „Geheimnisses des Gnadenbundes“, welche nachgelesen zu werden verdient. Er versteht diese bildliche Redensart von schweren Gerichten, welche sonderlich in der letzten Zeit, kurz vor dem Anbruch des herrlichen Reiches Christi auf Erden, hereinbrechen werden, und wovon sonderlich in der Offenbarung Johannis sehr ausführlich geredet wird, Gerichte, wodurch Christus seiner Alleinherrschaft Bahn macht, seine Feinde ausrottet, seine Kirche läutert. Daß rote Kleider darauf hindeuten, erhellt aus Jesaja 63, wo es heißt: V. 1. „Wer ist der, so von Edom kommt, mit rötlichen Kleidern vor Bazra? Der so geschmückt ist in seinen Kleidern, und einhertritt in seiner großen Kraft? Ich bin es, der Gerechtigkeit lehret und ein Meister bin, zu helfen.“

V. 2. „Warum ist denn dein Gewand so rot gefärbt, und dein Kleid wie eines Keltertreters?

V. 3 Ich trete die Kelter allein, und ist niemand unter den Völkern mit mir. Ich habe sie gekeltert in meinem Zorn, und zertreten in meinem Grimm; daher ist ihr Vermögen auf meine Kleider gespritzet, und ich habe alles mein Gewand besudelt;

V. 4 Denn ich haben einen Tag der Rache mir vorgenommen; das Jahr, die meinen zu erlösen, ist gekommen;

V. 5. Denn ich sah mich um, und da war kein Helfer; und ich war im Schrecken, und niemand enthielt mich; sondern mein Arm mußte mir helfen, und mein Zorn enthielt mich.

V. 6. Darum habe ich die Völker zertreten in meinem Zorn, und habe sie trunken gemacht in meinem Grimm und ihr Vermögen zu Boden gestoßen.“

So lesen wir auch Offenb. Joh. 19,11.12.13.15.: „Und ich sahe den Himmel aufgetan, und siehe, ein weißes Pferd, und der darauf saß, hieß: Treu und Wahrhaftig, und richtet und streitet mit Gerechtigkeit. Und seine Augen sind wie Feuerflammen und auf seinem Haupte viele Kronen; und hatte einen Namen geschrieben, den niemand wußte, denn er selbst. Und war angetan mit einem Kleide, das mit Blut besprenget war, und sein Name heißt: Gottes Wort. Und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert, daß er die Heiden schlüge.“

Ein erschreckliches Gericht erging vierzig Jahre nach Christi Himmelfahrt über die gottlosen Juden, wo ihre Stadt und ihr Tempel ganz und gar zerstört wurde, so daß kein Stein auf dem andern blieb, und ihrer wenigstens 1,200,000 elendiglich ums Leben kamen, daß man die Übriggebliebenen wie das Vieh auf den Märkten verkaufte und keine Käufer fand. Hundert Jahre später, unter Trajan, glaubten sie sich unter einem falschen Messias so erholt zu haben, daß sie sich gegen die Römer auflehnten, so daß sie wirklich 460,000 Römer ums Leben brachten, wofür ihrer aber wieder eine halbe Million mit dem Schwert getötet wurden, ohne diejenigen zu rechnen die durch Hunger etc. umkamen. So erging's den Feinden.

Aber, wie gar unbegreiflich sind des Herrn Gerichte, und wie unerforschlich seine Wege (Röm. 11,33), wenn wir erwägen, daß die Freunde und Gläubigen Jesu Christi ganze 300 Jahre lang in zehn entsetzlichen Perioden aufs grausamste verfolgt wurden; daß dasjenige, welches damals Heiden verübten, nachgehends von sogenannten Christen gegen Christen, kurz nach der Reformation wiederholt wurde, so daß in Paris in einer Nacht 50,000 meuchelmörderisch erschlagen wurden, daß selbst ein Alba rühmte, in den Niederlanden allein durch Henkershände 80,000 getötet zu haben, und daß nach dem Bericht einer Frau von Staêl in dem Jahre 1815 zu Nismes und in der Umgegend 180,000 Protestanten ermordet worden sind.

Wir haben nach dem Worte Gottes auch noch vor dem völligen Durchbruch seines Reiches ganz entsetzliche Gerichte zu erwarten, deren eigentliche Beschaffenheit aber erst bei ihrer Verwirklichung sich ausweisen wird. Offenb. 16,16 wird von einer Schlacht bei Harmageddon, Kap. 17,14 von zehn Königen geredet, die mit dem Lamme streiten, und welche das Lamm überwinden wird, und Kap. 14 gesagt: Das Blut wird den Pferden an die Zäume gehen durch 1600 Feldwege, welche Gerichte durch die Wörter: Wein und Traubenblut angedeutet werden. Die Kleider des Schilo und sein Mantel bezeichnen teils seine Herrlichkeit, wodurch er sich kund macht; so heißt's Psalm 104: „Licht ist dein Kleid, das du anhast;“ weil Gott dies zuerst aus der Finsternis hervorrief und sich selbst in seinem Werke sichtbar machte; teils wird unter seinen Kleidern auch seine Kirche verstanden. Sie wird Jeremia. 13 einem Gürtel verglichen, den der Herr um sich gürtet, und Jesaja 62 eine Krone in der Hand Gottes und ein königlicher Hut genannt. Kleider sind auch ein sehr passendes Bild von den Gläubigen, denn Christus hat sich aufs genaueste mit ihnen vereinigt; er ist in ihnen; er zeigt sich als kräftig wirksam in ihnen und achtet sie für sein Eigentum und seinen Schmuck, in welchem er herrlich erscheinen will. Denn wie Kleider den Stand und Reichtum einer Person kund tun, so sollen sie verkündigen die Tugenden dessen, der sie berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht (1. Petri 2,9). Sie sollen etwas sein zum Lobe seiner Herrlichkeit; es soll an ihnen kund und sichtbar werden, was für einem Herrn sie angehören. In dieser Beziehung genießen sie eines vollkommenen Schutzes, denn dieser Schilo hat sich einmal seiner Kleider berauben lassen, aber hinfort nicht mehr; sie genießen die Ehre mit, die der Person widerfährt, deren Kleider zu sein, sie die Ehre haben, und sind mit derselben am nämlichen Orte. Wiederum ist Christus das Kleid der Gläubigen; darum heißt es: „Ziehet an den Herrn Jesum Christum. Ziehet an den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ (Eph. 4,5). Das Waschen seiner Kleider in Wein und seines Mantels in Weinbeerblut bedeutet denn die Offenbarung seiner Herrschaft in Wegräumung alles dessen, was seinem Reiche im Wege stehet: Des Unglaubens und des Ungehorsams, des Aberglaubens und falschen Gottesdienstes vermittelst des zweischneidigen Schwertes, das aus seinem Munde gehet, seines Wortes und seines Geistes. Dann wird's heißen: Wohlauf, du Arm des Herrn, zeuch Macht an! Machet Bahn! Tut die Tore auf, daß das gerechte Volk hereingehe! Bereitet dem Herrn den Weg! Dies wird die Bekehrung großer Scharen zur Folge haben, und die Bekehrten selbst in Heiligkeit leuchten; denn Heiligkeit ist die Zierde deines Hauses. Sie werden bewährt, rein und lauter werden (Dan. 11), daß der Schwächste ein Held sein wird wie David. Dein Volk werden eitel Gerechte, und alle vom Herrn gelehret sein. Alsdann wird's insbesondere von den Gläubigen heißen können: Sie sind aus großer Trübsal gekommen und haben ihre Kleider helle gemacht im Blute des Lammes (Off. 7,14). Es wird aber auch recht kund werden, wie heilig der Herr sei, wie sehr er alles Sündliche und Eitle haßt, und daß, wer böse ist, nicht vor ihm bleibt, sondern daß nur der auf seinem heiligen Berge wohnt und an heiliger Stätte stehet, der heilige Hände hat und reines Herzens ist, der wird Segen von dem Herrn empfangen.

