Carol Jantzen

DIE FRAU MIT EINEM GROßEN GOTT

 

Lebenserfahrungen

 

An wen denken Sie, wenn Sie an eine Frau

mit einem großen Gott denken?

 

Diese Frage stelle ich meinen Zuhörerinnen gern in der Hoffnung, dass sie dabei an sich selbst denken.  Persönlich darf ich mit vielen anderen Frauen aus Erfahrung bekennen: Ich bin eine Frau mit einem großen Gott.

 

In der heiligen Schrift lesen wir von Menschen, in deren Leben Gott Großes tat.  Gott hat sich nicht verändert.  Auch heute vollbringt er das größte Wunder, das es überhaupt gibt, nämlich die Rettung von Sündern.  Auf meine Bitte hin tat er dieses Wunder an mir.

 

Ganz deutlich lenkte Gottes Hand schon in meiner Vorgeschichte.  Mit 18 reiste meine Mutter nach Los Angeles in Kalifornien, um etwas Geld zu verdienen.  Eine Stellenanzeige in der Zeitung fiel ihr auf.  Es wurde für wenige Stunden Arbeit ein hoher Lohn angeboten. Gerade was sie brauchte!  Bei der Adresse dieses "Geschäftes" angelangt, ging sie die Treppe hoch, klopfte und wartete.  Da schrie plötzlich eine Frau vom Nebenhaus: "Geh nicht hinein!  Geh weg!" Im selben Moment öffnete sich die Tür, und meine Mutter sah ganz kurz einen langen Gang, der beidseitig viele Türen hatte.  Sie drehte sich um und rannte davon.  Ich darf die Geschichte nicht zu Ende denken und mir vorstellen, was mit ihr geschehen wäre.  Dieses Freudenhaus wäre Endstation für sie gewesen.  Unser großer Gott sandte durch seinen Schutzengel die Warnung im rechten Moment als Antwort auf die Gebete meiner Großeltern und anderer.

 

Als ich 2 Jahre alt war, beschützten Gottes Engel auch mich. Meine Eltern wohnten in der Nähe von Dalhart in Texas.  An einem Sonntag war ich unterwegs zum Gottesdienst fest eingeschlafen. Sie gingen hinein und ließen mich im Auto weiterschlafen.  Als sie dann nachher zum Wagen kamen, fanden sie den Türgriff total abgedreht.  Es wurde beiden schlecht vor Schreck.  Nie wieder ließen sie eines ihrer Kinder im Wagen allein.  Menschliches Versagen, aber Gottes große Bewahrung!

 

1948 fuhren wir (die Eltern, mein jüngerer Bruder und ich) nachts durch die Wüste im Süden der USA.  Meine Eltern wollten nicht bei Tageshitze fahren.  Vater hatte sich hinten zum Schlafen hingelegt.  Wir waren die einzigen auf der Straße.  Weit und breit war kein anderes Auto zu sehen.  Plötzlich hörte Mutter, wie eine Kugel dicht über das Dach unseres Autos pfiff.  Da sie früher selbst Hasen gejagt hatte, konnte sie das Geräusch der Kugel eindeutig erkennen.  Reflexartig gab sie sofort Vollgas, und wir rasten davon, so schnell das Auto fahren konnte.  Offensichtlich führte Gott die Hand des Schützen, so dass die Kugel ihr Ziel verfehlte. Unser großer Gott hält unsere Zeit in seinen Händen.

 

Es gibt wenig Sensationelles aus meinem Leben zu erzählen, bevor ich Christ wurde.  Ich bin nie im Gefängnis gewesen, habe nie Drogen genommen, keine Zigaretten geraucht, noch war ich dem Alkohol verfallen.  Dennoch wusste ich schon als 7jährige, dass ich eine verlorene Sünderin war.  Oft hatte ich abends vor dem Einschlafen große Angst, dass Jesus in der Nacht wiederkommen, meine Eltern zu sich nehmen und mich zurücklassen würde, weil ich nicht sein Eigentum war.  Meine Mutter nahm meine Bekehrung ernst.  In Zeiten, in denen meine Sündenlast mich quälte, ließ sie alles stehen und liegen, um mit mir in der Schrift zu lesen und zu beten, auch wenn die Familie auf ihre Mahlzeit warten musste.  Mit 12 habe ich dann anhand vieler Schriftstellen, die meine Mutter mir mit großer Geduld immer wieder vorlas, den Herrn im Glauben an sein Wort angenommen.

 

Römer 10, 9 wurde in meinem Leben zur Realität.  "Denn wenn du mit deinem Munde Jesus als den Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet." Ich wurde von meiner Sündenschuld, die mich schon als kleines Kind bedrückte, befreit.  Im Nachhinein weiß ich, dass der Weg zur Entscheidung für mich schwer war, weil ich auf die glücklichen Gefühle wartete, von denen ich aus Zeugnissen gehört hatte.  Der Weg zu Gott geht aber nicht über die Gefühle, sondern über den Glauben.  Gott sagte mir in diesem Vers: Erst glauben und dann von mir zeugen.  Die Freude über meine Erlösung erfüllte mich, nachdem ich das erste Mal erzählte, dass ich ein Kind Gottes sei.  Mit Wonne las ich darauf stundenlang in meiner Bibel.  Der Name Jesus war mir besonders lieb.

 

In meinem Eifer, ganze Sache mit Jesus zu machen, musste ich lernen, dass man mit anderen Geschwistern in Liebe und Geduld umzugehen hat.  An meiner Sonntagsschullehrerin hatte ich einiges auszusetzen.  Sie war in meinen Augen nicht geistlich genug.  An einem Sonntagmorgen hat es mir dann "gelangt".  Ich ging nicht zu meiner Klasse, sondern nahm meinen jüngeren Bruder, und zusammen marschierten wir nach Hause.  Können Sie sich vorstellen, wie es meinen Eltern zumute war, als sie entdeckten, dass beide Kinder fehlten?

 

Was ich tat, gefiel auch dem Herrn Jesus nicht.  Er ließ zu, dass mein Bruder und ich Streit bekamen und im Wohnzimmer herumtobten.  Darauf ging eine Stehlampe in tausend Stücke.  Damals war diese Lampe das einzige Schmuckstück im Haushalt meiner Eltern, weil wir in jenen Jahren sehr arm waren.  O, was für eine Angst mich da überfiel!  Was würden die Eltern jetzt mit mir machen?

 

Mein Vater war ein vernünftiger und besonnener Mann.  Als er nach Hause kam, wurden zuerst viele Fragen gestellt.  Er legte mich nicht übers Knie, sondern ging mit mir zum Sonntagsschulleiter, um die Sache zu besprechen.  Dort durfte ich sagen, was mir Mühe gemacht hatte.  Beide waren sehr lieb und geduldig mit mir.  Es zeigte sich, dass ich im Grunde gern zur Sonntagsschule ging. Auch konnten die Beiden meinen Eifer für Jesus erkennen und zeigten Verständnis.  Mein Vater hätte sich über mein ungebührendes Vorgehen schämen und darauf mit einer Tracht Prügel reagieren können, doch wäre ich eventuell bitter und eine noch größere Rebellin geworden.  Sie konnten mir beibringen, dass man nicht einfach aus der Gemeinde weglief, wenn man mit einem Mitgläubigen unzufrieden war, und dass man ihm das Christsein nicht absprach, weil er auf einem gewissen Gebiet unreif war.  Wie dankbar bin ich für meine gläubigen und weisen Eltern.  Und wie groß ist Gottes Geduld mit mir gewesen!

 

Am nächsten Sonntag ging die Carol wieder zur Sonntagsschule.  Wenige Jahre später stand ich als Lehrerin vor einer Gruppe von 13 Mädchen – am gleichen Platz, wo die andere Lehrerin gestanden hatte.  Wie groß ist doch Gottes Gnade!

 

Von meinen Eltern lernte ich, was Treue war.  In unseren Gemeinden gab es damals zwei Zusammenkünfte am Sonntag: morgens und abends.  9.30 Uhr begann die Sonntagsschule für jede Altersstufe, vom Kleinkind bis zum Greis. Um 10.45 Uhr begann der Gottesdienst. Um 19 Uhr war wieder eine Zusammenkunft, in der viel gesungen wurde und wo möglichst viele in der Gemeinde mit ihren verschiedenen Gaben etwas vortrugen.

 

Andere Familien fehlten ab und zu in den Versammlungen.  Bei uns gab es das nicht.  Mein Vater war Chorleiter und meine Mutter Pianistin für den Chor und manchmal auch noch für die Gemeinde.  Wir waren immer da.  Dafür machten unsere Eltern es am Sonntagnachmittag schön für uns Kinder. Es gab Ausflüge zu einem nahe liegenden Park, oder wir hatten Besuch usw.  Wir dienten aus Treue, nicht weil es uns passte oder es uns danach war. Wenn mein Vater eine Aufgabe hatte, ob in der Gemeinde oder im weltlichen Bereich, war er fleißig und treu. Er hat uns Kinder nicht angepredigt, sondern die Treue glaubhaft vorgelebt.

 

Mein Vater hat mir so manche wertvolle Lektion erteilt.  Mit meiner Freundin hatte ich einmal einen schönen Nachmittag am Fluss in unserer Stadt verbracht.  Als ich nach Hause kam, merkte meine Mutter, dass ich ohne Schal war. "Wo ist dein Schal?" Vergebens suchte ich und erinnerte mich dann, dass ich ihn an einem Strauch beim Fluss aufgehängt hatte.  Die Eltern beteuerten, dass dieser Schal so und so viel gekostet hatte, dass Vater für das Geld schwer arbeiten musste und man auf seine Sachen gut acht geben müsse usw. Es war schon gegen Abend, aber die Eltern schickten mich auf meinem Fahrrad wieder zum Fluss, der etliche Kilometer entfernt war.  Ich nehme an, sie haben schwer für meine Bewahrung gebetet.  Auf welchem Strauch war wohl der Schal?  Ich kam ohne ihn nach Hause.  Aber das Ziel meiner Eltern war erreicht: Ich wusste seither, dass alles Geld kostete, und ich jedes Stück Eigentum, und sei es noch so klein, zu schätzen hatte.  In den letzten Jahren habe ich oft gestaunt, wie viele vergessene Sachen in Gemeindesälen und Schulen herumliegen, gute Jacken, gute Schuhe usw.  Wenn heute etwas verloren geht, kauft man halt etwas "Neues".  Kinder lernen allzu oft den Wert dieser Sachen nicht zu schätzen.  (In "Wie lebt eine Frau in dieser Zeit?" - C.J. finden Sie weitere Beispiele über die Erziehungsmethoden meines Vaters)

 

Als Kind war ich sensibel für Geistliches, und doch gab es – bevor ich 18 war – Zeiten, in denen ich dem Herrn aus der Schule laufen wollte.  Die Welt mit ihren Vergnügungen lockte mich. Es ist ein Wunder, dass er mich vor groben Sünden bewahrte.  Aber der Herr ließ mich nie zu weit weg gehen.  Er rief mich immer wieder zurück.

