Carl
Olof Rosenius
Der Brief an die Römer, Kapitel 1, 16
„...denn
ich schäme mich des Evangeliums von Christo nicht, denn es ist eine Kraft
Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben...“ Römer 1, 16
Hier beginnt ein
neuer Abschnitt des Briefes. Nachdem der Apostel in den vorhergehenden 15
Versen eine Einleitung zu seinem Briefe gab, bezeichnet er hier mit kurzem,
aber inhaltsreichem Ausdruck den
Hauptgegenstand der 11 ersten Kapitel, nämlich die große Hauptlehre, wie der
Mensch selig wird. Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christo nicht. Man
könnte fragen weshalb er Apostel diese Bemerkung macht, weil das Evangelium ja
nicht etwas ist, dessen man sich schämen müsste. Gott hat es vom Himmel herab
gegeben, und es ist also das Ehrenvollste, was auf Erden zu finden ist. Warum
sagt den der Apostel, saß er sich dessen nicht schäme? Ohne Zweifel darum, weil
Menschen sich doch dessen zu schämen pflegen. – Hierbei werden viele gewiss
meinen, dass dies nur zur Zeit des Apostels der Fall sein konnte, weil die
ungläubigen Juden und die Heiden nicht die Herrlichkeit des Evangeliums kannten
und dasselbe in ihrer falschen Weisheit verachteten.
Es ist gewisslich wahr, dass es zur Zeit des Apostels sich so verhielt, dass
das Evangelium Gottes „den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit
war“... „sintemal die Juden Zeichen forderten und die Griechen nach Weisheit
fragten“(1. Korinther 1). Aber ganz ebenso geht es auch jetzt zu, dass das
Evangelium Christi der größten Menge derjenigen, die doch auf seinen Namen
getauft sind, ein Ärgernis und eine Torheit ist. Die menschliche Natur ist zu
allen Zeiten und an allen Orten dieselbe, trotz aller äußeren Veränderungen.
Darum lässt sich auch das ganze Wort Gottes zu allen Zeiten und auf alle Völker
anwenden, sie seien Juden oder Heiden, Mohammedaner oder Namenchristen. Überall
trifft das zu, was der Apostel sagt: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom
Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen.“ Und
nicht nur das, sondern das Evangelium Christi ist auch in jeder Hinsicht im
härtesten Streite gegen alles in unserer Natur am tiefsten Liegende. Im
Evangelium wird das, was der Mensch am allermeisten liebt, angegriffen, nämlich
seine Unabhängigkeit. Hier wird eine unbedingte Unterwerfung des Verstandes und
des Willens unter das Wort Christi gefordert. Hier wird alle Hochmutseinbildung
und Selbstvertröstung gründlich zu Boden geschlagen. Hier wird Gott allein groß
und der Mensch nur ein armer Bettler. Solches kann der Menschennatur nimmer
behagen, sondern ist derselben nur Pein und Tod. Hier ist die Ursache, weshalb
das Wort Christi und die wahren Zeugen Christi stets von allem, das nicht aus
Gott geboren ist, gehasst sein müssen. Darum sagte der Herr auch so oft zu
seinen Jüngern, dass sie sich darauf bereiten sollten, um seines Namens willen
von allen Menschen gehasst zu werden; und er erklärte, dass es nicht recht mit
ihnen bestellt sei, dass sie nicht seine wahren Jünger seien, wenn sie nicht
dieses sein Zeichen hätten, wenn es ihnen nicht wie dem Meister erginge (Johannes
15, 20; Lukas 6, 26). Das wahrhaftige und das reine Evangelium Christi ist es
nicht, wenn die Welt es lieben kann und wenn es nicht geschmäht und angetastet
wird (Johannes 15, 19; 1. Johannes 4, 5-6). Da nun aber ein Feind des
Evangeliums nimmer dafür gehalten sein will, das Gute und das Richtige zu
hassen, so muss die Feindschaft sich stets mit dem Schein des Eifers für die
Wahrheit umgeben und daher die Sache Christi als Torheit oder als etwas
Falsches und Böses schmähen, das getadelt und verabscheut zu werden verdient.