„Er wird waschen“. Er wird solches alles und zwar eilend tun. Er wird aber kommen wie ein Dieb in der Nacht, ja wie ein Blitz, wenn die Leute sagen: Mein Herr kommt noch lange nicht, und meinen, sie könnten' s treiben, wie zur Zeit der Sündflut. Merket aber auf die Zeichen der Zeit. Wohl dem, der sich bereit hält, wacht und seine Kleider bewahrt, daß er nicht bloß wandle! Denn es wird auch dahin kommen, daß, wo es möglich wäre, auch die Auserwählten in den Irrtum verführt würden (Matth. 24,24).

Eine andere Erklärung dieser Wörter ist uralt. Sie ist kurz und fromm, und findet sich, wie uns Luther berichtet, in einer alten Anmerkung zu den lateinischen Bibeln, die man vor seiner Übersetzung brauchte. Diese, schon wegen ihres undenklichen Altertums ehrwürdige und nichts als Wahrheit enthaltende Randglosse sagt: „Das Waschen der Kleider in Wein müsse vom Leiden Christi verstanden werden.“ Diese uralte Anmerkung beweiset, daß die christliche Kirche stets das Blut Christi als den Mittelpunkt des Evangeliums und das einige zuverläßliche Reinigungsmittel verehrt hat, und Luther bemerkt dabei gerne, daß sich trotz aller Finsternis und Werkheiligkeit des Papsttums doch die Redensart bei demselben erhalten habe: Die Sakramente fließen aus der geöffneten Seite Christi, anzuzeigen, wie sie und alle Gnadenmittel ihre Kraft aus dem Blut und Verdienst Christi empfangen, welches eine köstliche Beilage war, und die Schafe Christi auf die rechte Weide wies, die sie auch treulich benutzt haben werden, während andere in den Zeremonien ihr Heil suchten.

Wo kommt der Wein, wo das Traubenblut anders her, als vom Weinstock? Und wer ist der Weinstock anders, als Christus? Sind seine Kleider ein Sinnbild seiner Gläubigen, womit will er sie, womit kann er sie anders waschen als mit dem köstlichen roten Wein seines Blutes?

Dies Blut, der edle Saft,
Hat solche Stärk' und Kraft,
Daß es kann ganz alleine
Die Welt von Sünden reine,
Ja gar aus Teufels Rachen
Frei, los und ledig machen.

Er hat uns geliebt, sind die auserkorene Schar im Himmel, und von den Sünden gewaschen mit seinem Blut. „Ihr seid abgewaschen,“ sagt Paulus zu den Korinthern. „Ich habe euch gewaschen, und ihr seid rein,“ sagt Christus nach verrichtetem symbolischem Fußwaschen. Ist, wie die Braut im Hohenliede Kap. 1,14 sagt, ihr Freund eine Traube Copher, so ward er in seinem Leiden, wie er selbst sagt, gepreßt und vergoß sein Blut. Und dies sein Blut, wie wird es nicht erhoben! Durch dies sein eigen Blut ist er einmal eingegangen in das Heilige; an ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut. Durch dies Blut hat er alles versöhnet zu ihm selbst, was im Himmel und auf Erden ist. Die Gläubigen sind nach 1. Petri 1 versöhnet durch die Heiligung des Geistes zum Gehorsam und zur Besprengung des Blutes Jesu Christi. Durch sein Blut hat er sich eine Gemeine erkauft, und ohne Blutvergießen ist keine Versöhnung. Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, ist das wunderbare und einzige Reinigungsmittel unserer Seelen, die es rein macht von aller Sünde; das unser Gewissen reinigt von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott. Er vermag's, allein, und sonst keinerlei Werke, Seufzer und Tränen, welche nur dem Wasser gleichen, womit Pilatus seine Hände wusch, ohne rein zu werden. In diesem Wein wäscht er seine Kleider, seine Gläubigen, und seinen Mantel in diesem Weinbeerblut. Er ist scharf und beißend, aber auch lindernd und erfreuend; dadurch werden wir erlöset von dem alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verderbet; dieweil wir wissen, daß unser alter Mensch samt Christo gekreuzigt ist, auf daß der sündliche Leib aufhöre, daß wir hinfort nicht der Sünde dienen (Röm. 6,6). Mit ihm werden wir durch die Taufe begraben in den Tod, auf daß wir in einem neuen Leben wandeln, gleich wie Christus von den Toten auferweckt ist. Offenbar ist also die Deutung dieser Worte in den ältesten Zeiten eben so christlich als wahr, einfach und fromm, denn das Leiden, Sterben und Blutvergießen war's, wodurch der Schilo das ganze Heil zuwege brachte.