 

Zu danken habe ich auch meinem Opa, der viel mit mir sang und für mich betete, als er mich als Kleinkind auf seinen Armen trug.  Wie oft wird doch die Bedeutung des Gebetes verkannt. Wie oft werden die ersten Lebensjahre eines Kindes unterschätzt, was Gehorsam und Charakterbildung betrifft. In vielen Fällen wird das kleine Kind von den Eltern als Spielzeug betrachtet.

 

Ein alter Missionar erzählte mir, dass alle seine Kinder im Dienst des Herrn stünden.  "Aber", sagte er, "ich habe es meiner Frau zu verdanken." Sobald die Kinder geboren waren, faltete sie jeden Abend die Hände ihrer Kinder, betete und sagte den 23. Psalm auf.  Mit 2 Jahren kannten auch die Kinder diesen Psalm auswendig.  Diese kleinen Schätze, diese Gaben Gottes, können für das Gute oder für das Böse beeinflusst werden.

 

Dankbar bin ich für meine Mutter, die immer Wache hielt, wenn ich abends spät nach Hause kam.  Ihre rot verweinten Augen verrieten trotz der lächelnden Begrüßung, wie sehr sie um mich besorgt war.  Sie schimpfte nicht, aber ihre traurigen Augen gaben mir zu verstehen, dass sie über meine Wege unglücklich war.  Sie waren wie ein warnender Finger Gottes für mich.  Sie begrüßte mich an der Tür und ging dann schlafen.  Fragen Sie nicht, wie mir in diesen Momenten zumute war.

 

Mein 18. Geburtstag kam.  Was würde ich wohl als Geschenk erhalten?  Als ich aus der Schule zum Mittagessen kam, waren Mutter und ich allein am Tisch.  Sie sagte: "Dieses Jahr schenke ich dir etwas, was ich mit Gott erlebt habe.  Ich saß im Chor, und während der Predigt wurde plötzlich alles dunkel vor meinen Augen, und ich sah nur noch dein Gesicht. Es war mir klar, dass Gott etwas von mir wollte.  Ich habe ihm versprochen, dich loszulassen und dich ganz für ihn freizugeben.  Ich bin bereit, dich gehen zu lassen, wo immer er dich hinführt."

 

Anstatt, dass ich glücklich gewesen wäre, war ich innerlich sauer. Aber der Herr wusste darum, und der Heilige Geist ging mir auf Schritt und Tritt nach.

 

In der Schule hatte ich mit einem Nachbarsjungen getanzt.  Eines Tages hörte ich, dass er mit zusammen mit anderen Kameraden ertrunken sei.  Die Nachricht traf mich wie der Blitz.  "Und du bist Schuld daran, dass er in seinem verlorenen Zustand gestorben ist. Du hast mit ihm getanzt, statt ihm den Weg zu Jesus zu zeigen.  Und wie viele mehr werden in der Ewigkeit mit dem Finger auf dich zeigen und sagen: Du kanntest Jesus, und du hast es mir nicht gesagt."  Ich war zerbrochen und bat den Herrn um Vergebung.  Er reinigte mich von aller Sünde, wie er in 1. Johannes 1, 9 es verspricht.  Ich übergab ihm mein Leben von Neuem.

 

Sehr dankbar bin ich auch für meine Heimatgemeinde, in der ich viele Missionarsberichte hörte, von denen ich sehr angetan war.  In der Gemeinde bekam ich auch Gelegenheit, mich für meinen eigenen Dienst in späteren Jahren vorzubereiten.  Schon mit 13 Jahren durfte ich im Gemeindechor singen. Später durfte ich die Gemeinde, den Chor und andere Sänger auf dem Klavier begleiten.  Auch in der Radiosendung, die unsere Gemeinde jeden Sonntagmorgen ausstrahlte, konnte ich musikalisch mitwirken.

 

Als 18jährige wurde ich von der Gemeinde gebeten, die Mädchen im Alter von 11-14 Jahren in der Sonntagsschule zu unterrichten.  Die biblische Geschichte für zwei Mädchen vorzubereiten, die in diese Altersgruppe fielen, sagte mir nicht besonders zu. Der Herr schenkte mir jedoch kreative Ideen, und nach einigen Monaten waren es nicht mehr nur 2, sondern 13 Schülerinnen.  Ich liebte diese Mädchen!  Gott schenkte Gnade, und sie wurden eine nach der anderen meine Glaubensschwestern. Fast alle haben später gläubige Männer geheiratet.  Manche stehen heute als Frauen von Reichgottesarbeitern im Dienst.  Es gibt so viele Möglichkeiten, als Frau in der Gemeinde mitzuhelfen, besonders solange man noch ledig ist.  Später hat die Familie Priorität.  (Mehr darüber in "Wie kann eine Frau in der Gemeinde dienen" - C.J.)

 

Meine Eltern führten ein offenes Haus, auch für meine Freunde. Meine Gäste wurden von ihnen mit der gleichen Würde behandelt wie ihre eigenen.  Nach dem Gottesdienst am Sonntagabend lud ich oft mehrere Jugendliche ein.  Mein Vater machte schnell ein Kaminfeuer, und meine Mutter begab sich in die Küche. Dort bereitete sie Teller mit Plätzchen und Kuchen zu.  Bald erschien sie wieder im Wohnzimmer, setzte sich ans Klavier und begann, christliche Lieder zu spielen.  Es dauerte nicht lange, bis alle fröhlich sangen.  Meine Freunde liebten meine Eltern, weil sie bei ihnen offene Ohren und Herzen fanden.  Bei der Beerdigung meines Vaters im November 1997 wurde gesagt, dass es unter seinen Freunden keine Altersgrenze gegeben habe.

 

Eine meiner Tanten hatte eine sehr scharfe Zunge.  Sie provozierte mich oft.  Ich erinnere mich, dass ich ihr einmal eine freche Antwort in der Gegenwart meines Opas gab.  Es wurde mäuschenstill im Zimmer.  Da ich gerade dabei war, in meiner Bibel zu lesen, mahnte der Heilige Geist mich und gab mir die Gnade, das Geschehene zu bereuen und zu bekennen.  Mein Opa sagte dann etwas, das ich nie vergessen habe: "Lass kein Gras darüber wachsen." 

 

Dennoch hatte ich Jahre später immer noch einen Groll auf diese Tante. Als wir bereits in Europa waren, erhielt ich einen Brief von ihr, worin sie mich über etwas beschuldigte. Endlich begriff ich, dass es nicht meine Sache war, sie anzuklagen.  Ihre Sünden waren ihre eigene Verantwortung vor Gott.  Meine Sünde war meine Unversöhnlichkeit.  Als ich begriff, dass ich sie nicht erst lieben sollte, nachdem sie sich verändert hatte, fand ich Frieden im Herzen.  Denn wo lesen wir in der Heiligen Schrift, dass wir nur solche lieben sollen, die uns angenehm sind?  Ich bekannte meine Sünde vor Gott, nahm meine Tante an, wie sie war, und ließ nicht zu, dass ihre kritischen Bemerkungen mich weiter verletzten.  Ich hörte auf, in meinen Gedanken mit ihr zu kämpfen.  Ich konnte loslassen.  Ich hörte auf, sie verändern zu wollen.  Wie gern hilft uns Gott, den Sieg zu bekommen.  (Siehe "Vergebt einander" - C.J.)

 

Mein Jahr auf der Bibelschule war das gesegnetste Jahr meines Lebens.  Ich war so glücklich.  Dort versprach ich dem Herrn nochmals ganz ernstlich, seine Dienerin zu "bleiben".  "Dienerin" schloss evangelistisch-missionarische Tätigkeit mit ein.  Nun sollte unser missionarischer Dienst ja zunächst dort getan werden, wo man gerade ist, aber er kann auch in einem anderen Land geschehen.  Auch dazu wollte ich bereit sein.  Es sollte bei mir ganz so sein wie der Apostel es in Römer 1, 5 sagt: "Wir haben empfangen Gnade und Apostelschaft (Missionsdienst)."  Jeder Christ ist also ein Missionar!  Er wird nicht erst Missionar, wenn er Mitglied einer Missionsgesellschaft wird oder einen Ozean überquert.

 

Es gelang dem Feind, mich von der Bibelschule wegzulocken.  Auf einer Reise in Kalifornien redete meine Tante auf mich ein, am College im US-Staat Kansas zu studieren.  Ich würde dort diesen und jenen Vorteil haben.  "Du hast ja schon so viele Bibelkenntnisse!", meinte sie.  Danach folgten für mich qualvolle Tage.  An einem Tag war ich überzeugt, zur Bibelschule zurückkehren, am anderen Tag zum College gehen zu wollen.  Ich wurde hin und her gerissen, und es gab viele Tränen.  Ich rang im Gebet und wollte wirklich das Richtige tun.  Wie oft habe ich mir seither gewünscht, meine Eltern hätten mir den einen Satz zur Hilfe gegeben: Im Zweifelsfalle nie!  Nie einen neuen Weg einschlagen, wenn man Zweifel hat. (Römer 14, 23b)  Wie oft habe ich mir die stille Zeit mit dem Herrn und seinem Wort in der Bibelschule zurückgewünscht.

 

Das Jahr am College war eine sehr unglückliche Zeit.  Obwohl ich manche Kenntnisse gewann, war es für mich wie vergeudete Zeit.  Meine Gebete schienen nur bis zur Decke meines Zimmers zu steigen.  Gott schwieg.  Manchmal schien es mir, als ob er gar nicht mehr existiere.  Ich suchte Trost und fand keinen.  Auf meine Bitte hin, nach dem ersten Semester aufhören zu dürfen, meinte mein Vater, ich solle doch wenigstens das eine Jahr fertig machen. Ich war so enttäuscht.  Es ist einfach furchtbar, nicht unter dem Willen Gottes zu sein.

 

Darauf folgte dann meine Ausbildung als Lehrerin, die mich auch nicht befriedigte.  Das war dann meine eigene Schuld, weil ich zu stolz war, zurück zur Bibelschule zu gehen und dort zu bekennen, dass ich einen Fehler gemacht hatte.  Wie viel Geduld hat Gott mit mir gehabt!

 

Bereits als Jugendliche begann ich zu beten: "Herr, gib mir einen Mann, der dich und dein Wort liebt."  Wer meinen Mann kennt, weiß, dass Gott dieses Gebet erhört hat. Es kam so manch einer und zeigte Interesse, aber es dauerte nicht lange, und ich sagte "Nein." Den richtigen Herrn X traf ich, als ich Mitarbeiterin auf einer Kinderfreizeit war.