Weil nun die Jünger und die Freunde Christi stets den kleinsten Haufen bilden
und nur etliche verachtete Seelen sind, während die ganze Welt, die sie schmäht
der große, tonangebende und angesehene Haufen ist, so kann man leicht
verstehen, wie es jederzeit zur schweren Versuchung wird, sich seiner und
seines Wortes zu schämen. Ach, es wird vielen Christen ein unsäglich harter
Kampf, um Christi willen der Achtung der ganzen Welt zu entsagen, ein Narr zu
werden, sich von seinen nächsten Freunden und der ganzen Gesellschaft verachtet
und aufs ärgste geschildert zu sehen – weil wir dennoch hier auf Erden nichts
Kostbareres als die Achtung, die Freundschaft und das Vertrauen der Menschen
besaßen. Jetzt sollen wir all diesem entsagen. Um solches immerfort zu
ertragen, ist ein göttliches Werk in der Seele erforderlich. Denn wir reden
hier nicht von jener Frömmigkeit, die von der Welt gebilligt und geachtet
werden kann, sondern von der wahren, echten Nachfolge Christi, die unbedingt
der ganzen Welt ein Ärgernis und eine Torheit sein muss, so wahr Christus
gesagt hat: „Der Knecht ist nicht größer denn sein Herr. Haben sie mich
verfolget, sie werden euch auch verfolgen.“ Als wollte er sagen: Geben sie vor,
dass sie euch um eines Fehlers willen, z.B. Mangels an Demut, Sanftmut usw.
hassen, so wisset, dass ich „sanftmütig und von Herzen demütig“ war, und
dennoch haben sie mich gehasst.
Das ist nun die erste und allgemeine Bewandtnis mit der Versuchung, sich
Christi und seines Wortes zu schämen. Aber noch haben wir nicht das gesehen,
worauf der Apostel zunächst hindeutete – und das insbesondere die Prediger des
Evangeliums erfahren. Es geht noch etwas tiefer. Wenn wir die Worte des
Apostels genauer beachten, dann werden wir etwas merken. Er sagt: „Ich schäme
mich des Evangeliums von Christo nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die da
selig macht alle, die daran glauben.“ Beachte diesen Zusammenhang genau“ Gerade
diese Bemerkung, dass das Evangelium eine Kraft Gottes ist, die da selig macht,
deutet das an, worauf der Apostel es eigentlich abgesehen hatte, als er
erklärte, dass er sich desselben nicht schäme. Paulus, ebenso wie Christus, hat
nicht große Beschwerde von solchen Menschen gehabt, die keine Religion ausübten
und achteten, sondern eigentlich von denjenigen, die ihre Religion mit einigem
Eifer betrieben und, wie er Römer 2, 19-20 sagt, „sich vermaßen zu sein Leiter
der Blinden und Licht derer, die in der Finsternis sind usw., und die die Form
hatten, das zu wissen, was recht ist im Gesetz.“ Siehe diese waren stets
diejenigen, die gegen das Evangelium, gegen Christum und Paulus haderten und
behaupteten, dass diese das Gesetz durch den Glauben aufhöben (Römer 3, 31), dass
das Evangelium eine schwache und lose Lehre sei, die den rechten Ernst
untergrübe und, weit entfernt davon, die Menschen heilig zu machen, sie im
Gegenteil leichtfertig mache – wenigstens sei es, mit dem Gesetz verglichen
eine schwache und lose Lehre – das Evangelium, meinten sie, sei ein Wort der
Schwachheit.
Gegen diese alte Meinung derjenigen, die noch hohe Gedanken von der
Kraft des Gesetzes und der eigenen Kraft des Menschen hatten, ist es, dass der
Apostel dieses Wort vom Evangelium richtet: Es ist eine Kraft Gottes. Das sehen
wir deutlich aus seinen Worten 1. Korinther 1, woselbst er sagt: „Das Wort vom
Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber die wir selig
werden ist, es eine Gotteskraft“. – „Wir predigen Christum, göttliche Kraft und
göttliche Weisheit. Denn die göttliche Torheit ist weiser, denn die Menschen
sind; und die göttliche Schwachheit ist stärker, denn die Menschen sind.“ –
Göttliche Schwachheit. – Er selber nennt es „Gottes Kraft“; also müssen es
andere gewesen sein, die es Schwachheit nannten. Aber alsdann antwortet der
Apostel: Ist das Evangelium eine Schwachheit, dann ist es eine „göttliche
Schwachheit“; aber die „göttliche Schwachheit ist stärker denn die Menschen
sind“ – das Evangelium ist eine Gotteskraft. „Heben wir denn das Gesetz auf
durch den Glauben? Das sei ferne! Sondern wir richten das Gesetz auf.“ – Nur
das Evangelium bewirkt es, dass ein Mensch wirklich anfängt, das Gesetz zu
halten. Nur durch das Evangelium ist’s, wenn irgendein Mensch Gottes Kraft
empfängt. Das Evangelium hat den Namen und den Anschein, eine Schwachheit zu
sein, aber im Gegenteil ist es eine Kraft Gottes in den Menschen, zur
Gerechtigkeit und zur Heiligung.