Die dritte und geistreichste Auslegung dieser Worte ist diejenige, welche Luther gibt. Er hält das Bild vom Waschen der Kleider in Wein für gleichbedeutend mit dem Vorhergehenden, für ein Bild der allerreichsten und glückseligsten Zeiten, wie wenn man sagte: Unter der Herrschaft des Schilo wird eine solche Glückseligkeit, ein solcher Überfluß von den allervortrefflichsten Gütern zu genießen sein, wie wenn es im Natürlichen Zeiten gäbe, wo man nichtswürdige Esel mit den edelsten Trauben fütterte, wo man selbst zum Waschen nicht wie gewöhnlich Wasser, sondern den köstlichsten Wein braucht. Dies nennt man eine hyperbolische Art zu reden, deren sich die Schrift nicht selten bedient. So hyperbolisch redet Hiob Kap. 29 von seiner vormaligen Glückseligkeit, wenn er sagt: Ich wusch meine Tritte in Butter, und die Felsen gossen wie Oelbäche; und Jes. 60, wenn der Herr da solche Zeiten verheißet, wo man da Gold nehmen wird, wo man sonst Erz braucht, und das Silber statt des Eisens. So sagt Luther denn: „Der wahre Sinn dieser Stelle ist dieser: Der Schilo wird die Seinigen dem Kreuz unterwerfen. Aber, sagt er, ist das nicht mehr ein Fluch als ein Segen, verfolgt, gekreuzigt, getötet, mit Feuer und Schwert ausgerottet zu werden? Dies einen Segen heißen, fließt aus einer überschwenglichen Mitteilung des Geistes her, nach welcher die Gläubigen in neuen Sprachen reden. Denn o, könnten wir es glauben, was für eine große Sache die Vergebung der Sünden, und auch solcher Sünden sei, welche noch existieren und in unserm Fleische übrig sind, daß Gott sie nicht zurechnen, und uns ihretwegen nicht nur nicht verdammen, sondern so behandeln will, als hätten wir einige Sünde begangen und gehabt; uns selig wissen, unser Vater sein, und als seine Söhne und Töchter aufnehmen will, dann würden wir's erst verstehen. Denn diejenigen, welche glauben, sind das heilige Füllen und das selige Lasttier, das an den edlen Reben gebunden, erfüllt wird mit dem heiligen Geist. Sie werden trunken von der göttlichen Verheißung durch die Kraft des heiligen Geistes. Diese sind der Weinstock, die Trauben, der Wein, welche uns aufrichten, uns stolz und unverzagt machen, daß wir Tod und Teufel nichts achten. Was aber vom alten Menschen übrig ist, das wäscht und nimmt er weg, bis wir auferstehen unverweslich, geistlich, in Kraft und Herrlichkeit; da werden wir gar rein sein. Indessen werden wir erquickt durch die Vergebung der Sünden und haben das ewige Leben in gewisser Hoffnung und sind voll süßen Weins, das ist des heiligen Geistes und werden gewaschen in diesem Bade, und in demselben der alte Mensch je mehr und mehr getötet, der innerliche Mensch aber von Tag zu Tag erneuert. So, setzt er hinzu, so haben die heiligen Väter vom Reiche des Schilo geredet aus vollem Herzen und voller Freude, aus der Fülle des heiligen Geistes. Gewiß hat Israel nicht erst in den letzten Tagen seines Lebens also geredet, sondern so wie er's von Abraham und Isaak vernommen, seinen Söhnen wieder mitgeteilt: Es sei ein herrliches Reich Christi, des Gesalbten, und eine Abwaschung aller Sünden vorhanden. Als redende Beweise dieser herrlichen Trunkenheit führt er das Exempel jener heiligen Märtyrer an, welches zarte Jungfrauen waren, der Agatha und Luzia, welche von der Vergebung der Sünden, dem ewigen Leben und der Liebe Gottes aufs völligste versichert, und so an den Weinstock gebunden, den Tod für ein Spiel, die Sünde und Hölle für nichts achteten, so daß, als Luzia erschlagen werden sollte, sie ausrief: Nur zu, so komm ich ins Paradies. Und Vincentius, als er auf glühenden Kohlen gehen mußte, sagte: Ich wandle auf Rosen. So, setzt er hinzu, so tötet der Geist das verfluchte und widerstrebende Fleisch, wenn er uns allem Elend Preis gibt. Dann wäscht er seine Kleider in Blut, und wenn es uns so gehet, mögen wir denken, Christus sage zu uns: Ich wasche dich nur von Schmutz und Unrat zum ewigen Leben, nicht mit Wasser, sondern mit dem besten Wein! Halt mir nur stille und sei fröhlich in Hoffnung! So, sagt er weiter, sollten wir billig alle gesinnt sein. Denn dies sind, wie Paulus sagt, die Verheißungen in Christo, welcher zwar keine gute Tage nach dem Fleisch schenket, aber ein Herz voll Friede und Freude. Und so fürchten wir nichts, wohl wissend, daß alles genötigt ist, uns zum besten zu dienen. Daß wir aber noch zittern, uns fürchten und zagen, das ist nicht Glaube, sondern die Überbleibsel des alten Menschen, welche, setzt er hinzu, besonders bei uns erstarket sind, die wir ehemals unter dem Papsttum lebten, wo wir angewiesen wurden zu fürchten, zu zagen, von Christo zu fliehen. Und auch noch ist's mir schwer, die Lehre des Papsttums auszuziehen und von mir zu werfen, nicht allein nach dem alten Menschen, sondern auch wegen der Schwachheit des Glaubens, die mich noch schüchtern macht, auf Christum zu sehen, so daß wir kaum anheben zu hoffen und den Schilo anzurufen, daß er durch Hunger, Krieg und Tod komme, und uns erlöse. Dies Zweifeln und Zagen ist eine uns angeborene Krankheit, welcher los zu werden, uns aufs äußerste angelegen sein muß. Wir sind berufen zur gewissen Hoffnung des Lebens und der Herrlichkeit, zur Verachtung des Teufels und des Todes. Lasset uns nur trunkener werden vom Trost, von der Gnade und den Wohltaten Christi, zu welchem Zweck das Füllen an den Weinstock und der Eselin Sohn an den edlen Reben gebunden ist, daß wir rumoren wie vom Wein, und voll seien wie die Becken am Altar.“ In dieser Beziehung ist die Redensart des heiligen Erzvaters so wenig hyperbolisch oder übertrieben, daß diejenigen, welche es aus seliger Erfahrung kennen, zum Ruhme Christi bekennen, daß der Trost, den Christus schenkt, alles unendlich hinter sich läßt, was die Welt anbieten und geben kann. Freilich, freilich möchten wir nur lebendiger, zuversichtlicher im Glauben sein, denn so du glauben könntest, würdest du die Herrlichkeit Gottes sehen! Aber nun kann er um unsers Unglaubens willen nur wenig Zeichen unter uns tun. Er wasche denn auch uns im Wein und lehre uns, unsere Kleider zu waschen und helle zu machen im Blute des Lammes!