 

Als Herberts Interesse an mir zunahm, begann er darüber zu beten.  Er wollte die Sache erst mit dem Herrn klären. Er vernahm das innere "grüne Licht" nicht, bis er willig wurde, loszulassen und auch ein Nein anzunehmen, wenn es nicht des Herrn Wille wäre.  Nach der Freizeit bekam ich bald einen Telefonanruf.  Ich hatte noch nie Herzklopfen gehabt, wenn ein junger Mann mich anrief, aber dieses Mal war ich atemlos und konnte kaum etwas sagen. Beim zweiten Anlauf meines Mannes ging es dann etwas besser.

 

Bald teilte er mir sein Ziel mit, nach Europa zu gehen, um dort in der Sache des Evangeliums mitzuhelfen.  Er wollte helfen, Lücken zu füllen; denn im Krieg waren viele Reichgottesarbeiter umgekommen.  Während des Krieges hatte sein Vater in Kanada die Verheißung für ihn erhalten: "Ich werde nicht sterben, sondern leben und die Taten des Herrn verkünden." Andere Kameraden fielen, aber Gott erfüllte diese Verheißung, obwohl er verwundet wurde.  Auch Herbert hat einen großen Gott!

 

Bevor er mir einen Heiratsantrag machte, wollte er wissen, ob ich für Europa ein "Ja" hätte.  Mein "Ja" zu der Frage, ob ich bereit wäre, dem Herrn im Ausland zu dienen, fiel mir nicht schwer, weil ich schon seit meiner Kindheit ein Verlangen hatte, dem Herrn zu dienen.  Später hatte ich mich bereit erklärt, dem Herrn nachzufolgen, wo immer er mich hinführen sollte.  Und doch stiegen in mir nun richtige Ängste auf, die ich vorher nie wahrgenommen hatte. Erinnerungen an die vielen jungen Männer, die nie wieder nach Kanada zurückgekehrt waren, stiegen auf. Und hatte nicht auch Herbert eine Kugel durch den Arm bekommen? Die Deutschen waren im Unterbewusstsein meine Feinde geblieben.  Ich betete: "Herr, ich bin bereit zu dienen, aber muss es in Europa sein?" Der Herr wurde Sieger.  Durch Gottes Gnade konnte ich vergeben.  Später in Europa kamen diese lieblosen Gefühle nie wieder.

 

Im Frühjahr 1951, bevor wir einander kennen lernten, hatte ich eine Stelle als Lehrerin angenommen, jedoch den Vertrag noch nicht unterschrieben. Dieses Versprechen stand nun der Heirat im Wege.  Von meinem Vater hatte ich gelernt:  Ein Wort ist ein Wort.  Was nun?

 

Der Herr, unser großer Organisator, der schon alles im voraus für uns plante, schenkte mir bald eine Begegnung mit der Cousine meines Mannes.  Sie suchte noch im letzten Moment eine Stelle.  Als ich das hörte, lachte ich und sagte: "Ich habe eine für dich!" Unglaube und Überraschung überzogen ihr Gesicht.  Nach einem Treffen mit den Schulbehörden nahm sie meine Stelle an.  Jahre später schrieb sie uns, dass die Zeit in dieser Schule segensreich gewesen sei, da sie auch als Sonntagsschullehrerin in der Gemeinde dienen durfte und Gott es ihr bestätigt hätte, dass ihr Dienst nach seinem Willen war.  Ihr Zeugnis von der Güte Gottes war eine Bestätigung für uns, dass wir nach seinem Willen gehandelt hatten.

 

In jeder Ehe treten einmal Missverständnisse und Auseinandersetzungen auf, und man kommt in die Versuchung zu denken: "Du hast vielleicht doch einen Fehler gemacht."  Für mich war es ein Trost zu wissen, dass Gott damals den Weg so leicht hätte versperren können.  Ich hatte gebetet: "Wenn dieser Mann für mich bestimmt ist und dies mein Weg sein soll, dann gib, dass eine Lehrerin gefunden wird."  Es waren damals nämlich nur noch ein paar Wochen vor Schulbeginn, und menschlich gesehen war es unmöglich, einen Ersatz zu finden.  Aber auf dem Gebiet der Unmöglichkeiten ist Gott Spezialist!

 

Herbert klärte noch etwas anderes, bevor er um meine Hand bat.  Er informierte mich liebevoll, dass ich nicht die "Erste" in seinem Leben sein werde – den ersten Platz würde Gott haben.  Im ersten Moment, wenn man bereits verliebt ist, wirkt das ein wenig schockierend. Eine Frau will doch die Erste, die Liebste sein!  Dennoch wusste ich, dass er recht hatte.  Sollte nicht auch bei mir Gott, und nicht Herbert, an erster Stelle stehen?  Damit wollte mein Zukünftiger sagen, dass seine Liebe zu mir nie zwischen ihm und Gott stehen sollte, wenn es einmal darauf ankäme, eine Wahl zwischen meinen Wünschen und Gottes Willen für uns zu treffen.

 

Nachdem grundlegende Dinge geklärt waren, wählte Herbert einen mondhellen Abend, und am Rande eines Flusses, worin sich die beleuchteten Hochhäuser widerspiegelten, tat er mir seine Liebe kund und stellte mir die uralte Frage: "Willst du mich heiraten?"  Ruhend im Wissen, dass Gottes Führung bis zu diesem Punkt klar gewesen war, dass ich Frieden im Herzen hatte und dass ich Herbert liebte, fiel es mir nicht schwer, "Ja" zu sagen.  Eigentlich hatte sich alles ziemlich schnell abgewickelt, und für manche, vielleicht für die meisten, schien es übereilt.  Komisch!  Man akzeptiert es aber, dass Isaak persönlich nichts mit der Wahl seiner Braut zu tun hatte und sie nicht einmal ohne Schleier gesehen hatte, bis er sie zu sich nahm.  Gott gebe, dass junge Menschen von heute sich Gott völlig hingeben, wenn es um solch eine wichtige Entscheidung geht, dass sie willig werden, der leisen, sanften Stimme des Heiligen Geistes zu folgen.  Allerdings kann man diese Stimme nicht hören, wenn unbekannte Sünden vorliegen.

 

Auszüge aus Herberts Brief zu dieser Zeit: "Es ist faszinierend zu sehen, wie der Herr die Knoten der uns konfrontierenden Geheimnisse auflöst und aus ihnen die Strähne der Zukunft knüpft ...  Ich habe erst begonnen, das Wirken des Herrn zu beobachten.  Seit ich im letzten Herbst mein Leben ihm neu übergeben habe, hat er mich von einem "Stern" zum anderen geführt. Liebste Carol, der Herr hält große Dinge für uns bereit, wenn wir ihm nur nachfolgen, den Preis für jeden Schritt bezahlen, ihm vertrauen und seine Führung gehorsam annehmen."

 

Nachdem wir verlobt waren, hatten wir eine größere Entscheidung zu treffen.  Ein Freund von Herbert hatte ihn dringend gebeten, dass wir nach unserer Hochzeit als Lehrer in seiner Bibelschule dienen sollten.  Andererseits war Herbert schon von einer Glaubensmission (European Evangelistic Crusade) als Kandidat angenommen worden, und wir hätten als Verlobte unsere Probezeit im Missionshaus verbringen dürfen.  Wir beschlossen, dass jeder für sich darüber beten sollte und wir dann die Antworten offen legen würden.  Im Gebet bekam ich den klaren Eindruck, dass der Herr uns im Missionshaus haben wollte. Herbert dagegen dachte, die Führung zu haben, an der Bibelschule zu dienen.  Später meinte er, die Zusage, an die Bibelschule zu gehen, sei wohl ein Fehler gewesen; er hätte meinen Eindruck von Führung zum Nein ernster nehmen sollen. Möglicherweise hatte er sich zu sehr auf seinen Freund und den eigenen Verstand verlassen.  Wir hätten länger vor dem Herrn verharren und uns nicht zu einer raschen Entscheidung drängen lassen sollen.  Den Weg in der Ehe gemeinsam zu gehen, braucht Übung und ein Hören aufeinander.

 

Weil wir Gott nachfolgen wollten, wo immer er auch hinführen sollte, und wussten, dass er auf wunderbare Weise den Weg für uns gebahnt hatte, waren wir uns auch seiner Gnade gewiss für Zeiten der Not, der Prüfung und der Versuchung. Und, um das Märchen zu Ende zu führen: Wir heirateten im Oktober 1951 mit dem Segen unserer Eltern.  Wie bedeutsam und heilig ist dieser Schritt, wenn beide "rein" geblieben sind.

 

Als wir "Ich liebe dich" zueinander sagten, meinten wir: "Ich verpflichte mich, dich lebenslang zu lieben und bei dir zu bleiben in guten und in bösen Tagen." Gefühle hatten hier nicht die Priorität. Wie rasch können die sich ändern!

 

Zum Heiraten gehört schon mehr als ein weißes Kleid und ein "Ja".  Manche Ledige leben heute in einer Traumwelt.  Der Wunsch zu heiraten beschlagnahmt ihre Gedanken; aber sie vergessen, sich für die Ehe vorzubereiten.  Matthew Henry gab einmal folgenden sehr klugen Rat: Er meinte, es sei weise, wenn unverheiratete Mädchen schon früh jeden Monat Sprüche 31, 10-31 lesen würden.  Sie sollten sich die dort genannten Eigenschaften aneignen.  Und, meinte er weiter, wenn junge Männer vorhätten zu heiraten, sollten sie sehr oft Sprüche 31, 10-31 lesen, damit sie sich ein Bild von einer tugendhaften Frau machen könnten.  Auch sollten die jungen Männer lernen, zu lieben, wie Jesus liebt, denn, so heiße es, der Mann solle die Frau lieben, wie Jesus die Gemeinde liebt. Gott schenke der Gemeinde Jesu glückliche Ehen!  (Siehe "Eine Frau nach dem Herzen Gottes" - C.J.)

 

Die Grundlage für eine glückliche Ehe ist nicht das Geld, ein gesicherter Arbeitsplatz oder ein guter Beruf des Mannes.  Unseren Eltern ging es darum, dass wir vom Herrn geführt waren. Meine Eltern machten die oben genannten gesellschaftlichen Forderungen nicht zur Bedingung für meine Heirat. Keiner wusste, dass mein Mann am Hochzeitstag ganze $25.00 hatte!  Ich übrigens auch nicht!  Das erfuhr ich, als wir das erste Mal zusammen einkaufen gingen.  Vielleicht staunen Sie?  Irdische Dinge waren für uns einfach nicht von Interesse.  Wir hatten beide den Ruf für seinen Dienst, und wir glaubten, dass Gott uns versorgen werde.  Das tat er auch.  Von meinen Eltern bekamen wir ein Möbelstück zur Hochzeit.  Andere Möbel wurden uns von der Bibelschule geliehen, wo wir das erste Jahr unterrichteten.  Es fiel mir zuerst sehr schwer, Spenden in Form von Geld oder Naturalien anzunehmen. Bis zur Heirat hatte ich mein eigenes Geld verdient und andere beschenkt.  Es erforderte Demut von mir, die Empfängerin von Gaben zu sein.  Mit Gottes Gnade durfte ich auch dieses lernen. Ich sah nicht mehr die Person, sondern Gott, hinter dem Geschenk.  Es war Gott, der uns versorgte, nicht ein Mensch.  Diese Haltung war heilsam.