Dieses hat der Apostel so reichlich erklärt, sonderlich in den Briefen
an die Römer und an die Galater, so dass jedermann genugsam sehen kann worauf
der Apostel hier hindeutet. Er beweist dort, dass das Gesetz den Menschen weder
gerecht noch heilig machen kann. In ersterer Hinsicht ist es gerade das Gesetz,
das alle Menschen verdammt, darum, dass kein Fleisch durch das Gesetz gerecht
ist; daher auch alle diejenigen, die mit des Gesetzes Werken umgehen, unter dem
Fluch sind. Und in Bezug auf die Heiligung, bewirkt das Gesetz nur, dass „die
Sünde durch das Gebot überaus sündig wird“, es „erregt die sündlichen
Lüste“, (Römer 7) und die Sünde wird mächtiger; das Gesetz bewirkt nicht Liebe,
sondern Zorn, nicht Leben, sondern Tod. „Wenn ein Gesetz gegeben wäre, das da
könnte lebendig machen; so käme die Gerechtigkeit wahrhaftig aus dem
Gesetz.“(Galater 3, 21) Mit diesen Worten erklärt der Apostel, dass das Gesetz
weder gerecht noch heilig macht. Der Mensch wurde durch den Sündenfall
geistlich tot, in einer inneren Feindschaft gegen Gott und seinen Willen und in
einem Geneigtsein zu allem Bösen gefangen, ja, „unter
die Sünde verkauft“. Weil in einem solchem Zustande das Gesetz von ihm das
fordert, was er nicht vermag, und ihn verdammt, wenn er nicht alles erfüllt, so
kann daraus nur einer dieser beiden Fälle folgen: entweder dass er sich nur auf
äußere Dinge stürzt, mit deren Tun und Halten er zurechtkommen kann, und so ein
Heuchler und Pharisäer wird, der das vergisst, was am vornehmlichsten (größten)
im Gesetze ist, nämlich, das Herz selbst, die Gottesfurcht und die Liebe; oder
aber er wird tiefer ergriffen und erweckt, so dass Gottes Stimme und Augen die
Sünden seines Herzens verfolgen, und er das Urteil Gottes über jeden sündigen
Gedanken oder jede sündige Gemütsregung sieht; dann muss er, in Bitterkeit
gegen einen solchen Gott, in Verzweiflung und Tod stecken bleiben. Soviel
vermag das Gesetz auszurichten. Und dazu ist es auch von Gott bestimmt. Wenn
jedoch das Evangelium von Christo jetzt kommt
und dem Menschen volle Gnade und Vergebung verkündigt, gerade während er
in seiner Sünde, Bosheit und Verzweiflung daliegt, dann entsteht ein ganz neues
Leben im Herzen, ein neuer Blick auf Gott, ein inniges Vertrauen, eine
herzliche Dankbarkeit und Liebe, und so wird das in ihm begonnen, was das
Gesetz zuallererst fordert, nämlich, die Liebe zu Gott. Und diese Liebe, dieses
Leben in Gott, ist ja der innerste Grund und das innerste Wesen der Heiligung.
Nun, dies ist das, was man verstehen und über diesen Punkt erklären
kann. Dass aber das Evangelium eine Kraft Gottes zu Seligmachung,
Neugeburt und Heiligung des Menschen ist, das ist außerdem ein Geheimnis Gottes
– „es gefiel Gott wohl“, sagt der Apostel, „durch törichte Predigt selig zu
machen die, so daran glauben.“ Es sollte in einer dem Menschen törichten Weise
geschehen, auf dass sein ganzes Verständnis vom Bösen und Guten, darin er Gott
gleich sein wollte, gänzlich zunichte gemacht, die alte Einbildung in uns
vollständig getötet werden soll, und wir nur an Gott allein zu glauben lernen
sollen.
Das jedoch der Mensch so gänzlich, sowohl dem Verständnisse wie den
Kräften nach, zunichte gemacht werden und sich vor etwas beugen soll, das ihn
sowohl Torheit wie Schwachheit deucht, das ist der Natur schlechterdings
unleidlich. Du der du diese törichte Predigt hörst, dass „alles Fleisch wie Heu
ist“, wenn du fortfährst mit dem Ernst, der beweist, dass du es wirklich
meinst, dann bereite dich darauf, entweder als ein verwirrter Narr oder aber
als ein falscher Geist, der keine Anstrengung und Beschwerde mit der Bekämpfung
der Sünden, sondern Freiheit für das Fleisch haben will, angesehen zu werden.