Noch wird hinzugesetzt: „Seine Augen sind rötlicher denn Wein, und seine Zähne weißer denn Milch.“ Was wäre es denn, wenn wir von diesem Bilde geständen, wir wüßten es nicht, was der Erzvater damit habe sagen wollen. Wie leicht wissen wir genug, wenn wir so viel wissen, um uns dadurch zum Glauben und zur Liebe gedrungen zu fühlen, und was kann uns ohne dieses alles Wissen nützen? Es blähet ja nur auf und ist eher schädlich als förderlich. Lampe hält die rötlichen Augen für ein Bild des Zorns gegen die Sünde, die weißen Zähne der Freundlichkeit gegen die Freunde Christi. Luther findet darin ein Bild der Verachtung, womit die Welt die Predigt des Evangeliums und die seligen Erfahrungen des Christen belastet. Im Hohenliede werden sowohl die Augen der Braut als auch des Bräutigams Taubenaugen genannt, und diese sind rötlich. Schwärzliche, funkelnde Augen und weiße schöne Zähne sind einzelne Teile der Schönheit. Malt die Gemeine im Hohenliede die Schönheit ihres himmlischen Königs, den sie auch namentlich weiß und rot nennt, weiter aus, so begnügt sich der heilige Erzvater mit wenig Zügen. Sein Gemüt war voll von den heiligsten und seligsten Empfindungen der Liebe, der Ehrfurcht, des Vertrauens, welche er ohnehin nicht aussprechen konnte. Er war ganz entzückt über den Schilo, der ihm aus ferner Zukunft und aus dem nahen Himmel entgegen leuchtete; aber da er sein unerreichbares Lob nicht erreichen kann, entwirft sein Pinsel gleichsam einige Züge des Bildes, und so legt er ihn bei Seite als zu schwach. Mögen wir es aus Erfahrung kennen, was jene Sprüche sagen wollen: Die Liebe Christi dringet uns etc. Gewiß ist es aber, daß unsere Liebe zu unseren nächsten und teuersten Verwandten, ja zu unserm eigenen Leben verdrängen soll, sobald sie jener Liebe zu ihm in den Weg tritt und hindert. Denn „wer Vater und Mutter mehr liebet denn mich, der ist mein nicht wert.“ Wem diese Liebe zu Christo fremd ist, der gebe sich keine Mühe, sich zu entschuldigen oder wohl gar zu rechtfertigen, und wisse, daß, wer Jesum Christum nicht lieb hat, der sei Anathema. Maranatha (1. Kor. 16,22). Es ist also ein Beweis eines abscheulichen und sträflichen Zustandes, worüber man sich zu demütigen hat. Ihr könnt so vieles lieben, könnt ihr's Jesum nicht, so beweiset es nur eure Blindheit und eure Entfernung von Gott. Ihr kennet ihn nicht; kein Wunder, wenn ihr ihn auch nicht liebet. Er kennt euch auch wohl nicht, und wehe euch alsdann! Die Liebe entspringt aber aus dem Glauben, und der Glaube setzt wiederum voraus, daß man Bedürfnisse für den habe, an den man glauben soll. Und sogar an diesem letztern, an der Vorbereitung zum Glauben, fehlt es nur zu allgemein. Was suchen die Menschen nicht alles, aber wer sucht Jesum? Ja, wie viele sind, die sich schon gleich keinen Begriff mehr von dem, was sie hören, machen können, sobald von einem Suchen Jesu Christi die Rede ist. Was begehren die Menschen nicht alles, das sie um ihr Leben gern hätten, oder wenn sie's haben, um alles willen nicht verlieren möchten; was wünschen, um was bekümmern sie sich nicht! Was lernen die Menschen nicht alles! Aber kennen sie auch die fernsten Weltteile, mit dem ihnen so nahen Lande ihres Herzens, dessen Kenntnisse doch unentbehrlicher sind, bleiben sie entweder unbekannt oder haben irre Vorstellungen von demselben. Sie verstehen vielleicht mehrere Sprachen, aber Jesu Sprache (Joh. 8,43) nicht, nicht die Dinge, welche des Geistes Gottes sind, die sind ihnen eine Torheit. Sie haben etwa manche Kenntnis der Geschichte, aber die zu Bethlehem und Golgatha erregen ihre Aufmerksamkeit nicht. sie verstehen manche nützliche Kunst, nur die allernützlichste nicht, nämlich die zu beten und zu glauben. Man rühmt die Schönheit einer Landschaft, eines Kunstwerks, und weiß es als Kenner zu beurteilen, während man von der Schönheit des Schilo, des Mannes der Schmerzen, nie gerührt wird. Ist das nicht ein jämmerliches Ding? Und wenn man das eine tun wollte, sollte man doch das andere nicht lassen.

Soll's dem Schilo immer auf die nämliche Weise gehen, daß für ihn kein Raum in der Herberge, in dem Herzen ist? „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“ Off. 3,20. Amen.


Fünfte Predigt

Ich bin es, der Gerechtigkeit lehret und ein Meister bin, zu helfen.

Jesaja 63,1.

Wir haben neulich von den Kleidern des Schilo gehandelt, deren auch in diesem Textkapitel gedacht wird. Unser Vers beginnt mit einer Frage: Was das für einer sei, der aufs prächtigste geschmückt und in großer Kraft daher komme? Und die vorgelesenen Worte enthalten die Antwort darauf. Sie nennt zwei Hauptgeschäfte des Erlösers: Das erste ist Gerechtigkeit zu lehren, das andere sich als Meister im Helfen zu erweisen, und beides eignet er sich ausschließlich oder doch vorzugsweise zu, wenn er sagt: Ich bin es.

