B. VOLLMERT POLYKONDENSATION IN NATUR UND TECHNIK UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DER ERSTMALIGEN SYNTHESE VON DNS MIT COOPERATIVER GEN-SECUENZ ALS MINDESTVORAUSSETZUNG FÜR DIE ENTSTEHUNG LEBENDER ZELLEN UND NEUER KLASSEN VON LEBEWESEN MIT HÖHEREN ORGANISATIONSSTUFEN IM LAUFE UNSERER ERDGESCHICHTE „Warum der merkwürdige Titel“, wird sich jeder fragen, der die ersten 37 Seiten dieses Buches oder auch nur das Vorwort gelesen hat. Warum nicht „DNS, das Makromolekül mit der lebensnotwendigen Information“, oder „Darwin's Lehre im Licht der exakten Naturwissenschaften“, oder „Was Darwin nicht wissen konnte und Darwinisten nicht wissen wollen", oder „Die molekulare Basis des Lebens“ oder „Die erdgeschichtliche Synthese der DNS“? Alle diese Themen und Fragen werden behandelt. Der einheitliche Gesichtspunkt aber, unter dem sie behandelt werden, heißt POLYKONDENSATION. Inwiefern Polykondensation -und nicht Mutation/Selektion, wie immer behauptet wird -der Schlüsselbegriff für das Verständnis der molekularen Basis des Lebens und seiner Geschichte ist, das ist der Inhalt dieses Buches. Parallel zum makroskopisch sichtbaren Erscheinen immer neuer Klassen von Lebewesen während der langen Erdgeschichte verläuft auf der Ebene der Moleküle das unsichtbare Entstehen immer neuer Gene, um die die Kette des DNS-Makromoleküls, das die genetische Information trägt, beim Übergang zu neuen Arten und Klassen verlängert wurde. Dieser Wachstumsprozeß des DNS-Makromole-küls ist nicht das Leben und erklärt auch nicht die Entstehung neuer Klassen von Lebewesen, aber er ist eine unabdingbare Voraussetzung, ohne die eine Entstehung des Lebens und neuer Arten von Lebewesen nicht möglich ist. Die chronologische Einordnung des Auftauchens neuer Tier- und Pflanzenarten im Laufe der Erdgeschichte ist Sache von Paläontologen und Biologen. Der Wachstumsprozeß (Synthese) von Makromolekülen (wie DNS) ist Sache des Chemikers, der diese Synthesen und ihre Gesetze von seiner experimentellen Labor- und Betriebspraxis her kennt. Die Reduktion der Entstehung des Lebens und der Arten auf die Entstehung (Synthese) von Makromolekülen durch Polykondensation hat den großen Vorteil, daß man diese mit den Methoden der exakten Naturwissenschaft, der Thermodynamik, Statistik und Stöchiometrie, behandeln kann. Das geschieht in diesem Buch. Naturwissenschaftliche Aussagen erhalten ihr Gewicht durch das Experiment. Die Experimente, durch die die Polykondensationsgesetze bewiesen werden, werden täglich in den Forschungslaboratorien der chemischen Großindustrie und der Hochschulen durchgeführt. Ideologien lassen sich mit naturwissenschaftlichen Methoden weder beweisen noch widerlegen. Der Darwinismus tritt aber heute nicht als Ideologie auf, sondern mit dem Anspruch, Wissenschaft zu sein. Die Hypothese einer automatisch-zwangsläufigen Aufwärtsentwicklung durch Mutation/Selektion indessen, auf die sich dieser Anspruch stützt, muß durch die experimentell gesicherten Gesetze der Polykondensation, speziell durch die Copolykondensationssta-tistik, als widerlegt gelten: Selektion als Prinzip der Entstehung neuer Arten von Lebewesen war nicht nur eine Jahrhundert-Idee, sondern auch ein Jahrhundert-Irrtum, denn nicht durch Mutation/Selektion entstehen neue Gene, sondern durch Polykondensation. VOLLMERT: POLYKONDENSATION IN NATUR UND TECHNIK UMSCHLAG. TRANSLATION (BIOSYNTHESE VON PROTEINEN) ( B. VOLLMERT POLYKONDENSATION IN NATUR UND TECHNIK UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DER ERSTMALIGEN SYNTHESE VON DNS MIT COOPERATIVER GEN-SEQUENZ ALS MINDESTVORAUSSETZUNG FÜR DIE ENTSTEHUNG LEBENDER ZELLEN UND NEUER KLASSEN VON LEBEWESEN MIT HÖHEREN ORGANISATIONSSTUFEN IM LAUFE DER ERDGESCHICHTE E. VOLLMERT-VERLAG-KARLSRUHE Anschrift des Autors: Anschrift des Verlags: Professor Dr. B. Vollmert Direktor des Polymer-Instituts der Universität Karlsruhe Kaiserstr. 12 7500 Karlsruhe 1 E. Vollmert-Verlag Postfach 411067 7500 Karlsruhe 41 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, Vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus zu vervielfältigen ISBN 3-9800271-0-4 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen ohne besondere Kennzeichnung in diesem Werk berechtigt nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung frei verfügbar wären Druck: VERLAGSDRUCKEREI GEBR. TRON KG Karlsruhe-Durlach DAS WUNDER ALLER WUNDER IST, DASS NICHT NICHTS IST Alma von Stockhausen BILD RECHTS: DOPPELHELIX DES MICHELANGELO, AUSSCHNITT AUS EINEM DECKENGEMÄLDE DER SIXTINISCHEN KAPELLE VORWORT Die Frage nach der Entstehung der Arten war einmal ein rein biologisches Problem. Biologen waren es auch (WALLACE und DARWIN), die die zu ihrer Zeit schon seit längerem viel diskutierte Abstammung der Tierarten von primitiveren Vorstufen durch ein Zusammenwirken von zufälligen erblichen Variationen und natürlicher Auslese zu erklären versuchten: Zufällig entstandene Erbgutänderungen können sich für die betroffenen Individuen günstig oder nachteilig auswirken. Die benachteiligten Individuen werden sich weniger stark vermehren, die den jeweiligen Bedingungen besser Angepaßten dagegen werden sich rascher verbreiten. Häufige Wiederholung dieses Ausleseprozesses sollte dann zur Entstehung neuer Arten führen. Nach anfänglichem Schock fand man es bald chic, vom Affen abzustammen, und heute lernt jedes Kind in der Schule, daß das Universum mit dem Urknall seinen Anfang nahm, die expandierende Materie sich zu Galaxien und Fixsternen verdichtete, hier und dort Fixsterne sich mit einem Kranz von Planeten zierten, auf deren Oberfläche - wenn die Bedingungen günstig waren - von selbst primitives Leben, Bakterien und Algen, entstehen mußte, aus denen sich schließlich im Laufe von drei bis vier Milliarden Jahren die Vielfalt des heutigen Lebens (ca. 1,5 Millionen Arten) entwickelte. Was die Lebewesen betrifft, so entdeckte man in den Jahren nach dem letzten Kriege, daß die Erbinformation (die Vererbung war seit MENDEL's berühmten Erbsenversuchen systematisch erforscht worden) auf langen kettenförmigen Makromolekülen gespeichert ist wie Zahlen auf den Knotenschnüren (Quipus) der Inkas. Der Schlüssel, der genetische Code, wurde entziffert und die Art der Informationsübertragung bei der Vermehrung aufgeklärt. Das kettenförmige Makromolekül heißt DNS (Desoxyribonucleinsäure). Da kein Lebewesen ohne die darin enthaltene Information entstehen und existieren kann, läßt sich die Frage nach der Entstehung der Lebewesen auf die Frage nach der Entstehung eines Makromoleküls reduzieren (im Sinne einer Minimal-Voraussetzung) und ist damit in den Lichtkegel der exakten Naturwissenschaften geraten. Die Entstehung (Synthese) von Makromolekülen wird nämlich schon seit mehreren Jahrzehnten von Polymer-Chemikern im Rahmen der Kunststoff-Forschung experimentell und theore- E tisch bearbeitet, so daß die dabei gewonnenen Erkenntnisse zu einer Beleuchtung der Entstehungsmöglichkeiten des Makromoleküls DNS geradezu herausfordern. Die Herausforderung wird in diesem Buch angenommen: Die chemischen Reaktionen - Polymerisation und Polykondensation - , die zum Aufbau von Makromolekülen führen, werden besprochen und die spezielle Chemie des Makromoleküls DNS wird behandelt, so daß der Leser - wenn er sich die Mühe macht, diese Grundlagen zu studieren - in der Lage ist, selbst zu beurteilen, ob Makromoleküle von der Art der DNS unter ur-zeitlichen Bedingungen von selbst entstehen konnten und wie es mit der Wahrscheinlichkeit für das Ablaufen von chemischen Reaktionen bestellt ist, die notwendig waren, damit die ca. 1 mm lange Einzeller-DNS im Laufe der Zeit zu der tausendmal längeren DNS der Säugetiere heranwachsen konnte. Der bekannte englische Wissenschaftstheoretiker Sir K. R. POPPER soll zwar die Meinung geäußert haben, daß der Darwinismus keine prüfbare wissenschaftliche Theorie, sondern ein metaphysisches Forschungsprogramm sei, und hat damit, was den Darwinismus und die Evolutionslehre insgesamt betrifft, zweifellos recht, aber die zur Stützung der Evolutionslehre entwickelten Hypothesen der Entstehung des Lebens durch Selbstorganisation, die die Bildung von DNS- und Protein-Makromolekülen in wässrigen Lösungen aus Aminosäuren und Nucleosidtriphosphaten (den Kettenbauteilen jener Makromoleküle) zur Voraussetzung haben, lassen sich mit Hilfe der bei den experimentellen Arbeiten über die Synthese von Makromolekülen gewonnenen Erkenntnisse überprüfen. Chemie ist nicht jedermanns Sache. Daher wendet sich dieses Buch auch vor allem an Fachkollegen, Studenten und Schüler, die Chemie als Unterrichts- oder Leistungsfach gewählt haben, möchte aber doch auch alle anderen, die sich für das Thema "Evolution" interessieren, ermuntern, den Versuch zu wagen, sich sozusagen aus erster Hand, nämlich durch eigenes Nachdenken auf der Basis von experimentell gesicherten Fakten, ein Urteil darüber zu bilden, wie es um die wissenschaftlichen Grundlagen der Evolutionslehre bestellt ist. Damit der Leser nicht von vornherein durch die Fülle des Detail-Wissens entmutigt wird, habe ich zunächst einmal unter der ttber-schrift "Evolutionshypothesen im Spiegel eines Makromoleküls" möglichst einfach und anschaulich den Gesamtkomplex der Evolution als m Wachstumsprozeß des DNS-Kettenmoleküls im Sinne einer Polykondensationsreaktion dargestellt. Dann erst folgt eine lehrbuchartige Behandlung der wissenschaftlichen Basis, nämlich der Synthesen von Makromolekülen durch Polymerisation und Polykondensation, der SCHULZ-FLORY-Verteilung und der DNS-Chemie mit der Replikationssynthese der DNS, dem genetischen Code und der DNS-gesteuerten Proteinsynthese durch Transcription und Translation. Nach dieser gründlichen Vorbereitung wird dann das Thema EVOLUTION als de novo-Syn-these der DNS wieder aufgenommen. Der Phylogenese oder Stammesentwicklung steht die Ontogenese gegenüber, die nicht minder geheimnisvolle Entwicklung des einzelnen Individuums, die ebenfalls mit dem Ein-Zellen-Stadium beginnt, aber mit dem fundamentalen Unterschied, daß hier bereits die erste Zelle, die befruchtete Eizelle, die komplette DNS-Kette des jeweiligen Lebewesens in ihrer vollen Länge und mit ihrer art- und individuumspezifischen Nucleotidsequenz enthält und unverändert bei jeder Zellteilung weitergegeben wird. Unter diesem Aspekt wird das embryonale Wachsen im Kapitel "DNS-Information und Formwerdung" behandelt. Es ist mir wohl bewußt, daß die meisten Naturwissenschaftler meine Ausführungen zum Thema "Evolution" mißbilligen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn von Lehrmeinungen, Dogma oder Norm abweichende Meinungen waren noch nie gern gesehen. Ich möchte mir jedoch nicht den Vorwurf machen müssen, zu dem Jahrhundert-Irrtum des Darwinismus1 geschwiegen zu haben, nur weil er durch die einhellige Meinung der führenden Wissenschaftler gestützt wurde. Mit dem amerikanischen Biologen EVAN SHUTE [ 1 ] hoffe ich immer noch, daß wissenschaftliche Theorien letztendlich nicht nach der Anzahl ihrer Anhänger und nicht nach dem Prestige ihrer Repräsentanten, sondern nach ihrem Wahrheitsgehalt bewertet werden. Das erste Kapitel, "Evolutionshypothesen im Spiegel eines Makromoleküls" ist als Aufsatz in leicht modifizierter Form bereits in der Zeitschrift "natur" (Heft 10 und 11, 1982) erschienen. Dem Herausgeber, Herrn Dr. h. c. HORST STERN, der Redaktion und dem Ringier-Verlag danke ich für die freundliche Genehmigung zum Abdruck. INHALTSVERZEICHNIS 2 Evolutionshypothesen im Spiegel eines Makromoleküls: Konnten die Lebewesen von selbst entstehen? 11 Die Entwicklung zur Zelle 12 Die Entwicklung der Zelle: Entstehung der Arten Makromoleküle 21 Bedeutung und Struktur 22 Bildungsweisen der Makromoleküle 221 Thermodynamik der Polymer-Synthesen 222 Homopolymerisation - Copolymerisation 223 Mechanismen der Polymer-Synthesen Polymerisation Polykondensation Monomer-Typen Ringbildung Einfluß der Wasserkonzentration auf die Kettenlänge Einfluß von mono- und trifunktionellen Monomermolekülen Einfluß eines Überschusses einer Komponente auf die Kettenlänge n = f (p. q) 23 Einfluß der Gleichgewichtskonstanten auf die Kettenlänge Ableitung der Beziehung zwischen c^q und [H^O] Kettenlängenverteilung (SCHULZ-FLORY-Verteilung) Polykondensationen in der chemischen Industrie Verfahrenstechnik der Polykondensation Enzymatische Polymer-Synthesen Enzyme : Struktur - Synthese - Steuerung 231 Polysaccharidsynthesen 232 Biosynthese des Naturkautschuks 233 Die kopierende (replikative) Synthese der Nucleinsäuren (DNS, RNS) Struktur der DNS Die KORNBERG-Synthese Nachbarschaftshäufigkeiten bei der KORNBERG-Synthese Der MESELSON- und STAHL-Versuch Abbildung replizierender DNS 1 4 19 59 39 53 54 59 64 65 66 68 70 71 73 75 78 80 86 89 94 115 119 119 123 125 125 125 129 132 135 136 DNS als Träger genetischer Information Crossing-over Genkartierung Die meiotische Zellteilung Der genetische Code 142 DNS-Information und Proteinsynthese 145 Transfer-RNS 146 Boten-RNS (messenger-RNA), Transcription 149 Ribosomen 151 Der Syntheseverlauf 151 Die Code-Entzifferung 154 Thermodynamik und Mechanismus der DNS-Replikation 157 234 Hie DNS und ihr Gehäuse 167 24 Die Original-Synthese der DNS 172 241 Zur Frage der Erst-Entstehung der DNS (Entstehung des Lebens) 172 242 Zur Frage einer "präbiotischen Evolution" 181 Entstehungswahrscheinlichkeit von RNS in Ursuppen 181 Experimente mit reinen Ausgangsstoffen 189 "Evolutionsexperimente" 191 Kettenwachstum durch Mutation - Selektion ? 193 243 Mutationen 197 244 Das geduldige Kettenwachstum der DNS durch den Lauf der Erdenzeit 203 Von der Bakterien-DNS (1 mm) zur Säugetier-DNS (1 m) 203 Bildungswahrscheinlichkeit neuer Gene bei freier (nicht replikativer) Copolykondensation von Nucleotiden 205 Bildungswahrscheinlichkeit des Säuger-Genoms 208 Selektion 211 .Bildungsmechanismen neuer Gene 218 Hypothesen 224 25 DNS-Information und Formwerdung 225 26 Gentechnologie 243 Glossar 255 Literaturhinweise 277 Sachregister 287 Abbildungen und Tabellen sind nicht laufend durchnumeriert, sondern tragen als Nummer stets die Seitenzahl, auf der sie stehen. 1 EVOLUTIONSHYPOTHESEN IM SPIEGEL EINES MAKROMOLEKÜLS: - KONNTEN DIE LEBEWESEN VON SELBST ENTSTEHEN ? - Man kann die Frage nach der Entstehung der Lebewesen unter verschiedenen Aspekten sehen und beantworten, so unter philosophischen, theologischen, kybernetischen, physikalischen, paläontologischen, biologischen, psychologischen oder medizinischen, wenn man es nicht vorzieht, ganz auf die Dienste der Wissenschaft zu verzichten und sich seine Meinung durch unmittelbares Erleben der Natur zu bilden. Mein Versuch, die Titelfrage zu beantworten, stützt sich nicht auf persönliches Naturerleben und nicht auf unsichere wissenschaftliche Hypothesen (wie es gewesen sein könnte, wenn man von bestimmten Voraussetzungen ausgeht), sondern auf die thermodynamischen, stöchiometrischen und statistischen Gesetze der Polykondensation, jener chemischen Reaktion also, durch die DNS- und Protein-Makromoleküle, ohne die Leben, wie wir es kennen, unmöglich ist, gebildet werden. Ich wende - mit anderen Worten - die Gesetze der Polykondensation, die durch jahrzehntelange, sorgfältige Untersuchungen der Synthesen von Polyestern und Polyamiden zur Herstellung von Synthesefasern wohlbekannt sind und experimentell immer wieder bestätigt wurden, auf die Bildungsreaktion des DNS-Makromoleküls, das auch ein Polyester ist, an, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen, von denen die bekannten Hypothesen der zufällig-zwangsläufigen Entstehung der Lebewesen ausgehen, gegeben waren. Replikation und de novo-Synthese der DNS DNS (Desoxyribonucleinsäure) und RNS (Ribonucleinsäure) sind kettenförmige Makromoleküle, in denen vier verschiedene Bauteile (Nucleo-side) über Phosphorsäurereste bis zu einer Länge von einigen hundert Millionen Bauteilen miteinander verbunden sind. Die aperiodische Reihenfolge der Nucleotidreste in der DNS-Kette (s. dazu Abb. 5) ist eine Schrift, bei der jeweils drei Nucleotide zu einem Schriftzeichen (einem Basentriplett oder Codon) zusammengefaßt sind, das bei der Synthese der Enzyme nach der Zuordnung des genetischen Code jeweils für eine bestimmte Aminosäure in der Proteinkette steht, wie die Strich-Punkt-Folge der Morsezeichen jeweils einem Buchstaben des Alphabets entsprechen (... --- ... = SOS). Die Gesamtfolge der Nucle- otidbauteile einer DNS-Kette bildet das in jeder Zelle eines Lebewe- sens als Chromosomensatz vorliegende Genom oder die genetische Information (Erbinformation). Ein DNS-Abschnitt von 1000 bis 2000 Nucleo-tiden, jeweils die Anweisung für die Reihenfolge der Aminosäuren einer Proteinkette enthaltend, wird als Gen bezeichnet. Die DNS-Kette des Coli-Bakteriums besitzt ca. 3 • 10^ Nucleotidreste und somit 2000 Gene, die die Anweisung für die Aminosäuresequenz von ca. 2000 verschiedenen Proteinen, vor allem Enzymen, tragen, die ihrerseits den Zell-Stoffwechsel steuern. Alles Geschehen in einem Organismus wird also letztlich durch die Reihenfolge der Nucleotidbauteile in der DNS-Kette gesteuert. Jede Art von Lebewesen besitzt die für diese Art spezifische Reihenfolge der Nucleotid-Kettenbauteile in der DNS-Kette, mit geringen Variationen bei jedem Individuum einer Art. Bei der Zellteilung wird die als Doppelstrangkette vorliegende DNS identisch verdoppelt, wobei die Stränge der alten DNS als Matrize für die neu entstehenden Tochterstränge dienen, so daß die Reihenfolge der Nucleotide erhalten bleibt. Bei diesem Replikationsvorgang kommt es gelegentlich zu Kopierfehlern, die als Mutationen in Erscheinung treten können. Alle derartigen, durch zufällige Kopierfehler entstehenden Erbgutänderungen oder Mutationen sind Defekte im Steuerprogramm eines Organismus’ und bedeuten daher, - soweit sie nicht Äußerlichkeiten wie Haarfarbe, Blütenfarbe und dergleichen betreffen - eine ernste Schädigung des betroffenen Lebewesens, die in den meisten Fällen tödliche Folgen hat. Nach der Lehre des Neodarwinismus' soll eine Folge von ausnahmsweise einmal nicht tödlichen Mutationen, verbunden mit Selektion und Isolation, zur Entstehung neuer Arten geführt haben. Diese Replikationssynthese der DNS, die jeder Zellteilung vorausgeht, ist zwar auch eine Entstehung neuer DNS, aber die substantiell neuen DNS-Ketten sind (wenn man von den seltenen spontanen Mutationen absieht) getreue Kopien der bereits in der Zelle vorliegenden und bei der Replikation als Matrize oder Schablone dienenden DNS, Kopien, die die gleiche Nucleotid-Reihenfolge besitzen wie die Matrizen-DNS. Nicht diese Replikationssynthese der DNS ist es daher, die für die Frage nach der Entstehung der Lebewesen von Interesse ist und von der hier die Rede sein soll, sondern die erstmalige Entstehung (de novo-Synthese) der DNS-Kette. Es ist klar: kopiert und mutiert werden kann eine DNS-Kette nur dann, wenn sie erst einmal existiert. Die Primärfrage der Evolution ist also nicht die Frage nach der Veränderung (Mutation), sondern die Frage der Entstehung der langen kettenförmigen DNS-Makromoleküle im Laufe der Erdenzeit, deren Länge mit der Entstehung immer höher entwickelter Arten ständig zugenommen hat, entsprechend dem steigenden Bedarf an neuen Stoffen und damit auch neuen Enzymen und neuen Genen (DNS-Abschnitten) bei immer komplizierter werdenden Bauplänen. Die Titelfrage: "Konnten die Lebewesen von selbst entstehen ?" geht damit über in die Frage: "Konnten die DNS-Makromoleküle, durch die die Artspezifität der Lebewesen geprägt wird, von selbst, d. h. durch normale, nach den Gesetzen der Thermodynamik, Stöchiometrie und Statistik ablaufende Polykondensation entstehen und im Laufe der Jahrmillionen zu ihrer heutigen, bei den höchstentwickelten Lebewesen anzutreffenden Länge heranwachsen?". [Die Frage, ob DNS (zusammen mit allen für das Funktionieren der in einer Zelle ablaufenden Reaktionen erforderlichen Stoffen wie Wasser oder Sauerstoff) eine ausreichende oder nur eine notwendige Bedingung für die Existenz von Lebewesen ist, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben]. Wenn man bedenkt, daß DNS ein typisches Makromolekül ist und das Studium der Bildungsreaktionen von Makromolekülen unter die Fachkompetenz der Makromolekular-Chemiker oder Polymer-Chemiker fällt, wird man sich wundern, daß die Entstehung des DNS-Makromoleküls bisher noch nicht unter den Aspekten der Makromolekularen Chemie behandelt wurde. Vielleicht liegt das daran, daß einerseits viele, die sich berufen fühlen, über Evolution, Entstehung und Entwicklung der Lebewesen zu schreiben, Makromolekulare Chemie als Kunststoffchemie betrachten und es daher nicht für nötig halten, die Polykondensationsthermodynamik und -Statistik zu studieren, und daß andererseits die Polymer-Chemiker, deren Fachgebiet die Makromolekulare Chemie ist, vollauf damit beschäftigt sind, neue Kunststoff-Synthesen (durch Polymerisation und Polykondensation von neuen Monomeren) zu erfinden. Immerhin ist es den intensiv in vielen Industrie- und Universitätslaboratorien in aller Welt durchgeführten experimentellen Arbeiten über die Synthese von Makromolekülen zu verdanken, daß man heute die Gesetze der Polymerisation und Polykondensation und damit die Bedingungen, unter denen Makromoleküle entstehen, so gut und sicher kennt. Man teilt die Entwicklung der Lebewesen zweckmäßig in zwei große Abschnitte ein: 1. die Entwicklung zur Zelle und 2. die Entwicklung der Zelle. Dementsprechend werde ich zuerst das Wachstum bzw. die Wachstumswahrscheinlichkeit der DNS-Kette bis zur Länge einer Einzeller-DNS behandeln (Entstehung von DNS- bzw. RNS-Ketten in Drsuppen) und dann, im nächsten Kapitel, die Wachstumswahrscheinlichkeit der DNS-Kette von der ca. 1 mm langen Bakterien-DNS zur ca. 1 m langen DNS-Kette des Säugetier-Genoms. 