 

Nach unserer Hochzeit hieß es auszuharren, bis Gott den Zeitpunkt für unsere Ausreise nach Europa setzte.  In den Jahren 1951-1954 gab es verschiedene Dienste, zuerst - für uns beide - als Lehrer an einer Bibelschule.  Allerdings habe ich nur Mädchen unterrichtet.  Nachher diente Herbert als Prediger in zwei Gemeinden. Ab und zu hatten wir Gelegenheit, auf Einladung hin über unseren Ruf nach Europa zu erzählen.

 

Wir verzichteten darauf, für unsere Unterstützung zu werben, indem wir nie über die finanziellen Bedingungen für unsere Ausreise berichteten.  Herbert war der Überzeugung: "Wenn Gott mich in den vollzeitlichen Dienst gerufen hat, dann ist es seine Sache, für meinen Unterhalt aufzukommen."  Oft heißt es: "Paulus genierte sich nicht, über seine finanziellen Nöte zu sprechen."  Unsere Frage: "Wo steht das?"  Man lese aber genau.

 

Frauen von Predigern sollen ja gute Vorbilder sein, und Herbert wollte, dass ich es auch sei.  Er sagte in etwa: "Ich erwarte, dass du das Kind ruhig hältst, und hoffe, es wird nicht notwendig werden, dich von der Kanzel aus zu bitten, mit dem Kind hinauszugehen."  Das kleine Gemeindehaus hatte kein Kinderzimmer, nicht einmal einen Vorraum. Das hieß für mich, sehr schöpferisch, sehr erfinderisch zu werden.  Gott hat Gnade geschenkt, und ich wurde nie gebeten, hinauszugehen.  Mit "ruhig" meinte Herbert: kein störender Laut, kein Quengeln oder Quietschen.  Bewegen durften sich die Kinder.  So lernte ich, auf der hintersten Bank, von wo aus niemand hätte gestört werden können, im Gemeindesaal das Kind zu versorgen, es zu wickeln, zu schaukeln, abzulenken und es in -zig verschiedenen Stellungen zu halten.  Ich lernte, für meine Kinder – bis sie etwa 2 Jahre alt waren – Spielsachen mitzunehmen, mit denen nur am Sonntag gespielt wurde.  Für das Kind waren sie dann neu.  Außerdem musste es Spielzeug sein, das ohne Geräusch auf den Boden fallen konnte. Schon mit 3 Wochen ist jedes unserer Kinder im Gottesdienst gewesen.  Einen Hütedienst gab es nicht.  Kinder fühlen sich geborgen, wenn sie bei der Mutter sein dürfen.  Unsere Kleinen sind immer gern mitgegangen. Kinder bekommen im Gottesdienst viel mehr mit als wir ahnen!  Herbert und ich wissen es aus der eigenen Kindheit.

 

Vielleicht wäre es von Interesse zu wissen, wie unser Weg nach Europa gebahnt wurde.  Herbert diente als Sanitäter im letzten Weltkrieg, und als er nach Kriegsende als Verwundeter aus England heimkehrte, studierte er Theologie.  1950 hatte er für sein Studium noch Schulden abzuzahlen und bekam auf einem Bauernhof eines Freundes Arbeit.  Nachdem die Schulden getilgt waren, hatte er etliche Male unerklärliche Unfälle.  Es schien, als wolle der Herr ihm damit sagen, er sei nicht am rechten Platz.  Er kündigte und kehrte zurück ins Elternhaus. Während er auf weitere Führung wartete, diente er als Chorleiter und Sonntagsschullehrer in seiner Gemeinde. Kurz vor Weihnachten 1950 bekam er einen Anruf von Leo Janz.  Das Quartett plante eine Reise in die USA, um dort Unterstützung zu bekommen für einen Dienst in Europa mit "Jugend für Christus".  Ihr Bass war wegen einer Operation ausgefallen.  Ob Herbert wohl einspringen könnte?  Nach der Reise blieb er am Prairie Bible Institute, in der kanadischen Provinz Alberta, wo er in früheren Jahren gerne zur Bibelschule gegangen wäre, und erhielt dort Arbeit.  Im Frühling 1951 hörte er auf der Abschlusskonferenz einen Redner, der sich mit einer sehr lauten Stimme für die Sache Gottes in Europa einsetzte.  Endlich sagte Herbert: "Herr, und jetzt habe ich lange genug "Ja" gesagt.  Jetzt gehe ich.  Mache du Weg und Bahn."  Er bewarb sich bei der Mission.  Während der Wartezeit diente er zusammen mit etlichen Evangelisten, unter anderem auch auf der Freizeit, wo wir uns kennen lernten.  Später verbrachten wir als Ehepaar drei Monate in Philadelphia in den USA. Am Ende dieser Zeit erhielten wir den Missionarsstatus und durften, sobald unsere Unterstützung zugesagt worden war, nach Europa gehen.

 

Die Missionsgesellschaft, der wir uns 1951 anschlossen, verlangte, dass wir vor unserer Ausreise eine bestimmte Summe als zugesagte Unterstützung aufweisen konnten.  Wir verzichteten auf die übliche Methode, Gemeinden anzuschreiben, um unser Vorhaben darzulegen.  Einladungen, über die künftige Arbeit zu sprechen, nahmen wir jedoch an, und ansonsten beteten wir.  Weder in öffentlichen Versammlungen, noch in persönlichen Gesprächen haben wir das Thema Unterstützung zur Sprache gebracht.  Wenn Gott uns gebrauchen wollte, sollte er es zeigen, indem er uns versorgte.  Das hat er auch reichlich getan.

 

In der "Wartezeit" auf finanzielle Unterstützung bevor wir nach Europa kamen, praktizierten wir die völlige Abhängigkeit von Gott.  Immer wieder war das Portemonnaie leer.  Wir wohnten eine Zeitlang in der Nähe von Herberts Eltern.  Jeden Tag brachte Vater uns 4 Liter Milch.  Plötzlich wurde die Kuh trocken, und zudem waren auch die Küchenschränke leer. Solange wir Milch bekamen, konnte ich wenigstens noch Brei oder Pudding für unseren kleinen Sohn kochen.  Wir trafen uns dreimal am Tag zum Beten und flehten den Herrn an, er möge unsere Not lindern.  Als wir am zweiten Tag mittags auf den Knien waren, klopfte es an der Tür.  Ein Vetter von Herbert kam auf Besuch.  Ganz offensichtlich hatte Gott ihn zu dieser Stunde zu uns geschickt, denn es war sein erster und letzter Besuch bei uns.  Ehe er sich verabschiedete, bot er uns Zugang zu seinem Tiefkühlfach im Dorf an, damit wir uns Fleisch holen konnten, und überreichte Herbert $50.00! Keiner, nicht einmal Herberts Eltern, wusste um unsere Not außer Gott!  Kein anderer musste es wissen – außer Gott!  Der Vetter ahnte nicht, wie viel Dank nach seinem Abschied hochstieg. Wir sind immer dankbar gewesen für solche Erfahrungen, die wir vor unserer ersten Ausreise für den vollzeitlichen Dienst in Europa hatten, denn auch hier sind wir völlig von Gott abhängig.

 

Paulus wählte mitunter den Weg der Selbstversorgung, aber es war Herbert, schon als er 1945 vom Krieg heimkehrte, klar, dass sein Weg ein Weg der Abhängigkeit sein sollte.  Gott hat uns beiden die Freudigkeit geschenkt, diesen Weg zu gehen.  Mein Onkel, ein Prediger, sagte uns: "Wenn Anfragen bei mir ankommen, ob man einen Dienst in meiner Gemeinde tun kann, werfe ich sie sofort in den Papierkorb.  Ich glaube, wenn Gott einen Mann ruft, versorgt er ihn mit Arbeit und den Mitteln zum Leben."  Das war für uns eine Bestätigung auf unserem Weg.  Und genau das hat Gott bis auf den heutigen Tag getan.

 

Eigentlich lernte ich schon im Elternhaus, dem Herrn zu vertrauen. In den 30er Jahren verloren meine Eltern alles, was sie besaßen, außer einem kleinen Auto und was man da hineinpacken konnte.  Die Staubstürme in Texas, USA, fegten im Frühling das schon gesäte Land weg, und ohne Ernte konnten die Schulden auf der Bank nicht mehr bezahlt werden.  So ging ich mit zweieinhalb Jahren mit meinen Eltern zurück nach Kanada.

 

Dort waren wir sehr arm.  Die Eltern hatten mir ab und zu einen Cent geschenkt für meine Sparbüchse.  Zu einem Zeitpunkt, als meine Mutter nicht mehr wusste, was sie kochen oder backen sollte, baten die Eltern mich um das Geld in meiner Sparbüchse.  Ich gab es gerne ab, weil ich Muttis wunderbare Brötchen und Pfannkuchen zu schätzen wusste.  Mein Vater entdeckte, dass ich etwa einen Dollar gespart hatte.  Er und Mutter hatten in dieser Zeit der Not beschlossen, dem Herrn das Seine zu geben, wenigstens den Zehnten von allem Einkommen. Jetzt gab Vater am Sonntag zehn Cent in die Kollekte.  Mit den restlichen neunzig Cent konnte er hundert Pfund Mehl kaufen.  Der Bauer nebenan hatte eine Kuh, und mit ihm tauschten die Eltern ihre Eier für Milch ein.  Seit diesem Zeitpunkt ging es materiell bergauf, und meine Eltern haben ihr Versprechen an Gott eingehalten.  Ich lernte, dass Gott schon für uns sorgt, aber dass er auch unseren Dank dafür haben möchte.  Durch solche Krisen gewinnt er unsere Aufmerksamkeit.

 

Unvergesslich war für mich das Wagnis meines Vaters, seine Arbeitsstelle aufzugeben, bevor er die Zusage vom Eigentümer eines Möbelgeschäftes hatte, den Laden mieten zu können.  Ich fragte: "Vater, was wirst du tun, wenn er dir eine Absage erteilt?  Bist du nicht in Sorge?" Er antwortete: "Ich habe darüber gebetet und vertraue Gott." Scheinbar hatte Gott ihm die innere Überzeugung gegeben.  Sein Beispiel im Gottvertrauen war mir in schweren Zeiten oft Wegweisung.