Zuerst nennt sich die hier redende Person den, der Gerechtigkeit lehret, und wer ist dies anders als Jesus Christus? Meister, Lehrer, war der gewöhnliche Name, den seine Jünger ihm gaben, und Nikodemus mochte wohl sagen: Du bist ein Lehrer, von Gott kommend. Was für ein Lehrer war er aber? Er stellt sich selbst als den einigen und unvergleichlichen dar, so daß er das eine mal sagt: Alle, die vor mir gekommen, sind Diebe und Mörder gewesen, das andere mal aber sich als den einigen darstellt, der dazu geboren und in die Welt gekommen, die Wahrheit zu bezeugen. Ja, er nennt sich sogar die Wahrheit selbst, so daß alle Wahrheit von ihm ausgeht, und nur der die Wahrheit erkennt, welcher ihn erkennt, weswegen auch sein himmlischer Vater über ihn ausruft: Den sollt ihr hören. Er lehrte deshalb gewaltig oder als gewalthabend, als ein solcher, der schon deswegen Glauben fordert, weil er etwas sagt, und schon das für Beweises genug angesehen wissen will, daß er es sagt, denn sein Zeugnis ist wahr, und sein Urteil recht, darum läßt er sich niemals in Beweise dessen, was er sagt, ein, sondern sagt auch in dieser Beziehung: Glaube nur! Er fordert einen gänzlichen Gehorsam des Verstandes, eine gänzliche Verleugnung aller eigenen Meinungen und will, daß wir auch in dieser Hinsicht Kinder sein sollen, die alles glauben, was man ihnen sagt, und wäre es ganz ungereimt. Jesus lehrte nun teils durch andere; selbst in den Propheten, die vor ihm lebten, war der Geist Christi, so wie er in seinen Aposteln nach ihm war, ihnen gebührt deswegen in ihrer Lehre der nämliche Glaube, wie Christus selbst, denn er sagt: Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf; teils lehrte er in eigener Person während seines Wandels auf Erden, jedoch noch nicht vollständig, denn er sagt: Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnt's jetzt noch nicht begreifen. Christus verwaltet sein Lehramt auch noch immerdar vom Himmel aus, da wir ihn nicht nur in der heiligen Schrift noch immer predigen hören können, sondern da er noch jetzt seinen in alle Wahrheit leitenden Geist aussendet. So ist Christus der eigentliche Pfarrer und Bischof der Gemeine, von den übrigen Lehrern aber, selbst den Aposteln, heißt es: So ist nun weder der da pflanzt noch begießt, etwas. Einer ist euer Meister, Christus. Was die Beschaffenheit seiner Lehre anbetrifft, so ist dieselbe vollkommen und läßt deswegen keinerlei Verbesserung zu, erlaubt aber eben so wenig Zusätze als Weglassungen, welches Offenb. Joh. im letzten Kapitel aufs schärfste verboten ist, wenn es daselbst heißt: So jemand dazu setzt, so wird Gott zusetzen die Plagen, die in diesem Buche geschrieben stehen. Und so jemand davon tut von den Worten des Buchs des Lebens und von der heiligen Stadt und von dem, das in diesem Buch geschrieben stehet, mit welchen Worten die ganze heilige Schrift versiegelt und unverletzlich gemacht wird. ja, der Apostel spricht sogar über den Engel vom Himmel den Fluch aus, der das Evangelium anders predige. Will daher jemand etwas besser oder mehr wissen als die heilige Schrift, so ist er höchlich zu verabscheuen und gänzlich zu verwerfen. Die heilige Schrift ist auch so klar und deutlich abgefaßt, daß zu ihrem Verständnis weder ein besonderer Scharfsinn und Verstand, noch eine große Gelehrsamkeit erforderlich ist. Damit soll aber keineswegs geleugnet werden, daß der Inhalt der heiligen Schrift, besonders in einzelnen Stücken und lehren, so hoch und so tief sei, daß das Senkblei unseres Fassungsvermögens außer stande ist, den Grund zu erreichen, und kein Verstand alle Schwierigkeiten auszulösen vermag, sondern anbeten muß, wo er weiter nichts antworten kann. Es gilt von einem großen Teil der heiligen Schrift, was Petrus insbesondere von den Schriften Pauli sagt: Es seien einige Stücke schwer zu verstehen, was von Petri Brief auch gilt. Dies ist aber auch von der Natur wahr, die uns umgibt, und je schärfer der Verstand ist, der die Ereignisse derselben ermißt, desto unerforschlicher sind die Geheimnisse, welche ihm begegnen, so daß ein Weiser, der übrigens auch einer der demütigsten Verehrer der heiligen Schrift war, durch den einfältig scheinenden Gedanken: Woher es wohl komme, daß ein Apfel vom Baum auf die Erde und nicht in die Wolken falle, auf die wichtigste Untersuchung und Entdeckung geleitet wurde, wiewohl doch noch keiner sagen kann, was z.B. die Schwere eigentlich sei, mag man sie auch als eine Neigung irdischer Körper beschreiben, sich gegen den Mittelpunkt der Erde zu bewegen, und mag es auch 1000 Menschen, die an kein scharfes Nachdenken gewohnt sind, gar nicht einleuchten, was dabei schwierig sei. Wie dürfen wir es uns dann wundern lassen, wenn es auch der heiligen Schrift nicht an Dingen fehlt, wo wir ausrufen mögen: O welche ein Tiefe des Reichtums, beide der Weisheit und der Erkenntnis Gottes, wie unbegreiflich sind seine Wege und unerforschlich seine Gerichte! Oder wie dürften wir uns unterstehen, solche Stellen, die dergleichen Tiefen verraten, so zu deuten, daß sie nicht so scheinen. Übrigens kann ja die Klarheit nicht größer sein, als womit sie die heilige Schrift ausspricht: Über das allgemeine und große Verderben der menschlichen Natur und ihre Untauglichkeit zum Guten, über den Zorn Gottes wider die Sünde, über die Unzulänglichkeit aller Werke zur Gerechtigkeit und Seligkeit, über die Rechtfertigung allein durch den Glauben, über den Opfertod Jesu als den einigen Grund unserer Rechtfertigung, Heiligung und Heiligmachung, über die Notwendigkeit der Wiedergeburt, der Buße, des Glaubens, der Heiligkeit, des Gebets und des geistlichen Streites, so wie über einzelne Pflichten der Gottseligkeit. Über alle diese und damit verwandte Gegenstände redet die heilige Schrift mit einer Bestimmtheit und unumwundenen Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig läßt, so daß Nikodemus wenigstens von der Notwendigkeit der Wiedergeburt überzeugt wurde, wenn er auch die Art derselben nicht begriff. Ja, die heilige Schrift drückt sich über vieles deutlicher aus, als manchem lieb ist, die sich Mühe geben, das Licht zu verdunkeln, weil es sie beleidigt; wer aber das Licht lieb hat, der kommt an dasselbe, mag es ihn auch bestrafen, demütigen und betrüben, um durch dasselbe durchleuchtet, erquickt und belebt zu werden. Ist uns die Schrift nicht klar, so liegt die Schuld in uns selbst, und wir haben mit David zu bitten: Öffne du mir die Augen, damit ich sehe die Wunder in deinem Worte!