1.1 DIE ENTWICKLUNG ZUR ZELLE Das Leben einer Zelle setzt die Existenz von miteinander nach den Regeln des genetischen Code cooperierenden DNS- und Protein-Makromolekülen voraus. Da DNS- und RNS-Makromoleküle sich auch außerhalb der Zelle (in vitro) identisch replizieren können, ist die Frage: "Konnten RNS- und DNS-Makromoleküle und ihre Partner, die Proteine, auf der frühen Erde von selbst entstehen?" keineswegs abwegig. Um die Frage beantworten zu können, muß man wissen, erstens unter welchen Bedingungen Makromoleküle entstehen,und zweitens, ob diese Bedingungen auf der frühen Erde gegeben waren. Wie entstehen Makromoleküle? Makromoleküle - gleichgültig ob es sich dabei um die Synthese von Naturstoffen oder Kunststoffen handelt - entstehen durch Verbindung von vielen kleinen Monomer-Molekülen zu langen Ketten, vergleichbar mit der Herstellung einer Kugelkette durch Zusammenfügen von Kugeln, die nach dem Schema der Abb. 5 mit Druckknöpfen versehen sind. In Abb. 5 ist dieses Synthese-Modell in Parallele gesetzt zur Synthese eines Polycarbonatmoleküls (Polycarbonat ist ein unter den Namen Macrolon und Valon bekannter Kunststoff) und zur Entstehung einer DNS-Kette aus ihren Kettenbauteilen, den Nucleosiden (N) und Phosphorsäure (P). Was die Druckknöpfe im Modell leisten, bewirken bei den Molekülen die funktionellen Gruppen, bei den gewählten Beispielen die OH-Gruppen und die Säuregruppen der Kohlensäure bzw. Phosphorsäure, die beim Zusammenstoß der Partner-Moleküle Estergruppen bilden, welche die zusammenprallenden Moleküle miteinander verbinden. In den Beispielen der Abb. 5 befinden sich die beiden Arten von funktionellen Gruppen bzw. die beiden verschiedenen Druckknopfteile je- Bisphenol - A Kohlen -saur« -Chlorid Polycarbonat - Kette "o-O+O-0" ♦ Cl-C-Cl ♦ * Cl-C-Cl ♦ -0 8 — - * "na o • o : Estergrupp« 0 * (0) . (0) • (05... — 000000(0 - V j 0 ; * 'N' OM ♦ n'*N. ♦ OM mo-p-om ho-ch2-*-*-oh MO-e-OH •• Y Y Y Qx xe OM q' se ; OM q' \ ho-chj-^-«-Om M04cM2"*-»-O^-0 ? CHj-*—*T 0-^-0 f CMj-e-e-0 ♦ n HjO Nucltosid 0 o Phosphor- Nucleosid Phosphor -saur« saur« Mucleotid E stergri4>p« ONS - Kette C = Kohlenstoftatom P = Phosphor atom H = Wasserstoff atorn 0 = Sauerst off atom N = Stickstoftatom O3 Benxolnng . = CM2 bzw CH CI = Chloratom Abb. 5 s Polykondensation, dargestellt mit Hilfe chemischer Formeln und mit Hilfe von Kugelmodellen mit Druckknöpfen. weils an verschiedenen Molekülen bzw. Kugeln N und P, derart, daß N zwei gleiche Druckknopfteile der einen und P zwei gleiche Druckknopfteile der anderen Sorte hat, entsprechend den beiden OH-Gruppen des Nucleosidmoleküls und den beiden Säuregruppen der Phosphorsäure. Ketten kann man ebensogut bauen , wenn die beiden verschiedenen Druckknopfteile an ein und derselben Kugel sich befinden. Tatsächlich gibt es Monomermoleküle, die diesem Modell entsprechen, z. B. die Aminosäuren (s. Abb. 11). Der Einfluß des Wassers auf die Kettenlänge Was im Modell nicht zum Ausdruck kommt, ist die Freisetzung eines Wassermoleküls bei der Bildung einer Estergruppe. Für die Entstehung von Makromolekülen ist das von Bedeutung, denn ebenso wie unter Austritt eines Wassermoleküls die beiden Monomermoleküle durch Bildung der Estergruppe verbunden werden, können sie durch Eintritt eines Wassermoleküls in die Kette unter Rückbildung von OH- und Säuregruppen auch wieder getrennt werden. Diese Rückläufigkeit der Reaktion wird in Abb. 5 durch den Doppelpfeil angedeutet. Sie hat zur Folge, daß in einer Lösung von bifunktionellen Alkohol- und Säuremolekülen nicht alle OH- und COOH-Gruppen zu Estergruppen (-C00- + H^O) um- gesetzt werden, so daß die Ketten nicht beliebig lang werden können. Vielmehr stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein, der dann er- reicht ist, wenn pro Sekunde ebensoviele Kettenbindungen wieder gespalten werden wie neu entstehen. Quantitativ wird der Einfluß der Wasserkonzentration auf die Kettenlänge durch das auf dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik beruhende Massenwirkungsgesetz beschrieben (s. dazu S. 80 ff.) Der Einfluß des Gruppenverhältnisses auf die Kettenlänge Eine weitere Begrenzung der Kettenlänge ist durch das Zahlenverhältnis von Nucleosid- und Phosphorsäuremolekülen (N- und P-Kugeln im Modell) gegeben: Je größer der Überschuß einer Kugelsorte ist, desto kürzer werden die entstehenden Ketten, genauer: desto kleiner ist die mittlere Länge der entstehenden Ketten. Wenn sich in einer Ansammlung von N- und P-Molekülen z. B. doppelt soviele P- wie N-Moleküle (oder umgekehrt) durcheinanderbewegen, entstehen im Mittel Ketten mit nur drei Kettenbauteilen bzw. Kugeln, bei P-Überschuß ein Mononucleotid und bei N-Überschuß ein Dinucleotid (s. Abb. 6). Abb. 6 : Polykondensation bei Überschuß einer Molekülsorte. Mit Modellkugelmischungen könnte man natürlich (bei genügend großer Kugelzahl) selbst bei ungünstigen Kugelverhältnissen wie P/N = 1/2 oder N/P = 1/2 sehr lange Ketten bauen, indem man sich aus der Mischung die jeweils passenden heraussucht, aber das ist die intelligente Leistung eines Menschen, der das Ziel "lange Kette" kennt und zielbewußt handelt. In einer Mischung von Molekülen dagegen bewegen sich diese völlig plan- und ziellos durcheinander und die Zusammenstöße sind blind-zufällig. Deshalb wird die Reaktion einer Mischung von N- und P-Kugeln im Verhältnis 1:2 durch das Schema der Abb. 6 auch nur unvollständig beschrieben. In Wirklichkeit entstehen neben den dargestellten Ketten mit 3 Kugeln auch solche mit 4 und 5 Kugeln. Dafür bleibt andererseits eine entsprechende Menge von einzelnen P-Kugeln oder N-Kugeln (in der unteren Gleichung) übrig, soviele, daß sich ein Mittelwert von 3 ergibt. Wie eine statistische Rechnung Mooonucltotid Dinuc Ivotid zeigt, entstehen Ketten, die länger sind als die mittlere Länge, um so seltener, je weiter sie vom Mittelwert abweichen (s. dazu S. 89 ****•)• In der lebenden Zelle übernehmen die Enzyme eine strenge Auswahlfunktion, indem sie durch ihre hochspezifische katalytische Aktivität bewirken, daß nur ganz bestimmte Moleküle zur Reaktion gebracht werden. Enzyme aber sind selbst lange Kettenmoleküle, die erst einmal entstanden sein mußten, ehe sie ihre spezifisch-katalytische Wirkung entfalten konnten. Der Einfluß monofunktioneller Moleküle auf die Kettenlänge Den gleichen Einfluß auf die Kettenlänge bei Polykondensationen wie ein Überschuß von Molekülen einer Sorte (Abb. 6) hat auch die Anwesenheit von Molekülen mit nur einer funktionellen Gruppe, entsprechend Modellkugeln mit nur einem Druckknopfteil. Für die Verknüpfungsreaktion ist es gleichgültig, ob eine OH-Gruppe Bestandteil eines Nucleosid-Moleküls ist oder Bestandteil eines Aethylalkohol-, Milchsäure- oder Glykolsäuremoleküls (s. Tab. 10) . Ebenso reagieren die OH-Gruppen von Nucleosidmolekülen mit fast derselben Geschwindigkeit auch mit Essigsäure oder Propionsäure oder Milchsäure statt mit Phosphorsäure. Abb. 7 zeigt als Beispiel das Ergebnis einer Polykondensation von Nucleosiden in einer Lösung, die sehr viel mehr Essigsäure als Phosphorsäure enthält, bei einem Nucleosid/Säure-Verhältnis von N/E = 1/2 . ©> + (0) * <0 ©0® Y Y qx*v* o' N; CHj-C-OH ♦ H0-CH2-^-*-0H ♦ HO-C-CH3 ^---s CH3-C-0-CH2-V*-,-0-C-CH3 ö ö 0 0 Essigsäure Nucleosid Essigsäure Adenosmdiacetat I Mononucleotid) C. H, 0, N, • s Abb 5 Abb. 7 : Polykondensation bei großem Überschuß von monofunktionellen Molekülen. Vergleicht man das Ergebnis der "Polykondensation" von Abb. 7 mit der von Abb. 6 , so stellt man fest, daß im Falle eines sehr großen Überschusses an monofunktionellen Molekülen (P-Konzentration so gering, daß man sie bei quantitativer Auswertung vernachlässigen kann) längere Ketten als die dem Durchschnittswert entsprechenden nicht entstehen können, d. h. es gibt im Beispiel der Abb. 7 im Gegensatz zum Beispiel der Abb. 6 keine Kettenlängenverteilung, kein Sortiment verschieden langer Ketten. Die längste Kette, die entstehen kann, wenn in einer Molekülmischung doppelt soviele monofunktionelle Moleküle (Kugeln mit nur einem Druckknopfteil) zugegen sind wie bifunktionelle (Kugeln mit zwei Druckknopfteilen), ist ein Molekül, das nur einen Kettenbauteil N enthält, an beiden Seiten blockiert durch ein nicht mehr weiter bindefähiges monofunktionelles Molekül E . Mit anderen Worten: Unter den Bedingungen von Abb. 7 können Kettenmoleküle wie RNS oder DNS nicht entstehen. Ehe wir uns der Frage zuwenden, ob auf der frühen Erde Makromoleküle entstehen konnten, fassen wir die Einflußgrößen und die sich daraus ergebenden Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit Makromoleküle entstehen können, noch einmal kurz zusammen: 1. Einfluß der Wasserkonzentration: Nur bei extrem niedriger Wasserkonzentration können lange Ketten entstehen, weil nur so die Rückspaltung der Kette verhindert wird. In der Industrie wendet man bei der Herstellung von Polyestem (Diolen, Trevira) Hochvakuum oder einen hochgetrockneten Stickstoffström an, um das Wasser aus dem Reaktor zu entfernen, damit man Ketten mit ca. 200 Kettenbauteilen Länge erhält, die zur Erzielung guter Eigenschaften (Festigkeit) notwendig ist. 2. Einfluß des Verhältnisses der an der Verknüpfungsreaktion beteiligten funktionellen Gruppen: Lange Ketten entstehen nur, wenn beide Sorten von Gruppen (entsprechend den Druckknopfteilen im Modell) in genau gleicher Anzahl vorliegen (Abb. 5)* Bei Zahlen-Verhältnissen von 1:2 oder kleiner entstehen längere Ketten nur noch in kleinsten Anteilen im Rahmen eines Sortiments verschieden langer Ketten (Abb. 6). 3. Einfluß von monofunktionellen Molekülen: Schon geringe Mengen solcher Moleküle (entsprechend Kugeln mit nur einem Druckknopfteil) setzen die mittlere Kettenlänge stark herab, weil sie die Kettenenden blockieren. Bei großem Überschuß an monofunktionellen Molekülen können keine Kettenmoleküle entstehen, auch nicht als Anteile im Rahmen eines Sortiments von Ketten verschiedener Länge (Abb. 7). Zur Entstehung von Makromolekülen in Ursuppen Fragt man jetzt nach den geologischen und meteorologischen Bedingungen auf der frühen Erde vor 3 Milliarden Jahren, unter denen die Poly kondensation von Nucleosiden und Phosphorsäure zu DNS-Ketten oder deren Vorstufen mit nur wenigen Kettenbauteilen pro Kette stattgefunden haben soll, so muß man zugeben, daß man nichts Sicheres darüber weiß. Unbeschadet dieser geologischen Unsicherheit ist eines jedoch völlig sicher: Komplementäre Monomermoleküle (entsprechend den Modell kugeln N und P) können durch chemische Reaktionen in Gasmischungen nach Art von Uratmosphären niemals in einem bestimmten Verhältnis, das nahe bei N/P = 1/1 liegt, ohne Beimischung größerer Mengen an monofunktionellen Molekülen entstehen. Das wird durch die in über 150 Jahren gesammelten Erfahrungen in chemischer Forschung und Industrie ausnahmslos bestätigt. Bestätigt wird das auch durch die Analysenergebnisse der bekannten MILLER-Versuche (elektrische Entladungen [Funkenstrecke] in einem Gasgemisch aus Methan [CH^], Wasserdampf [H^O] und Ammoniak [NH^], entsprechend einer vermutlichen Ur-atmosphäre mit Gewittern), die 1956 zuerst von S. L. MILLER und seither wohl an die hundert Mal in verschiedenen Laboratorien in aller Welt mit ganz ähnlichen Ergebnissen wiederholt wurden. Übereinstimmend wurde gefunden, daß bei solchen Versuchen, wie zu erwarten, eine Vielzahl von mono-, di- und trifunktionellen Molekülen entsteht, von denen die in höherer Konzentration entstehenden und somit für die Kettenlänge bei Polykondensationen bestimmenden in Tabelle 10 aufgeführt sind. Man sieht auf den ersten Blick, daß die monofunktionellen Moleküle, entsprechend Kugeln mit nur einem Druckknopfteil, in großem Überschuß sind. Das Verhältnis von Nucleosiden (unter der Nachweisbarkeitsgrenze) zu Monocarbonsäuren ist wie 1 : 1000 oder noch kleiner. Das heißt: Wenn in einer Ursuppe nach Art der MILLER-Lösungen überhaupt Kettenbauteile der DNS (oder RNS), nämlich Nucleoside (siehe Abb. 7)» vorhanden waren, konnten wegen des großen Überschusses an Monocarbonsäuren nur Mononucleotide entstehen (s. Abb. 7)» aber keine Ketten, auch nicht kurze Kettenstücke mit 10 oder 20 Nucleoti-den, von denen die sogenannte chemische Evolution ihren Ausgang genommen haben soll. Die Entstehung solcher Kettenstücke in Ursuppen ist mit der gleichen Gewißheit und aus dem gleichen Grunde unmöglich, Tabelle 10 : Analysenergebnisse von MILLER-Experimenten [2] Bifunktionelle Moleküle Monofunktionelle Moleküle H2N-CH2-COOH Glycin relative Anzahl der Moleküle in der Lösung 2,1 HCOOH Ameisensäure relative Anzahl der Moleküle in der Losung 8,5 H2N-CH - COOH ch3 Alanin 1,9 ch3-cooh Essigsäure 0,83 Aminosäuren : 4,0 O ch3-ch2-cooh 0,81 ho-ch2-cooh Glykolsaure HO - CH-COOH l ch3 Milchsäure 2,5 Propionsäure Monocarbonsauren; 10,H Q 2,0 ch3-nh2 Methylamin ch3-ch2-nh2 10,5 1,5 Hydroxycarbonsauren ; 4,5 o> o Aethylamm Monoamine : 12,0 O hooc-ich2 )2-cooh Bernsteinsäure 1,4 .. Nucleoside < 0,01 (unter der Nachweisbar - o wie die Konstruktion eines perpetuum mobile unmöglich ist: Naturgesetze stehen dagegen. Für die Bildung von Proteinketten (Eiweißmolekülen) standen die Chancen nicht viel besser. Aminosäuremoleküle haben es insofern bei der Kettenbildung etwas leichter, als die beiden Arten von funktioneilen Gruppen, entsprechend den beiden komplementären Druckknopfteilen im Modell, am gleichen Molekül sind, so daß das Verhältnis der Gruppen immer 1 : 1 ist. Das ist aber nur dann von Nutzen, wenn eine Lösung vorliegt, die nur chemisch reine Aminosäuren enthält. Wenn dagegen, wie in Ursuppen (s. Tab. 10), Monocarbonsäuren und Monoamine im Überschuß zugegen sind, werden die wachsenden Ketten schon im Anfangsstadium blockiert, so daß auch hier, wie Abb. 11 zeigt, Kettenmoleküle nicht entstehen konnten. ^ ♦ ^AS^) + ^AS^> + 0 0 0 II N KjN-CH2-C-OH ♦ H2N-CH-C-OH ♦ HjN-CHj-C-OH ♦ CH3 Glycin Alanin Glycin 0 0 0 h2n-ch2-c-nh-ch-c-nh-ch2-5-nh — CHj Protein - Kette n HjO bei UberscKuO von monofunktionellen Molekülen {AS / E »1/1 und AS / A > 1 /1): ©> * Qp © ch3-c-oh 0 Essigsäure H2N-CH —C —OH L I CHj Alanin m2n_ch2“ch3 Aethylamin ©@© 0 CH3-C-NH-CH-(!-NH-CH2-CH3 0 CH3 N - Acetylalaninaethylamid (nicht wachstumsfähig) 2 C = Kohlenstoffatom N = Stickstoffatom H= Wasserstotfatom 0= Sauerstoffatom Abb. 11 : Polykondensation von Aminosäuren In den Ursuppen sind laut MILLER-Analyse die Molekülverhältnisse noch viel ungünstiger als im Modell der Abb. 11 , insofern, als doppelt soviele Monocarbonsäuren E und dreimal soviele Monoamine A wie Aminosäuren AS vorliegen, d. h. an die Bildung selbst kurzer Protein-Kettenstücke in Ursuppen ist ebensowenig zu denken wie an die Entstehung von RNS- und DNS-Kettenstücken, weil auch nicht eine der für die Bildung von Makromolekülen zu stellenden Bedingungen (s. S. 8 und S. 66 ff.) erfüllt sind. Bei alledem muß man noch eines berücksichtigen: In einer Lösung mit zahlreichen Monomerkomponenten entstehen immer Copolymer-Ketten, das sind solche, an deren Aufbau alle in der Mischung befindlichen bifunktionellen Moleküle mit geeigneten Gruppen (OH, COOH, NHg) im Verhältnis ihrer Konzentration beteiligt sind. Im Modell: Man hat eine Mischung von roten, grünen, weißen, blauen, größeren und kleineren Kugeln mit Druckknöpfen in einem Behälter und greift blind eine Kugel nach der anderen heraus. Die Druckknöpfe rasten ein, unabhängig davon, welche Farbe und Größe die Kugeln haben. Für die Ursuppe bedeutet das: Selbst wenn Ketten entstehen könnten, wären dies keineswegs Nuclein-säure- oder Proteinketten, sondern Copolymerketten, enthaltend Aminosäure-, Milchsäure-, Glykolsäure-, Bernsteinsäure-, Nucleosid- und Phosphorsäure-Bauteilen in bunter Folge. Weil die Entstehung von reinen Nucleinsäure- und Proteinketten aus den dargelegten Gründen in Ursuppen unmöglich ist, haben einige Vertreter der chemischen Evolution bedauert, daß die Konzeption von der Ursuppe "sich trotz thermodynamischer und organisch-chemischer Widersprüche seit bald einem halben Jahrhundert in der Fachliteratur hat halten können" [2], während gerade neuerdings wieder besonders prominente Autoren, blind gegen die Aussagen der Polykondensationsthermodynamik und -Stöchiometrie (Gruppen-Verhältnisse), behaupten, die präbiotische Ursuppe habe ein geeignetes Medium für einen DARWIN'sehen Evolutionsprozeß dargestellt [3]. Selbstorganisation von Großaufbereitungsanlagen für Ursuppen oder "die räumlich und zeitlich gegliederte Umwelt" Wenn es nicht die rohen Ursuppen waren, in denen die ersten RNS- und Protein-Makromoleküle entstanden sein sollen, dann müssen es, wenn man an der Hypothese zur Entstehung des Lebens durch Selbstorganisation festhalten will, gereinigte, aufbereitete Ursuppen sein, die in ihre Komponenten zerlegt und im idealen Verhältnis neu zusammengeführt wurden. Im Laboratorium und in der technischen Großproduktion ist die Trennung von Stoffgemischen in reine Komponenten durch Adsorption-Desorption nach Art einer präparativen Chromatographie durchaus möglich, aber man benötigt dazu recht komplizierte Anlagen mit einer Vielzahl sinnvoll angeordneter Säulen, deren jede ihre spezielle Art von Füllkörpern besitzt. Mit einem Sandstrand und ein wenig Brandung, durch die einige Selbstorganisationstheoretiker ihre Ursuppen gereinigt sehen wollen, ist da nichts getan. Selbst wenn man annehmen würde, daß irgendwo auf der frühen Erde geeignete Bedingungen für eine adsorptive Trennung von Ursuppenkomponenten existiert haben, hätte das noch keineswegs bedeutet, daß damit auch schon die Bedingungen für die Entstehung von RNS-Ketten durch Polykondensation erfüllt waren. Unter den für die frühe Erde anzunehmenden vermutlich recht turbulenten geologischen und meteorologischen Gegebenheiten mit Gewittern und Sturmfluten wären alle getrennt adsorbierten Stoffe nach und nach wieder ausgewaschen worden und so letztlich wieder in der Ursuppe gelandet. Würde man aber eine Jahrhunderte oder Jahrtausende lange Schönwetterperiode annehmen, wäre eine Polykondensation durch die räumliche Trennung und die Immobilisierung der Komponenten erst recht verhindert worden. Wollte man die jeweils für eine bestimmte Synthese reiner Oligomer-ketten zusammengehörenden Komponenten in der richtigen Kombination wieder vereinigt sehen, so müßte man sich Erdbeben ausdenken, durch die die verschiedenen Gesteinszonen, die die richtigen und die störenden Stoffe getrennt adsorbiert enthielten, so präzise voneinander getrennt wurden, daß ihre Stoffe bei nachfolgenden Regenfällen in getrennten Rinnsalen in getrennte Tümpel, die für eine Polymersynthese benötigten Stoffkomponenten aber in gemeinsame Seen geführt wurden, die natürlich durch das Erdbeben so geformt werden mußten, daß sie dicht waren und auf ihrem Grund auch gerade die richtigen Mineralien als Reaktanten oder Katalysatoren enthielten: Phosphate (neben Mg+ + und Harnstoff) für die Reaktion von Nucleosiden zu Triphosphaten, Zn++ und Mg+ + als Katalysatoren für die Nucleotidpolykondensation und spezifische Tonerden für die Peptidsynthese. Die Wahrscheinlichkeit derartiger geologischer Selbstorganisationen zu Großaufbereitungsanlagen für Ursuppen zu reinsten Monomeren (in ihrer Komplexität moderne Fabrikanlagen zur Aufbereitung von Crackgasen zu den Monomeren Aethylen, Propylen und Butadien noch übertreffend), kann man zwar nicht wie die biologische Selbstorganisation mit Zahlen belegen, aber sie dürfte noch sehr viel geringer sein als diese. In theoretischen Abhandlungen [4] werden solche Großaufbereitungsanlagen für Ursuppen schlicht als "das Vorhandensein einer räumlich und zeitlich gegliederten Umwelt" bezeichnet oder es ist die Rede davon, "daß solche Substanzen nur an speziellen Stellen der Urerde angereichert werden konnten, in denen eine Vielfalt von besonderen Bedingungen erfüllt war" [4]. Eine so verallgemeinernde Redeweise birgt die Gefahr in sich, daß der wahre Sachverhalt übersehen wird, wenn man es nämlich versäumt, sich klarzumachen, was das ist, diese "Vielfalt von besonderen Bedingungen", die erfüllt sein mußte, damit eine Polykondensation von Nucleosiden und Phosphorsäure (s. Abb. 5) zu DNS- oder RNS-Ketten stattfinden konnte. Dazu ist nicht mehr und nicht weniger erforderlich als das Von-selbst-Entstehen komplizierter Anlagen aus Urgestein zur Auftrennung eines komplexen Vielstoffgemisches (Ursuppe) in reine Komponenten und zur präzisen Dosierung der beiden für die RNS-Synthese benötigten Monomeren im Molverhältnis 1:1. Besondere Bedingungen kann man sich noch viele ausdenken, so z. B. auch bei den Polykondensationsbedingungen: Man kennt die Verfahrenstechnik der Grenzfläohenpolykondensation, bei der das Zahlenverhältnis der komplementären Monomer-Moleküle in den beiden nicht mischbaren Phasen nicht 1 : 1 sein muß. Dann müssen aber die Monomerkonzentrationen den Diffusionskoeffizienten genau angepaßt sein. Das aber macht das Entstehen von RNS-Ketten nicht wahrscheinlicher, abgesehen davon, daß man sich nicht denken kann, welches die zweite, mit Wasser nicht mischbare Flüssigkeit gewesen sein sollte. Man kennt seit kurzem auch die Polykondensation von Aminosäureestern von langkettigen Fettalkoholen, die nach Art der Seifen an der Wasseroberfläche unter geeigneten Bedingungen monomolekulare oder bimolekulare Schichten bilden, in denen wegen der Orientierung der Moleküle eine besonders rasche Polykondensation stattfindet [5]. Auch diese besonderen Bedingungen waren auf der Urerde nicht wahrscheinlicher als die Selbstentstehung von Fabrikanlagen zur Ürsuppen-Aufbereitung, die der Bildung der seifenartigen Aminosäureester unbedingt hätte vorausgehen müssen, wenn das "monolayer-Verfahren" erfolgreich funktionieren sollte. Denn immer und überall da, wo Aminosäureester von Fettalkoholen entstehen konnten, mußten zwangsläufig auch Essigsäure-, Propionsäure-, Milchsäure- und Glykolsäureester der gleichen Fettalkohole sich bilden. Außerdem: Wenn in der Uratmosphäre Methyl- und Aethylamin und Fettalkohole entstanden, muß auch die Bildung von