 

Als unsere Flugtickets für die Schiffreise nach Holland ankamen, waren wir überrascht.  Unsere Mission hatte unser "entweder Holland oder Deutschland" missverstanden. Wir waren unentschieden gewesen und wollten noch weiter darüber beten.  Inzwischen war es uns klar geworden, dass es Deutschland sein sollte. Hatten wir die innere Führung des Herrn nicht verstanden?

 

März 1954 verließ das Schiff das Ufer in der Nähe von New York.  Wie wenn es heute wäre, erinnere ich mich noch an die Gefühle, die ich hatte, als ich sah, wie der Abstand zwischen Schiff und Land immer größer wurde: Es war etwas Endgültiges, ein Verlassen von Familie, Verwandten und Heimatland, und es bewegte mich zutiefst.  Unser ganzes Vorhaben wurde jetzt zur Wirklichkeit. Wie gut, dass ich mich neu in die Hände Gottes legen durfte.

 

Als wir zehn Tage später die holländische Küste sichteten, fand ein neues Ringen in mir statt.  Was würden wir in diesem fremden Land mit fremder Sprache und fremden Sitten erleben? Herbert, der sich auf dem oberen Deck ein Wort vom Herrn ersucht hatte, kam und las mir Psalm 81, 11 vor: "Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Lande 'Kanada' heraufgeführt hat. Mache deinen Mund weit auf.  Ich fülle ihn." (H.J.)

 

Genau das hat Gott getan.  Er füllte Herberts Mund mit dem "Lebensbrot" für hungrige Seelen, und er durfte Sündern den Weg zu Jesus zeigen.  Ohne Furcht und Zittern geschah dieses nicht.  Wir waren so unerfahren.  Von unserer Missionsgesellschaft erhielten wir kaum Anweisungen für unsere neue missionarische Tätigkeit.  In solchen Zeiten durfte ich meinem Mann Trostworte wie z. B. Verheißungen aus Jeremia vorlesen: "Sage nicht: Ich bin zu jung! Sondern du sollst überall hingehen, wohin ich dich sende, und alles reden, was ich dich heiße!"  Wie wunderbar hat doch Gott in allen diesen Jahren, die hinter uns liegen, geführt, getragen und gesegnet.

 

Nachdem wir am 13.03.54 in Rotterdam angekommen waren, lernten wir die Sprache und dienten in Freizeiten, Evangelisationen, an Konferenzen und als Hauseltern in einer Bibelschule.  Die Wasserstraßen, die winzigen Felder, die roten Steinhäuser und farbenfrohen Tulpen imponierten uns sehr.  Wir fühlten uns wohl unter diesem freundlichen Volk.  Dennoch hatten wir eine wachsende Unruhe, die wir einfach nicht loswurden.  Im Frühling 1955 war Herbert in Wuppertal auf einer Konferenz für Missionare.  Man sagte ihm: "Herbert, du solltest in Deutschland sein!"  Er wurde ins Gebet getrieben.  Gottes Marschbefehle sind sehr genau!  Die Antwort war wieder: "Deutschland". Nach dem Krieg waren Wohnungen rar, und doch hörte Herbert bald von einer 4-Zimmer Wohnung in Nürnberg, die wir haben durften, wenn er als Hilfspastor dienen würde.  Auch war ein junges Mädchen aus Wuppertal bereit, ein Haushaltsjahr bei uns zu machen, da ich zu der Zeit krank war.  "Der Herr aber, der selbst vor (euch) hergeht", hatte alles für uns im voraus geordnet!

 

Gott sei Dank, dass wir nicht im voraus wissen, was solche Entscheidungen mit sich bringen werden.  Es war z.B. nicht immer einfach, sich in den drei verschiedenen Kulturen, Holland, Deutschland und der Schweiz, zurechtzufinden.  Gerade als ich so weit war, dass ich in Holländisch jemandem den Weg zu Jesus zeigen konnte, siedelten wir nach Deutschland um.  Und obwohl ich eigentlich dreisprachig aufgewachsen war, waren meine Deutschkenntnisse sehr gering.  Kein Wunder, dass die Arbeiter auf einem Bauplatz lachten, als ich sie zum Abendessen rufen sollte: "Es ist Feuerabend!" Ich staunte auch, als die etwa 200 Kinder in einer Zeltevangelisation laut loslachten, als ich aus der Schöpfungsgeschichte erzählte: "Und Mist lag über das ganze Land." ("Mist" heißt auf Englisch "Nebel")  Mit "der, die und das" hat jeder Ausländer Schwierigkeiten, aber interessanterweise gibt es selten eine Verwechslung zwischen "mein und dein"!  Da ich vier Kinder hatte, fehlte die Zeit für ein Sprachstudium.  Ein christlicher Arbeiter muss über sich selbst lachen können, und dazu hatte ich des Öfteren Gelegenheit.

 

Gott hat öfters unser Vertrauen zu ihm auf die Probe gestellt. Wie bei Hiob schien er zu fragen: "Wenn ich dieses oder jenes Negative in euer Leben schicke, werdet ihr dennoch an mich glauben?"  So war es, als unsere jüngste Tochter mit acht Monaten erkrankte.  Ganz plötzlich hörte sie auf zu essen und zu trinken. Der Arzt stellte einen Virus fest, welcher das ganze Verdauungssystem entzündet hatte.  Den ganzen Tag legte Herbert die Kleine trocken, wechselte Bettwäsche und Kleidchen, während ich in der Waschküche hantierte und versuchte, die Wäsche rechtzeitig trocken zu bekommen.  Elektrische Wäschetrockner gab es damals nicht, aber es war ein sonniger Tag, was ich als Gnade auffasste.  Abends legten wir uns erschöpft hin.  Ich merkte, dass die Kleine schon keinen Muskel mehr bewegen konnte.  Wir beteten noch einmal: "Vater, du hast uns dieses Kind geschenkt.  Wenn du es wieder zu dir nehmen willst, dann geben wir es an dich zurück.  Wir sind hilflos.  Dein Wille geschehe."

 

Kaum war der letzte Satz gesprochen, klingelte das Telefon.  Der Arzt erkundigte sich noch um 10 Uhr abends, wie es der Kleinen wohl gehe!  Nach unserem Bericht befahl er, das Kind sofort ins Spital einzuliefern.  Dort wurde sie an den Tropf gehängt.  Uns wurde gesagt: "Wir können nichts weiteres tun, als sie künstlich zu ernähren.  Alles weitere ist der Natur überlassen."  Wir wussten, was wir mit "Natur" anzufangen hatten. Nicht die Natur, sondern Gott! Sechs Tage lang bangten wir, "menschlich" gesehen, und flehten ihn Tag und Nacht an.  Am achten Tag durften wir unseren Schatz wieder nach Hause holen.  Wir erfuhren, dass der Arzt deswegen so besorgt gewesen war, weil etliche Kleinkinder in dieser Woche am gleichen Virus gestorben waren.

 

Gott hatte sich über uns erbarmt.  Wir haben Gott nicht gefragt: "Warum?"  Er schuldet uns keine Erklärungen.  Wir wussten, dass er am Ruder unseres Bootes saß und Wind und Meer ihm gehorchen würden.  Er wollte dennoch wissen, ob wir uns ganz und gar auf ihn verlassen würden.  Wir wurden an Abraham erinnert, der auch um ein Haar seinen Sohn verloren hätte.  In Krisenzeiten beginnt der Glaube erst recht tätig zu werden.

 

Auch in Deutschland hielt Gott das Versprechen von Ps. 81 ein. Viele Türen öffneten sich für evangelistische und Lehrdienste in Zelt und Gemeinden.  In den Jahren 1955-58 hat unser großer Gott weitere Wunder getan, indem Hunderte zum wahren Glauben an Jesus Christus kamen.  Mit Dankbarkeit nehmen wir zur Kenntnis, dass manche davon jetzt im vollzeitlichen Dienst stehen.

 

Aus diesen Jahren haben wir eine Familie S. in Frankreich noch gut in Erinnerung.  Bei einer Evangelisation, in der Herbert als Evangelist diente, kam Frau S. an einem Abend zur Aussprache.  Sie nahm Jesus als ihren Heiland an.  Sie bat uns, am nächsten Tag zu ihnen zum Abendbrot zu kommen, denn ihr Mann war nicht gläubig, und wir sollten ihn kennen lernen.  Die Finsternis, die in der Wohnung eines Trunksüchtigen herrscht, ist kaum zu beschreiben.  Prozesse liefen wegen Schlägereien mit Nachbarn und auch sonst war ersichtlich, dass hier finstere Mächte am Werk waren.  Wie tröstend, dass der Herr Jesus auf diesen Besuch mitkam.  Ich konnte die finsteren Blicke dieses Mannes kaum ertragen. Der Herr schenkte Gnade für das Gespräch am Tisch, und zu unserer Freude war Herr S. bereit, ins Zelt zu kommen! An dem Abend beugte auch er seine Knie vor Gott und wurde ein neuer Mensch.

 

Nach etlichen Monaten besuchten wir diese Familie wieder. Welch ein Wunder hatte Gott getan! Herr S. erzählte, dass er seit seiner Entscheidung für Jesus, keinen Tropfen mehr getrunken hatte.  Er war ein richtiger Familienvater geworden, der sich Zeit nahm, mit der Familie in die Ferien zu gehen.  Übrigens hatten sie jetzt auch das nötige Geld dazu!  Das Ehepaar war so glücklich, über das Wirken Gottes an ihnen.  Sie waren wirklich kaum mehr zu erkennen.

 

In seinem Brief an Philemon erklärt Paulus: "Onesimus, den ich gezeugt habe", und den Korinthern sagt er: "Ich habe euch in Christus Jesus durch das Evangelium gezeugt."  Auch wir dürfen Gott danken für geistliche Kinder.  Der Herr führte einen jungen Mann, namens Paul, in unsere Zeltevangelisation am Kaiserstuhl.  Auch er war dem Alkohol verfallen, obwohl er Versuche gemacht hatte, frei zu werden.  Er machte bei einer Aussprache mit Herbert einen neuen Anfang mit dem Herrn.

 

Aber wie geht man den Einzelnen, die sich bekehrt haben, nach? Die Nacharbeit ist immer ein Problem, und sie lag uns schwer auf dem Herzen, aber es kamen Rufe, anderweitig zu evangelisieren.