Das, was Christus lehret, ist ferner geistlich, muß derhalben geistlich gerichtet werden, die Schrift kann deswegen nur von Frommen und solchen, die es werden wollen, recht verstanden werden, den andern widerfährt alles in Gleichnissen, wovon sie keine rechte Einsicht erlangen und wohl gar noch ärger und böser dadurch werden, oder sich dagegen auflehnen und empören, wie sie Jesu Lehre bald der Härte, bald des Unsinns, bald der Gottlosigkeit beschuldigten, denn die Weisheit kommt in keine boshafte Seele, aber meine Rede ist lieblich den Frommen.

Die Lehre Jesu ist jedem geistlichen Alter und Zustande der Menschen angemessen, oder jeder kann etwas ihm dienliches darin antreffen. Wie viele dringende Aufforderungen zur Sinnesänderung und Bekehrung sind nicht für diejenigen in der heiligen Schrift enthalten, welche noch unbußfertig und unbekehrt sind! Mit welchen kräftigen Bewegungsgründen werden sie unterstützt, wenn es z.B. heißt: So bekehret euch nun zu dem Herrn euerm Gott. Gott ist barmherzig und reuet ihn bald der Strafe. Die wirklich Gottseligen stehen nicht alle auf der nämlichen Stufe der Gottseligkeit, aber das Wort Gottes enthält sowohl Milch für Kinder, als starke Speise für Erwachsene und stellt allen ein so erhabenes Ziel vor, daß auch diejenigen, welche vollkommen sind, sagen: Ich jage ihm aber nach, ob ich's ergreifen möchte, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin. Diejenigen aber, welche unordentlich wandeln, und die erste Liebe verlassen, finden darin sowohl ihre Bestrafung und Ermahnung, als die Traurigen und Ängstlichen Aufmunterung und freundlichen Zuspruch. Der denkende Verstand findet hier Gegenstände, woran er sich üben mag, wie dem Herzen eine reichliche Nahrung angeboten wird.

Die Lehre Christi ist ferner dem verderbten Sinne und der natürlichen Denkweise der Menschen nicht angemessen und heißt deshalb eine törichte Predigt. Denn so kam und kommt sie in manchen Stücken jenen vor, wiewohl sie wirklich eine göttliche Predigt ist. Wer seinen Verstand durch die Unterweisung der Weltweisen ausgebildet und ihre Grundsätze angenommen hat, dem wird das Evangelium äußerst befremdend vorkommen, denn was weiß jene Weisheit von dem menschlichen Verderben, und noch viel weniger von dem Glauben an Jesum, und dies sind doch die beiden Punkte, um welche das Evangelium sich dreht. Wie seltsam dünkt es der Natur, daß wir umkehren und werden sollen wie die Kinder. Wer darf hoffen, der Welt Grundsätze zu empfehlen, wie die sind, welche Christus Matth. 5 empfiehlt, wo er selig preiset die Armen am Geist, nicht zu gedenken, was Paulus sagt: Man soll ein Narr werden vor der Welt, und wenn ich schwach bin, bin ich stark. Kein Wunder, wenn die Lehre Christi teils in der Welt sehr heftig bestritten und sehr feindselig angefochten ist, teils gar nicht in derselben hat geduldet werden wollen, und daß überhaupt diese Lehre selten ohne allerhand menschliche Zutat und Verbrämung in ihrer wahren Lauterkeit und Reinheit erscheint.

Sie setzt auch eine große Selbstverleugnung voraus und fordert sie so entschieden, daß Christus erklärt, wer sich nicht verleugnen könne, auch sein Jünger nicht sei. Aber freilich, wie kann man nun seiner heilsamen Forderung: „Lernet von mir,“ ohne Selbstverleugnung entsprechen? Denn, wollen wir von ihm lernen, so müssen wir uns von aller eigenen Weisheit leer achten, wiewohl man freilich auch im natürlichen keine Kunst erlernen kann, es sei denn, daß man glaube, man verstehe sie nicht, der Meister aber verstehe sie. Jesu Lehre geht auch überhaupt so schnurstracks gegen den eigenen Willen, gegen die Eigenliebe und Eigengerechtigkeit, sogar gegen das eigene Thun und Wirken an, daß man tausendfachen Anlaß zur Selbstverleugnung findet, sie setzt sich überhaupt in Streit wider den alten Menschen, den sie ans Kreuz und in den Tod bringt und ihm Schmerzen genug verursacht. Die Lehre Jesu bleibt aber in Ewigkeit, so daß er es sogar für leichter erklärt, daß Himmel und Erde vergehen, als eins seiner Worte. Wie er es sagt, so hat es sich, so wird es kommen und sich machen, es streite dagegen oder spotte darüber, wer und wie es auch sei. Von der Apostelzeit her hat sich List und Gewalt, Bosheit und Klugheit gegen die Lehre Jesu aufgelehnt, und unzählige Ketzereien sind entstanden; wirklich ist sie auch aus Asien und Afrika, wo sie sonst blühte, ganz verdrängt; aber immer hat sich ein Häuflein gefunden und wird sich eins finden, das ihm von ganzem Herzen anhängt, und endlich wird sie über alles triumphieren und alles ein Hirt und eine Herde werden.