Fettaminen angenommen werden. Alles zusammen aber, Aminosäureester, Fettamine und langkettige Essigester hätte wieder die Situation der Abb. 11 ergeben, d. h. keine Kettenbildung. "Evolutionsexperimente" In den Berichten über die Entstehung des Lebens ist immer wieder von Evolutionsexperimenten die Rede. Alle diese Versuche zur Synthese von biologisch relevanten Makromolekülen gehen von reinsten Komponenten aus, die sorgfältig im molaren 1:1- Verhältnis kombiniert werden, und sind daher weit davon entfernt, die präbiotische Situation wahrheitsgemäß nachzuahmen. Abgesehen davon, daß man von der präbio- tischen Situation so gut wie nichts wirklich weiß, wird das wenige, das man aus den Analysen der MILLER-Experimente entnehmen kann, bei diesen Experimenten mit reinen Ausgangskomponenten schlicht ignoriert Das Ergebnis ist daher eine Illusion, d. h. genauer gesagt: es wäre eine Illusion, wenn bei diesen Versuchen Makromoleküle entstanden wären, die den natürlichen gleich oder auch nur ähnlich wären. Aber nicht einmal die Versuche mit reinsten Ausgangsstoffen ergaben Ketten deren Struktur mit den natürlichen Vorbildern identisch war. Polykondensationsexperimente mit rohen Ursuppenlösungen sind nicht beschrieben. Sie wurden bei der Suche nach neuen Kunststoffen unfreiwillig immer und immer wieder gemacht, freilich nicht mit MILLER-Lösungen, aber mit Monomeren, die man zwar nach allen Regeln der Kunst gereinigt hatte, die aber doch noch geringe Mengen von unbemerkten störenden Stoffen enthielten. Das enttäuschende Ergebnis ist in solchen Fällen immer das gleiche: keine Polykondensation zu langen Ketten. Und so braucht man es mit den wilden Ursuppengemischen, die mehr Störstoffe als geeignete Kettenbauteile enthalten, erst garnicht zu versuchen. Andererseits ist es erst recht sinnlos, Polykondensationsversuche mit reinen Aminosäuren oder reinen Nucleotiden zu unternehmen, weil solche Versuche an der "präbiotischen" Wirklichkeit Vorbeigehen. Und die erste Zelle ? Die vielbesprochene präbiotische Evolution, durch die das Leben mit der Notwendigkeit eines Naturgesetzes (RNS-Replikation mit bestimmten Fehlerquoten und Selektion der bestangepaßten Moleküle) entstanden sein soll, setzt das Vorhandensein von DNS- oder RNS-Kettenstücken als Startbasis voraus. Naturgesetze aber sind es, die die Bildung von RNS- und DNS-Kettenstücken in Ursuppen nicht zulassen: der 2. Hauptsatz der Thermodynamik und das Gesetz der konstanten Proportionen, die ausnahmslos alle chemischen Reaktionen beherrschen. Die gleichen Naturgesetze stehen auch dem weiteren Wachsen der DNS-Ketten entgegen solange nicht hochselektiv wirksame Enzyme verfügbar sind wie in der lebenden Zelle. Bis zu lebenden Zellen indessen war von den in allen Selbstorganisationshypothesen einfach vorausgesetzten kurzen RNS- und DNS-Ketten-stücken (von denen kein Mensch weiß, wie und wo sie entstanden sein könnten) noch ein sehr weiter Weg, der (wenn man den Verlängerungsfaktor der DNS-Kette als Maß wählt) noch erheblich weiter war als der Weg vom Einzeller zum Säugetier: Die DNS-Kette von Coli-Bakterien enthält ca. 3 Millionen Nucleotide (Kettenbauteile), was - verglichen mit den kurzen Kettenstücken, von denen bisher die Rede war - einem 5 6 Verlängerungsfaktor von 10 bis 10 entspricht. Die Länge der Säuge- 9 tier-DNS liegt in der Größenordnung von 10 Nucleotiden, hat sich also (ausgehend von der ca. 10^ Nucleotide langen Bakterien-DNS) "nur" um den Faktor 1000 verlängert. Während beim Problem der Entstehung von RNS-Ketten in Ursuppen nur nach der Länge der Kette gefragt war, tritt jetzt - bei der Frage nach der lebenden Zelle - bereits eine neue Größe in den Vordergrund, nämlich die Reihenfolge oder Sequenz der vier verschiedenen Nucleotide, die ja erst die Schrift ausmacht, die als genetische Information von Generation zu Generation weitergegeben wird. Nach DARWIN's Lehre entstehen neue Arten durch zufällige Änderungen von Erbfaktoren, die, wenn sie sich im "Kampf ums Dasein" bewähren, erhalten bleiben oder aber, wenn sie sich im betroffenen Lebewesen nachteilig auswirken, wieder verschwinden. Seit man die Funktion des DNS-Makromoleküls kennt, weiß man auch, welche Vorgänge auf Molekül-Ebene den bei Tier-und Pflanzenzüchtung zu beobachtenden, plötzlich ohne erkennbare Ursache auftretenden Änderungen der Erbfaktoren zugrunde liegen: Es sind dies die bei der DNS-Verdoppelung (Replikationssynthese, die jeder Zellteilung vorausgeht) immer wieder einmal als Replikationsfehler auftretenden Änderungen in der Reihenfolge der vier Nucleotide (Mutationen), die dann zwangsläufig die Änderung der Aminosäure-Reihenfolge in der Molekülkette eines Enzyms und damit Ausfall, Störung oder Änderung von dessen Funktion zur Folge hat. Da Sequenzänderungen oder Mutationen nur an bereits vorliegenden DNS-Ketten stattfinden können, die Entstehung der ersten Zelle aber eine millionenfache Kettenverlängerung, also eine stetig oder sprunghaft verlaufende Neu-Synthese (Polykondensation) von DNS erfordert, können Mutationen (Replikationsfehler) nicht die Basis für die Entstehung der ersten Zelle gewesen sein, ebensowenig wie sie eine Erklärung für das Auftreten einer neuen Klasse von Lebewesen im Laufe der Geschichte des Lebens darstellen, was aber noch näher zu begründen sein wird (s. S. 19 ff. und 203 ff.). Die weltweit als "Entstehung des Lebens durch Selbstorganisation der Materie" oder "Präbiotische Evolution" propagierten Hypothesen, wonach die erste Zelle nach dem DARWIN'sehen Prinzip von Mutation und Selektion durch ein automatisches Team-work von RNS- und Protein-Makromolekülen entstanden sein soll, müssen somit aus folgenden Gründen (von denen jeder einzelne bereits ein zureichender Grund ist) als naturwissenschaftlich unhaltbar gelten: 1 . Die Entstehung der als Startbasis für einen DARWIN-Mechanismus auf Molekülebene (präbiotische Evolution) benötigten kurzen DNS-oder RNS-Ketten ist in Ursuppen nach Art der bei MILLER-Experi-menten anfallenden Lösungen wegen der entgegenstehenden Polykondensationsgesetze nicht möglich. 2. Der DARWIN'sehe Mechanismus von Mutation-Selektion kann nicht zur Entstehung langer neuer DNS-Kettenstücke (Gene) führen, die zur Bildung einer lebenden Zelle in großer Zahl (die DNS-Kette von E. coli-Bakterien beherbergt ca. 2000 Gene) benötigt werden. Auch wenn die Urzelle bereits mit 1000 oder 500 Genen ausgekommen sein sollte, wäre die Entstehung einer so großen Zahl von so langen DNS-Stücken unvorstellbar unwahrscheinlich (s. S. 25 ff.). Generatio spontanea Die Lehre von der Entstehung des Lebens durch Selbstorganisation in Ursuppen ist keineswegs neu. Laß in Sümpfen und Faulschlamm Leben von selbst entsteht (generatio spontanea), wurde - auch von den größten Gelehrten - mehr als 2000 Jahre mit größter Selbstverständlichkeit geglaubt, nachdem schon ARISTOTELES gelehrt hatte, daß Kröten, Schlangen und Würmer aus der Morastsubstanz von Sümpfen spontan entstehen. Die "generatio spontanea" entsprach der täglichen Erfahrung in einer Zeit ohne Kühlschrank und Sterilisieren (Maden in Fleisch und Käse), bis sie durch die Versuche von J0BL0T (1718) und LOUIS PASTEUR (186o) widerlegt wurde. PASTEUR sagte in seinem berühmten Vortrag an der Sorbonne am 7. April 1864: "Die generatio spontanea von Mikroorganismen ist auch auf Grund dieser Versuche ein Hirngespinst. Nein, es sind heute keine Umstände bekannt, unter denen Mikroorganismen ohne vorhandene Keime, ohne Vorfahren, die ihnen ähnlich sind, erzeugt worden wären. Diejenigen, die dergleichen behaupten, sind Opfer von Illusionen, von schlecht durchgeführten Versuchen, deren Fehlerquellen sie nicht bemerken oder nicht vermeiden konnten. Die Lehre der generatio spontanea wird nach dem tödlichen Schlag, den *) sie durch ein einfaches Experiment erlitten hat, nie auferstehen." ' Die Lehre von der generatio spontanea ist zwar im neuen Gewände der Entstehung des Lebens durch Selbstorganisation wieder da, aber sie ist um nichts wahrscheinlicher als die alte Doktrin des ARISTOTELES. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn namhafte Wissenschaftler sich Gedanken über eine außerirdische Herkunft des Lebens machen. Zur Zeit wird eine Hypothese des bekannten englischen Astrophysikers und Autors von Science-Fiction-Romanen FRED HOYLE lebhaft diskutiert [6], wonach irgendwann in irgendeinem der vielen Kometen unserer Milchstraße Bakterien entstanden sind. Einige Kometen, die vor ca. 4 Milliarden Jahren auf die Erde niedergingen, füllten mit ihrem Bakterien enthaltenden Wasser die Ozeanbecken auf. Einerseits sollen nach HOYLE Kometen Brutstätten von Bakterien gewesen sein, andererseits sollen aber auch die Staubteilchen der interplanetaren Wolken eingefrorene Bakterien sein. Auf die Frage, auf welchem Wege die Bakterien entstanden sein sollen, sagt HOYLE, "daß zu irgendeinem Zeitpunkt ein intellektuelles Einwirken da war." [6] Andererseits widerspricht er aber auch nicht der Ansicht des deutschen Physikers und Physiologen Hermann von HELMHOLTZ (1821-1894)» der 1874 einmal sagte, es sei völlig korrekt, die Frage aufzuwerfen, "ob das Leben jemals entstand, ob es nicht vielmehr so alt wie die Materie selbst ist", wenn alle Versuche, die Erzeugung von Organismen aus lebloser Materie zu begründen, fehlschlügen [6]. Ich bin nicht ganz sicher, ob Sir HOYLE mit seiner Widerbelebung der alten Panspermie-Lehre des griechischen Naturphilosophen ANAXAGORAS (500 v. Chr.) nur die Selbstorganisationshypothese persiflieren will, oder ob er im Ernst glaubt, was er schreibt. Das Problem der Entstehung des Lebens wird ja nicht gelöst, sondern nur von der Erde in die Weiten des Weltalls verlagert. Man kann viele Hypothesen aufstellen, die erklären sollen, wie das Leben auf die Erde kam. Die einzigen Zeugnisse, die vielleicht darüber etwas aussagen können, sind paläontologische Funde, und die *) Zitiert nach J. TOMCSIK: Pasteur und die Generatio spontanea, Verlag Hans Huber, Bern 19&4» Das "einfache Experiment" ist nichts anderes als das Verhindern von Leben (Fäulnis und Schimmel) durch Sterilisieren. lassen erfahrungsgemäß mehrere Deutungen zu. So gibt es Vorgänge, von denen wir mit Sicherheit nur wissen, daß wir niemals wissen werden, wie sie sich wirklich zugetragen haben. Zu diesen Begebenheiten gehört der Weg des Lebens im Weltall und auf unserer Erde. 1.2 DIE ENTWICKLUNG DER ZELLE: ENTSTEHUNG DER ARTEN Im ersten Teil dieses Kapitels wurde die Hypothese der chemischen oder präbiotischen Evolution diskutiert mit dem Ergebnis, daß DNS-oder RNS-Kettenstücke auf der frühen Erde nach den uns bekannten, für alle chemischen Reaktionen geltenden Gesetzen nicht entstehen konnten, es sei denn, man verliert sich in phantastischen Spekulationen über besondere geologische Bedingungen, die zur Auftrennung der vielen Ursuppenkomponenten in reine Stoffe und Zusammenführung der reinen RNS-Kettenbauteile in der richtigen Dosierung hätten führen sollen. In diesem zweiten Teil wird nun das eigentliche DARWIN-Thema, die Entstehung der Arten und der ihnen zugehörigen DNS unter den Gesichtspunkten der makromolekularen Chemie zu behandeln sein. Dazu werden wir uns zunächst das Ausmaß der DNS-Kettenverlängerung vor Augen zu führen haben, um zu erkennen, welche Anforderungen die Entstehung einer neuen Tierklasse an das Wachsen der DNS-Kette stellt. Dann werden wir uns klarmachen müssen, daß allein durch Mutationen (definitionsgemäß Sequenzänderungen an vorhandenen DNS-Ketten) neue DNS-Stücke nicht entstehen können und daß die Chance für das Entstehen neuer DNS-Stücke, die als Gene in ein bereits funktionierendes Genom passen, erheblich kleiner als 1 ist. Das Ausmaß der DNS-Kettenverlängerung während der Evolution Wenn auch niemand weiß, wie die ersten einzelligen Lebewesen entstanden sind, so sind wir doch geneigt,anzunehmen, daß das Primitive vor dem Komplizierten da war. Das entspricht unseren Erfahrungen im technischen Bereich und außerdem glaubt man paläontologischen Befunden (Altersbestimmungen an Fossilien) entnehmen zu können, daß es seit mindestens 3 Milliarden Jahren Bakterien auf der Erde gibt, während die vielzelligen Organismen erst vor 600 Millionen Jahren auftraten: Wirbellose [600 MIO], Fische [300 MIO], Reptilien [200 MIO], Vögel und Säugetiere [100 MIO]. Die Zuverlässigkeit der Altersbestimmungs- methoden wird gelegentlich in Zweifel gezogen [7]. Ich habe hierzu keine kompetente Meinung und stelle nur fest, daß die meisten Paläontologen und Biologen eine Entwicklung nach dem Schema Bakterien Wirbellose—* Fische —Reptilien Vögel/Säuger annehmen und daß sich diese Vorstellung weithin durchgesetzt hat. Wenn die Entwicklung so abgelaufen ist, dann hat die Länge der DNS-Kette im Laufe dieser Entwicklung stark zugenommen, nämlich von ca. 1 mm auf ca. 1000 mm, und man kann, wie bei der Bildung von Makromolekülen üblich (Copolymere, SCHULZ-FLORY-Verteilung), nach der Bildungswahrscheinlichkeit der Ketten fragen (s. dazu S. 63 ff. und S. 89 ff.). Über die DNS-Kette der Einzellerarten, die nach vorherrschender Meinung 2,5 Milliarden Jahre lang allein die Erdoberfläche besiedelt haben, weiß man natürlich so gut wie nichts, aber da es auch heute noch Bakterien gibt, kann man sich an diese halten, um ihre DNS zu erforschen. In der Tat verdankt man fast alles, was man über DNS, den genetischen Code und die Proteinsynthese weiß, ausgedehnten Experimenten mit Viren und Bakterien. Das Standard-Bakterium der Genetiker ist das Bakterium Escherichia coli, ein Darmbakterium, das sich leicht auf Kulturen ziehen läßt. Seine ringförmige DNS-Kette ist ca. 1 mm lang und besteht aus ca. 3 Millionen Kettenbauteilen (Nucleotiden), wobei Nucleosid und Phosphorsäure (vgl. Abb. 5) als ein Bauteil gezählt sind. Da die Urbakte-rien höchstens primitiver waren als die heutigen Colibakterien, war ihre DNS-Kette vielleicht etwas kürzer als 1 mm und enthielt statt der 2000 Gene der Coli-DNS möglicherweise nur 1000 oder 1500 Gene. Nur die Größenordnung ist interessant, nicht die genaue Zahl. Im Laufe der Entwicklung, die nach den Vorstellungen von Biologen und Paläontologen vor ca. 500 Millionen Jahren einsetzte und bis zu den heutigen Pflanzen und Tieren führte, sind die DNS-Makromoleküle in den Zellen der Lebewesen bei den großen Übergängen von einer Klasse zur nächsthöheren immer länger geworden. Bei den Säugetieren hat die Länge der DNS-Kette eine Größenordnung von 1 m erreicht, wenn man sich die DNS-Teilstücke der Chromosomen (beim Menschen 23) zu einer Kette zusammengesetzt denkt. Eine solche Kette enthält einige Milliarden (beim Menschen 3»5 • 10^) Nucleotide, entsprechend rund zwei Millionen Genen. Die Anzahl der Kettenbauteile des DNS-Makromoleküls, und damit auch seine Länge, hat sich demnach im Laufe der Entwicklung auf das Tausendfache vergrößert. Man kann, wenn man die Kettenlängen (1 mm beim Einzeller und 1 m bei Säugetieren) vergleicht, ebensogut sagen: Die DNS-Kette ist im Laufe der Entwicklung nach und nach erst durch Polykondensation entstanden, denn als Polykondensation (s. Abb. 5) bezeichnet man die chemische Reaktion, durch die Makromoleküle vom Typ der DNS auf dem Wege der Verknüpfung kleiner Kettenbauteile gebildet werden. Mutation und Polykondensation Mutationen sind Veränderungen der Reihenfolge der vier verschiedenen Nucleotid-Kettenbauteile in der langen DNS-Kette. Da diese Reihenfolge (Sequenz) die genetische Information bestimmt und so letzten Endes über die Reihenfolge der Aminosäuren in den Enzymen den gesamten Zellstoffwechsel steuert, hat eine Änderung der Nucleotid-Bau-teile der DNS-Kette (in der Regel) eine Änderung der Eigenschaften eines Lebewesens zur Folge. Es gibt DNS-Kettenabschnitte, in denen Sequenzänderungen nur vergleichsweise belanglose Eigenschaften betreffen, wie die Farbe von Federn oder Augen, es gibt aber auch DNS-Kettenabschnitte, in denen eine einzige Sequenzänderung den Tod des betroffenen Individuums oder schwere Organverstümmelungen oder den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit bedeutet. Daher ist die weitaus größte Zahl aller Mutationen tödlich oder schwer schädigend. Das ist nicht überraschend: Ein Organismus, selbst der eines "primitiven" Einzellers, ist in seiner Struktur, seiner Konstruktion, seinen Bauplänen komplizierter als ein Fernsehgerät oder ein Taschenrechner oder eine Fabrikanlage zur Herstellung von Synthesefasern oder Synthesebenzin. Wenn man in einer solchen Anlage oder einem solchen Gerät blindlings und wahllos an der Verdrahtung eines zentralen Steuerelements etwas ändert, wird das fast immer zum Ausfall des Gerätes oder der Anlage, zumindest aber zu schweren Störungen durch Ausfall von Teilfunktionen führen. Genau das aber geschieht bei einer Mutation, denn die DNS-Spirale ist die Steuerzentrale der Zelle bzw. des Organismus', und Mutationen sind definitionsgemäß Sequenzänderungen, die ganz dem Zufall überlassen sind. Sie entstehen nämlich nicht durch den geplanten, zielbewußten Eingriff eines Ingenieurs (die DARWIN'sehe Lehre kennt keine Konstrukteure und Inge- nieure des Lebens), sondern durch gelegentliche (seltene) Replikationsfehler bei der jeder Zellteilung vorausgehenden DNS-Ketten-Ver-doppelung nach einem durch die besondere Struktur der Kettenbauteile ermöglichten Kopierverfahren (s. S. 130 ). Auch durch Einwirkung von UV-Strahlen oder gewissen Chemikalien können Mutationen ausgelöst werden, die zu schweren Zell-Defekten, z. B. Krebs, führen können. Mutationen können, wie die Art ihrer Entstehung zeigt, immer nur an bereits existierenden DNS-Makromolekülen stattfinden, denn ändern kann sich nur etwas, was da ist. Durch Mutationen allein kann folglich niemals eine DNS-Kette entstehen oder verlängert werden. Dazu bedarf es besonderer Synthesereaktionen, die ich, ohne auf die speziellen denkbaren Mechanismen einzugehen, pauschal als Polykondensation bezeichnet habe (s. Abb. 5)» Im Gegensatz zur Mutation ist die Entstehung einer DNS-Kette oder eines neuen Kettenstücks nicht ein Geschehen, das durch eine einzige, zufällig hier oder dort ablaufende chemische Reaktion (Wahrscheinlichkeit =1) realisiert werden kann. Eine Polykondensation, wie sie zur Entstehung eines neuen Gens notwendig ist, besteht aus einer Folge von 1000 bis 3000 chemischen Reaktionen, die keineswegs mit der Wahrscheinlichkeit 1 abläuft. Das gilt auch dann, wenn die Kettenverlängerung selbst nicht in Einzelschritten ("nucleotidweise") vor sich geht, sondern durch Addition eines längeren Kettenstücks realisiert wird, dessen Nucleotid-Folge aber nichts Neues bringt, so daß das "neue" Stück erst noch umsequenziert werden muß. Polykondensation als Neuentstehung einer DNS-Kette ist, nach welchem Mechanismus als Folge von chemischen Reaktionen sie auch ablaufen mag, ein Vorgang, der, um Mißverständnisse und irreführende Begriffe zu vermeiden, streng von dem der Mutation (= Änderung einer Nucleotidsequenz in einer vorhandenen, funktionsoffenen DNS-Kette) unterschieden werden sollte. Bildungswahrscheinlichkeit eines cooperativen neuen Gens durch Polykondensation__________________________________ Die Frage: "Konnten die Lebewesen von selbst entstehen?", auf das physikalisch-chemisch faßbare Phänomen der Polykondensation reduziert, lautet: Wie groß ist die Chance (mit anderen Worten: die Wahrscheinlichkeit), daß irgendein DNS-Makromolekül von der Länge der Säugetier-DNS von selbst entsteht, d.h. durch Polykondensation der 4 Nucleotide T, A, C, und G, deren Sequenz durch die Bedingung eingeschränkt ist, daß sie (die Se- quenz) in jedem Stadium der Entwicklung (d.h. bei jeder Stufe der durchlaufenen Kettenlängen) die Existenz eines der jeweiligen Stufe entsprechenden Lebewesens ermöglicht? Dazu müssen alle Gene in jedem Wachstumsstadium der DNS-Kette ein harmonisch cooperierendes Team bilden, weil nur dann der Fortbestand der Kette gewährleistet ist. Um die Überlegungen möglichst einfach und übersichtlich halten zu können, betrachten wir diese Polykondensationsreaktion nicht als Addi tion von 3 Milliarden einzelner Nucleotidbauteile, sondern als Addition von 2 Millionen Genen, d. h. wir fassen im Mittel je rund 1600 Nucleotide zusammen und betrachten diese DNS-Stücke in Gen-Länge als die Monomer-Bauteile, durch deren Verknüpfung die lange DNS-Kette des Säugergenoms entstanden ist. Gene sollen hier definiert sein als DNS-Stücke, die die Information *) für die Aminosäure-Folge je eines Enzyms enthalten. Sie haben dann eine mittlere Länge von rund 1600 Nucleotiden (das sind die in 4 verschiedenen Ausfertigungen A, T, C und G vorliegenden Einzelbauteile einer DNS-Kette, deren von Gen zu Gen verschiedene Reihenfolge oder Sequenz die Eigenart eines Gens ausmacht). Bei 4 verschiedenen Nucleo tid-Bauteilen und einer Kettenlänge von 1600 Nucleotiden beträgt dann die Anzahl der maximal möglichen verschiedenen Sequenzen und damit Gene 41 d. i. ungefähr (eine 1 mit 1000 Nullen, eine un- vorstellbar große Zahl, für die es keinen Namen gibt). Die Entstehung einer Säuger-DNS-Kette ist daher in der Terminologie der Makromolekularen Chemie eine Polykondensation mit 10^^ verschiedenen möglichen Monomer-Bauteilen. Die Wahrscheinlichkeit, daß irgendeines dieser unvorstellbar vielen sequenz-verschiedenen Gen-Monomeren einer wachsenden Kette angefügt wird, ist w = 1 (d. h. unvermeidlich). Die Wahrscheinlichkeit aber, daß ein ganz bestimmtes Gen addiert wird, ist nahe bei Null, nämlich '1/101. Nun sind zwar alle 10 ^ der für das Wachsen der DNS verfügbaren Gene in ihrer Sequenz verschieden, nicht aber in ihrer Wirkung. Um die Synthese eines Proteins mit einer in einer bestimmten Evolutions- *) Man findet "Gen" neuerdings auch als noch größeres DNS-Teilstück definiert, das die Information für 5 bis 10 Enzyme enthält, die eine Folge von 5 bis 10 zusammengehörenden Reaktionen für die Synthese eines Stoffes ermöglichen. Beide Definitionen führen bei den folgenden