Sowohl inwendig in deinem Herzen als auch außerhalb von noch starken
Werkheiligen wirst du beständig jene Stimme hören: „Gewiss haben wir selber
Kraft; wir sind nicht so gänzlich unvermögend; wenn wir uns nur ernstlich
bemühten, dann würden wir wohl die Sünde bekämpfen können.“ Und so wird dir der
Rat gegeben, nicht länger zu erwarten, dass Christus uns sowohl zur
Gerechtigkeit wie zur Heiligung sein wird, sondern dass wir diese
Schwachheitslehre fahren lassen und uns etwas anderes vornehmen müssen. Wir
müssen nämlich an einige eigene Kraft glauben und diese gut anwenden, dann
werden wir andere Heilige werden, als wir durch das Evangelium geworden wären.
Diese ist die gewaltigste und feinste Versuchung, die jemals einem Christen
widerfährt. Denn teils ist nichts so tief in unserer ganzen Natur eingewurzelt
als der Glaube an uns selber und der Unglaube an Christum; teils hat keine
andere Versuchung einen solchen Anschein der Heiligkeit und des Ernstes wie
diese, teils vermeidest du auch durch dieselbe den Weg des Ärgernisses am Kreuz
und wirst als ein ernster, frommer und redlicher Mann angesehen.
Ja, es ist zu befürchten, dass viele, die einst die Kraft des
Evangeliums verstanden und schmeckten, aber nicht bei dem reinen Bekennen
desselben beharren, sondern wenigstens in einer feineren Weise davon abweichen
und einen Ton annehmen, der der menschlichen Einbildung günstig ist; des Öfteren
durch jene Einsicht dazu bewogen werden, dass sie dadurch der beständigen
Schmach entgehen und das Ansehen gewinnen, verständige und ernste Männer zu
sein. Sie sind allmählich des Ärgernisses am Kreuz müde geworden. Galater 5, 11
und Galater 6, 12 deutet der Apostel solches an. Stets einem Ansehen zu
entsagen, das man nur durch einige Worte erwerben kann, das ist sehr schwer.
Doch der Herr sieht die Meinung und den Sinn deines Herzens. Er, der das weiß,
was im Menschen ist, hat ernstlich gewarnt: “Wer sich mein und meiner Worte
schämet, dessen wird sich des Menschen Sohn auch schämen, wenn er kommen wird
in seiner Herrlichkeit.“
Siehe, wenn du das Evangelium so predigst, dass du die Gläubigen nicht
ermahnst, „dem Evangelium würdiglich zu wandeln, zu
wachen und zu beten“ und den ganzen „Harnisch Gottes anzuziehen“, dann
verdienst du wohl bestraft zu werden wie einer, der nicht das ganze Wort Gottes
predigt. Aber hier ist davon die Rede, dass, obzwar du sowohl das Gesetz als
eine Zucht auf Christum anwendest wie auch die Gläubigen ermahnst, du dennoch
die Schmach des Kreuzes tragen musst, wenn du nur ernstlich diese Lehre
treibst, dass alles Fleisch Heu ist, dass wir keine eigene Kraft haben, den
Willen Gottes zu erfüllen, sondern indem du alles von dem Geben Christi
herleitest, predigst du zuerst und zuletzt Christum. Nur dieses wird dir die
Schmach des Kreuzes zuziehen. Oder kann jemand sagen, dass der Apostel Paulus
die Christen nicht ermahnte oder ihnen nicht das Gesetzt verkündigte? Dennoch
während er ernstlich diese Lehre trieb, dass wir selber keine Kraft haben und
auch das Gesetz keine Kraft hat, uns heilig zu machen, sondern dass das Gesetz
im Gegenteil gegeben ist, um unseren Mund zu verstopfen und die Sünde mächtig
werden zu lasse, und dass alle Gerechtigkeit und Heiligung aus dem Glauben an
Christum kommt, so wurde ihm doch der Vorwurf gemacht, dass er „das Gesetzt
durch den Glauben aufhebe“ (Römer 3, 31), ja sogar die Beschuldigung, dass er
sage: „Lasst uns Übels tun, auf dass Gutes daraus komme“ (Römer 3, 8). Siehe
das ist das Ärgernis des Kreuzes; dasselbe hatte er darum, weil er mit Ernst
diese törichte Predigt trieb.