Insbesondere ist es Gerechtigkeit, die er lehrt, das Evangelium ist die einzige Lehre, in welcher die Gerechtigkeit offenbaret wird, welche vor Gott gilt. Keine menschliche Weisheit vermag uns in dieser wichtigsten Angelegenheit Aufschluß zu geben, nicht einmal das Gesetz Gottes, denn dasselbe ist nicht für Sünder berechnet und fordert von ihnen selbst eine Gerechtigkeit durchs Thun des Gesetzes, die sie nie erreichen können. Das Evangelium allein macht den wunderbaren Weg bekannt, wodurch auch Sünder aus freier Gnade gerecht und Erben des ewigen Lebens werden. Ja, Christus lehrt nicht nur, sondern ist selbst unsere Gerechtigkeit, durch welche Sünder ohne Verdienst der Werke, vermittels des Glaubens, gerecht werden. Er lehrt auch Gerechtigkeit, das ist Gottseligkeit, das tut er nicht bloß dadurch, daß er Gebote gibt, wie Moses auch tat, sondern vielmehr durch das Gesetz des Geistes, das da lebendig und frei macht von der Sünde. Seine allen heilsame Gnade ist erschienen, daß sie sollen verleugnen das ungöttliche Wesen usw. Er ist's demnach, der Gerechtigkeit lehret, und ist es ausschließlich. Er ist zugleich der alleinige Weg, um dazu zu gelangen, wohl war also ein wichtiger Grund vorhanden, zu fragen: Wer ist, der da kommt? Wichtiger: Wer ist der, so gekommen ist? Wohl mögen wir ihn recht kennen lernen, denn das ist das ewige Leben.

Sein zweites Geschäft ist in der Antwort enthalten: „Ich bin ein Meister zu helfen.“ Das hebräische Wort, durch „helfen“ übersetzt, ist das nämliche, was jene Kinder brauchten, als sie ihm bei seinem Einzug in Jerusalem zuriefen: Hosianna, hilf; ist das Wort, wovon er den Namen Jesus, oder wie er auf hebräisch klingt: Hosea, Helfer, Seligmacher, hat. Bemerkenswert ist es ja auch, daß das Wort „Meister“ im Hebräischen „Rabbuni“ oder „Rabbi“ heißt, also der helfende, seligmachende Rabbi, ein Titel, der nur sehr gelehrten Männern gegeben wurde.

Als ein Helfer ward er lange verheißen und erwartet, als ein Helfer war er uns nötig. Ein bloßer Rabbi oder Lehrer, mochte er auch noch weiser sein als Salomon, war nicht genug, er mußte auch zugleich Hosea, ein Helfer sein. So hatten und haben wir ihn im ganzen nötig, was den allgemeinen Umfang unseres Elendes anbetrifft, wider sie Sünde und ihre Folgen.

Wir sind unvermögend, uns in einem Kampf mit derselben einzulassen, oder den Sieg herbeizuführen, so mußte er als Held und Durchbrecher vor uns hergehen, um die Sünde und den daraus erwachsenen Fluch des Gesetzes, den Tod und die Macht des Satans zu überwinden. Er tat's, obschon bei den meisten verachtet und nicht einmal dafür anerkannt, den Gläubigen aber ein köstlicher Rabbi, brachte er dies große Werk zu stande, jedoch auf die wundervollste Weise. Die Sünde, die bisher aller Opfer ungeachtet geblieben war, vertilgte er auf einmal als einen Nebel, und zwar dadurch, daß er, der von keiner Sünde wußte, für uns von Gott zur Sünde gemacht ward. Den Fluch wandelte er wunderbarer Weise dadurch in Segen um, daß er für uns ein Fluch ward, wo man erst einsah, warum Gott erklärt hatte, der sei verflucht, der am Holze hange. Dem Tode nahm er den Stachel, indem er sich selbst in des Todes Staub legen ließ, dadurch aber auch zugleich dem die Macht nahm, der des Todes Gewalt hatte. So erwies er sich im allgemeinen als Helfer. Aber in wie unzählig vielen einzelnen Beziehungen bedürfen wir ihn als Helfer! Wer soll den Anfang des guten Werkes in uns machen, da wir's nicht können, und wenn wir's könnten, nicht täten, sintemal die Gesinnung des Fleisches Feindschaft wider Gott ist. Er heißt aber der Anfänger. Ist der Anfang gemacht, so ist nun die Erhaltung und der Fortgang von der größten Wichtigkeit, damit wir, wie Joh. In seinem 2. Kap. sagt, nicht wieder verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern wollen Lohn empfangen. Der Glaube ist das Mittel, um alles Heils teilhaftig zu werden, aber welch' einen Abgrund des Unglaubens werden wir in uns entdecken, wenn der heilige Geist uns von demselben überzeugt! Wo nun mit diesem Unglauben hin, der so groß ist, daß Hiob Kap. 9,16 sagte: Wenn Gott auch wirklich sein Gebet erhöre, er es doch nicht glaube. „Er ist der Anfänger und Vollender des Glaubens.“ Was soll in der Versuchung aus uns werden, da der Teufel umher geht, wie ein brüllender Löwe und suchet, welche er verschlinge, und wir so schwach sind und nicht einen Augenblick bestehen können, und doch nur der selig wird, welcher bis ans Ende beharret. „Getreu ist, der euch rufet, der wird's auch tun.“ Was gibt's in den Anfechtungen, von denen in den Psalmen so kläglich geredet wird, so daß man sich versucht fühlen könnte, zu glauben: Jakobus müßte gar nicht gewußt haben, was Anfechtungen sind, wenn er schreibt: „Lieben Brüder! Achtet es eitel Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet?“ Wohin, wenn das Wasser bis an die Seele, und seine Wellen übers Haupt gehen? „So du durchs Wasser gehest, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht sollen ersäufen.“ Wie viele einzelne Pflichten sind zu erfüllen, der Sanftmut nicht zu gedenken, die die andere Wange hinhält, wenn sie auf die eine geschlagen wird, so soll man sich doch im Leiden geduldig verhalten. Und welch' eine Menge sonstiger Pflichten gibt es nicht, welche aus unserm Beruf, Verhältnis und Lage entspringen? Wer ist hierzu tüchtig? Und doch ist's gewiß, daß man den Glauben in seinen Werken zeigen soll. „Er kann euch stärken und behüten ohne Fehl. Er wird euch vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen.“

So haben wir ihn in unzähligen einzelnen Verhältnissen in obiger Beziehung als Helfer nötig, uns aber auch seines also zu getrösten, denn er sagt: Ich bin ein Helfer, ja ein Meister zu helfen. Das bewies er gleich bei seinem öffentlichen Auftreten. Nie war ihm ein Elend, eine Not zu groß, daß er nicht eine schnelle und vollkommene Hilfe hätte leisten können, und wenn er sie verschob, geschah es nur darum, sie desto herrlicher zu machen. Er heißt ein Meister, ein Rabbi, ein ausgelernter Doktor im Helfen, der kein Stümper in seiner Kunst ist, sondern sie vollkommen versteht. Wo also niemand zu helfen und zu raten weiß, da bleibt er doch noch übrig. Dies enthält nicht nur eine Aufmunterung zum Zutritt zu ihm, für alle überhaupt, welche sich hilfsbedürftig fühlen und Hilfe begehren, sondern insbesondere für solche, deren Schaden verzweifelt böse, und deren Wunden unheilbar sind; für solche, denen keine kleine und mittelmäßige Hilfe genügt, sondern die eine große, viel umfassende bedürfen, da ist er ein Meister zu helfen.