Überlegungen zum gleichen Ergebnis. Situation gerade brauchbaren Enzymwirksamkeit zu ermöglichen, ist daher nicht die Entstehung einer ganz bestimmten unter den mög- lichen Gensequenzen erforderlich, sondern es genügt irgendeine Sequenz, die die Synthese irgendeines Proteins gestattet, welches die gerade benötigte enzymatische Fähigkeit besitzt. Wieviele von den maximal 10^^ Gensequenzen dieser Forderung genügen, weiß niemand, 994 wohl aber wieviele es höchstens sein können, nämlich 10 , denn die gesamte Säuger-DNS-Kette hat (der Größenordnung nach) 10^ , das ist *) eine Million verschiedene Gene. Folglich kann höchstens im Mittel jede 10^te der 10^^ Gensequenzen dieselbe Wirkung haben und das sind 10^^/10^ = 10994 . Auf die Wirkung bezogen schrumpft so die Zahl der für das DNS-Wachstum einer bestimmten Säugetier-DNS während der Evolution verfügbaren verschiedenen Gene auf 10^ (1 Million) zusammen, wobei das allerdings die kleinst-denkbare, sich auf Fakten, nämlich die Anzahl der Gene im Säugetiergenom, stützende Zahl möglicher, wirkverschiedener Gene ist, die, in einer bestimmten Reihenfolge im Laufe der Evolution verfügbar und wirksam geworden, eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen dieses Säugetiers war. Die Wahrscheinlichkeit, daß in einer bestimmten Evolutionssituation gerade ein ganz bestimmtes von diesen 10^ Genen an die DNS-Kette anwächst (nämlich das gerade benötigte), ist dann w = 1/10^ = 10”^ . Muß aber nun gerade in einer bestimmten Evolutions-Situation ein ganz bestimmtes der 10^ Gene anwachsen? Kann die Evolution nicht auch mit einer anderen oder gar mit jeder beliebigen der 10 wirkverschiedenen Gensequenzen weitergehen? Das kann sie deshalb nicht, weil Gene, ebenso wie die nach ihrer Anweisung entstehenden Enzyme, streng aufeinander abgestimmt sein müssen, wenn der höchst komplizierte und damit hochempfindliche und störanfällige Organismus eines Lebewesens mit seinen vielen ineinandergreifenden Regelkreisen funktionieren soll. Wenn z. B. in einer Synthesekette mit 10 Stufen die Enzyme für die ersten 5 Stufen und die die Synthese dieser Enzyme ermöglichenden *) Gelegentlich findet man die Frage der Ausnutzung der rund 2 Millionen Gene im Säugetier-Genom zur Informationsspeicherung diskutiert, wobei auch die Meinung vertreten wird, daß möglicherweise ein Großteil der verfügbaren DNS-Kettenlänge garnicht als Gensubstanz genutzt wird. Für die hier angestellten Überlegungen ist die Frage der Redundanz ohne Bedeutung: Wenn etwa nur 1/10 der vorhandenen Gene genutzt würde, wäre die Gen-Bildungswahrscheinlichkeit 1/10^ statt 1/10° . Die Größenordnung für die Bildungswahrscheinlichkeiten neuer Tierklassen bzw. der zugehörigen DNS ändert sich dadurch nicht. Gene bereits vorliegen, kommen nur noch ganz bestimmte Gensequenzen in Frage, die in der Lage sind, die Synthese der für die restlichen Stufen benötigten Enzyme zu steuern. Durch die Beschränkung der 10^000 möglichen Gensequenzen auf 10^ nach dem Muster einer hier auf der Erdoberfläche im Laufe der Erdenzeit entstandenen DNS-Kette eines Säugetiers ist bereits eine so enge Auswahl getroffen, daß diese 10^ Gene nur bei einer ganz bestimmten Reihenfolge ihrer Funktionsaufnahme die Entstehung einer aufsteigenden Reihe von Lebewesen bis zu einem willkürlich herausgegriffenen Säugetier zulassen. Die Begrenzung der Brauchbarkeit von neuen DNS-Sequenzen (in Genlänge) leitet sich also nicht aus einer dem Evolutionsgeschehen innewohnenden oder ihm von außen aufgezwungenen Zielvorstellung her, sondern ergibt sich notwendig aus der erforderlichen Cooperationsfähigkeit der jeweils neuen Gene mit den schon in der DNS-Kette vorhandenen. Bildungswahrscheinlichkeit einer Folge von cooperativen Genen * 994 Die Wahrscheinlichkeit 1/10^ ist eine maximale Wahrscheinlichkeit, die davon ausgeht, daß alle 101^^ theoretisch möglichen Nucleotid-sequenzen in Genlänge Genqualität haben, d. h. für die Bildung einer Leben ermöglichenden DNS geeignet sind, und daß statt eines bestimmten in der betrachteten Säugetier-DNS wirklich eingebauten Gens eben- 994 sogut 10 andere Nucleotidsequenzen den gleichen Dienst versehen, nämlich die Synthese eines Enzyms gleicher Aktivität und Spezifität gesteuert hätten und daher bei der Neu-Gen-Addition an die Kette zur Wahl standen. Nur unter diesen Annahmen ist die Wahrscheinlichkeit, daß von den 10 möglichen Genen irgendeines der 10^^ brauchbaren zur Addition an die DNS-Kette kam, 10^^/10^^ = 10 ^ . Es ist aber sicher, daß längst nicht alle der iq^OO möglichen Nucleotidsequenzen Genqualität haben, vielleicht nur 10 ^ oder 10^^ oder 10^ . Dann ist die Additionswahrscheinlichkeit statt 10 ^ nur 10^^/10^^ = 10 oder 10 oder 10 ^ . Darüber, wie klein sie wirklich war, läßt sich aber keine begründete Aussage machen, weil man nicht weiß, wie häufig bzw. wie selten unter den 10 möglichen Gensequenzen solche mit gleicher Wirkung (oder auch ohne jede Fähigkeit als Informationsträger) sind. Was man sicher sagen kann ist lediglich, daß es mindestens 10 wirkverschiedene Gene gibt und daß folglich die Wahrscheinlichkeit einer jeweils nützlichen, weiterführenden Genaddition wegen der Nicht-Beliebigkeit der Reihenfolge nicht größer als 10 sein kann. Die Wahrscheinlichkeit, daß die DNS-Kette wiederholt (n mal) um ein gerade brauchbares Gen wächst, ist damit höchstens W = Wn = (icf6)n so wie die Wahrscheinlichkeit, mit einen Becher mit 2 Würfeln 2 Sech-2 sen zu würfeln (l/6) = 1/36 , mit 3 Würfeln 3 Sechsen zu würfeln (1/6)3 usw. ist. Daß das in Funktion-treten der neuen cooperativen Gene in strenger ununterbrochener Folge zu geschehen hat, liegt daran, daß das jeweils nächste Gen und die daraus resultierende Enzymaktivität das Vorhandensein des vorhergehenden, zur gleichen Synthese kette gehörenden Enzyms unbedingt voraussetzt und so mit den vorangehenden und folgenden Gen-Additionen zu einem einheitlichen Ereignis verflochten ist. Eine einzelne Genaddition für sich allein, losgelöst vom Zusammenhang des Gesamtgeschehens, ist kein Ereignis, weil sie wir kungslos ist: Entweder ein neues Gen bewirkt eine tödliche Störung, (dann ist es im Hinblick auf die Evolution so gut wie nie dagewesen), oder es bleibt erhalten und ist dann (weil es, wie später noch näher erläutert wird, nur im Verband einer Folge von vielen Genen wirksam werden kann) auf unbestimmte Zeit verborgen, bis nämlich die ganze Enzym- bzw. Genfolge von im Mittel 10 Genen perfekt ist. Erst dann kann ein neuer Stoff synthetisiert werden. Aber auch dieser ist wieder in einen größeren Zusammenhang eingewoben, ohne den er wirkungslos ist. Daher ist der Vergleich der Gen-Neubildung mit einem Würfelspiel, bei dem mit nur einem Würfel offen hintereinander gewürfelt wird, unzulässig und irreführend. Dieser Vergleich gilt für Mutationen, die ganz unabhängig voneinander eintreten und die dann durch das "Sieb der Selektion" in vorteilhafte und schädliche getrennt werden. Beim Wachsen der DNS-Ketten während der Evolution durch Addition neuer Gene dagegen wird nicht nach jedem einzelnen Reaktionsschritt, ja nicht einmal nach jeder neuen Genbildung (im Mittel 1000 bis 2000 Reaktionsschritte umfassend) "der Würfelbecher gehoben", weil es kein Entscheidungskriterium (keine Selektionsmöglichkeit) gibt, durch die "die Sechsen" sichtbar werden könnten, bevor nicht die Folge der Neu-Gene (n = 50 - 500) so weit gediehen ist, daß eine neue, testbare Eigenschaft sich entfalten kann. Wenn man daher die Entstehung der Neu-Gene (bisher gedankenlos oder in Unkenntnis der chemischen Reaktionen, die für ein Kettenwachstum notwendig sind, mit Mutationen verwechselt) mit einem Würfelspiel ver gleichen will, hat man die Entstehung von beispielsweise 500 neuen Genen als ein Ereignis zu werten, vergleichbar mit einem mit 500 Würfeln gefüllten Würfelbecher, der auf einmal geleert wird, denn erst nach so vielen lebend überstandenen Gen-Neubildungen wird das Ereignis offenbar, weil die Bildung neuer Eigenschaften erst jetzt (vielleicht aber auch erst nach sehr viel mehr neuen Genen) so weit gediehen ist, daß ein Bewährungstest möglich ist. Jeder weiß doch, daß ein halb fertiges Auto oder Flugzeug nicht für eine Testfahrt bzw. einen Testflug geeignet ist. Als bestanden aber kann der Test nur dann gelten, wenn - um im Bild des Würfelspiels zu bleiben - alle 500 Würfel die Augenzahl "Sechs" *) zeigen , denn die Entstehung neuer Genfolgen ist ein Geschehen, bei dem die Synthesen vieler neuer Einzelgene zu einem Gesamtereignis untrennbar gekoppelt sind, so daß sich die Gesamtwahrscheinlichkeit W durch Multiplikation der Wahrscheinlichkeiten der Einzelgen-Neubildungen w^ ergibt: ,, n W = w^ • w^ • w^ • w^ . . . = w Wenn w. , die Wahrscheinlichkeit für eine Neugen-Addition, wie wir gesehen haben, gleich oder kleiner 1/10 ist, ergeben sich für die Wahrscheinlichkeit der zufälligen Entstehung von nützlichen, d. h. aufeinander abgestimmten, cooperationsfähigen Gen-Folgen extrem niedrige Werte, z. B. v . (10-6)50 = 10-300 oder w = (l0-6)500 = 10-3000 Diese Wahrscheinlichkeitsaussagen für das Anwachsen und In-Funktion-treten neuer Gene sind unabhängig vom Mechanismus der Genaddition, unabhängig davon, ob dies durch schrittweise Addition einzelner zusätzlicher Nucleotidbausteine bei der DNS-Replikation oder durch Kettenverlängerung durch illegitimes Crossing over mit Abkoppelung der Doppelgene von der Translation, mutativer Sequenzveränderung und Wiederankoppelung geschieht, worauf ich unter dem Stichwort "Großmutationen" noch einmal zurückkommen werde. *) Zu bedenken ist, daß der der Wirklichkeit entsprechende "Evolutionswürfel" nicht 6, sondern 10^ Flächen hat, so daß die Wahrscheinlichkeit für eine "Sechs" nicht 1/6, sondern 1/1 000 000 ist. **) siehe dazu auch die Fußnote von Seite 31 • Zum Einfluß der Selektion auf die Entstehung einer DNS-Kette Nach dem Bisherigen könnte man meinen, der Einfluß der Selektion, die ja zum Kern von DARWIN's Lehre gehört, sei übersehen worden. Sie wurde jedoch nicht übersehen. Vielmehr hat Selektion, so überraschend das zunächst klingt, für die Wahrscheinlichkeit der Genaddition und des Wachstumsprozesses der DNS im Laufe der Evolution keine Bedeutung. Auslese kann erst da einsetzen, wo es etwas auszulesen gibt, d. h. sie trifft Individuen mit aus der Masse herausragenden guten oder schlechten Eigenschaften. Eine einzige Mutation, ein zufällig-spontaner Replikationsfehler, kann ein Lebewesen so schädigen, daß es nicht mehr lebensfähig oder fortpflanzungsfähig ist (wenn es, wie im menschlichen Bereich, nicht durch liebevolle Pflege erhalten wird, so daß es seinen Defekt an die nächste Generation weitergibt). Die Natur im außermenschlichen Bereich merzt unbarmherzig alles Schwache und Kranke aus: Auslese im Dienst der Erhaltung der Art. Es gibt sogenannte positive Mutationen, die den betroffenen Individuen Vorteile beim Kampf ums Überleben bringen. Man kennt sie, weil sie in Schulbüchern stehen und im Fernsehen vorgeführt werden, z. B. die Birkenspanner-Geschichte, die als Paradebeispiel gelten kann: die hellen Schmetterlinge sind normalerweise in sonniger Landschaft auf hellem Untergrund gut getarnt. In einer vom Ruß mit dunklem Grau überzogenen Industrielandschaft sieht das anders aus. Hier war eine dunkle Mutante, die unter normalen Umweltbedingungen als stark benachteiligt gelten mußte, im Vorteil, weil sie von hungrigen Vögeln leichter übersehen wurde, so daß die helle Wildform in relativ kurzer Zeit durch die dunkle Mutante ersetzt wurde. Die Versuchung war groß, derartige bei Defektmutanten (jede Mutante ist eine Defektmutante) gemachte Beobachtungen als positive Mutationen zu deklarieren, die, in großer Zahl aufeinander folgend und durch Selektion nach dem Muster von DARWIN's berühmten Galapagos-Finken oder Englands nicht minder oft zitiertem Birkenspanner begünstigt, schließlich zu neuen, der Umwelt besser angepaßten und lebenstüchtigeren Arten führten. Was dabei völlig übersehen wurde, ist der Umstand, daß die Entstehung neuer Arten - wie wir gesehen haben - von einem starken Längenwachstum der DNS-Kette begleitet wurde, wogegen bei den Finken und Schmetterlingen, wie überhaupt bei allen Mutationen, die Länge der DNS-Kette völlig unverändert bleibt. Die Entstehung von neuen Pflanzen- und Tierklassen (Wirbellose------ Fische—«-Reptile—»-Vögel) setzt die Entstehung von Synthesemöglichkeiten für zahlreiche neue Stoffe voraus. Die Synthese eines neuen Stoffes aber läuft über 5 bis 10 Synthesestufen und jede einzelne Stufe benötigt ihr Enzym. Jedes neue Enzym aber setzt die Existenz eines entsprechenden neuen Gens voraus, so daß die Synthese eines neuen Stoffes die Verlängerung der DNS-Kette um 5 bis 10 Gene erfordert. Da eine halbfertige Synthesekette keinen neuen Stoff liefert, ist eine Selektion vor Fertigstellung der Synthesekette und damit vor der Entstehung und In-Dienststellung von 5-10 neuen Genen absolut undenkbar. Die Wahrscheinlichkeit Wfi für die Entstehung dieser Gene beträgt aber, da die Bildungswahrscheinlichkeit eines passenden neuen Gens kleiner als 1/10^ = 10 ^ ist, W = (10‘6)5 = 10'5° bzw. W = (10-6)10 = 10_6° n v n ' ist also bereits ein ungeheuer unwahrscheinliches Ereignis, im Gegensatz zu Mutationen, die von Zeit zu Zeit als spontan auftretende Replikationsfehler zwangsläufig, also mit der Wahrscheinlichkeit Eins stattfinden, ohne jedoch eine Verlängerung der DNS durch Entstehung neuer Gene bewirken zu können, die zur Entstehung einer neuen Klasse von Lebewesen absolut notwendig ist. Mit der Fähigkeit zur Synthese eines neuen Stoffes war ein Lebewesen in aller Regel noch weit davon entfernt, eine neue Eigenschaft erworben zu haben, die ihm eine wie immer geartete Überlegenheit über seine Artgenossen sicherte. Selbst eine neue Eigenschaft, z. B. Federn statt Schuppen oder Fußstummel ("Quasten") statt Flossen, deren Bildung nur unter Mithilfe vieler neuer Stoffe denkbar ist (abgesehen davon, daß neue Formen durch neue Stoffe allein ohnehin nicht erklärbar sind), hätte den damit beglückten Individuen keineswegs Vorteile, sondern - wie man leicht einsieht - nur Nachteile beschert, solange nicht eine Reihe weiterer Eigenschaften und Fähigkeiten hinzugekommen wäre. Zum Federkleid (das kaum leichter und beweglicher, wohl aber im Vergleich mit Schuppen verwundbarer macht) gehörten die Flugmuskulatur, die Flugmotorik und das zugehörige Nervensystem und die zentrale Steuerung im Gehirn, bis der erste Vogel sich vor seinen Feinden in die dritte Dimension absetzen konnte und nun endlich einen vollwerti- gen Ersatz für die verlorenen schützenden Schuppen des Reptils erlangt und den Vorteil eines neuen Lebensraumes gewonnen hatte. Niemand kann wissen, wieviele neue Stoffe, Enzyme und Gene für einen derartigen "großen Übergang" notwendig waren. Genug, daß man ungefähr angeben kann, wieviele große Übergänge sich im Laufe der Evolution auf dem Wege zum Säugetier ereignet haben und um wieviele Gene sich die DNS-Kette insgesamt verlängert hat, um die Wahrscheinlichkeit eines großen Überganges ohne intelligente Steuerung durch normale Polykondensation abschätzen zu können. Nehmen wir auf dem Wege bis zu den Säugetieren 5 große Übergänge an (?—►Einzeller—►Wirbellose ►- Fische--►Amphibien/Reptilien—►Säuger) und erinnern wir uns, daß zur Realisierung der Gesamt-Entwicklung die Entstehung von ca. 10^ neuen Genen erforderlich war, liegt die mittlere Anzahl neuer Gene pro Übergang bei 200 000 Genen. Bei einer Entstehungs- und Additionswahrscheinlichkeit eines neuen Gens von w = 1/10^ ist die Wahrschein- *) lichkeit Wy für einen auf zufälligen chemischen Reaktionen ' beruhenden großen Übergang (unabhängig vom Mechanismus der Reaktionen): W0 « d/106)200000 « 1/101 200 000 Man kann sich einen solchen Übergang in beliebig kleine Stufen aufgeteilt denken. An der Wahrscheinlichkeit des Gesamtvorgangs der Evolution und an der Wahrscheinlichkeit der großen Übergänge ändert das wegen der feststehenden ^experimentell bestimmbaren Länge der Säuge-tier-DNS und wegen der unlösbaren Verflechtung der Einzelereignisse zu einem Ganzen nichts. Wären indessen solche Zwischenstufen durch Selektion begünstigt und folglich stabil gewesen, hätte man eine Vielzahl von Übergangsformen etwa zwischen Fischen und Amphibien oder zwischen Reptil und Säuger oder Vogel finden müssen. Trotz intensiver Suche der Paläontologen sind jedoch solche Zwischenformen nicht gefunden worden. Wegen der Vielzahl der bei dieser Suche gemachten fossilen Funde in den letzten Jahrzehnten sind die großen Lücken zwischen den Tierklassen erst recht deutlich geworden. Die Paradebeispiele für missing links (Quastenflosser und Archaeopteryx) erweisen sich immer weniger als Zwischenglieder. Archaeopteryx ist bereits ein vollendeter Vogel und Latimeria chalumnae (ein Crossopterygier oder Quastenflosser) ist ein Fisch, der *) Auch Polykondensationen sind - wie Mutationen - Zufallsreaktionen. **) Siehe dazu auch die Fußnote von Seite . in 1 50 bis 800 m Tiefe im Ozean vor der ostafrikanischen Küste lebt und garnicht daran denkt, seine Quasten für Spaziergänge am Strand zu verwenden. Echte Übergangsformen werden deshalb nicht gefunden, weil derartige Zwischenstufen als Nicht-mehr- und Noch-nicht-Lebewesen die Vorteile der alten Art verloren hätten, ohne die der neuen Art zu besitzen. Die Entwicklung zum Neuen mußte zwangsläufig im alten Lebensmilieu stattfinden, in einer Umgebung also, in der die neuen, auf das künftige Lebensmilieu der neuen Tier-Art oder Tier-Klasse orientierten Eigenschaften noch garnicht als Vorteile in Erscheinung treten konnten. Aber auch dann, wenn man z.B. 1000 echte Zwischenstufen pro Übergang gefunden hätte oder wenigstens Hinweise auf die mögliche Existenz solcher Zwischenstufen besäße oder wenn man sie einfach vermuten würde, wäre die Wahrscheinlichkeit für die zufällige Entstehung einer dieser Zwischenstufen bzw. des dazu nötigen DNS-Kettenstücks (unabhängig davon, ob durch Selektion begünstigt oder nicht) immer noch extrem klein gewesen, da jede Zwischenstufe oder Übergangsform im Mittel die Entstehung von 200 000 / 1000 = 200 neuen Genen vorausgesetzt hätte: = (10 -6^200 = 10 -1 200 *) "EvolutionsStrategie" I. RECHENBERG [8] hat den DARWIN’sehen Mechanismus von Mutation und Selektion auf die Optimierung technischer Systeme übertragen. Dieses Vorgehen liefert gute Beispiele für die hohe Effizienz dieses Mechanismus' für die Optimierung von etwas bereits Vorhandenem (das sich nach jeder Änderung prüfen läßt), veranschaulicht aber zugleich auch die Unmöglichkeit der Selektion bei der Entstehung von etwas Neuem, das erst prüfbar ist, nachdem es funktionsfähig, d. h. fertig vorliegt: Man stelle sich eine Reihe von 6 parallel angeordneten *] Ereignisse mit Wahrscheinlichkeiten unter 1/10^00 gelten in der Physik bereits als unmöglich [9 ]• Wenn man sich in etwa eine Vorstellung von der Zahl 10^^0 machen will, kann man daran denken, daß die Anzahl aller Atome des gesamten, die Milchstraße und alle anderen fernen Galaxien umfassenden Universums auf 10®^ geschätzt wird. Wenn also die Masse des ganzen Universums aus DNS-Molekülen bestünde, wäre bei einer Wahrscheinlichkeit von 1/10^000 £ie Chance, darunter ein solches zu finden, das 200 für das Entstehen einer neuen Tierklasse benötigte Gene enthielte, immer noch so gut wie Null. Metall- oder Kunststoff-Lamellen vor, die durch verstellbare Gelenke miteinander verbunden sind. Wenn alle Gelenkwinkel auf 180° eingestellt sind, ist die Gelenkplatte eben. Wird sie in diesem Zustand von einem Luftstrom schräg angeblasen, hat sie einen minimalen Anblaswiderstand. Das Evolutionsexperiment geht von einer stark gewinkelten (Zickzack-) Einstellung mit hohem Anblaswiderstand aus. Man ändert die Winkel um einen jeweils nach einem Zufallsmechanismus ermittelten Betrag (bei 5 Gelenken mit je 51 Einraststufen waren 51^ , also ca. 550 Millionen Einstellmöglichkeiten gegeben) und prüft nach jeder Winkel-Veränderung (Mutation) den Widerstand. Ist er größer (ungünstiger), wird die Änderung rückgängig gemacht (Mutante geht zugrunde), ist die neue Einstellung günstiger (geringerer Widerstand beim Anblastest), wird sie beibehalten und eine nächste zufällige Winkeländerung vorgenommen. Die Versuche zeigten, daß nach durchschnittlich 200 Winkeländerungen der ebene Zustand mit minimalem Anblaswiderstand erreicht war. Im technischen System sind alle zwischen dem Ausgangssystem und dem optimalen System auftretenden Zwischenstufen ("Mutanten") im Windkanal prüfbar, weil nach jeder Änderung der Winkel zwangsläufig ein geringerer oder größerer Widerstand im Vergleich zur vorhergehenden Einstellung gemessen wird. Der Techniker tut dann genau das, was die unbarmherzige Natur bei Mutationen auch tut: Das Günstige (in der Natur: Das den Umweltbedingungen besser Angepaßte) bleibt erhalten und das Ungünstige wird ausgelöscht. Ganz anders aber bei den Eigenschaften, deren Erwerb an die Synthese von neuen Stoffen und damit an ein Wachsen der DNS-Kette um viele neue Gene gebunden ist (und das Entstehen einer höheren Klasse von Lebewesen ist, wie die Längenzunahme der DNS-Kette zeigt, stets an das Anwachsen von neuen Genen und den Erwerb neuer Eigenschaften gebunden): Bis zu 10 oder 12 neue Gene (entsprechend 10 oder 12 neuen Enzymen) müssen entstehen, damit auch nur die Synthese eines einzigen neuen Stoffes (z.B. im Rahmen der Photosynthese oder der Atmungskette oder der Blutregenerierung) ermöglicht wird. Und jedes neue (zusätzliche Gen) erfordert 1000 bis 2000 chemische Reaktionen (eine Mutation wird dagegen durch eine einzige chemische Reaktion ausgelöst). Und alle diese vielen aufeinander folgenden Reaktionen bewirken im betroffenen Individuum garnichts: Sie sind nicht schädlich, denn die Sequenzen der bereits vorliegenden DNS-Kette werden in keiner Weise verändert, d. h. alle alten Gene bleiben intakt und alle