Und da wir ferner in den Evangelien sehen, dass es ganz eben dieselbe
Anklage war, die Christus selber beständig von den werkheiligen Pharisäern
erleiden musste, so fragen wir: Sollen nicht alle seine rechten Knechte eben dasselbe
Zeichen haben? Da es ja nicht von dem rohen Haufen war, sondern gerade von
denjenigen, die dem Gesetze nach den meisten Eifer für Gott hatten, und eben dasselbe
Wort Gottes hatte, wie wir es haben, - weil es von solchen war, dass die
höchsten Diener Gottes eine und dieselbe Beschuldigung erhielten; sollen wir da
nicht verstehen, dass dieselbe zu allen Zeiten ein wichtiges Zeichen des wahren
Evangeliums ist? Ja, beachte! Indem Paulus sagt: „Ich schäme mich des
Evangeliums von Christo nicht“, so hat er damit ein feines Kennzeichen und
einen entscheidenden Ausschlag darüber gegeben, welcher der rechte Weg ist,
nämlich der, dem die Schmach anhaftet, nicht wegen anderer Ursache, sondern
wegen der eigentlichen Verkündigung des Evangeliums. Das ist genau ebenso, wie
da er sagte, dass er Gott diene nach diesem Wege, den sie eine Sekte heißen (Apostelgeschichte
24, 14). Es gibt Menschen, die etwas ganz anderes als die Welt sein wollen,
fromme und rechte Christen sein wollen; aber in einer so verständigen und
„richtigen Weise“, auf dass ihr Christentum allgemeine Anerkennung und Achtung
gewinnen soll. Und das gelingt ihnen auch. Aber ihr Weg hat nur diesen
bedenklichen Fehler, dass der Herr Christus denselben nicht anerkennt, sondern
spricht: “Wehe euch, wenn euch jedermann wohl redet!“ (Lukas 6). Oder ist es
möglich, dass du es in der Lehre und dem Lebenswandel richtiger hast, als der
Herr Christus es hatte? Aber ihm gelang es nimmer, der Beschuldigung, gegen das
Gesetz zu sein, zu entgehen. Solltest du dich doch nicht vor deines
Herzens und des tieflistigen Feindes Betrug fürchten, wenn du dir
kurzerhand einen anderen Weg bereitest als den, den Christus und Paulus gingen?
Möchten wir wohl zusehen, dass wir den ganzen Weg nicht verfehlen, sondern mit
allen unseren Gebrechen doch dem einzig rechten Wege angehören – demjenigen,
„der eine Sekte heißt“, und dessen sich zu schämen man versucht wird. Aber dann
dürfen wir uns auch desselben nicht schämen, sondern Gott für diese Gnade nur
loben und preisen! Siehe 2. Timotheus 1, 8 u. 12.
Doch wir gehen nun wieder an den Text. Indem der Apostel sagt, dass das
Evangelium eine Kraft Gottes ist, die da selig macht, fügt er noch einen
kurzen, aber sehr wichtigen Anhang hinzu. Er sagt: Alle, die daran glauben. Er
sagt nicht, dass das Evangelium eine Kraft Gottes sei für alle, die es hören,
sondern er sagt: die daran glauben. Das muss man recht bedenken. Viele wundern
sich, dass sie im Evangelium keine Kraft Gottes finden; und dennoch haben sie
nimmer recht daran geglaubt. Sie sind entweder noch schlafende Weltkinder oder
aber Erweckte, die jedoch beständig nur mit sich selber, mit ihrem eigen Tun
und Sein umgehen – die über die großen Verkündigungen im Evangelium flüchtig
hinweg gefahren sind und stets meinten, geglaubt zu haben, wenn sie die
Wahrheit nur nicht bezweifelten, während dennoch die ganze Vertröstung und das
Trachten des Herzens auf ihre eigene Mitwirkung gerichtet war. Sie haben dann
nicht erfahren, dass das Evangelium eine Kraft Gottes ist. Wie war das möglich?
Du hast noch niemals wirklich geglaubt, dass du ganz frei von deinen Sünden
bist, nur durch Christum, frei von allen Urteilen des Gesetzes – dass du Gottes geliebtes Kind bist. Wenn du solches
niemals glaubtest, wie würdest du dann die Kraft des Evangeliums erfahren haben?
Aber das Evangelium verbleibt doch das einzige, das eine Kraft Gottes ist, die da selig macht alle, die daran glauben.
Aus „Der Brief an die Römer“ Band
1 S. 46-52 von Carl Olof Rosenius