 

Auf einer Reise in den Süden Deutschlands hielten wir am Kaiserstuhl an, um einige Besuche zu machen.  Paul war nicht zu Hause.  Man sagte uns, er sei in der Schweiz.  Wir konnten einen Besuch bei ihm einrichten.  Es ging ihm aber nicht gut.  Schon wieder versuchte er, seinen Durst mit etwas zu stillen, das nur noch mehr Durst gab.  In den folgenden Jahren, obwohl in größeren Abständen, lenkte Gott unsere Wege in jene Gegend.  Bei einem Besuch bei Martha, die im Zelt zum Glauben gekommen war, erfuhr ich, dass Paul es sich in den Kopf gesetzt hatte, sie zu heiraten.  Ich fragte: "Ist sein Leben mit Gott in Ordnung?" "Ja, aber ... der Kampf mit dem Alkohol."  Paul erzählte später, dass er damals ehrlich trocken bleiben wollte und es periodisch schaffte, aber zur Zeit der Hochzeit dennoch ein Doppelleben führte.  Wenn man ledig ist, kann man vielleicht ein geistliches Leben vortäuschen, aber in der Ehe wohl kaum.  Auf unserem nächsten Besuch war Martha, so meinte sie, am Ende.  Es ist nicht einfach, solch eine Frau zu trösten. Überraschenderweise ging es beiden bei einem weiteren Besuch von mir viel besser.  Sie sprachen von der Möglichkeit, zur Bibelschule zu gehen. War ich glücklich!

 

Ich hatte den Eindruck, ich sollte das Eisen schmieden, solange es heiß war, und machte mit ihnen eine Reise zur Bibelschule, damit sie sich orientieren konnten.  Gott war treu und hielt sie an diesem Vorhaben.  Kurz vor Bibelschulbeginn stand Paul plötzlich vor unserer Tür. Ein bisschen nervös und aufgeregt erzählte er mir, es wäre ihm wieder passiert.  Er hatte wieder mal eine Wirtschaft besucht.  Er wollte wissen, ob er dennoch zur Bibelschule gehen dürfe.  "Hast du es mit Gott in Ordnung gebracht?  Hat er dir vergeben?"  "Aber ganz gewiss."  "Also dann geh nur auf die Bibelschule."  Wenn Martha es zu jener Zeit gewusst hätte, hätte sie es gesundheitlich vielleicht nicht verkraftet.  Es blieb damals ein Geheimnis zwischen Paul und mir.

 

In der Bibelschule nahm Pauls Leben eine deutliche Wende.  Seit vielen Jahren dient er dem Herrn als Evangelist, und der Herr hat auch ihm und Martha viele Kinder im Glauben geschenkt.  Unser Gebet ist, "dass der, welcher in (ihnen) ein gutes Werk angefangen hat, es auch vollenden wird bis auf den Tag Jesu Christi".

 

Zwischen 1960-1965 diente Herbert oft in der Studentenmission in Deutschland.  Diese Arbeit führte ihn immer wieder zu intensivem Bibelstudium, da die Studenten manchmal Fragen stellten, für die er zuerst im Wort Antworten finden musste. Eigentlich ist Herbert zeitlebens ein Bibel-"Forscher" gewesen.  Er ist es bis heute geblieben.

 

1970 wurde er in das Kuratorium der Freien Evangelisch-Theologischen Akademie (jetzt STH) in Basel berufen und 1971 zum Professor ernannt. In diesen Jahren lernte er in seiner Vorlesungstätigkeit sehr viel.  Besonderer Anlass zum Forschen konnte die Frage eines Studenten sein: "Wo steht das geschrieben?"  Ich sehe ihn heute noch vor mir, wie er nach Hause kommt und ohne den Mantel auszuziehen ein Buch aus seiner Bibliothek holt, um etwas nachzulesen.  Auch Prof. Jantzen war ein Student an der FETA!

 

1983, nach einem 2jährigen Kanadaaufenthalt, führte der Herr uns wieder nach Europa.  Seither dient Herbert je nach Zeit und Kraft als freier Referent, wohin immer er gerufen wird.  Diese Dienste haben uns kreuz und quer durch Deutschland, nach Frankreich, Österreich, Holland und in östliche Länder geführt.

 

Obwohl Gott durch sein Wort in diesen Jahren viele Herzen veränderte, möchte ich nur einige Erlebnisse erzählen, die von Gottes großer Gnade sprechen.

 

An einem Ort legte Herbert Römer 12, 1 aus.  Er betonte, wie wichtig es sei, dass wir unsere Leiber, ja, jedes einzelne Glied am Leib, dem Herrn darbringen sollten.  Gott verlange Reinheit und dulde nicht, dass wir mit unseren Gliedern sündigen.  Er nahm sich noch recht viel Zeit, um diese Stelle zu verdeutlichen.  Ich merkte, wie ein Mann nach dem Vortrag am Mittagstisch ziemlich unruhig war, und gewann den starken Eindruck, dass er wahrscheinlich in Seelennot sei.  Er suchte dann tatsächlich das Gespräch und bekannte seine Homosexualität.  Er sagte, er fühlte sich so schmutzig, so sündhaft beim Anhören des Wortes, dass er es nicht länger aushalten könne.  Er brachte diese Sünde dem Herrn und bereinigte seine Beziehungen. Homosexualität eine Krankheit oder gar ein anderer Lebensstil?

 

Der Herr führte eine Frau zu mir, deren körperlicher Zustand sehr schlecht war, weil sie so viel in ihrer Familie zu leiden hatte.  Sie war im wahrsten Sinne "kaputt".  Sogar die Stimme war schwach.  Beim Gespräch kamen dann alle Sorgen und Nöte zum Vorschein. Sie hatte einen ungläubigen Mann, der ihr viel zusetzte, sogar körperliche Verletzungen verursachte. Sie wusste sich nicht mehr zu helfen. Ich gab ihr den Rat, der beschrieben ist in "Ziehen Sie an einem ungleichen Joch?" - C.J.  Sie nahm sich den Rat zu Herzen und begann, ihn sofort in die Praxis umzusetzen.  In den folgenden Jahren hat sie in ihren Briefen immer wieder von neuen Siegen berichtet, wie der Herr ihr Gnade schenkte, dieses und jenes anders zu machen als früher.  Und was ist daraus geworden?  Der Mann, obwohl noch nicht gläubig, begann, nett mit ihr zu sein, und das Ehepaar lebt in verhältnismäßigem Frieden miteinander, was für die Frau ein Wunder ist. Sie staunt immer wieder neu, z. B. über die Hilfe, die sie von ihm bekommt, dass er auf manches bedacht ist, das ihr Leben so viel erträglicher macht.  Er ist sogar ein paar Mal unter das Wort gegangen.  "Gott kann" – wenn wir bereit sind, uns zu ändern.

 

Am Anfang unseres Dienstes in den Niederlanden erhielten wir volle finanzielle Unterstützung.  Doch ließ sie bald nach.  In dieser Zeit ermutigten wir uns immer wieder, nicht auf Menschen zu sehen, sondern nur auf Gott.  Dass der Herr uns versorgen konnte, wussten wir.  Es war sogar seine Sache.  Wir fragten uns aber auch: Warum denn der Mangel an Finanzen?  Lag Sünde in unserem Leben vor?  Wollte Gott uns darauf aufmerksam machen?  Es ist überwältigend zu erfahren, wie genau der Heilige Geist es nimmt, wenn wir für einen Reinigungsprozess offen sind.  Wie sehr sehnt sich Gott nach unserer Heiligung!  Wenn wir uns dann vor ihm beugten, mahnte er vielleicht an ein liebloses Wort, an Ungeduld mit den Kindern, manchmal sogar an ganz alte Sünden, die nie in Ordnung gebracht worden waren.  Wenn die Rebe stillhält, kann der Weingärtner schneiden!  Ich stellte fest, dass ich immer noch ein bitteres Gefühl gegen einen Schulkameraden wegen einer verletzenden Bemerkung hegte.  Nachdem ich meine Bitterkeit dem Herrn bekannt hatte, war es, wie wenn ich Gott wieder in die Augen schauen konnte.  Da ich ziemlich gewiss sein konnte, dass diese Person meine lieblose Haltung gemerkt hatte, schrieb ich einen Brief an sie, um die Sache in Ordnung zu bringen.  In erneutem Vertrauen harrten wir dann wieder vor Gott und trafen uns dreimal am Tag zum Gebet, bis er unsere finanzielle Not linderte.  Das tat er manchmal auf ganz einzigartige Weise.  Wir staunten, wie Gottes Kinder sich von ihm gebrauchen ließen. Während 46 Jahre hat er uns seine Treue erwiesen, obwohl wir bis heute kein festes Einkommen haben.  Er gibt uns immer, was wir brauchen, nicht immer was wir wollen.  Das ist gut so.

 

Obwohl der Mann der Beschützer, Behüter und Versorger der Familie ist, ist es wichtig, dass die Frau gemeinsam mit ihrem Mann die Knie beugt und Sünden bekennt, wo es notwendig ist, und dem Herrn vertraut. Dieses ist segensreicher als zu klagen, zu kritisieren, zu beschuldigen oder zu murren, wenn es finanziell nicht so rosig aussieht.

Erlauben Sie mir bitte, ein wenig zu schildern, wie Gott seine Größe und Treue an uns erwiesen hat.

 

Es war 1955.  Als ich sah, dass mein Mann den Koffer packte, sagte ich: "Du packst?  Wir haben doch kein Geld für die Fahrkarte!" Er antwortete: "Ich habe versprochen, diesen Dienst zu tun.  Der Herr wird für das Geld sorgen.  Komm, wir gehen noch einmal auf die Knie."  Während wir beteten, klingelte es.  An der Tür stand ein uns unbekannter amerikanischer Feldwebel. Seine Abschiedsworte waren: "Als ich hörte, dass ihr Missionare wart, dachte ich, ihr könntet dieses vielleicht gut gebrauchen."  In dem Umschlag waren 100 Dollar.  Damals waren das 450 Deutsche Mark.  Wie haben wir den Herrn gepriesen!  Mit dankbarem Herzen ging ich schnell zur Bank und kaufte dann Lebensmittel ein. Herbert erreichte noch rechtzeitig den Zug.  Es blieb auch noch genügend Geld für Lebensmittel während seiner Abwesenheit übrig.

 

1956.  Wieder stand der gepackte Koffer bereit.  Im Briefkasten war nur ein kleines Päckchen.  "Das wird der vergessene Rasierapparat sein", dachte ich. Als ich das Päckchen öffnete, lag oben ein kleiner Umschlag mit Geld.  Die Diakonissen, die in der vorigen Woche diese Summe für unser Zimmer verlangt hatten, als wir an ihrem Ort dienten, hatten eine Sinnesänderung erlebt. Gott lenkt nicht nur die Herzen der Könige!  Herbert fuhr zu seinem nächsten Dienst.