Enzymsynthe-sen laufen unverändert weiter. Die 1000 bis 2000 chemischen Reaktionen zur Entstehung irgendeines neuen Gens (von dem noch gamicht feststeht, ob es ein gerade brauchbares Gen sein wird: Die Chance ist nur etwa 1 : 1 000 000) können aber auch nichts Nützliches bewirken, denn das neue Enzym, dessen Synthese günstigenfalls durch das neue Gen bewirkt wird, steht einsam in der Zell-Landschaft und weiß noch garnicht, wozu es da ist. Das stellt sich erst heraus, wenn weitere 5 bis 10 neue Gene entstanden sind und so die entsprechenden neuen Enzyme synthetisiert und aktiv werden können. Dann erst kann sich zeigen, ob die neuen Nucleotid-Sequenzen (bei 10 Genen immerhin 10 000 bis 20 000 neue Nucleotidsequenzen, die durch ebensoviele zufällige chemische Reaktionen entstanden sind) in Form der 10 neuen Gene so zusammen passen, daß eine Enzymkette zustande kommt, die eine neue Stoffsynthese ermöglicht. Da ein neuer Stoff in aller Regel nur im Rahmen eines größeren Verbunds von 20 oder 30 anderen Stoffen von Nutzen ist, kann eine neue Eigenschaft erst nach der Entstehung von 20 • 10 = 200 neuen Genen oder (im Durchschnitt) 200 • 1500 = 300000 neuen Nucleotidsequenzen in Erscheinung treten, eine Eigenschaft, von der immer noch sehr fraglich ist, ob sie als solche schon einen Test erlaubt (man erinnere sich an den Vergleich mit dem halbfertigen Flugzeug). Mindestens so viele (Größenordnung: 300 000) chemische Reaktionen müssen sich also ohne jede Möglichkeit eines Tests auf ihren Wert für die Lebenstüchtigkeit in einer gegebenen Situation während der Geschichte des Lebens und folglich ohne jede Siebwirkung durch Selektion ereignen, wogegen schon eine einzige Mutation (Sequenzänderung in der schon existierenden DNS-Kette) den Tod oder eine schwere Schädigung eines Lebewesens zur Folge haben kann, weil das perfekte Zusammenspiel der Gene und Enzyme durch den Ausfall eines Gens empfindlich gestört wird, was einer strengen Selektion gleichkommt. Nie aber kann allein durch Mutationen die DNS-Kette verlängert werden, und nie führen sie folglich zu neuen Arten mit längeren DNS-Ketten. Bei Kettenverlängerungsreaktionen andererseits, die zur Entstehung neuer Arten führen können, gibt es keine Selektion: Man versuche nur einmal ein Auto oder Radio nach Methode RECHENBERG zu bauen! Großmutationen Einige Biologen haben schon früh dieses Dilemma und damit die Unmöglichkeit, die großen Übergänge durch Mutationen zu erklären, erkannt und Zuflucht bei der Einführung von "Großmutationen" gesucht. Im Grunde sind diese "Großmutationen" genau das, was ich "Entstehung neuer Gene durch Polykondensation" genannt habe. Die Bezeichnung "Großmutation" indessen trifft den Gegenstand nicht richtig, denn es handelt sich um das Kettenwachstum des Makromoleküls DNS. Und das Kettenwachstum von Makromolekülen von der Art der DNS ist nach der international festgelegten Nomenklatur eine Polykondensation. Die Bezeichnung "Großmutation" ist aber nicht nur nicht korrekt (darüber könnte man hinwegsehen), sie ist auch irreführend, denn sie verleitet zu der Vorstellung, als handle es sich dabei um chemische Reaktionen, die mit derselben Unvermeidbarkeit (Wahrscheinlichkeit W = 1) von Zeit zu Zeit eintreten, wie das von Mutationen bekannt ist. Das aber ist eine falsche Vorstellung, die natürlich auch zu falschen Folgerungen führen muß. "Großmutationen" nach Art der bekannten Mutationen gibt es nicht. Eine "Großmutation", wenn sie zur Erklärung der großen Übergänge dienlich sein soll, ist nichts anderes als eine Kettenverlängerung einer DNS-Kette um Tausende von neuen, perfekt aufeinander abgestimmten Genen, wie ich sie beschrieben habe, eine Reaktionsfolge also, die (W < 10 ^^0) ganz unvorstellbar unwahrscheinlich ist. Der Mechanismus der DNS-Kettenverlängerung, d. h. die spezielle Art der dazu führenden chemischen Reaktionen, ist nicht näher bekannt. In diesem Zusammenhang soll eine zwar hypothetische, aber denkbare Reaktionsfolge, die zur Entstehung von Neu-Genen führt, kurz beschrieben werden, weil sie zur Zeit als Mechanismus der DNS-Kettenverlängerung von einigen Biologen bevorzugt wird und bei oberflächlicher Betrachtung leicht zu der falschen Vorstellung führen kann, als werde die DNS-Kette durch Mutationen verlängert, obwohl es sich - für den Chemiker sofort ersichtlich - um eine Polykondensation durch Umesterungsreaktion handelt. Man weiß, daß bei dem sogenannten Crossing over, einer durch Umesterungsreaktionen bewirkten Überkreuz-Verbindung von DNS-Partnersträfl-gen bei der meiotischen Zellteilung (s. S. 140 ff.), durch die ein Austausch von Partner-Genen ermöglicht wird, eine Reihe von Störungen auftreten kennen, die als illegitimes Crossing over bezeichnet werden (s. S. 200). Eine von diesen Störungsmöglichkeiten führt zu einer Verkürzung der einen und zu einer Verlängerung der anderen Partner-DNS-Kette, die auf diese Weise ein Gen oder auch einige Gene doppelt erhält (s. S. 221). Wenn diese Gene außer Betrieb gesetzt werden (was nur durch chemische Reaktionen an einer ganz bestimmten Stelle der DNS-Kette möglich ist), können sich auf diesen Genen beliebig viele Mutationen ereignen, ohne daß es der Zelle bzw. dem Lebewesen schadet oder nützt. Schaden oder Nutzen zeigt sich erst, wenn viele Gene auf diese Weise umsequenziert und so zu Neu-Genen geworden sind und diese dann wieder in Betrieb genommen werden, also genau wie es oben für die Kettenverlängerung durch Polykondensation beschrieben wurde. Es wäre daher falsch, wenn man hier von einer Großmutation sprechen würde. Vielmehr handelt es sich um einen normalen Polykon-densations-Schritt durch Umesterungsreaktion (auch die Polyester-Synthesefaser Polyaethylenterephthalat [Diolen, Trevira] wird durch diese Art der Polykondensation hergestellt) mit nachträglicher muta- *) tiver Umsequenzierung ohne jede Selektionsmöglichkeit , und nicht um eine Kettenverlängerung der DNS durch Mutationen. Die Wahrscheinlichkeitsabschätzungen für das Von-selbst-Entstehen und -Anwachsen neuer DNS-Kettenstücke haben daher auch für diesen Mechanismus der Kettenverlängerung durch illegitimes Crossing over ihre volle Gültigkeit. Wenn DARWIN sich irrte, wie war es dann? Ein mit einer Länge von weniger als 1 mm (3 *10 Nucleotide oder 2000 Gene) beginnendes und bis zur Länge von 1 m (3 • 10^ Nucleotide oder 10^ Gene) in großen Schüben fortschreitendes Wachstum des Makromoleküls DNS hat das Leben auf seinem Wege durch die Erdenzeit begleitet und durch Speicherung immer neuer Sequenzanweisungen die Synthese von immer neuen Enzymen ermöglicht. Wenn also jemand sagt, das Leben sei von selbst durch "Zufall und Notwendigkeit", durch "Selbstorganisation der Materie" oder was man sonst noch so sagt, jedenfalls ohne Einwirkung intelligenter, vorausschauend planender, konstruierender, bauender Kräfte entstanden, so sagt er damit, dieses DNS-Makro-molekül sei von selbst entstanden. Das aber - so glaube ich gezeigt zu haben - war nicht möglich. Das Resultat der Überlegungen fasse ich in drei Sätzen zusammen: *) Das Fehlen der Selektionsmöglichkeit ergibt sich hier absolut zwingend unmittelbar aus dem Mechanismus der Reaktionsfolgen: Die Abkoppelung von der Translation (Außer-Betrieb-Setzung des Doppelgens) ist Voraussetzung für eine Mutationsfolge ohne schädliche Folgen. Da ein so "narkotisiertes" Gen keinerlei Einfluß auf das Zellgeschehen hat, kann es natürlich auch keine Eigenschaftsänderungen, also auch keine Selektion bewirken. 1. Mutationen sind "polymeranaloge Umsetzungen" (Chemische Reaktionen an Makromolekülen ohne Änderung der Kettenlänge) und setzen die Existenz der Makromoleküle als Reaktionspartner voraus. Zu ihrer Entstehung tragen sie nichts bei. DNS-Ketten können also durch Mutationen nicht entstehen und nicht wachsen. 2. Makromoleküle entstehen durch schrittweises Anhängen von einzelnen Kettenbauteilen und Zusammenfügen von Kettenteilstücken (Polykondensation). Die für das Leben einer Zelle notwendige, perfekte Cooperation aller DNS-Bauteile (Gene) im Rahmen von Genketten erfordert nicht nur eine strenge, aufs Ganze abgestimmte Sequenz der Nucleotide in den Genen, sondern auch eine strenge zeitliche Folge des Einbaus der Gene in die Gesamtkette. Das Entstehen einer derartigen cooperativen Sequenz in der DNS-Kette durch normale Co-Polykondensation (Zufallsadditionen) ist unsagbar unwahrscheinlich (W < 10 ^^). 3. Selektion ist ein Mechanismus zur Gesunderhaltung der Arten und wirkt artstabilisierend, zusammen mit Mutationen auch bei sich ändernden Umweltbedingungen. Auf dem Wege zu neuen Arten, neuen Stämmen, gibt es keine Selektion, weil halbfertige Neukonstruktionen nicht testbar sind: Bevor ein neuer Stoff wirksam werden kann, muß er erst einmal da sein, und ehe seine Synthese möglich wird, müssen ca. 10 Enzyme, d. h. auch Gene verfügbar sein. Dazu aber müssen ca. 16 000 chemische Reaktionen stattgefunden haben, ohne daß eine Selektionsmöglichkeit bestand. Selektion kann daher bei der Entstehung neuer DNS-Kettenstücke und damit auch neuer Tier- und Pflanzen-Arten keine Rolle spielen. Wenn nicht, wie DARWIN lehrte, durch Mutation-Selektion, wie anders sind dann die Lebewesen entstanden ? Jede Forschung ist auf positive Ergebnisse ausgerichtet: Wir möchten wissen, wie eine Struktur aussieht, wie ein Mechanismus funktioniert, wie man die Synthesen nützlicher Stoffe realisieren kann. Als Chemiker sagt man so leicht nicht: "Diese Synthese geht nicht", weil man oft genug erfahren kann, daß man nur zu ungeschickt war, sie zu realisieren. Und ebensosehr scheut man sich, zu sagen: "Das wissen wir nicht". Man sagt höchstens: "Das wissen wir noch nicht". Man gibt den Mut nicht auf im Sinne von GALILEI's Ausspruch: "Alles messen, was meßbar ist und versuchen, meßbar zu machen, was es noch nicht ist". Das ist löblich und verständlich, aber es gibt eben auch die Perpetuum mobile - Träume, die sich grundsätzlich nicht realisieren lassen. Viele Naturgesetze, darunter ganz grundlegende, wie der 2. Hauptsatz der Thermodynamik oder das PAULI-Prinzip, sind Negativ-Aussagen. Auf die Frage, warum ein Naturgesetz so ist und nicht anders, heißt die Antwort des Naturwissenschaftlers immer: "Wir wissen es nicht". Zu dieser Art von Fragen gehört auch die Frage nach der Entstehung der Lebewesen, die keine Evolution (im Sinne einer naturgesetzlich notwendigen Entwicklung des Neuen aus dem schon Existierenden) war, sondern eine zeitliche Folge der Entstehung und Ankoppelung neuer DNS-Kettenstücke durch Polykondensationsreaktionen zu den sequenzspezifischen langen DNS-Ketten in den Zellen der Lebewesen und insofern eine zeitliche Folge von historischen Ereignissen, einmalig und unwiederholbar wie alles historische Geschehen. Nicht EVOLUTION also, sondern GESCHICHTE DES LEBENS. Die Entstehung der Lebewesen ist daher auch kein Problem der Naturwissenschaften, die wesensgemäß auf Reproduzierbarkeit ihrer Experimente angewiesen sind. Bei der negativen Aussage des Nicht-wissens endet die Kompetenz des Chemikers. Alle Überlegungen, die darüber hinausgehen, tragen metaphysischen Charakter und werden daher, so interessant sie auch sein mögen, niemals als unter naturwissenschaftlichen Aspekten richtig oder falsch bezeichnet werden können. 3S NUR WER DAS GEWÖHNLICHE KENNT, KANN DAS BESONDERE IN SEINER GANZEN BEDEUTUNG ERMESSEN. 2 MAKROMOLEKÜLE 2.1 BEDEUTUNG UND STRUKTUR So fremd das Wort "Makromoleküle" weithin ist, so bekannt und vertraut sind die makromolekularen Stoffe: Milch, Käse, Fleisch, Eier, Blut, Seide, Wolle, Haare, Leder, Holz, Baumwolle, Stärke, Naturkautschuk, aber auch Kunststoffe wie Synthesekautschuk, Plexiglas, PVC (Rohre, Dachrinnen, Fensterrahmen, Kunstleder) und die vielen anderen Plastic-Materialien, Synthesefasern wie Nylon, Trevira, Diolen, Alcantara, Schaumstoffe wie Styropor und Polyurethan, Klebstoffe wie UHU, Pattex und die verschiedenen Lacksorten und Dichtungsmaterialien. Alle diese Stoffe, so verschieden sie sind, haben doch eines gemeinsam, nämlich das Strukturprinzip der Makromoleküle, aus denen sie bestehen. Tabelle 40 gibt eine tJbersicht über die jährliche Produktion von makromolekularen Stoffen für den menschlichen Verbrauch, aufgeteilt in Naturstoffe und Kunststoffe, wobei man bedenken muß, daß alle Kunststoffe (oder Polymer-Werkstoffe) aus dem Naturstoff Erdöl hergestellt werden. Nur 4 bis 5 % des geförderten Erdöls werden dafür benötigt. Der "Rest" wird als Heizöl, Dieselöl und Benzin verbrannt. Bei den Polymer-Werkstoffen ist es, abgesehen von dem Gewinn an Erkenntnis, den man sich bei jeder Forschung erhoffen kann, vor allem die vielseitige Verwendbarkeit als wertvolle neue Werkstoffe, die zur eingehenden Erforschung der Makromoleküle und ihrer Struktur einlud. Bei den Naturstoffen ist es darüber hinaus auch noch ihre bedeutende Rolle im Reich des Lebendigen, die ihre Erforschung besonders interessant macht. Natürlich gehören auch so einfache Stoffe wie Wasser und Sauerstoff zu den elementaren Existenzgrundlagen des Lebens, aber diese sind nur das Medium, ohne das Lebewesen der uns bekannten Art nicht gedeihen können, das Medium, das sie umgibt, in dem sie sich aufhalten und das sie verbrauchen. Makromoleküle dagegen bilden das tragende und formende Gerüst der Tier- und Pflanzenkörper. Makromoleküle (Enzyme) steuern den gesamten Stoffwechsel der Organismen und Makromoleküle (DNS) sind die stofflichen Träger der Erbinformation, die sie bei jeder Zellteilung durch eine besondere Art von Polykondensation kopieren und so an die Tochterzellen weitergeben. Die Synthese dieser Makromoleküle ist daher aufs engste mit dem art- und individuumspezifischen Charakter der Lebewesen verbunden. Tabelle 40 : Welt-Jahresverbrauch an makromolekularen Stoffen Weltproduktion von Naturstoffen Weltproduktion von Kunststoffen in Mio Jahrestonnen in Mio Jahrestonnen Holz 2000 Polyolefine 12 50 io Cellulose Polyaethylen 25 i Hemi-Cellulose Polypropylen 25 i> Lignin Polyvinylchlorid (PVC) 8 Getreide 1200 Thermodure Phenolharze Melaminharze 70 io Stärke 9 i Protein 8 Zellstoff 100 Epoxydharze (fast reine Cellulose) Polyesterharze Soja-Schrot 50 Polystyrol 6 45 i> Protein Synthetische Fasern 7 Fleischsubstanz trocken 20 Synthetischer Kautschuk 75 i Protein 6 Fleischverbrauch: Andere Polymere 4 80 Mio t (1975) 51 Baumwolle 13 — (reine Cellulose) Naturkautschuk 5 Wolle (Protein) 1,5 Seide (Protein) 0,05 3389,55 (rund 3t4 Mrd. t/Jahr) Zum Vergleich: Welt-Erdöl-Produktion: 2,5 Mrd. t/Jahr Welt-Erdöl-Reserven: ca. 80 Mrd. t Welt-Holzbestand ca. 1000 Mrd. t Tabelle 41 gibt einen systematischen Überblick über die bedeutendsten makromolekularen Naturstoffe, geordnet nach ihrer chemischen Struktur. Was ist das Besondere an der MolekülStruktur, die allen diesen Stoffen gemeinsam ist ? Makromoleküle sind lange, kettenförmige Gebilde, bestehend aus einer Folge von vielen hundert bis vielen tausend, in einigen Fällen sogar bis zu einigen millionen hintereinandergereihter, fest miteinander verbundener kleiner Moleküle (als Struktureinheiten oder Kettenbauteile bezeichnet). Die Bindungen der Kettenatome in den Makromolekülen sind von der gleichen Art wie in den Molekülen der meisten anderen organischen und anorganischen Stoffe. Sie kommen durch Überlappung der Elektronenwolken der beteiligten Atome zustande Tabelle 41 s Makromolekulare Naturstoffe Naturkautschuk Polysaccharide: Nucleinsäuren: Proteine: [flevea Brasiliensis], Guttapercha [Harz aus Pala-quium und Payena (Malaya)] Cellulose [Baumwolle, Flachs, Holz], Stärke [Getreidekörner, Kartoffeln], Glykogen [Leber], Pektin [Obst, Zuckerrübe], Alginsäure [Algen], Chitin [Panzer von Schildkröten, Krebsen, Krabben, Käfern, Gehäuse von Schnecken und Muscheln], Heparin [blutgerinnungshemmende Substanz], Hyaluronsäure [Augapfel], Pflanzen-gummen, Agar-Agar [Seetang] Desoxyribonucleinsäure (DNS) [Chromosomen], Ribonucle-insäuren (m-RNS, t-RNS, r-RNS) [Funktionsträger bei der Proteinsynthese] Enzyme [Biokatalysatoren], Hormone [Bioregulatoren], Seide [Seidenspinner], Keratin [Wolle, Haare, Federn], Kollagen [Bindegewebe], Myosin [Muskel], Hämoglobin [Blut], Albumine [Serum, Ei], Globuline [Blut, Sperma], Casein [Milch], Virusproteine, Toxine. und sind fest genug, die Kettenatome bzw. Struktureinheiten auch bei höherer Temperatur (bis 250 °C) zusammenzuhalten, gestatten aber andererseits den Struktureinheiten der Ketten noch eine mehr oder weniger große Beweglichkeit, die es den Kettenmolekülen ermöglicht, unregelmäßige Knäuel oder regelmäßige Spiralen zu bilden. Abb. 42 gibt eine Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten der Knäuelung, Spiralisierung und Faltung von kettenförmigen Makromolekülen. Kettenbeweglichkeit, energetische Wechselwirkung (Anziehungskräfte zwischen Teilen der Kette) und Umgebung bestimmen, welche der Formen jeweils bevorzugt wird. Eine Kettenstruktur ist außerordentlich variationsfähig. Man denke nur an die vielen Halsketten, die als Schmuck getragen werden. Die Art der Kettenglieder (Größe, Material, Form) aber auch die Art der Verbindung der Strukturelemente kann verschieden sein: Perlen, Korallen, Steine, Glaskugeln, Muscheln, Bernsteinpartikel können auf Schnüre oder Ketten aufgezogen oder durch die verschiedensten Kupplungselemente verbunden sein. In analoger Weise können auch Art und Anordnung der Struktureinheiten von Makromolekül-Ketten variieren. Sekundärstrukturen gestreckte Kette___ statistisches Kr.äuel warn liiw gefaltete Kette Helix A g g reggtstrukturen :/{G& Zellstruktur von Knäueln Spaghetti - Struktur (Fransen- Miceile) lUUMilMU IWIAAMIU flMAA/MU Polymerkristall mit gefalteten Ketten Überspiralisierung Abb. 42 : Schematische Darstellung von Kettenkonformationen und -assoziationen. In Tabelle 43-52 sind die Kettenmolekülstrukturen einiger bekannter Polymer-Werkstoffe (Kunststoffe) und Naturstoffe mit Hilfe der üblichen Atomsymbole (C = Kohlenstoff, H = Wasserstoff, 0 = Sauerstoff, N = Stickstoff, P = Phosphor und Si = Silicium) dargestellt. Man muß nicht Chemiker sein, um in den fast bildhaft anschaulichen Symbolen die verschiedenen Struktur-Variationen erkennen zu können. Wenn man die vielen Kettenformeln der Tabelle 43-52 vergleicht, stellt man fest, daß sie in zwei Gruppen eingeteilt sind: Bei den ersten 33 Beispielen besteht die Kette aus einer ohne Unterbrechung durchgehenden Folge von Kohlenstoffatomen und bei der zweiten Gruppe ist die Folge der Kohlenstoffatome in regelmäßigen Abständen durch ein anderes Atom, meist Sauerstoff oder Stickstoff, unterbrochen. Die "Fremdatome" sind oft Teil einer Gruppe von Atomen (Estergruppe, Amidgruppe), durch die die Struktureinheiten miteinander verbunden werden. An diesen Stellen können die Moleküle durch Reaktion mit Wasser gespalten werden. Tabelle 43 • Strukturformeln makromolekularer Verbindungen (Primäretruktur) CM C X ± U >» II X X o II X II X ep c X a< o o \/ Ol ">. ±S 0 ro 1 X C c 0 1 - Q. O £ o II CM X O D n o i/i O T3 II o CM — X 3 O CD O — o «> II Q. -r4 O 5 J2 4> Q. O i/) 0 — 0 II CM X o I CM X X o X o x X 0-0 I CM X 0 co X X 0—0 1 CO X X 0—0 I CO X X 0 — 0 I CM X 0 CO X X 0 — 0 1 X X 0 — 0 X o X I X 0 — 0 — 0 I CM X CO O CO X I X 0-0-0 CM X I X o — o—o X I I 0-0-0 X I X o—o—o x I o—o- V. ±7 o' V, £yo 1l' \?i f4/5 o \F, X/1- I >' II X °\X II I1 x/°-° o' X °\x M f* 5/°-° I CM I °\x if i* s7u-° i CM X °\x H x" S/°-° u\x x/° % X x7°-° u\f x/° ^ X x7°"° °\x‘ x/° X cm ;o—o 5<~ I/u X x>°-° ü\f x/u °\ x x/°-° o' I X o II I X II _ 0 — 0 a _ Q- c Ü c 2 Q. — o» o ± 2 <2 o O CL _ Q. £ ~ o d Z o i > Q. Q_ 6 £ ± c> o 7S - o TJ CD r 3 u .-'CD 5 E : < Ol — a 5 o o ^ CD A, o >> = -X O 5t Q- O >» X I Q. v-ö? 5-v-©: x g O — X o T3 >. O TJ O — .C jC — - u O O c V - X T3 O 3 Li. Li- O \/ ° O .£ X Z X u_u c >* c > t f o > II CN X o >. C > II "o o - /\ z Li. LL t— II T. cn k. 1 ^ O < 1 CN X o 1 CN X p CN x X — 0 — 0 1 CN X I X O— li-1 CN X Li- -o —li-1 Li. —O —Ü- I X Z 0—0 1 CN X ?-© CN £?-o CN X 0 1 CN X o 0 1 X — 0 — 0 1 _ 1 _ 0 — 0 — 0 1 CN X 0 1 X O —Li. 1 U- — O — Li_ 1 Li. — O — Li. 1 li_ —O —Li. 0 1 X z 0 — 0 1 X 0 1 5-?“© 6 X 0 1 o 0 — 0 — 0 X 0 1 1 Li--O — li_ | X 0 1 60 § v^D CN X cn 5-?-© CN X e. V T CN X 0 1 X _ 0—0 CN I 1 CN X o X 0 —Li. 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X- /0 Y -z CN CN \X X 0 — 0 I X CN O X 11 0-0 I \ CN CN X X/ 0-0 I X o-I CN X 0 1 X z-o I 0 1 X o 0-0 Z CN CN \X I 0-0 ° r 0-0 2 CN (N \x X 0-0 o — o. o* E >. o 0. Q. — — o c ^ > > >S 3 o — ÜL. o N o — Q. o \ z o / O» u *Ö ** « E Oi 11 >. i4 .E o > - — E V 0» X II X o o—o—o—o o X o o X II CMp-O X > O-o II Y>=o o X o- II CM /° 5 ■ o w II >• x / X O O 0-0 o < pXgapiv X o u o pH rt Eh z I z 0—0 — 0 I CM X 0 z I z 0—0 — 0 1 o—o—o I CM X 0 z I z 0—0 — 0 1 CM X o z I z 0 — 0 — 0 X I o—O I X X 0-0 I CM I 0 1 X x o-o I CM X X X O-o I CM X 0 1 X X 0-0 I CM X 0 1 X o—o- I CM X 0 1 5-0- II X1 0—0 lf X° -0 — 0 I i I I CM X 0 1 X o-o- I I O-o I CM X o II £ -0 — 0 ° X ■0 — 0 II r -o—o 0 1 X CM 0-0 CM 5/ '5 'S-o' I I CM 0-0 CM X/ NX o o \x / O-o I CM X 0 1 X CM 0-0 CM 1/ NX X o- I \ 5-o' I 5-0 i V 5-o' I 5-0 5-o7 0=0 I CM X 0 1 o X II CM 0-0 X/ V o p NX / 0-0 b'o 0 1 o X ll fl o-o / \ o p NX / O-o x~ä o I O X II cmO-o X/ N • w NX / O-o 5-o . V CH 1 1 CM c ii 0 1 CM X X / X 0 1 o-O 1 0 1 o Q. o Q. •O ■O c o ftl t/1 o Q. Tabelle 48 Fortsetzung ch2 oh h oh ch2oh h oh ch2oh Glucose u o ptl 0) & « 1 ■2? -O — C IN - I u T z II o X 2 E o 2- im .2 o V i c V . .l ** ** z ^ -C X 3 5 1 ? 1 -r4 • O £ Q. IN p- z X O _ X /U (N I. O -D X X X < O -b 5 E >* E x o E x 0 i< 1 * o I 0 1 I 0 = 0_-0 I o O=o I 0 1 IN X o X 0 1 X z I O=o I in X 0 1 X z 0=0 I 0 1 **» IN I o I X z I 0 = 0 I m X 0 0=0 1 X z I m X z I I X z X 0 1 0 = 0 I X X 0 1 X z I i 0 1 X z I 0 = 0 I X z I I X 0 = 0 x 1 L? o-o-t=/ I X I 0=0 I N N° X X X II X o-o-o-o-z IN 1 IN IN 1 1 1 0 1 X o X o -c ii 0 X z 0 = 0 1 1 X 1 X X z 1 0=0 X z 1 z 1 0 = 0 1 -C-Nl II 0 1 jn IN I 1 IN X X 0-0- 1 X z I 0 = 0 PO X X x/u V"°\x X u z I 0 = 0 I CM X x PO -5-0 £ S 3 O <1 CD n - T3 er < S'i er — Q-o — CL >» X z c s C «; t» O 2 'I £L CD ü o II X /0~T o I \ 9 I o I ^ o * X X o o—o—o—o II ~ § 5 £ r > wi •- C O) — O T> >» c "O < - N t 41 2^ *- c o - Q T3 i w 3 2 £-g t * 2: § 5 >s :I1 x m 0 = 0 i! q V 3 0 = 0 0 = 0 Z o o' PI -> ? -o 0=0 1 F 8 I T3 «i ~ 1 "o a e2d o c I >. 