Aber eben, weil er ein Meister zu helfen ist, so ließ er und läßt er nicht selten die Not sehr hoch steigen. Die Ägypter waren schon im Begriff, um über das wehrlose Israel herzufallen, da erst spaltete sich das rote Meer und ließ sie wie zwischen kristallene Mauern durchpassieren. Der Ungestüm des Meeres stieg so hoch, daß die Wellen über das Schifflein herrollten, ehe der Meister dem Sturme und den Wellen gebot, und nun beide sich ehrfurchtsvoll legten. Des Jairi Töchterlein war sehr krank, es hörte aber auf krank zu sein, indem es starb, ehe der „Meister zu helfen“ sprach: Talitha kumi!

Man darf es sich also nicht befremden lassen, wenn man in Umstände gerät, wo die Aushilfe ein wirkliches Meisterstück ist.

Weil er ein Meister zu helfen ist, so verschob und verschiebt er die wirkliche Hilfe zuweilen so lange, bis sie wirklich unmöglich geworden ist, aber freilich nur ihm nicht. Mit des Jairi Töchterlein geriet es dahin, daß man dem Vater sagte: Bemühe den Meister nicht. Er bekommt die Nachricht von seines Freundes Lazarus Krankheit, und bleibt nun noch zwei Tage da, wo er ist. Am dritten Tage macht er sich erst nach Bethanien auf den Weg und kommt erst an, nachdem er schon seit 4 Tagen begraben, folglich schon in Verwesung übergegangen ist. Harte Wege, auf welchen die liebenden Schwestern eines mehrfachen Todes sterben müssen, bevor sie Hilfe sehen und so zugleich für den Aufschub derselben reichliche Schadloshaltung empfangen! Weil er ein Meister zu helfen ist, so redet er auch recht meisterhaft vom Helfen, als einer, der's aus dem Fundament versteht, und von der größten Hilfeleistung als von einer Kleinigkeit spricht. Den Zustand des Lazarus, über den die Martha ausrief: Herr, er stinket schon, nennt er einen Schlaf, und sagt: Er gehe hin, ihn aufzuwecken, und weckte ihn leichter aus dem Tode auf, als man manchmal jemand aus dem natürlichen Schlaf zu wecken vermag. Wenn die Jünger schreien: Meister, wir verderben, da sie nichts als den Untergang vor sich und keine Rettung sehen, fragt er, als ob's nichts zu bedeuten habe, warum sie doch eigentlich so erschrocken seien. Bittet ihn ein Aussätziger, so heißt's ganz einfach: Ich will's tun. Wer würde irgend vor einer Not erschrecken, kennte er den Meister recht.

Weil er ein Meister zu helfen ist, so bedient er sich zuweilen solcher Mittel, wie dort bei dem Blindgeborenen des Kots, der eher geeignet zu sein schien, einen Sehenden blind zu machen. Und wenn er ein reiches Geschenk an Wein machen will, läßt er eine ganze Menge Wasser beieinander bringen, als wollte er des Mangels an Wein noch spotten. Oft ist auch das Hilfe, was das Gegenteil zu sein scheint, kurz, er ist ein Meister zu helfen, und wenn er sagt: Ich bin das, so stellt er sich ausschließlich als den einigen Helfer dar. Und wahrlich hat Israel keine Hilfe als an diesem Herrn. Er ist's, der alle Hilfe tut, die auf Erden geschieht, und unsere Hilfe steht in seinem Namen, in seinem Namen allein; bei ihm ist sie zu finden, bei ihm zu suchen.

Habt denn auch ihr seine Hilfe erfahren? Ist nicht zu besorgen, daß viele gar nicht einmal begreifen werden, was man durch diese Frage eigentlich will, und daß man zur Antwort erwarten muß: Die Zeit der Wunder ist ja vorüber! Du hast also bei diesem Meister im Helfen nichts zu suchen? Schlimm für dich! Hast du keine Seele? Fehlt dir nichts? Bist du dir selbst genugsam? Dir wäre kein neues Herz, kein neuer Geist nötig? Du hättest für diesen Meister nichts zu tun.? Armer Mensch! Freilich daran fehlt's, woran es doch eigentlich gar nicht fehlt, an Bedürfnis für diesen Meister zu helfen. Wo das erst gefühlt wird, da wird man auch schon Hosianna schreien. Ihr Hilfsbedürftigen, ihr seid's demnach. Wohl euch, daß ein solcher Meister da ist! Er versteht seine Kunst, meistert ihn deswegen nicht und besteht nicht hart darauf, daß dieser Meister sich nach eurem Gutdünken richten soll. Ihr könnt ihm wohl sagen lassen: Herr, den du lieb hast, der liegt krank; ob er sich aber dadurch wird bewegen lassen, zu eilen oder zu zögern, das weiß er als Meister am besten zu beurteilen, und ihr versteht es nicht. Will er ein Meisterstück an euch liefern, so habt ihr vor der Hand nicht viel Erfreuliches zu erwarten.

Er hilft uns aber überschwenglich besser
Als wir ihn bitten und verstehn.
Wird die Verwirrung täglich größer,
Er läßt uns doch viel Gut's geschehn.
Wenn man nichts schaut, doch ihm vertraut,
So zeigt er der Gelassenheit
Am Ende seine Herrlichkeit.

Amen.


Quellen:

Sämtliche Texte sind der Glaubensstimme entnommen. Hier sind zumeist auch die Quellangaben zu finden.

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