 

Auf dem Heimweg Richtung Nürnberg, nach einem Dienst in der Schweiz, entdeckten wir, dass in Deutschland aufgrund eines Feiertages die Banken geschlossen waren.  Wir konnten unseren ausländischen Scheck nicht einlösen.  Unsere Reiseverpflegung hatten wir bereits mittags gegessen, und die Kinder fingen an zu klagen: "Mutti, ich hab Hunger." Kleine Kinder haben kein großes Verständnis, wenn man ihnen sagt, man habe kein Geld, um Essen zu kaufen.  Das Betteln wurde immer stärker.  Wir fuhren und beteten.  Als uns ein Lastwagen kreuzte, drehte ich mich um und schaute ihm nach.  Wieso? Weil es Gott gefiel, mich sehen zu lassen, dass etwas vom Lastwagen fiel und in den Graben rollte.  Aufgeregt bat ich Herbert, anzuhalten.  Er nahm mich zuerst gar nicht ernst.  "Vielleicht ist es etwas zum Essen!  Bitte, fahr zurück!"  Das Wort "Essen" wirkte, und langsam setzte er zurück. Als wir beinahe dort waren, sah ich, dass eine Bauersfrau auf einem Fahrrad gleich daran vorbei fahren würde. "Jetzt wird sie es sehen! Wir sind zu spät!" rief ich. Aber das war eben nicht in Gottes Plan, und der Herr hielt ihre Augen zu!  Was meinen Sie, was wir am Wegrand fanden? – einen großen Plastiksack mit Erdnüssen in der Schale.  An diesem Abend mussten wir in einer Pension übernachten, und dort feierten wir unser erstes "Erdnussfest": Erdnüsse als Hors-d'oeuvre, Erdnüsse als Suppe, Erdnüsse als Hauptspeise und – Sie haben es erraten: Erdnüsse als Nachtisch.  Unsere Kinder waren glücklich und quietsch vergnügt und gingen gesättigt schlafen.  Wissen Sie, ich glaube, dass Gott Elia durch Raben speiste.  Lastwagen gab es damals noch nicht!

 

1963 war das Geld wieder einmal sehr knapp.  Ich erinnere mich, wie ich am Spülstein stand und mir wünschte, dass ich den Kindern Orangen kaufen könnte.  Sie brauchten doch Vitamin C!  Abends, als sie schliefen, überlegte ich hin und her, ob ich zum Bibelkreis gehen sollte oder nicht.  Da ich die Kinder abends nicht gern allein in der Wohnung ließ, wäre ich beinahe nicht gegangen.  Als ich die Treppe zur Straße hinunterging, sah ich einen größeren Gegenstand mitten auf der Straße liegen.  Je näher ich kam, desto interessanter wurde die Sache.  Können Sie sich meine Freude vorstellen, als ich eine große Kiste Mandarinen von bester Qualität aufhob und ins Haus trug?  Wie schnell hatte der Herr mein Verlangen gestillt! (Psalm 10, 17)

 

Im Bibelkreis erzählte ich, dass ich es kaum fassen könne, dass Gott so etwas täte.  Die anderen saßen mit ernsten Gesichtern da.  Mir wurde ganz anders.  Was war denn los?  Konnten sie sich nicht darüber freuen?  Der Leiter sagte zu mir: "Haben Sie es schon der Polizei gemeldet?  Diese Kiste ist ja von einem Lastwagen gefallen." O weh!  An so etwas hatte ich überhaupt nicht gedacht.  Lastwagen oder nicht, hier war doch deutlich Gott im Spiel! Ich versprach aber, es zu melden. Die Polizei bat mich, drei Tage abzuwarten.  Jedes mal wenn ich an der Kiste vorbei ging, sagte ich: "Herr, die Mandarinen gehören uns, nicht wahr?  Sie sind doch von dir!"  Als ich den Polizisten anrief, sagte er nur: "Guten Appetit!"

 

Glaube heißt, zu glauben, was wir nicht sehen, und der Lohn des Glaubens ist es, zu sehen, was wir glauben. (Augustin)  Gott belohnt unser Vertrauen.  Wir sind erinnert an ein Erlebnis in den 60er Jahren, als das Geld für Lebensmittel ausgegangen war.  Wiederholt erinnerten wir den Herrn an unsere Not.  Der Postbote lieferte uns ein Paket.  Amerikanische Freunde, die auch im Dienst für den Herrn tätig waren, hatten scheinbar Frühlingsputz gemacht und uns Lebensmittel geschickt, die sie nicht so gern aßen.  Etliche dieser amerikanischen Produkte waren auch für uns fremd, aber unsere Kinder, die einen guten Appetit hatten und deren Vater ihnen vergewisserte, dass Mutti eine gute Mahlzeit gekocht hatte, leerten tapfer ihre Teller.  Der Inhalt dieses Kartons wurde vorsichtig eingeteilt, so dass wir etliche Tage keinen Hunger leiden mussten.

 

Es dürfte auch in diesem Jahr gewesen sein, dass wir den Kindern etliche Wochen vor Weihnachten mitteilten, dass sie zum Fest höchstwahrscheinlich keine Geschenke erhalten würden, weil das Geld nicht ausreichte.  Welch eine Herausforderung für die Kinder zum Beten! Schon zwei Wochen vor Weihnachten kamen dann Pakete aus Kanada und aus Deutschland an.  Jemand brachte einen Weihnachtsbaum.  Am 23. gegen Abend fanden wir einen Karton mit Lebensmitteln vor der Tür.  Sogar ein riesiger Truthahn für die traditionelle kanadische Weihnachtsmahlzeit war dabei.  Je größer der Stapel Geschenke unter dem Baum wurde, je lauter wurden die "Preist den Herrn"-Ausrufe der Kinder.  Wie aufgeregt und wie dankbar war die ganze Familie!  Diese Weihnacht ist uns allen in Erinnerung geblieben als die reichste, die wir je hatten.

 

Haben Sie schon jemals gehört, dass man mit einem nicht ganz bezahlten Flugschein geflogen ist?  Wir wollten zurück nach Europa fliegen, und so brachten wir während einiger Monate alle Spenden, die in Scheckform kamen, zum Reisebüro.  Als das Abflugsdatum kam, fehlten noch etwa 200 kanadische Dollar für den Flugschein.  Wir versicherten dem Reisebüro, dass der Gott, der uns bis jetzt versorgt hatte, auch diese Summe einbringen würde, und versprachen, den Rest nachzusenden.  Gott ließ uns nicht im Stich.

 

Wenn wir solche Ereignisse erzählen, sagen manche: "Haben Sie Ihren Eltern nicht Ihre Lage geschildert?"  oder: "Haben Sie Ihre Not nicht im Gebetsbrief erwähnt?" oder: "Haben Sie es wirklich niemandem mitgeteilt?"  NEIN! Nur Gott.

 

Während eines Kanada-Aufenthaltes brachte mein Vater Herbert einmal zur Busstation.  Sie verabschiedeten sich, und mein Vater ging hinaus zum Wagen.  Bevor er einstieg, kam ein Bekannter auf ihn zu: "Na, was bringt dich hierher?"  "Ich habe meinen Schwiegersohn hergebracht", antwortete mein Vater. "Er fährt zu einem Dienst." "Ach so, der ist hier.  Ich wollte ihm schon lange etwas geben. Bitte gib ihm dies."  Als mein Vater sofort zurück in die Busstation ging und das Geld überreichte, sagte Herbert: "Danke.  Jetzt kann ich meine Fahrkarte bezahlen!"

 

Gott ist nicht nur ein Gott der Fürsorge, sondern auch der Bewahrung. Ich hatte ein recht aufregendes Erlebnis in Bonn.  Nach einem Einkaufsbummel stieg ich aus dem Bus, entdeckte aber sofort, dass ich meine volle Einkaufstasche im Bus vergessen hatte.  Der Bus fuhr um die Ecke weiter.  "Herr, was mache ich?" schrie ich innerlich.  Ich schaute hinüber zum Hotel, in dem die Bibelschule uns untergebracht hatte, und dort stand unser Wagen.  Herbert war also vom Unterricht schon zurück.  Ich rannte, stieg ein und fuhr dem Bus nach.  Aber kein Bus war in Sicht!  Ich rief immer wieder zum Herrn, er möge mir zeigen, wo der Bus sei.  Plötzlich kam er von links aus einer Straße und fuhr vor mir her.  Der Bus hatte die gleiche Nummer, 234, aber: War es derselbe Schaffner?  Ich fuhr ihm nach, bis ich ihn in einer schmalen Straße überholen konnte, schnitt ihm an einer Haltestelle den Weg ab, stieg aus und stellte fest, dass niemand meine Tasche abgegeben hatte.  Der Schaffner war sehr freundlich (vielleicht auch ein wenig amüsiert) und erlaubte mir, danach zu suchen; und richtig, dort auf dem Sitz lag sie!  Nachdem ich mich eilends davonmachte und wieder im Auto war, habe ich nur noch gedankt und gepriesen.  Der Herr ist doch so gut!  Aber er und ich hatten noch ein Problem zu lösen, nämlich: Wie finde ich das Hotel wieder?  Ich war in einer fremden Stadt und kannte mich überhaupt nicht aus.  Aber auch da hat der Herr geholfen.  Glücklich und dankbar durfte ich Herbert dann von meinem Abenteuer erzählen.  Unser Vater im Himmel bewahrte diese alte und vergessliche Frau und ihr Hab und Gut.

 

Herbert und ich haben etliches gemeinsam, wie zum Beispiel die Vergesslichkeit!  Aus Dankbarkeit möchten wir Gottes gnädiges Verfahren mit uns mitteilen.  Wenn Sie schon einmal Ihre Kreditkarte oder den Pass verloren haben, dann wissen Sie, wie es uns zumute war, als es Herbert passierte.  Wir hatten auf der Heimfahrt von einer Dienstreise in Norddeutschland einen längeren Weg zurückzulegen.  Bei einem Restaurant abseits von der Autobahn hielten wir an und nahmen eine kleine Mahlzeit ein.  Es war ein warmer Abend, und wir aßen draußen.  Wir bezahlten unsere Rechnung und fuhren weiter.  Ungefähr anderthalb Stunden später wollten wir tanken, aber Herbert fand seine kleine Tasche nicht.  Bestürzt realisierte er, dass er sie auf dem Stuhl bei unserem Tisch hatte liegen gelassen!  Und das noch draußen!  Sicherlich hatten zwischenzeitlich andere dort eine Mahlzeit eingenommen.  Es fiel mir ein, dass ich die Quittung aufbewahrt hatte.  Darauf fand ich die Telefonnummer des Restaurants.  Der Kellner, der antwortete, versicherte mir, dass die Tasche von einem Kunden abgegeben worden sei und auf uns warte.  Danke Herr!  Wir fuhren zurück und hofften vor dem Herrn, dass auch der Inhalt noch dabei sein würde. Stellen Sie sich unsere Freude vor, als wir den Inhalt nachprüften: Führerschein, Altersrentenkarte, Kreditkarte, Aufenthaltsbewilligung, Pass, SF 100.00, Bibel, Terminkalender und Tagebuch – nichts fehlte!  Nicht immer haben solche Geschichten ein glückliches Ende.  Bevor wir in den Wagen stiegen, machten wir, obwohl es schon spät abends war, einen Spaziergang und brachten unseren Dank zum Ausdruck.  Wir haben doch einen großen Gott, nicht wahr?