5 'm, Q_ T3 m 1 0 = 0 Ä I „r@ p o 1 ~ o X X o o—o—o 1 ~ p 0 — 0 cw 1 1 *7n o XX o 0-0-0 0=0 \j: 0tt 0=Ox O: V i *?-© $ 1 zx O = o' O: 1 oj O X X o o-o-o ö 0 = 0 o= 1 0 = 0 1 xz' 1 a ln O ^ Q_ o o •O o o — Q. Tabelle 52 Fortsetzung Ct>"LÖ ~ I = o o \/ -Q--Z - o / V- I W o / \ * o X I X X > o-J5-o * i § ? o Os E D 5.2 I ~ 1 £ ± i * ^ - Hi cn / o -0 -in 1 0-0--0 1 1 o m I z I .L o: II cd m 0-0.-0 1 1 o z x° 1 er II er ‘-’-m | O-0--O 1 Z OR 1 P= 1 OR X 1 u—cn X 0 1 / ( 2 ) (3) (4) Abb. 61 : Alternierende Copolymerisation von Styrol-Maleinsäure- anhydrid. Abb. 61 zeigt als Beispiel die Entstehung eines alternierenden Copolymeren aus Styrol und Maleinsäureanhydrid durch radikalische Polymerisation. k1 ^ ist in diesem Falle zwar nicht null, aber k^ ist ca. 100 mal größer als k^, so daß Reaktion (1) gegenüber Reaktion (2) vernachlässigt werden kann: auf 100 alternierende Reaktionsschritte gemäß Reaktion (2) kommt im Mittel nur 1 Additionsschritt gemäß Reaktion (1). Ein Beispiel für das Entstehen einer Kette mit streng alternierender Folge der Komponenten ist die Synthese des Glykolterephthalat-Poly-esters, der als synthetische Faser unter den Namen Trevira und Dielen und als Folie unter der Bezeichnung Mylar bekannt ist. Die Komponenten sind: HOOC-^^-COOH und HO —CH2- CHj-OH TerephthalsQure Aethylenglykol Beide können nicht mit sich selbst reagieren , wohl aber miteinander: °-sCh-°H 0 0 °-S'O'S'0H 0 0 c-o-ch2-ch2-oh C-0-CH2-CH2-OH ö + HOOC COOH + ho-ch2-ch2-oh + HO - ch2 - ch2-oh + HOOC-^>-COOH k11 —o-sOs-°-i^>s-OH + H* **)° 0000 k12 0-0-^^- R-M-M- - — — R-M-M-M- —etc.—> oder allgemein: + M-----► R~----~M-M • Abbruch: 2 R^^^-M-------► (Kombination) oder: 2 R—— M- -----► R-—-——MH + R---------M‘ (Disproportionierung) Abb. 65 : Schema einer radikalischen Polymerisation M = Monomermolekül, z. B. Aethylen, Styrol, Vinylchlorid u. a. Die Formeln finden sich in Tab. 43/44, rechte Spalte I = Initiatormolekül, das in zwei Radikale R* zerfällt, z. B. Wasserstoffperoxyd: H00H 2 HO* Charakteristisch für die Polymerisation ist, daß die Monomermoleküle nur mit den wenigen aktiven Zentren, nicht aber untereinander reagieren. Da das Kettenwachstum nach erfolgtem Start sehr rasch vonstatten geht und nach 1 bis 3 Sekunden schon beendet ist, haben bereits die ersten entstandenen Makromoleküle ganz zu Beginn der Polymerisation (Umsatz unter 1 $>) ihre volle Länge, d. h. die Länge der entstehenden Makromoleküle (ihr mittlerer Polymerisationsgrad P und ihr mittleres Molekulargewicht M) ist vom Umsatz unabhängig, ganz im Gegensatz zu der anderen Gruppe von Polymersynthesen, den Polykondensationsreaktionen, bei denen sich Makromoleküle erst bilden, wenn der Umsatz 99 i° überschreitet. M 6 6 4 2 Abb. 66 : Abhängigkeit des mittleren Molekulargewichts M vom Reaktionsumsatz Umsatz = Bruchteil Monomermoleküle, die zur Kettenbildung verbraucht sind M=mittleres Molekulargewicht (direkt proportional der Kettenlänge) a) bei radikalischer Polymerisation b) bei Polykondensation Durch Polymerisation werden in der chemischen Industrie zahlreiche bedeutende Polymer-Werkstoffe (Kunststoffe) hergestellt. Man hat daher keine Mühe gescheut, diese Reaktion besonders sorgfältig zu untersuchen. Wenn sie trotzdem hier nur ganz kurz behandelt wird, so deshalb, weil nicht ein einziger Naturstoff durch Polymerisation entsteht. Alle entstehen durch Polykondensation, die daher auch etwas ausführlicher besprochen wird. 2.2.3.2 POLYKONDENSATION Monomermoleküle, die zur Kettenbildung durch Polykondensation geeignet sind, sind nicht auf die Reaktion mit einem Radikal oder Ion, also ein besonders aktives Zentrum, angewiesen, sondern reagieren - so wie sie sind - miteinander und bilden eine Kette. Dazu benötigen sie zwei reaktionsfähige oder funktionelle Gruppen, z. B. Hydroxylgruppen (-0H), Aminogruppen (-NH^) oder Carboxylgruppen (-C00H). Anders als bei den Vinylmonomeren (Aethylen, Vinylchlorid, Styrol), die erst beim Zusammenstoß mit einem Radikal ihre Reaktivität erhalten, z. B. HO* + CH2=CH2 ------► [HO- + -CH2“ CH2• ] -----► HO-CH2-CH2- sind die Monomeren mit funktionellen Gruppen ständig reaktionsbereit: HO-CH2-OH + HO — CH2“OH V, - H0-CH2-0-CH2-0H + H20 Formaldehydhydrat Formaldehyd - Dimers HOOC --COOH + HO-CH2-CH2-OH - HO-^^)-COO-CH2-CH2-OH + h2o Terephthalsäure Aethylenglykol Terephthalsäureglykolester H2N_O^C00H + h2n_<0^COOH " H2N "O^CO-NH-^)- COOH + H20 p- Aminobenzoesäure p- Aminobenzoesauredimer Weitere Beispiele für bifunktionelle Monomere, die durch Polykondensation lange Kettenmoleküle bilden, finden sich in Tabelle 48 - 52 mit den zugehörigen Polymeren. Wenn man nicht eine ganz bestimmte Reaktion im Auge hat, sondern die allen diesen Monomeren gemeinsame Reaktionsweise darstellen will, kann man bifunktionelle Monomere durch einfache allgemeine Symbole beschreiben: 0—0 , X—X oder O—x O und x stehen jetzt für irgendwelche funktionelle Gruppen, die miteinander unter Ausbildung einer chemischen Bindung reagieren können O—O + x—x ^ O—®—x + h20 Dimer ( Pn = 2 ) Wenn in dieser Gleichung O für eine OH- und X für eine -COOH -Gruppe steht, ist 100 000) hergestellt [15] Einfluß der Wasserkonzentration auf die Kettenlänge Polykondensationen sind Gleichgewichtsreaktionen. Wie die Reaktionsgleichungen schon erkennen lassen, wird bei den am meisten verwendeten Reaktionen (Ester- und Amidbildung) pro Reaktionsschritt ein Molekül Wasser entbunden, das mit den gebildeten Ester- oder Amidbindungen unter Rückbildung der -C00H und -0H bzw. -C00H und -NH^ -Gruppen reagieren kann, wobei natürlich die Kette gespalten wird. Die Häufigkeit der Hydrolysereaktionen ist von der Wasserkonzentration abhängig und nimmt - da bei jedem Schritt der Kettenverlängerung ein Wassermolekül entsteht - mit steigendem Umsatz zu, bis schließlich beide Reaktionen, die Kettenbildungs- und die Kettenspaltungsreaktion, gleich schnell verlaufen und das Gleichgewicht erreicht ist. Mit dem Erreichen des thermodynamischen Gleichgewichts ist im geschlossenen System (Autoklav) der maximal mögliche Polymerisationsgrad (Kettenlänge) erreicht. Die Polykondensation kann nur noch dann zu höheren Umsätzen und damit höheren Polymerisationsgraden fortschreiten, wenn man laufend das entstehende Wasser aus dem Reaktionsansatz abzieht, was bei industriell durchgeführten Reaktionen auf verschiedene Weise realisiert wird, z. B. durch Anlegen von Vakuum oder Durchleiten eines trockenen Gasstroms. Neben der Kettenwachstums- und der Hydrolysereaktion gibt es bei der Polykondensation eine weitere Reaktion, die im allgemeinen aber keine Veränderung der mittleren Kettenlänge zur Folge hat; ich meine die Reaktion des Monomeren oder einer Kettenendgruppe mit einer Kettenbindung eines anderen Moleküls, die bei Polyestern und Polyamiden als Umesterung bzw. Umamidierung bezeichnet wird: O—-x Pn*(4. A) / 2 = 4 Im formulierten Beispiel kommen jeweils auf zwei Moleküle zusammen 8 Struktureinheiten oder Kettenbauteile. Die Anzahl der Struktureinheiten pro Kette (= P ) ist daher vor und nach der Reaktion 4. Lediglich bei der Reaktion eines Ringmoleküls mit einem Kettenmolekül erhöht sich der mittlere Polymerisationsgrad : + O—x Tabelle 72 und Abb. 73 zeigen am Beispiel der technisch wichtigen Terephthalsäure-Glykol-Polykondensation, wie mit der Zahl der abgespaltenen und aus dem Reaktionsansatz entfernten Wassermoleküle d. h. mit steigendem Umsatz die mittlere Kettenlänge zunimmt. Tabelle 72 : Polymerisationsgrad Pn und Molekulargewicht 5^ von Polyterephthalsäureglykolester (PETP) bei steigendem Umsatz beim Molverhältnis Terephthalsäure/Glykol = M-, / M2 = 1 / 1 Anzahl der umgesetzten Anzahl der M*j- bzw. M2-Moleküle abgespalte Molekulargewicht: nen Wasser M^ = 166 j M2 = 62 moleküle 1 0-0 + x-x 0-®-x + h2o 1 2 210 50 2 0-0 + x-x + 0-0 + x-x O-®-®-®-x 2 4 402 75 + 3H,0 594 83,3 3 O®-x + SHjO 2 5 6 4 + 7 h20 7 8 78 6 87,5 5 0+ 9 h2o 9 10 978 90 10 19 20 1938 95 50 99 100 9618 99 100 199 200 19218 99,5 150 299 300 28818 99,7 1000 1999 2000 192C18 99,95 1500 2999 3000 288018 99,97 Umsatz Abb. 73 • Molekulargewicht von Polyaethylenglykolterephthalat (PETP) als Funktion des Umsatzes gemäß Tabelle 72. Einfluß von mono- und trifunktionellen Molekülen Die Additionsreaktion von reinen bifunktionellen Molekülen bei einer Polykondensation ist theoretisch nur durch eine Ringschlußreaktion begrenzt, wenn man die Rückreaktion der Kettenspaltung durch Hydrolyse durch restlose Entfernung des Reaktionswassers ausschließt. Da Ringe durch Umesterung oder Umamidierung oder analoge Reaktionen wieder in den Wachstumsprozeß einbezogen werden, kann theoretisch eine Polykondensation so lange weitergehen, wie bifunktionelle Monomere - oder generell: freie Endgruppen - verfügbar sind. Der ganze Ansatz besteht dann aus einem einzigen "unendlich" langen Makromolekül (Ring). In der Praxis ist das nicht realisierbar, weil es unmöglich ist, absolut reine Stoffe herzustellen, und weil man keine Reaktion ohne Nebenreaktionen kennt. Im Falle der Polykondensation führen Nebenreaktionen meist zum Kettenabbruch. Eine starke Behinderung der zur Kettenverlängerung führenden Reaktionsschritte ergibt sich dadurch, daß die Kettenmoleküle in geknäuelter Form vorliegen. Je länger die Ketten werden, desto größer werden die mehr oder weniger kugeligen Knäuel, so daß die Kettenenden, wenn sie sich im Innern der Knäuel befinden, für Ketten anderer Knäuelmoleküle immer schwerer erreichbar sind. Diese Effekte (Spuren von Verunreinigungen, Nebenreaktionen, Verknäuelung) führen dazu, daß selbst beim Vorliegen reinster bifunktioneller Monomer-Ausgangss toffe die Ketten nicht "unendlich" lang werden. Ganz drastisch aber wird die Kettenlänge begrenzt durch die Anwesenheit größerer Mengen monofunktioneller Stoffe wie Essigsäure, Propionsäure, Methylamin oder Aethylamin. Wird eine Polykondensation in Gegenwart solcher Stoffe (Symbol O— oder x— ) durchgeführt, werden die Kettenenden blockiert und ein weiteres Wachsen ist nicht mehr möglich. Die maximal erreichbare mittlere Kettenlänge richtet sich nach dem Verhältnis von bi- und monofunktionellen Molekülen: Mono- / Di- —X ♦ 0-0 * X— ** -®-®- 2/1 -X ♦ 0-0 * X —X -®~®-x 1 / 2 X —X ♦ 0-0 ♦ X—X X 1 / L -o ♦ X—X ♦ o- 2 / 1 O-x ♦ o— O—*®— 1 / 1 o—* ♦ O-x ♦ o- o~s>—®- 1 / 2 — X ♦ O-x ♦ O—x 1 / 2 Die verschiedenen Formelbeispiele lassen erkennen, daß die Anwesenheit größerer Mengen an monofunktionellen Stoffen jede Polykondensation im Keime erstickt. Ganz anders wirkt sich die Gegenwart von trifunktionellen Stoffen wie z. B. Glycerin, Trimethylolpropan, Zitronensäure, Melamin oder Phenol bei einer Polykondensation aus. Es entstehen zunächst verzweigte und dann - bei höheren Umsätzen - vernetzte Ketten (Abb. 75)s + x-x + O—O + x—x . •* O—®-r®—®-x + X —X + 0—0 + x-x + 0—0 O + 9 H 20 Polykondensationen mit trifunktionellen Komponenten haben erhebliche technische Bedeutung für die Herstellung von Harzen, Klebverbindungen, faserverstärkten Verbundwerkstoffen, Dichtungsmaterialien und Schaumstoffen. Jeder, der eine Fuge mit Silicon oder anderen "Flüssigkaut- 0—0 + x—x + °5° + COOH c=o + 2 H20 0 + COOH C = 0 I OH 0 1 OH OH Abb. 75 • Entstehung von Netzwerken durch Polykondensation in Anwesenheit trifunktioneller Moleküle. schuken" abdichtet oder eine Klebverbindung mit UHU-plus oder anderen Epoxydharzkomponenten herstellt, führt selbst an Ort und Stelle eine solche Polykondensation durch. Von Interesse sollte der Einfluß von mono- und trifunktionellen Molekülen auf die Polykondensation für alle sein, die glauben, das erste primitive Leben habe sich in "Ursuppen" (Aminosäuren enthaltende Lösungen, die vor 3 bis 4 Milliarden Jahren auf der Erde durch elektrische Entladungen oder Bestrahlung der Uratmosphäre [NH^, CH^, H^O] entstanden sein sollen) entwickelt. Ursuppen ohne mono- und trifunktionelle Komponenten sind undenkbar. Alle einschlägigen Experimente zeigen es. Wenn überhaupt eine Polykondensation möglich gewesen wäre, hätten die Ursuppen als dreidimensional vernetzte Gele erstarren oder die Gele hätten (bei geringer Aminosäurekonzentration) ausfallen und sedimentieren müssen, Übriggeblieben wäre dann ein aminosäurefreies Wasser. Einfluß eines Überschußes einer Komponente auf die Kettenlänge Bei der Polykondensation von Dicarbonsäuren mit Diaminen und Glykolen setzt ein Überschuß einer Komponente über die dem stöchiometrischen Verhältnis entsprechende Menge das Molekulargewicht herab. Bringt man z. B. 1 Mol Dicarbonsäure mit 2 Molen Diamin oder Glykol zur Reaktion (100 $ Überschuß an Glykol), so hat man als Hauptreaktionsprodukt einen Ester mit dem mittleren Polymerisationsgrad = 3 zu erwarten: + O—O + ------*- (q = 2/4) Entsprechend wird aus 2 Mol Dicarbonsäure und 3 Mol Glykol (50 % Überschuß oder q = 0,66 bzw. 1,5) ein Ester mit dem mittleren Polymerisationsgrad P„= 5 zu erwarten sein: + O—O + •''N** -f- 0—0 + •'■“‘v* ► ©-^®—(q = 6/6) In gleicher Weise wie ein Überschuß einer bifunktionellen Komponente wirkt sich auch die Anwesenheit von monofunktionellen Verbindungen, die mit einer der beiden Komponenten bzw. funktionellen Gruppen reagieren, aus (1 ) »-v» + O—O + + O—O + •'x- (2) R— + O—O + •'N* + O—O + —R ( q = 4/6 ) ■R I q = 4 /6 I Gewöhnlich bezeichnet man q als Molverhältnis der funktionellen Gruppen in einem Polykondensationsansatz. Wie der Vergleich von Gleichung (1) und (2) zeigt, muß man, um den Einfluß auf das Molekulargewicht richtig wiederzugeben, der monofunktionellen Verbindung 2 funktionelle Gruppen derselben Art zusohreiben, wenn man beide Einflüsse durch dieselbe, im folgenden Abschnitt abgeleitete Gleichung beschreiben will: Pn=(l+q)/(l+q-2pq) (12) In Tabelle 77 tmd Abb. 77 ist der Einfluß des Überschusses einer funktioneilen Gruppe bzw. der entsprechende Einfluß einer monofunktionellen Verbindung auf den Polymerisationsgrad für einen größeren Umsatzbereich dargestellt. Man sieht, welch verheerende Wirkung auf den Polymerisationsgrad bereits ein geringes Abweichen vom molaren (1:1)-Verhältnis der funktionellen Gruppen (q = 1) hat. Die Wirkung tritt um so deutlicher in Erscheinung, je höher der Umsatz ist. Die sich aus der Stöchiometrie der Polykondensation ergebende und somit unmittelbar durch den atomaren Charakter der Materie begründete Gl. (12) hat bedeutende Konsequenzen: 1. Die leichtfertig und voreilig in Umlauf gesetzte Hypothese über die Entstehung des Lebens durch Selbstorganisation der Materie und prebioti-sche Evolution ist durch Gl. (12) widerlegt, denn unter Bedingungen, die die Entstehung von Aminosäuren aus NH^, CH^ und Wasser ermöglichen, entstehen - wie durch wiederholte Versuche bestätigt wurde - stets auch die verschiedensten Amine, Diamine, Carbonsäuren, Dicarbonsäuren und andere funktionelle Verbindungen, die die Bildung von linearen Polymeren mit hohen Polymerisationsgraden unmöglich machen. 2. Für die präparative Darstellung und die technische Produktion von Polykondensaten wie Polyamiden und Polyestern begründet Gl. (12) die Notwendigkeit, auf eine genaue Äquivalenz der funktionellen Gruppen zu achten. Bel Hydroxycarbonsäuren und Aminocarbonsäuren ist sie zwangsläufig gegeben, bei der Herstellung von Nylon (aus Adipinsäure und Hexamethylendiamin) macht man sich den Umstand zunutze, daß Adipinsäure mit Hexamethylendiamin ein gut kristallisierendes Salz mit dem Molverhältnis 1:1 bildet, das durch Umkristallisieren auf einen hohen Reinheitsgrad gebracht wird (AH-Salz). In anderen Fällen muß durch genaue Einwagen das Molverhältnis 1:1 exakt eingestellt werden. Natürlich ist es nicht damit getan, zu Beginn der Reaktion die Äquivalenz genau einzustellen, sie muß auch während der ganzen Dauer der Polykondensation erhalten bleiben. Das ist besonders schwierig, wenn eine der Komponenten leichter flüchtig ist. Bei der Nylon-66-Herstellung hilft man sich so, daß man den ersten Teil der Polykondensation unter Druck im geschlossenen Reaktor durchführt, bis Tabelle 77 : Abhängigkeit des Polymerisationsgrades Pn vom molaren Verhältnis der funktionellen Gruppen q gemäß Gl. (12). *) p ' Polymer q = 1 isationsgrad Pn q = 0,95 q = 0,9 bei: q = 0,666 0,95 20 15,45 10,0 4,17 0,99 100 28,26 16,0 4,01 0,999 1 000 37,57 18,66 4,90 0,9999 10 000 30,05 18,96 4,998 1 39,0 19,0 5,0 *) auf die im Unterschuß vorhandenen funktionellen Gruppen bezogen Abb. 77 : Abhängigkeit P„ = f (q) gemäß Gl. (12) bei p = 0,999 (q < 1) und bei p (max.) für q > 1 (vgl. dazu Fußnote S. 79). praktisch keine Monomeren mehr im Gleichgewicht sind. Dann erst wird durch Entspannen das Wasser auB dem Gleichgewicht abgeführt, wobei das Molekulargewicht entsprechend ansteigt. Bei der PETP-Synthese geht man vom Bisglykolester aus und zieht im Vakuum das durch Umesterung abgespaltene überschüssige Glykol ab. Eine unkontrollierte Verunreinigung der bei der Herstellung von Polykondensaten verwendeten Monomeren mit wechselnden Mengen entsprechender monofunktioneller Verbindungen würde die Produktion von Werkstoffen oder Faserrohstoffen unmöglich machen. Bei genau dosiertem Zusatz solcher Verbindungen wirken sie dagegen als Regler, die dafür sorgen, daß das Molekulargewicht den optimalen Bereich nicht überschreitet. Pn= f (P, q) Will man den Einfluß des Umsatzes p und des molaren Komponentenverhältnisses q mit Hilfe einer Gleichung quantitativ erfassen, kann man von der Definition des Polymerisationsgrades als Anzahl der Struktureinheiten pro Polymerkette ausgehen. Sind in einem Ansatz N^ Monomerreste oder Struktureinheiten enthalten, die sich auf Np Polymerketten verteilen, so gilt folglich für den mittleren Polymerisationsgrad P^ : ?n = NM ' NP (8) Wie der Vergleich von Nylon-6 und Nylon-66 (S.70 oder Tab.48 ff.) zeigt, können die Struktureinheiten eines durch Polykondensation gebildeten Polymeren verschieden oder gleichartig sein. Nur bei Verschiedenartigkeit der bifunktionellen Komponenten kann das Komponentenverhältnis von 1 verschieden sein, d.h. das eine Monomere kann im Überschuß vorliegen. Wenn nA die Anzahl der funktionellen Gruppen A (z.B. COOH) und n^ die Anzahl der funktioneilen Gruppen B (z.B. OH) zu Beginn der Polykondensation ist, so gilt - da jedes Monomere zwei funktionelle Gruppen besitzt - für die Anzahl der im Ansatz vorhandenen Monomerreste bzw. Struktureinheiten N^: Nm = (l/2)nA + (l/2)nB = (l/2)nA + (l/2)nA (nB/nA) (9) Führt man für das Zahlen- oder Molverhältnis der Gruppen n^/n^ zu Beginn der Polykondensation die Bezeichnung q ein, so ergibt sich: Nm = (1/2) nA [1 + (1/q)] (10) q = nA / nB Der Umsatz p ist der Anteil der nach einer gewissen Reaktionszeit umgesetzten funktionellen Gruppen, p = 0.5 bedeutet also, daß 50 $ der insgesamt vorhandenen funktionellen Gruppen, beispielsweise OH- und C00H-Gruppen, zu -C00- und H O umgesetzt wurden. Daher ist p, . n, die Anzahl *) A A der zur Zeit t umgesetzten A-Gruppen . Die Anzahl der nach dieser Zeit noch vorhandenen Gruppen, die sich als Endgruppen an den Kettenenden befinden,ist dann: Xt = nA + nB ‘ 2 PAnA - nA + nA (nB/nA} ' 2 pAnA Ersetzt man n^/n^ wieder durch q, erhält man xt = nA ^ 1 + ” 2 PA ^ und , da jedes durch Polykondensation entstandene Makromolekül zwei funktioneile Endgruppen besitzt, ergibt sich für die Anzahl der Polymerketten N : P Np = (l/2)nÄ [ 1 + (1/q) - 2 pA ] (11) Setzt man Gl. (10) und Gl. (11) in Gl. (8) ein, erhält man für den Polymerisationsgrad als Punktion des Umsatzes p und des Monomerkomponenten-Verhältnisses q: p = -ü« = -------(Vl)________ „ ______* 1 ± 9__ = ____7____1 + 9.___ (12) n Np 1 + (1/q) -2 P 1 + q - 2 p q 2q (1-p ) + (1-q) *) Aus Gründen der Stöchiometrie ist die Anzahl der umgesetzten A-Gruppen stets gleich der Anzahl der umgesetzten B-Gruppen. Daher gilt: 2 PA nA = PA nA + PB "B = 2 PB nB Da aber p^ ^ pB ist, bezieht sich - wie man sich durch Anwendung von Gl. (12) auf einfache Beispiele leicht klarmacht - bei der obigen Ableitung der Umsatz p stets auf die bei der Bildung des Verhältnisses q im Zähler stehenden funktionellen Gruppen: Bei A-tfberschuß ist 1 = nA / nB > 1 und p = pA oder! <1 = nB / nA < 1 und p = pB Es empfiehlt sich, stets mit q < 1 zu arbeiten, weil nur dann alle p-Wer- te bis p = 1 erlaubt sind. Beispiel: q = nB / n^ = 0,666 , pB = 1 , P = 5 . Für denselben Ansatz gilt auch: q = n^ / nB = 1,5 , PA = 0,666 , P = 5 . p-Werte > 0,666 sind bei q = 1,5 nicht möglich, weil pB > 1 nicht möglich ist. Für einige Grenzfälle nimmt Gl. (12) einfachere Formen an: 1. Wenn während der ganzen Dauer der Polykondeneation die funktionellen Gruppen im Molverhältnis 1/1 vorliegen, also q = 1 ist, gilt: Die graphische Darstellung dieser Funktion für den Endbereich hoher Umsätze ist in Abb. 73 wiedergegeben. 