 

Gott ist, wie wir alle wissen, auch ein Gott der Führung.  Wie oft haben wir dieses erlebt.  1960 planten wir unseren Umzug von Lörrach nach Baden-Baden.  Zwei Tage vor unserem Umzugstermin hatten wir immer noch keine Wohnung. In der Gegend von Baden-Baden ging ich manchen Hinweisen nach, aber ohne Erfolg. Erschöpft setzte ich mich in Rastatt auf eine Bank und legte nochmals alles in Gottes Hand.  "Herr, wenn du willst, dass wir in dieser Gegend wohnen sollen, dann kannst du uns eine Wohnung zeigen." An der Kleidung erkannte ich, dass eine Kanadierin mir entgegen kam.  Ich wurde geführt, sie zu fragen, ob sie von einer leeren Wohnung wüsste. "O ja, in der Lessingstraße 9 in Baden-Baden wird noch eine Wohnung leer sein.  Meine Freunde sind dort ausgezogen."  Und diese Wohnung bekamen wir.  Die Führung und Treue Gottes, wie groß ist sie doch!

 

Für meinen Mann bin ich sehr dankbar, und ich bewundere sein kindliches Gottvertrauen.  Zwar habe ich schon viel von ihm gelernt, aber ich falle dennoch eher in die Versuchung, ängstlicher und bekümmerter zu sein, als er.  Einmal war es wieder so weit, dass es finanziell sehr knapp war. Ich ging zu Herbert mit der Bitte, ob ich nicht irgend einen Satz diesbezüglich im Rundbrief schreiben dürfe.  Er blieb eisern.  "Nein. Wir sagen nur dem Herrn unsere Not."

 

Zuerst ein wenig ärgerlich, was ich später vor dem Herrn bereute, dann aber nachdenklich, entschloss ich mich, den Herrn in unserem Brief zu loben. Wir hatten eigentlich so viel Grund zum Loben.  Wissen Sie, der Herr hat mich so beschämt!  Das Echo war überwältigend.  Wir erhielten Briefe, Geldspenden und sogar Pakete von Lebensmitteln. Diese Lektion war so eindeutig, dass ich sie nie vergessen habe.  Gott ist so groß!

 

Bis heute können wir Gott nur danken und ihn preisen für seine wunderbaren Wege mit uns, denn in keinem Monat wissen wir, wie viel Geld wir haben werden. Oft haben wir gegen Ende des Monats nicht gewusst, wie die Rechnungen bezahlt werden sollten, aber im rechten Moment kam der Herr zur Hilfe.

 

In einem Gebetskreis, den ich besuchte, waren einige amerikanische und kanadische Missionarsfrauen in Besorgnis, weil der Dollar gefallen war. Als ich meinem Mann davon berichtete, sagte er ganz ruhig: "Der Dollar-Kurs mag sich verändert haben, aber nicht der Herr."  Es war wie Balsam für mich.  Ein paar Wochen später erhielten wir einen Brief von Freunden, die schon viele Jahre nichts von sich hatten hören lassen.  Sie hatten beschlossen, uns mit 25 Dollar pro Monat zu unterstützen. Gott wusste schon im voraus, was mit dem Dollarkurs geschehen würde.

 

Oft sagen Menschen: "Sie müssen einen großen Glauben haben." Es geht nicht um unseren großen Glauben. Es geht um unseren großen Gott! Und hätte ich mein ganzes Leben nochmals vor mir, ich wäre bereit, denselben Weg zu gehen, denn: "Mein Gott wird bis zur Fülle alles geben, was ihr bedürft, nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus." (Philipper 4, 19)

 

Übrigens, nicht nur wir, sondern ein jeder von uns ist von Gott abhängig, nicht wahr?  Wer kann schon behaupten, dass ihm seine Arbeitsstelle bis zur Pensionierung erhalten bleibt?  Wer kann behaupten, dass er bis zum Rentenalter bei guter Gesundheit sein wird? Wer weiß, wie lange er leben wird und ob seine Pläne und Träume in Erfüllung gehen werden?  Weiß es nicht nur Gott allein?

 

Nur Gott weiß, warum Herbert 1987 an einer Lungenentzündung erkrankte. Dieses Ereignis hat uns schon beschäftigt.  Es ist unser Gebet, dass wir die Lektionen lernen, die es zu lernen gibt, und dass sein Name in allem verherrlicht wird.  Nach seiner Krankheit, die ihn etliche Monate "außer Betrieb" setzte, schrieb Herbert folgende Gedanken, die ihm in der Genesungszeit wichtig wurden:

 

"– Krankheit macht nicht geistlicher. Auf der Fahrt zum Krankenhaus stellte ich fest:  'Ich bin jetzt geistlich genau dort, wo ich vor einigen Stunden und Tagen war.' Geistlich wird man durch die Gemeinschaft mit dem Herrn, ob man gesund oder krank ist.

 

– Mir ging auf, dass ich in Krankheit dem Tode nicht näher war als wenn ich gesund war.  Immer kann mein Leben im nächsten Augenblick zu Ende sein.  Immer bin ich in seiner Hand und von ihm abhängig.

 

– Wenn man krank ist, klopfen Sorgen um dies und das an die Tür des Gemüts. Mir wurde klar, dass ich alles wie ein Kind meinem Vater anvertrauen durfte.

 

– Gleichzeitig gilt es zu lernen, loszulassen, besonders von dem, das einem so wichtig vorkommt.  Das ist nicht einfach, wenn es um etwas geht, das man als Auftrag vom Herrn aufgefasst hatte. In einer solchen Spannung gilt es, nicht zu vergessen:  Nur er ist Herr der Ernte und Haupt der Gemeinde."

 

Lange Jahre hieß es für mich sehr oft, allein mit den Kindern fertig zu werden.  Auch für diese Aufgabe gibt es Gnade zur Genüge beim Herrn.  Leider habe ich mich zeitweise bedauert und habe versucht, mit eigener Kraft diese Aufgabe zu bewältigen.  Wie bereue ich die Momente, die Stunden und Zeiten, in denen ich vom Herrn nicht Gnade nahm und so mit den Kindern und dem Alleinsein nicht zurechtkam. Gott sei Dank, sind unsere Kinder zum Glauben gekommen; aber es war mir längst nicht immer bewusst, dass diese Kinder meine wichtigste Aufgabe waren, ein anvertrautes Gut, wichtiger als irgend ein anderer Dienst, den ich für den Herrn tun konnte. Hätte ich meine Aufgabe ernster genommen, stünden unsere Kinder vielleicht alle im vollzeitlichen Dienst, und ich hätte mich auf diese Weise vermehrt.

 

Die Rolle der Mutter – wie wichtig, wie unentbehrlich im Lichte der Ewigkeit!  Wollen wir als Frauen mit Kindern nicht die Bühne, nicht das Rampenlicht, suchen, sondern die Anerkennung des Herrn und danach streben, von unseren Männern und unseren Kindern gepriesen zu werden, wie die tugendhafte Frau in Sprüche 31, 10-31.

 

Wenn ich meine Kinder nochmals erziehen dürfte, würde ich viel mehr beten – nicht nur abends, bevor ich vor lauter Müdigkeit ins Bett falle, sondern ich würde ringen im Gebet um Wachstum im Glauben, um richtige Freunde, um Führung in der Lebensaufgabe, um reine, gottesfürchtige Ehepartner für sie und um alles, was den Kindern eines Tages begegnen wird.  Besser sind vorsorgende Gebete, als Gebete, die die Kinder nachher aus der Sünde herausholen sollen.  Es ist auch unsere Aufgabe, für unsere Männer zu beten, dass sie im Herrn stark werden, denn wenn die Pfeile Satans den Mann treffen, leiden auch Frau und Kinder darunter.

 

Nachdem unsere Kinder alle nach Nordamerika umgesiedelt waren, hatte ich das Verlangen, dem Herrn auf andere Weise zu dienen.  Jetzt hatte ich Zeit für andere.  Als ich vor dem Herrn diesen Wunsch ausgesprochen und ich mich ihm zur Verfügung gestellt hatte, dauerte es nur einige Tage, bis Frauen zu mir fanden, die in großer Not waren.  Ich versicherte ihnen, dass meine Haustür für sie immer offen sei.  Und so klingelte es manchmal schon morgens vor 9 Uhr bei uns.  Durch diese Arbeit mit Frauen lernte ich, mich intensiver mit dem Wort Gottes zu beschäftigen.  Frauen wird geholfen, wenn sie willig sind, sich nach der Heiligen Schrift auszurichten. Auf diesem Gebiet erleben wir Wunder, denn Herzen werden verändert, Ehen wiederhergestellt, Familienleben neu gestaltet.

 

Wenn es um einen neuen Weg im Dienst geht, fragt Herbert sich immer zuerst: "Liegt diese Sache im Willen des Herrn?  Ist sie ihm wohlgefällig?", nicht: "Werden wir es finanzieren können?  Lässt es sich machen?" Christliche Arbeit ist kein Geschäft.  Sie ist dynamisch und hat mit Personen zu tun. Man kann nicht im voraus planen und wissen, wie die Sache ausgeht.  Man weiß nicht, was Gott tun wird.  Gott will unsere totale Abhängigkeit von ihm.  Dann kann er wirken und die Ehre dafür bekommen.

 

Obwohl es manches Schwere gab, muss ich im Nachhinein sagen, ich würde denselben Weg wieder wählen, denn so lernte ich die Treue Gottes kennen. Er schenkte Gnade um Gnade.  Es reicht, dass die Augen des Herrn, unseres Gottes, vom Anfang des Jahres bis an sein Ende sehen. (5. Mose 11, 12)  Es ist ein Leben voller Abenteuer und doch ein Leben, das sich wirklich lohnt.

 

Zur Zeit dieses Schreibens haben wir mit kürzeren Unterbrechungen ein Jahr in Holland, fünfzehn Jahre in Deutschland und achtundzwanzig Jahre in der Schweiz gewohnt, wo wir zur Zeit unser Zuhause haben.  Der Weg der Nachfolge im Gehorsam lohnt sich.  Gott hat sein Wort gesegnet.  Er hat Menschen gerettet und die Herzen der Gläubigen aufgerichtet.

 

Mit dem Wissen, dass wir einen großen Gott haben, wollen Herbert und ich, so der Herr will und wir leben, weiterhin gemeinsam ihm dienen, unser Leben ihm zur Verfügung stellen und sein Wort in Wahrheit verkünden.