2. In vielen Fällen liegt der Umsatz über 99 Dann kann man mit genügen- 3. Wenn schließlich p = 1 und q = 1 ist, geht P^ formal gegen unendlich. In der Praxis sind die beiden Forderungen in allen Fällen von Ringbildung realisiert, ohne daß dabei P immer sehr groß sein müßte. Ringe können den Charakter von Monomeren (Caprolactam), Oligomeren (makrocyclische Ringe) und Polymeren (ringförmige DNS von Bakterien und Phagen) haben. Einfluß der Gleichgewichtskonstanten auf das Molekulargewicht Eine Polykondensation besteht, im Detail betrachtet, aus einer Vielzahl von Gleichgewichtsreaktionen: x—O x — O x—® —O + H20 Io) x—® —O + x— O x—®—®—O + H20 lb) x—®— O + x— ®— O x—® — ® — ® — O + H20 (c) x—® —® —® —O + x—O x— ® — ® -— ® — ® —O + H20 |d) x—® —® —® —O + x—® —O x—®—®—®—®—®— O + H20 (e) usw. O funktionelle Gruppe, z.B. COOH x funktionelle Gruppe, z.B. OH oder NH^ Durch Reaktion von o und x entstehende Gruppe, ® z.B. -C00- oder -CONH- — Monomerrest, z.B. (CH,,)^ oder CgH^ (13) der Annäherung p = p^ = 1 setzen, und Gl. (12) geht mit q = n^ / nB < 1 über in Pn (p = 1) = + 1> / (14) Geht man von der - freilich nicht ganz zutreffenden - Annahme aus, daß die Reaktivität der funktionellen Gruppen von der Länge der Ketten , an denen sie hängen, unabhängig ist, so kann man die Vielzahl der Reaktionsgleichungen auf eine reduzieren: O + x === ® + H20 für die Gleichgewichtskonstante gilt dann: l ® ] • (HjO] K p = ---------— lO]-{ X] (15) Dabei ist: [o] = molare Konzentration der funktionellen Gruppe A [X ] = molare Konzentration der funktionellen Gruppe B [ S8 ] = molare Konzentration der durch Reaktion von o und x entstehenden Kettenbindung [H^o] = molare Konzentration des im Gleichgewicht anwesenden Wassers Wie ein Blick auf die Reaktionsgleichungen (a) bis (e) bzw. Gl. (13) oder Abb. 73 zeigt, nimmt in der Reihenfolge (a)----(e) der Umsatz und ebenso auch die Kettenlänge stetig zu. Mit jedem neu abgespaltenen Molekül Wasser wird eines der Polymermoleküle um eine oder mehrere Struktureinheiten länger. Jedes Polymermolekül beinhaltet daher schon allein durch seine Kettenlänge ein ganz bestimmtes Konzentrationsverhältnis der am Gleichgewicht beteiligten funktionellen Gruppen (einschließlich H^O), und damit natürlich auch einen bestimmten Zustand des Gleichgewichts. Wir müssen jedoch von vornherein zwei Möglichkeiten des Gleichgewichts streng unterscheiden: das geschlossene und das offene Gleichgewicht. Man kann die Polykondensation im verschlossenen Autoklaven ausführen, so daß kein Reaktionspartner aufgrund seiner Flüchtigkeit aus dem Reaktionsansatz entweichen kann.Nur in diesem Falle ist im Gleichgewicht die molare Konzentration des Wassers gleich der molaren Konzentration der durch die Reaktion entstehenden Gruppen. Bei gegebener Konzentration der funktioneilen Gruppen ist die Konzentration der 0 -Gruppen, d.h.der Umsatz, in diesem Falle allein durch die Gleichgewichtskonstante bestimmt. Man kann aber auch die Polykondensation im offenen System, z.B. einem Rührkolben mit absteigendem Kühler, ausführen, derart daß das Reaktionswasser - und nur das Wasser - aus dem Reaktionsansatz herausgetragen wird, z.B. durch einen trockenen Stickstoffstrom oder durch Anlegen eines Vakuums. Auch jetzt stellt sich ein Gleichgewicht ein, doch ist in diesem Palle die Wasserkonzentration durch die Reaktionsbedingungen (Apparatur, Vakuum) in weiten Grenzen willkürlich einstellbar. Zwangsläufig wird, bei gegebenem AusgangsSystem und damit gegebener Gleichgewichtskonstante, gemäß Gl. (15) der durch die Konzentration der entstehenden ia -Gruppen definierte Umsatz bei Erniedrigung der Wasserkonzentration immer größer. Das offene Gleichgewicht ist der für die Praxis vornehmlich interessierende Fall. Die Ableitung der P = f (Kp)-Funktion soll dadurch vereinfacht werden, daß nur der Grenzfall q = 1 betrachtet wird, d.h. die Polykondensation bei einem Molverhältnis der funktionellen Gruppen [o]/[x] = 1 / 1. Der Zusammenhang zwischen P und Kp wird sofort sichtbar, wenn man die Konzentrationen [o], [«] und [HgO] als Anteile oder Bruchteile definiert: [0] - np/nG [»] = nU^nG nF nU nG Entsprechend ist = [x] = Anteil der im Gleichgewicht noch freien o - bzw. x -Gruppen = Anteil der im Gleichgewicht umgesetzten Gruppen = Molzahl freier O - oder X -Gruppen (Endgruppen) = Molzahl umgesetzter o-Gruppen (oder X-Gruppen) = Molzahl der zu Beginn der Polykondensation vorhandenen o-Gruppen (oder x-Gruppen) *) die Wasserkonzentration definiert als [h2o] im Gleichgewicht anwesende Menge Wasser maximal abspaltbare Menge Wasser HpO mH20(max) Erfahrungsgemäß bereitet die Definition der Gleichgewichtswasserkonzentration, wie überhaupt der Umstand, daß mit jedem bei einer Polykondensation konstant bleibenden Polymerisationsgrad ein Gleichgewichtszustand verbunden ist, oft Verständnisschwierigkeiten. Im geschlossenen System^ stellt sich bei genügend hoher Reaktionstemperatur ein Gleichgewichtszustand ein, der dadurch gekennzeichnet ist, daß weder von außen Wasser zugeführt noch Wasser nach außen abgeführt wird, und den man als "natürliches oder spontanes Gleichgewicht" bezeichnen kann. Der Umsatz p* und ) Siehe Fußnote Seite 83 _ n der zugehörige mittlere Polymerisationegrad Pn , die diesem Gleichgewicht zukommen, sind nur durch K und q bestimmt, und die zugehörige, * I sich von selbst einstellende Wasserkonzentration [HgOJ ist identisch mit dem Umsatz p* . Im Beispiel der Tabelle 86 ist dieses "spontane Gleichgewicht" eingerahmt. Gibt man von außen Wasser zu, so daß die Konzentration [H^O] größer als [H^O] ist, verkleinert sich P^ , zieht man Wasser nach außen ab, wird [H^o] kleiner als [H^O] und P^ wird größer. In beiden Fällen aber sind - vorausgesetzt man wartet lange genug, bis p und Pn wieder konstant sind - die neuen Wasserkonzentrationen [H^O] wiederum Gleichgewichtskonzentrationen. Der Terminus "im Gleichgewicht anwesende Wassermenge" in der Definitionsgleichung für [H^o] kann also im Einzelfall bedeuten: 1. die sich im abgeschlossenen System bei Erreichen eines konstanten Umsatzes von selbst einstellende Wassermenge (eingerahmte Reihe der Tabelle 86 ), 2. die zur Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes notwendige (durch Wasserzugabe von außen einzustellende) Wassermenge, wenn der _ _* Gleichgewichtspolymerisationsgrad P kleiner sein soll als P im n n geschlossenen System (Reihe 1 - 5 in Tabelle 86), 3. die zur Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes erlaubte (durch Wasserabzug nach außen einzustellende) Wassermenge, wenn P > P sein soll (Reihe 7 - 12 in Tabelle 86). [HgO] ist ein relativer Zahlenwert und gibt an, um wievielmal größer oder kleiner die bei einem bestimmten Reaktionsansatz im Gleichgewicht anwesende Wassermenge (im Sinne der Aufgliederung 1 bis 3) ist oder sein muß als die sich aus der Stöchiometrie der Reaktionsgleichung für diesen Reaktionsansatz ergebende maximal (d.h. bei p = 1) abspaltbare Wassermenge. Es ist daher auch gleichgültig, welche Maßeinheit (mol oder g) man für die Wassermenge in der Definitionsgleichung verwendet (selbstverständlich in Zähler und Nenner die gleiche), ebenso wie es gleichgültig ist, auf welche Größe des Ansatzes (Polykondensat + m„ .) H2° *) Wenn man diesen Fall der Polykondensation im geschlossenen System - im Labor oder im Fabrikationsbetrieb - realisieren will, braucht man in der Regel einen Autoklaven, weil man höhere Temperaturen anwenden muß, damit sich das Gleichgewicht mit hinreichender Geschwindigkeit einstellt und dabei wegen der meist verschiedenen Dampfdrücke der Komponenten keine Verluste eintreten, die das Monomerverhältnis q ändern würden. Mit schnell reagierenden Monomeren ließe sich ein geschlossenes System bei niedriger Reaktionstemperatur natürlich auch in offenen Reaktionsgefäßen realisieren. man die Wassermengen m„ . und m„ A, , bezieht, also etwa auf UpU HpO(,max; 100 g, 1 mol, P mol oder 10 t . n S . Der Anteil der umgesetzten funktionellen Gruppen n^/n^, wird allgemein als Umsatz p bezeichnet: ntj/nG = [»] = P (10 Da es bei einer Polykondensation nur die beiden Arten von Gruppen (umgesetzte und freie) gibt (n^ + n^ = n^), ist die Summe der Anteile gleich 1: VnG + VnG = 1 (17) und folglich: [o] = [x] = np/nG = 1 - (nn/nG) = 1 - P (18) Man kann daher - durch Einsetzen von Gl. (16) und (18) in Gl. (15) - die Gleichgewichtskonstante auch mit Hilfe von p formulieren: Kp = P • [H20] / ( 1 - p )2 (19) 2 oder, nach 1 / ( 1 — p ) aufgelöst: 1 / ( 1 - p )2 = Kp / p . [H20] 1 / ( 1 - p) = l/Kp / p • [H20] (20) Wie erinnerlich, ist der mittlere Polymerisationsgrad P^ definiert als Anzahl der Struktureinheiten pro Kette. Wie man sich leicht klarmachen kann, ist die Anzahl der Ketten bei q = 1 stets identisch mit der Anzahl der Endgruppen (einer Sorte) np und die Anzahl der Struktureinheiten gleich der Anzahl der zu Beginn der Polykondensation insgesamt vorhandenen Gruppen (einer Sorte) n_. Daher ist die Anzahl der Struktureinheiten pro Kette: li ?n = nG/nF Da gemäß Gl. (18) np/nG = 1 - p ist, ist folglich [und in Übereinstimmung mit Gl. (12) bzw. (13)]: *n = 1 / ( 1 * P ) (21) Vergleicht man Gl. (21) mit Gl. (20), sieht man, daß Gl. (20) bereits die gesuchte Funktion P = f (Kp) ist: P n 1/ Kp / p • [ H20 ] (22) Es wirkt auf den ersten Blick 'befremdlich, den Umsatz p in Gl. (22) im hängig variable Größen sind: Je größer der Umsatz p wird, desto kleiner wird das Produkt p • [H^O] . Tabelle 86 gibt dafür ein - auch sonst ganz lehrreiches - Zahlenbeispiel, das den Gl. (22) zugrundeliegenden Sachverhalt veranschaulicht. Der Tabelle liegt die nach [H^O] aufgelöste Gleichung (19) zugrunde, d.h. es ist gefragt: "Wie groß muß (oder darf) die Wasserkonzentration im Gleichgewicht sein, daß jeweils ein bestimmter Umsatz (und damit ein bestimmter Polymerisationsgrad) gewährleistet wird?" Man erkennt, daß ein Polykondensationssystem mit hoher Gleichgewichtskonstante bei niedrigen Umsätzen instabil ist. Die effektiv vorhandenen Wasserkonzentrationen von 6 bis 12 io reichen bei weitem nicht aus, die Kondensation bei Umsätzen von 50 bis 95 $ festzuhalten. Um das in der Tabelle dargestellte System beispielsweise bei einem Umsatz von 90 $ im Gleichgewicht zu halten, müßte durch Einpressen von Wasser in den Autoklaven der Wassergehalt von 12 auf 41 $ erhöht werden. Das "natürliche", d.h. das sich ohne Wasserzugabe von außen von selbst einstellende geschlossene Gleichgewicht (Zahlenwerte eingerahmt),ist gekennzeichnet durch die Übereinstimmung der Zahlenwerte von p und [H^O], Bei sehr niedrigen Wasserkonzentrationen geht p gegen 1,und Gl. (22) geht daher für hohe Molekulargewichte über in Die Abhängigkeit des Polymerisationsgrades von dem Verhältnis Kp/[Hp0] sagt aus, daß der verfahrenstechnische Aufwand, den man treiben muß, um einen bestimmten (hohen) Polymerisationsgrad zu erreichen, umso größer ist, je kleiner die Gleichgewichtskonstante Kp ist, denn je kleiner Kp ist,desto weiter muß die Wasserkonzentration erniedrigt werden, um den verlangten Wert von P^ zu garantieren. So führt die Reaktion von Dicarbonsäuren und Diaminen (Kp 400) relativ leicht zu Polyamiden mit hohem Molekulargewicht, während sich Polyester mit gleich hohem Molekulargewicht durch P.eaktion von Dicarbonsäuren und Glykolen (Kp^ 10) ungleich schwieriger herstellen lassen. Doch ist in der chemischen Industrie die Verfahrenstechnik der kor.ti- Nenner zu sehen, da man doch weiß (s. Abb. 73 ), daß P^ mit steigendem Umsatz p zunimmt. Man muß jedoch berücksichtigen, daß p und [h^O] keine unab- P (23) Tabelle 86 : Änderung der molaren Gleichgewichts-Wasserkonzentration [HgO] und des Produktes p • [H^o] gemäß Gl. (19) mit steigendem Umsatz p für die Polykondensation von Caprolactam bzw. 10 -Aminocapronsäure [H20] = Kp ■( 1 - p )2 / p [s. Gl. (15) bzw. (19) ] HpN - (CHj)^ - COOH : M^on =131 Kp 552 400 (angenommener Wert) Cg q = Gleichgewichtswasserkonzentration in % °H 0(eff ) = zum ®r:rei0^en des Gleichgewichts im geschlossenen 2 ' ' System bei steigenden Umsätzen (und steigendem Pn) effektiv durchlaufenen Wasserkonzentrationen cH20(eff.) = [(*n - 1) 18 / Pn O 0 1 1 ß O p 1 1 O C\J m p [h2o] °HZ0 % °Hz0(eff) % Pn 0.80 20 16 75,5 11.0 % 5 0.850 10.59 8.99 62.2 % 11.7 % 6.66 0.875 7.14 6.36 52.7 % 12.0 % 8 0.90 4.44 4.0 41.O 12.36 % 10 0.950 1.05 1.0 14.2 % 13.05 % 20 O.95238 0.95238 O.9O7 13.086 % 13.086 % 21 0.955 0.848 0.812 11,82 % 22.2 O.96 0.666 O.64O 9,53 % 25 0.97 0.371 0.636 5,58 % 33.3 O.98 0.163 0.163 2,523 % 50 0.99 O.O4O4 0.040 0,638 % 100 0.999 0.0004 0.0004 0,0064% 1000 nuierlichen Polykondensation zu solcher Vollkommenheit entwickelt worden, daß man bei beiden Verfahren den Polymerisationsgrad durch Zusatz von monofunktionellen Verbindungen auf die jeweiligen, von der Anwendungstechnik her gebotenen, optimalen Werte einstellt. Denn auch zu hohe P^Werte sind wegen der damit verbundenen hohen Schmelzviscosität unerwünscht. Ableitung der Beziehung zwischen Cg q und [h20] Die Gleichgewichtswasserkonzentration [H^O] ist in Analogie zum Umsatz p als Relativwert definiert und besagt nur, wievielmal die Gleichgewichtswassermenge mTI _ größer oder kleiner ist als die - auf die gleiche M2U Polykondensatmenge bezogene - gemäß Reaktionsgleichung maximal abspalt-bare Wassermenge nig^^ : r„ ni _ im Gleichgewicht anwesende Menge HpO _ / (14, ^ 2 ^ ~ maximal abspaltbare Menge H„0 HO mH„0(max) Statt der Mengen (in mol oder g) kann man ebensogut auch Konzentrationen in die Definitionsgleichung (1*) einsetzen, wobei die Bezugsgröße nipj, (d.i. die Menge Polymer + HgO eines Polykondensations (PK) - Ansatzes im Gleichgewichtszustand) beliebig gewählt werden kann. Sie kürzt sich heraus: H„0 / m. PK H„0 ^ 2 ^ mH O(max) ' mPK mH O(max) (2*) Cg q dagegen ist definiert als die in einer bestimmten Menge eines PK-Ansatzes, nämlich in 100 g, im Gleichgewicht anwesende Wassermenge, entspricht also nicht der Konzentration [H^O], sondern dem Zählerwert HoO PK * Wenn m„ A die in m-.^ g eines PK-Ansatzes im Gleichgewicht enthaltene ^2° rK Wassermenge in g ist, ist m^ ^ / nip^ die entsprechende Wassermenge pro Gramm des Ansatzes und unterscheidet sich somit von c,. A nur um den xi 2 U Faktor 100: h2o (mH o / mPK) • 100 Gew- (3*) n erhält man gemäß Definitionsgleichung (1*) aus [H O] und m,, A/ n^U d n^U^maxi mH2o = fH2°] ' m: H20(max) (4* Die relative Gleichgewichtswasserkonzentration [H20] ergibt sich für jeden Umsatz p aus der Massenwirkungsgleichung [Gl. (19) S. 84]: [H,0] Kp'(l - p) / P (5*) m„ i , die zweite zur Berechnung von m„ „ erforderliche Größe, H20(max) D H20 richtet sich nach der willkürlich wählbaren Monomermenge, von der man bei einer Polykondensation ausgeht und die dann natürlich auch die Bezugsbasis für alle anderen Größen bildet. Geht man - bei vorgegebenem Umsatz p - einfachheitshalber von P^ mol Monomer aus [wobei P^ sich gemäß Gl. (13) 8. 80 aus p ergibt: = 1/(1 p) ], so ist, da pro mol Monomer maximal 1 mol HgO abge- spalten werden kann, der Betrag von m H20(max) stets gleich dem mittle- ren Polymerisationsgrad P (s. Reaktionsgleichungen S. 80), so daß für m^ g gemäß Gl. (4*) gilt: “H20 = [H2°] ^ oder “H20 = [H20].Pn-18 [g] Die andere gemäß Gl. (3*) für die Berechnung von c„ _ benötigte Größe, nämlich die Gesamtmenge der im Gleichgewicht vorliegenden Reak- tionsmischung (nur im geschlossenen System gleich der Menge des Ausgangsmonomeren) , setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen: 1. der Menge des durch die PK-Reaktion gebildeten Oligomeren oder Polymeren und 2. der für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts erforderlichen bzw. erlaubten Wassermenge mu A . 1I2U Die Menge des gebildeten Oligomeren (oder Polymeren) ist die Menge des eingesetzten Monomeren vermindert um die Menge des gebildeten Reaktionswassers . Für den in Gl. (6*) gewählten Pn-molaren Ansatz ist die Menge des Einsatz-Monomeren P [mol] oder P ■ M [gl, wenn M das Molekularge-n L J n mon LOJ mon wicht des Monomeren bzw. der Monomeren (Mittelwert) ist. Die Anzahl der bei einer Polykondensation abgespaltenen Wassermoleküle ist immer gleich der Anzahl der durch die Reaktion gebildeten Kettenbindungen und die Menge des Reaktionswassers in einem P^-molaren Ansatz folglich stets P^ - 1 mol oder (P - 1) • 18 g (s. Reaktionsgleichungen S. 80). Die Menge des gebildeten Oligomeren (Polymeren) ist die Menge des eingesetzten Monomeren, vermindert um die Menge des Reaktionswassers: mD . = P • M - (P - 1) ■ 18 [g] (7*) Polymer n mon n Die im Gleichgewicht anwesende (erforderliche oder erlaubte) Wassermenge mH 0 ist gemäß Gl (6*) [HjO] • P^ mol oder [HpO] • ?n • 18 [g] . Damit ergibt die Stoffbilanz für die Masse nip^ des Reaktionsgemischs in einem von mol bzw. Pß ■ Mmon [g] ausgehenden Polykondensationsansatz im Gleichgewicht: PK Polymer H2° = P M (P - 1) • 18 [h2o]- ■18 [g] (9*) Setzt man Gl. (6*) und Gl. (8*) in Gl. (3*) ein, erhält man die Beziehung zwischen Cg q und [H^O] für einen bestimmten Umsatz p und damit für einen bestimmten mittleren Polymerisationsgrad : H,0 = ([H,0]P -18 / P -M - (P n mon n 1) • 18 [h2o] P -18) • 100 io (9*) CjjjO = Gleichgewichtswassergehalt in einem PK-Ansatz in Gew. % [h20] = relative Gleichgewichtswasserkonzentration gemäß Gl. (19) u.(l*) ?n = Gleichgewichtspolymerisationsgrad Pfi = 1 / (1 - p) p = Umsatz im Gleichgewichtszustand NORMALVERTEILUNG DUSCH POLYKONDENSATION Bei der Synthese von makromolekularen Stoffen entstehen stets Gemische von Ketten verschiedener Länge (Ausnahme: s. S. 243). Daher sind die Molekulargewichtsangaben Mittelwerte. Die Statistik der Polymersynthesen liefert eine Verteilungsfunktion, die angibt, wie groß der Anteil von Ketten einer bestimmten Länge im Gemisch ist und zugleich erkennen läßt, warum stets verschieden lange Ketten entstehen müssen. Als typisches Beispiel einer Polykondensation sei die Bildung eines linearen Polyesters aus einer Hydroxycarbonsäure der Ableitung zugrundege- legt: -(n-l)HoO nHO-R-COOH --------!—*■ H0|R-C004nH Wenn in einer gegebenen Situation, z.B. bei einem entsprechenden Umsatz oder einer bestimmten Gleichgewichtslage unter 10 Oxycarbonsäuremolekülen eine Carboxylgruppe verestert ist, so ist die Wahrscheinlichkeit p, an einer Esterbindung beteiligt zu sein, für jede der vorhandenen Car-boxylgruppen p = 1/10. Und die Wahrscheinlichkeit, zu den unveresterten COOH-Gruppen zu gehören ist 9/10 oder allgemein (1 - p). Sind von den 10 COOH-Gruppen zwei verestert (was sich durch Titration feststellen läßt), so ist die Wahrscheinlichkeit p, zu den veresterten zu gehören, doppelt eo groß usw. Immer ist die Wahrscheinlichkeit, verestert zu sein, gleich dem Bruchteil p der umgesetzten COOH-Gruppen oder allgemein gleich dem Bruchteil p der umgesetzten funktionellen Gruppen, d.h. gleich dem Umsatz p . Bei einem Umsatz von 50 $ oder p = 0.5 beispielsweise ist die Wahrscheinlichkeit, daß eine funktionelle Gruppe x nicht zur Reaktion gelangt und als freie Endgruppe vorliegt, ebensogroß wie die Wahrscheinlichkeit, daß sie mit einer funktionellen Gruppe O eines anderen Monomeren eine Kettenbindung bildet, nämlich je 50 'f>. Das bedeutet aber nicht, daß die gebildeten Oligomeren (P = 2) nur in Form von Dimeren vorliegen, denn das Dimere ist nicht die einzige Form, in der eine Carboxylgruppe an einer Esterbindung beteiligt sein kann. Das gleiche Ereignis "Ver- esterung" kann am gleichen Molekül auch zweimal stattfinden, so daß zwei Esterhindungen und drei Struktureinheiten hintereinander eine Kette bilden. Auch die Trimeren, Tetrameren usw. enthalten jeweils freie funktioneile Endgruppen und können zu höheren Oligomeren und Polymeren weiterreagieren, wofür - bei gegebenem Umsatz und dadurch festgelegtem mittlerem Polymerisationsgrad - ein entsprechender Anteil von Monomeren gar nicht in Reaktion tritt. Die Wahrscheinlichkeit w^ , daß sich ein Dimeres bildet, ist also nicht gleich dem Umsatz p, denn p sagt nur aus, wie groß die Wahrscheinlichkeit für eine funktionelle Gruppe ist, überhaupt in eine Reaktion mit einbezogen zu werden, wobei die Länge der Kette offen bleibt. Soll die Länge der "Kette" auf zwei Struktureinheiten beschränkt sein, so kommt zu dem Ereignis einer Veresterung oder Amidbildung (Wahrscheinlichkeit p) als weiteres "Ereignis" noch das Preibleiben der nächsten funktionellen Gruppe hinzu. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist, wie oben schon festgestellt wurde, 1 - p . Also ist die Wahrscheinlichkeit, daß diese beiden Ereignisse Zusammentreffen und ein Dimeres gebildet wird: w2 = p (1 - P) Im Falle eines 50 $igen Umsatzes (p = 0.5) ist Wg also 0,25 , d.h. nur l/4 der Carboxylgruppen sind als Esterbindungen in Dimeren enthalten. Wie die folgenden Überlegungen zeigen und in Tabelle 91 an einem Zahlenbeispiel dargestellt ist, hat sich ein weiteres Viertel der COOH-Gruppen zu höheren Oligomeren umgesetzt, und die Hälfte liegt in monomerer Form vor. Für die Entstehung längerer Ketten gilt die gleiche Statistik, die vom Würfeln her jedem bekannt ist: Die Chance, zweimal eine Sechs hintereinander 2 zu würfeln, ist (l/6) = 1 /j6 , weil die Folge 6-6 unter 36 verschiedenen mög- lichen und gleich wahrscheinlichen Folgen 6-6, 6-5» 6-4 ..., 5-6, 5-5» 5-4 •••» 4-6, 4-5» 4-4 •• • etc. nur einmal auftritt. Wenn also die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Dimeren w^ = p (1-p) ist, ist die Wahrscheinlichkeit, daß das Ereignis "Veresterung" am gleichen Molekül zweimal hintereinander eintritt und so ein Trimeres entsteht, w^ = p ( 1-p) und entsprechend für dreimalige Veresterung zum Tetrameren w^ = (1-p). Allgemein ist die Wahrscheinlichkeit Wp , daß durch P malige Reaktion eine Kette mit dem Polymerisationsgrad P entsteht: Wp = PP'1 (1-p) (24) p ist die Wahrscheinlichkeit, die für irgendeine COOH-Gruppe besteht, Tabelle 91 : Zusammensetzung eines Polyesters beim Umsatz von 50 $ (p = 0,5 entsprechend P^ = 2) bei N = 1000 Molekülen p 53 Pi 53 II Pi > I NP P Np 1 1/2 500 500 2 1/4 250 500 3 1/8 125 375 4 1/16 62,5 250 5 1/32 31,25 156 6 1/64 15,62 94 7 1/128 7,8 55 8 1/256 3,9 31 9 1/512 2 18 10 1/1024 1 10 11 1/2048 o,5 5,5 12 1/4096 0,25 „io"2?8 3 1000 O KN O \ 2 000 = ] P Nt P n Polymerisationsgrad Bruchteil der Moleküle mit dem Polymerisationsgrad P gemäß Gl. (24) Gesamtzahl der Moleküle des vorliegenden Präparates Anzahl der Moleküle mit dem Polymerisationsgrad P nach Gl. (25) Anzahl der an der jeweiligen Fraktion beteiligten Struktureinheiten d.h. ist die Anzahl der Monomeren,aus denen das Präparat mit N = 1000 Molekülen entstanden ist (bei p = 0.5) Anzahl der Struktureinheiten _ 2000 _ g Anzahl der Makromoleküle ~ 1000 ~ verestert zu sein, p ist zugleich der Bruchteil der veresterten C00ff-Grup pen eines Präparates. Sind z.B. insgesamt n Carboxylgruppen da, so ist die Anzahl der veresterten n • p . Ebenso ist Wp die Wahrscheinlichkeit einer Polyesterkette, aus P Struktureinheiten zu bestehen, auch der Bruch teil der Ketten mit P Monomerresten an den insgesamt vorhandenen Polymerketten. Besteht daher ein Polyesterpräparat aus N Polymermolekülen mit allen möglichen Polymerisationsgraden, so ist die Anzahl Np der Polymermoleküle mit dem Polymerisationsgrad P gemäß Gl. (24) s *) Polymerisationsgrade um Pn = 2 sind natürlich für technische Präparate völlig uninteressant. In wässrigen Lösungen jedoch, insbesondere beim Vorliegen einer Mischung aus di- und monofunktionellen Verbindungen, wird das Pn = 2 - Stadium nicht einmal erreicht. Daher ist Tab. 91 interessant für die Frage nach der Bildungswahrscheinlichkeit von Nuc-leotid- und Peptidketten in "Ursuppen" zum Start einer "präbiotischen Evolution". Der obige Zahlenwert 10*298 bedeutet, daß in ca. 10280 g t d.h. im 1o224 fachen der Masse des gesamten Universums, im Mittel ein Kettenmolekül der Länge P = 1000_anzutreffen wäre, wenn das Universum (ca. 105£ g) ausschließlich aus Pn= 2 - Polykondensat bestünde. Np = N • wp = N • pP-1. (1-p) (25) Np / N = pP'1 -(1-p) ^ PP • (1-p) (26) Statt des Zahlenanteils Np / N , der den Zahlen-Bruchteil eines aus N Makromolekülen bestehenden Polymerpräparates an Molekülen der Länge P angibt, möchte man meist den Gewichtsanteil wissen. Um diesen zu erhalten, kann man zunächst die Gesamtzahl n der zur Entstehung von N Makromolekülen erforderlichen Reaktionsschritte einführen. Da 1-p der Bruchteil ist, mit dem die Abbruchreaktionen an der Gesamtzahl n sämtlicher Reaktionsschritte beteiligt sind, ist n (1-p) die Anzahl der Abbruchreaktionen, die sich bei der Entstehung von N Makromolekülen ereignet haben. Da jede Abbruchreaktion die Bildung eines fertigen Makromoleküls bedeutet, ist die Anzahl der Abbruchreaktionen gleich der Anzahl der Moleküle: N = n (1-p) Setzt man das in Gl. (25) ein, so erhält man: Np = n pP (1-p)2 Da die Anzahl der Abbruchreaktionen in der Regel sehr klein ist gegenüber der Anzahl der Additionsreaktionen (Wachstumsschritte), kann man den Unterschied zwischen der Anzahl der Gesamtreaktionen n und der Anzahl der Additionsreaktionen n p vernachlässigen, so daß n praktisch identisch ist mit der Anzahl der Struktureinheiten, die am Aufbau von N Makromolekülen beteiligt sind. Wenn ni^on die Masse einer Struktureinheit ist, ist das Gesamtgewicht m der N Makromoleküle: m = n “Mon Np ist die Anzahl der Makromoleküle mit dem Polymerisationsgrad P i nij||on P ist die Masse eines dieser Makromoleküle, also ist die Masse mp aller Makromoleküle mit dem Polymerisationsgrad P : m_ = N_ nL. P P P Tlon Und der Gewichtsbruchteil der Makromoleküle mit dem Polymerisationsgrad P ist dann: mp / m = Np P m„on / n m^ = Np P / n Ersetzt man in dieser Gleichung Np gemäß Gl. (25) durch n (1-p)^, so erhält man für den Gewichtsbruchteil mp / m , der angibt, mit wie- viel Gramm die Moleküle vom Polymerisationsgrad P in m g Substanz enthalten sind: mp / m = P pP (1-p)2 (27) Gl. (26) und Gl. (27) sind verschiedene mathematische Beschreibungen ein und desselben Gesetzes, das als SCHULZ-FLORY-Verteilung bekannt ist. Die Gleichungen sind an zahlreichen durch Polymerisation und Polykondensation gebildeten Polymeren geprüft uns als gültig befunden worden. Um die Verteilungsfunktion experimentell überprüfen zu können, muß man die Polymerpräparate in möglichst viele Fraktionen zerlegen, wofür es verschiedene analytische und präparative Methoden gibt. Abb. 93 zeigt als Beispiel die durch fraktionierte Fällung ermittelte Verteilungskurve eines Nylon-6-Präparats im Vergleich zu den nach der theoretischen Gleichung [Gl. (27) ] berechneten Kurven. Man sieht, daß die experimentelle Verteilungskurve um so besser mit der theoretisch berechneten übereinstimmt, je sorgfältiger die Auftrennung in Fraktionen mit abnehmendem Molekulargewicht durchgeführt wurde. Daraus, daß die Verteilungsfunktion bei Polymeren, die durch Polykondensation entstehen, dieselbe ist wie bei Polymeren, die durch radikalische Polymerisation hergestellt werden, ersieht man, daß es für die Molekulargewichts- oder Kettenlängenverteilung nicht auf die spezielle Art der Reaktion ankommt, sondern auf das dem Zufall überlassene Wechselspiel von Addition (Wahrscheinlichkeit p) und Beendigung der Addition durch Kettenabbruch oder Freibleiben von funktionellen Gruppen im Rahmen eines Gleichgewichts (Wahrscheinlichkeit 1-p). Abb. 93 : Experimentelle Bestätigung der SCHULZ-FLORY-Verteilung bei Nylon-6 nach Messungen von GRIEHL und LUECKERT [16] a Fraktionierte Fällung mit 8 Fraktionen b Fraktionierte Fällung mit 63 Fraktionen ----------- experimentelle Kurven -----------theoretische Kurven gemäß Gl. (27) mit m = POLYKONDENSATIONEN IN DER CHEMISCHEN INDUSTRIE Es gibt eine kaum noch zu überblickende Vielzahl von chemischen Reaktionen, bei denen zwei Moleküle mit Hilfe von funktionellen Gruppen miteinander verbunden werden. Man findet sie im "Beilstein", einem 27-bändigen Standardwerk, bei dem es inzwischen zu jedem Band vier erheblich umfangreichere Ergänzungsbände gibt, und in den "Organic Syntheses", einer 60-bändigen amerikanischen Sammlung von präparativen Vorschriften. Wenn von den vielen in diesen und anderen Standard-Werken gesammelten und beschriebenen Reaktionen nur eine so verschwindend kleine Zahl technisch zur Synthese von Polymer-Werkstoffen eingesetzt wird, so liegt das vor allem daran, daß die Bedingungen für die Bildung von Makromolekülen von den weitaus meisten Reaktionen nicht erfüllt werden. Zwar läßt sich im Labor - im Gegensatz zur Natur - das 1:1- Verhältnis der Partnergruppen relativ leicht einstellen, aber es geht während der Reaktion durch die nicht zu verhindernde Bildung von Nebenprodukten wieder verloren, so daß die wachsenden Ketten blockiert werden. Nur in wenigen Fällen läßt sich eine organischchemische Reaktion so führen, daß ein zu einem einheitlichen Reaktionsprodukt führender Umsatz von mehr als 99 i° erreicht wird. Genau das aber ist erforderlich, wenn man ein (im Vergleich zu Naturstoffen, insbesondere DNS) ganz bescheidenes Molekulargewicht um 20 000 g/mol erreichen will. Polyester Es werden verschiedene Polyester industriell hergestellt. Ungesättigte Polyesterharze aus Maleinsäureanhydrid und Propylenglykol / Aethylenglykol werden in Styrol gelöst und, meist zusammen mit Glasfasern, in Formen zu harten Gegenständen polymerisiert. Endlosbahnen in Wellblechform, Platten und ungezählte andere Gebrauchsgegenstände werden daraus her-gestellt, u. a. so große wie 10 000 - Liter - Lagerbehälter für Heizöl, Schwimmbadauskleidungen, Rettungsboote. Mit der Harzlösung lassen sich CH = CH n * i ♦ n H0-CH2-CH-0H CH3 Propylenglykol Maleinsäure -anhydnd Ungesättigter Polyester auch glänzende, harte Lacküberzüge auf Möbeln, Türen, Konzertflügeln aufbringen. Aus Adipinsäure und Aethylenglykol und ähnlichen Komponenten erhält man lineare und mit Trimethylolpropan verzweigte Polyester, die mit Diisocyanaten zu Polyurethanen (Schaumstoffen, gummielastischen Fasern [Lycra, Dorlastan] und Lacküberzügen) umgesetzt werden. Auch das bekannte wildlederartige Material Alcantara enthält Polyestervlies und Polyurethane als Komponenten. Das Prinzip der Reaktion von 0H-Endgruppen besitzenden Polyestern mit Diisocyanaten ist aus den Formeln von Abb. 95 ersichtlich: Polyestersynthese nHO-C-( CH? 1,-C-OH II 1 4 M 0 0 Adipinsäure [ n♦ 11 HO —I CH2 >2~ OH Aethylenglykol ho-ch2)2-[o-c-( ch2u-c-o-(Ch2 )2 [ 5 8 Polyester mit OH - Endgruppen T OH ♦ 2n Jn HjO Kettenverlangerung durch Reaktion mit Diisocyanaten Polyester ... + 0=C = N —| CH2 l6- N = C=0 + HO------------------------OH I 0 = C = N-(CH2 )6-N = C=0 + HO Hexamethylendnsocyanat ' 0 — C — NH—(CH?)fi-NH-C-II 1 D II 0 0 Polyester - 0— C - NH —( CH, )c—NH— C — 0 ^ ii ‘ ° ii Poly ur e t h a n -O-C-NH-I CH, )K- Abb. 95 : Polyester mit OH-Endgruppen und deren Reaktion mit Diisocyanaten zu Polyurethanen Man kann den Polyester auch zuerst mit einem Überschuß von Diisocyanat umsetzen. Dabei entsteht ein Polyester mit zwei Isocyanat-Endgruppen, der mit geeigneten bifunktionellen Komponenten unter Kettenverlängerung reagieren kann. Mit Wasser, das auch eine bifunktionelle Verbindung ist, reagieren die Isocyanat-Endgruppen unter CO^ - Abspaltung. Das Gas bildet kleine Bläschen und treibt die reagierende und sich dabei verfestigende Masse zu einem gummielastisch-weichen oder harten Schaumstoff auf. In der Praxis setzt man freilich zur Schaumstoff-Herstellung statt der Polyester überwiegend die preisgünstigeren Polyaether mit OH-Endgruppen ein. In jedem Falle sind die Präpolymeren verzweigt, so daß sich bei der Reaktion dreidimensionale Netzwerke bilden (s. Abb. 96). 0-C-NH-R-N=C=0 ;0=C=N-R-N=c=0 + HO" 0=C=N-R-NH-C-0" il 0 —t- 0-C-NH-R-N = C = 0 ) o 0-C-NH-R-N=C=0 Polyester - Prapolym«r Prdpoiymer ♦ n HjO - n C02 ‘0-C-NH-R-NH-C-NH-R-NH-C-0- II li 0 0 NH-R-NH-C-NH-R-NH-C-0—------- I II II C=0 0 0* l 0 1 e » ----t---O-C-NH-R-NH-C-NH-R-NH-C-O - 0 c=o I NH-R-NH-C-NH-R-NH-C-O-' II II 0 0 Rj|yur«thon - Netzwerk Abb. 96 s Schema der Weichschaum-Herstellung durch Reaktion von verzweigten Polyestem mit Diisocyanaten Die Schaumstoffe haben nicht nur zur Polstermöbel-Herstellung sondern auch für Isolierzwecke und für die Verpackung hochwertiger Geräte steigende Bedeutung. Der wichtigste und bekannteste Polyester ist Polyaethylenterephthalat, das man durch Polykondensation von Terephthalsäure und Aethylenglykol herstellt und das als hochwertiger Faserrohstoff ausgedehnte Verwendung gefunden hat. Han kennt es unter den Namen Trevira und Diolen. Weniger bekannt ist, daß dieser Polyester in steigendem Maße auch für die Herstellung von Maschinenteilen eingesetzt wird. Auch Tonbänder bestehen aus beschichteten Terephthalatpolyester-Folien. Die technische Polykondensation ist eine Umsetzungsreaktion des zunächst aus dem Dimethylester hergestellten Terephthalsäurebisglykol-esters MO-ICH2)2-OH + HjC-0-C-^^-C-O-CHj ä 0 T#f«phlhol*Ourtdim*lhyl*st»r H0-lCH2)2-0-<|-^^-C-0-ICH2)2-0H ♦ 2 CMjOM 0 0 T«r«phthol*aur*digly koltsltr Durch Erhitzen der Diglykolesterschmelze auf Temperaturen um 270 °C , zuletzt bei hohem Vakuum, spaltet sich unter Polykondensation Glykol ab, das sofort aus dem Reaktor abgezogen wird: o-cm2-cm2-o-c-^^-c-o-cm2-ch2-öm ♦ M0-CH2-CH2-J-(|-^^-C-0-CM2-CH2-0H o o ............... 0 ö f 0-CM2-CM2-0-C-^>"C-0-CH2-CH2-0-C-<^>-C-0-CM2-CH2-OM ♦ HO-CH2-CH2-OH Bei dieser Reaktionsführung bleibt das 1:1- Verhältnis der beiden funktionellen Gruppen, nämlich der Ester- und OH-Gruppen, während der Reaktion ungestört erhalten, so daß man Molekulargewichte bis 30 000 erhalten kann. Polyamide Die Reaktion von Adipinsäure und Hexamethylendiamin ist die berühmte Polykondensation, die zur ersten vollsynthetischen Faser, dem Nylon-66 der Firma DuPont, führte, das von H. CAROTHERS erfunden wurde: nM0-C"tCM2)i-C-0H 0 0 Adipmtourt ♦ n H2N-|CM2)6-NM2 Hexamethylendiamin HO-C-ICH2l4-c|NH-ICM2l6-NM-C-iCM2l4-c|NM-lCH2)6-NM2 ♦ Cn-IIHjO ojn. Auch diese Reaktion wird in der Schmelze bei Temperaturen oberhalb 260 °C durchgeführt. Auch Nylon ist sowohl Faserrohstoff als auch Werkstoff für Maschinenteile. Neben Nylon-66 gibt es das Nylon-6, das unter dem Namen Perlon bekannt ist und das aus t -Caprolactam - ebenfalls durch Schmelzpolykondensation - hergestellt wird (Erfinder: P. SCHLACK). Das Monomermolekül ist ein Siebenring und führt zum gleichen Polymeren wie die durch Hydrolyse des Ringes entstehende uj-Aminocapronsäure: (CH2)5 "N c=o I NH + h2o HOOC-{CH2)5-NH2 Nylon-6 kann also durch Polykondensation einer Aminosäure hergestellt werden: n HO-C-I CH2)5“NH2 Ö 1h C-( ch2)5-nh 0 -In {n-1)H20 In der Industrie freilich geht man vom cyclischen Anhydrid, dem Lactam, aus. Dann verläuft die Reaktion, von der Aminocapronsäure ausgehend, im wesentlichen durch Umamidierung: 0 —C-{ CH? )r-NH, 0-C-( CH2)5-NH-C-( ch2)5-nh3 In den letzten Jahren ist zu den schon klassischen Synthesen von Nylon-66 und Nylon-6 die Synthese der aromatischen Polyamide Nomex und Kevlar (beide DuPont - Produkte) hinzugekommen, das eine aus Isophthalsäure und Metaphenylendiamin und das andere aus Terephthal-säure und Paraphenylendiamin: 0 0 DMA u2o ~^-0-°^NH^TNH-i!TDrS"NH+'T^ Isophthalsaure - m - Phenylen- Nomex | + Li20 DMA ' UH 2LiCI+H20 ci-c-(OV-c-ci ll ^=4 ll L . . + nH;N-(0)"NH! Terephthalsaure -dichlond p - Phenylendiamin 0 0 Kevlar ° ° 2LiCI+2H2 Beide Fasern werden durch Polykondensation in polaren Lösungsmitteln (DMA) unter Verwendung der hochreaktiven Säurechloride hergestellt. Las entstehende HCl (Chlorwasserstoff, wässrige Lösung: Salzsäure) wird von zugesetztem Lithiumoxyd oder Lithiumhydrid gebunden. Das entstehende Lithiumchlorid (LiCl) löst sich in DMA und bildet zusammen mit diesem erst das eigentliche Lösungsmittel für die sonst sehr schwer löslichen Polymeren. Das Kevlar-Molekül ist insofern besonders interessant, als seine Kette ungewöhnlich steif ist. Die Lösung läßt sich zu Fasern verspinnen, deren Reißfestigkeit mit der von Stahl und Kohlenstoff-Fasern ver- gleichbar ist. Kevlar-Fasern werden zur Faser-Verstärkung von anderen Polymeren (z. B. Epoxydharzen) verwendet und liefern Verbund-Werkstoffe, die hohe mechanische Festigkeit und Steifigkeit mit niedrigem spezifischen Gewicht verbinden. Beide Fasern sind schwer entflammbar. Nomex hat sich als Material zur Herstellung von Feuerschutzkleidung bewährt. Paraformaldehyd (Paraldehyd) Beim Stehen von wäßrigen Formaldehydlösungen und rascher beim Einengen solcher Lösungen bilden sich weiße Abscheidungen von polymerem Formaldehyd: CH2=0 + H20 ho-ch2-oh 2ho-ch2-oh—► ho-ch2-o-ch2-oh + H20 + ho-ch2-oh ho-ch2-o-ch2-oh-------------* ho-ch2-o-ch2-o-ch2-oh + h2o - h2o 2 ho-ch2-o-ch2-oh -----► ho-ch2-o-ch2-o-ch2-o-ch2-oh |+ ho-ch2-oh Paraformaldehyd Neben diesen Reaktionen muß man aber auch mit einer Addition von Formaldehyd rechnen: HO-CH2-OH + CH2=0 -—► H0-CH2-0-CH2-0H |+ Ch2=0 ho-ch2-o-ch2-o-ch2-oh Paraformaldehyd hat nur einen relativ niedrigen Polymerisationsgrad und läßt sich durch einfaches Erhitzen wieder zu monomerem Formaldehyd depoly-merisieren. Polyformaldehyd mit hohem Molekulargewicht, dem als Polymer-Werkstoff große Bedeutung zukommt, erhält man durch anionische Polymerisation von reinem Formaldehyd in wasserfreien Lösungsmitteln bei tiefer Temperatur und durch kationische Polymerisation von Trioxan. Harnstoff- und Melamin-Formaldehyd-Harze Formaldehyd reagiert mit Harnstoff unter Bildung von Methylolharnstoffen, die unter Wasseraustritt mit weiterem Harnstoff zu Ketten und schließlich zu vernetzten Stoffen reagieren: ♦ ch20 H2N-C-NH2 ♦ ch2o —► h2n-c-nh-ch2-oh II II 0 0 Methylolharnstof f -h20 ho-ch2-nh-c-nh-ch2-oh ♦ H2N-C-NH2 ----------• 11 11 0 0 ho-ch2-nh-c-nh-ch2-oh II 0 Dimethylolharnstoff ho-ch2-nh-c-nh-ch?-nh-c-nh7 11 11 1 0 0 Der Verlauf der Kondensationsreaktionen ist stark vom p^-Wert abhängig. Die formulierten Reaktionen gelten für neutrales oder schwach alkalisches Medium. Im sauren Gebiet lassen sich keine Methylolverbindungen isolieren Diese spalten vielmehr intramolekular Wasser ab, so daß ungesättigte Verbindungen bzw. Kettenenden entstehen: H2N-C-NH-CH2-OH 11 0 -h2o H + h2n-c-n=ch2 0 Methylolzwischenstufen können auch miteinander unter Wasseraustritt reagieren, so daß Aetherbrücken gebildet werden: -nh-c-nh-ch2-oh + ho-ch2-nh-c-nh- II ‘ ‘11 I- M20 -hn-c-nh-ch2-o-ch2-nh-c-nh- 11 11 0 0 Die Harnstoff-Formaldehyd-Polykondensation wird in großem Maßstab zur Her Stellung von Harzen verwendet. Ähnlich wie bei der Herstellung von Gegenständen aus Phenol-Formaldehyd-Harzen wird auch hier der Prozeß in zwei Stufen durchgeführt. In der ersten Stufe führt man die Polykondensation nur bis zur Bildung von verzweigtkettigen, noch in wässrigen Medien lösli chen Vorstufen durch. Diese werden mit Füllstoffen, z.B. Holzspänen, intensiv vermischt und - in zweiter Stufe - unter beheizten Pressen bei gleichzeitiger Formgebung ausgehärtet, wobei z.B. die bekannten Preßspanplatten entstehen. Summarisch läßt sich die Harzbildung aus Harnstoff und Formaldehyd folgen dermaßen formulieren: ••• ♦ h2n-c-nh2 ♦ 0 ♦ h2n-c-nh2 * 0 ♦ h2n-c-nh2 0 II II II II II II 0 ch2 0 ch2 0 ch2 I - nh20 ------nh-c-nh-ch2-nh-c-nh-ch2-nh-c-nh-ch2-oh II II II 0 0 0 I ♦ Fo'rmjiaertya 1 - Wasser 1 + Formaldthyd - Wasser 0 0 Cto“~ II II I 'NH-C-N-CH2-NH-C-N-CH2-NH-C-N-CH2-NH-C-N-CH2-OH CH2-NH-C-N-CH2-NH-C" II I II 0 CH2—"—~ 0 0 CH2 0 CH2 I I OH NH C=0 N-CH2-NH-C-N-CH2-NH-C-NH-CH2 CH2 0 I II ch2-n-c-nh-ch2-n-c-nh- II I 0 ch2 Phenol- und Harnetoff-Formaldehyd-Harze (Phenoplaste und Aminoplaste) gehören zu den altesten,technisch hergestellten Polymer-Werkstoffen. Die Durchführung der Synthese in zwei Stufen ist charakteristisch für alle Systeme, deren Moleküle in der endgültigen, nach Beendigung der Synthesereaktion vorliegenden Struktur vernetzt sind. Die zweite, als "Härtung", "Aushärtung" oder (bei Lacken) "Einbrennen" bezeichnete Stufe, bei der die Vernetzung stattfindet, muß bereits in der für den Gebrauchsgegenstand vorgesehenen Form - bzw. nach dem Lackauftrag auf das vorgeformte Blech -geschehen, weil nach Eintritt der Vernetzung keine plastische Verformung mehr möglich ist. Statt Harnstoff verwendet man zur Herstellung besonders hochwertiger Erzeugnisse Melamin (Triaminotriazin, Cyanursäureamid), das aus Harnstoff in großtechnischem Maßstab hergestellt wird und das mit Formaldehyd in saurem Medium das gut kristallisierende Hexamethylolmelamin bildet: NH2 NH - CH20H N(CH2OH)2 i i i H'' ''n + 3 CHjO n' "n +3CH20 n' N I || -------► I II -------► I II h2N"'C*n''C''nh2 HN'CVC'NH (HOH2C)2N^C«n^CvN(CH2OH)2 ch2 ch2 I I OH OH Bei längerer Reaktionszeit oder erhöhter Temperatur reagieren die Methylol-gruppen mit weiterem Melamin unter Ausbildung von Methylenbrücken oder -bei Reaktion von Methylolgruppen untereinander - von Methylolätherbrücken, und es entstehen engmaschig vernetzte, sehr harte und wärmebeständige Harze. Auch hier werden zunächst lösliche bzw. schmelzbare Vorkondensate hergestellt, die dann - mit Füllstoffen - durch Heißpressen zu Platten aushärten. Vermutlich kann man den Harzen Strukturfragmente der in Abb. 102 dargestellten Art zuschreiben. Abb. 102 : Struktur von Melaminharzen (Netzwerkausschnitt) Polycarbonate Die Reaktion von p,p'-Dihydroxy-diphenyl-propan-2 (Bisphenol-A), das man aus Aceton und Phenol erhält, mit Phosgen oder Kohlensäureestern hat zur Herstellung von Polymer-Werkstoffen Bedeutung erlangt, die sich durch besonders gute mechanische Festigkeit sowie durch Transparenz und hohe Erweichungstemperatur auszeichnen. Bisphenol-A-Polycarbonat wurde zuerst von H. SCHNELL [ 17 ] durch Grenzflächenpolykondensation (s. S. 116) hergestellt, wobei das Na-Salz des Bisphenol-A in der wässrigen Phase mit einer Lösung von Phosgen bzw. dem als Zwischenprodukt gebildeten Bischlorkohlensäureester des Bisphenol-A in Methylenchlorid (Dichlormethan) als organischer Phase vermischt wird; CH3 ch3 ... + CI-C-O-0-C-0-O-C-CI + no-ohQ>-chQ>-o-nq ♦ ... 0 ch3 0 ch3 Bischlorkohlensäureester - NaCl CH3 CH3 CH3 CH3 -----o^c^o-c-o^O>-c^o-c-o^Q>-c--c-0)-o----------------- ch3 0 ch3 0 ch3 0 ch3 Polycarbonat wird unter Verwendung von Pyridin als HCl-Acceptor auch durch Lösungspolykondensation hergestellt, wobei sich ein komplexes Salz aus Pyridin und Phosgen bildet. Polycarbonat aus Bisphenol-A und Phosgen ist ein klar-transparentes, fast farbloses Glas (Erweichungstemperatur um 170°C), das sich durch eine ungewöhnlich hohe Schlagzähigkeit auszeichnet. Polybenzimidazole Durch Reaktion von aromatischen o-Diaminen mit Carbonsäuren entstehen Imidazole: + HOOC-R — H2O frNH-£~R ^ NH *C-R N Führt man die gleiche Reaktion mit aromatischen Tetraminen und Dicarbon-säuren durch, erhält man gemäß Abb. 104 Polybenzimidazole . Die Polykondensation ist hier mit einer Ringschlußreaktion verbunden. Solche und andere Polymere mit aromatischen und heterocyclischen Strukturelementen in der Kette finden wegen ihrer hohen Erweichungstemperaturen ( > 500 °C) und ihrer chemischen Wärmebeständigkeit in steigendem Maße technisches Interesse. Zur präparativen Durchführung der Reaktion erhitzt man die aromatischen H2N> u u h2n-Q>- 3,3'- Diaminobenzidin Isophthalsäurediphenylestef I - n ©-o» NH2 NH2 0 0 H2N. ,NH-C-rf=*|-C-NH ,NH2 C -----O^NH-c-^TC-NnHQMOHNn, Mh2n-Q-Q-nh-c Polyamidamin (hypothetische Zwischenstufe, nicht isolierbar) | - n h20 -C' HN Polybenzimidazol llmidite, NARMCOI Abb. 104 s Synthese von Polybenzimidazolen nach MARVEL und VOGEL [ 18 ] Tetramine mit den Phenylestern der Dioarbonsäuren unter strengem Ausschluß von Sauerstoff unter hohem Vakuum zunächst ca. 1/2 Stunde auf 260° C, pulverisiert die erhaltene Masse und erhitzt diese unter Vakuum mehrere Stunden auf 400° C. Wegen der hohen Erweichungstemperatur der Polybenzimidazole liegen diese in keinem Stadium der 2. Reaktionsstufe als Schmelze vor. Das Pulver sintert lediglich etwas zusammen. Man führt daher bei größeren Ansätzen die ganze Reaktion in einer Kugelmühle durch. Polybenzimidazole sind in Dimethylsulfoxyd löslich. Aus 31 3 ' -Dimercaptobenzidin und Isophthalamid erhält man Polybenzthiazole. Polyimide [19 ] Bedeutend einfacher durchzuführen und daher auch technisch besonders interessant ist die Reaktion von Tetracarbonsäureanhydriden und Diaminen. In der ersten Reaktionsstufe, die bei normaler Temperatur exotherm verläuft, erhält man Polyamidcarbonsäuren, die beim Erhitzen auf 150 bis 250° C unter Abspaltung von Wasser und gleichzeitigem Verdampfen des Lösungsmittels in Polyimide übergehen. Die Polyimide bilden außerordentlich feste und zähe Filme mit einer hohen Dauertemperaturbeständigkeit um 250° C. [ Handelsnamen: Kapton, ML-Lack, Vespel (Dü PONT)]. Die Synthese verläuft nach dem in Abb. 105 dargestellten Formelschema. 0 0 ii n • •• + o(c^rc)o + h2n--o-©-nh2 ii n 0 0 PyromeHithsoure - 4,4-Diamino- dianhydnd (PMDA) diphenylather 0 0 ii ii ♦ °( )° + H2N-©-0 -@-NH2 + ••• II II 0 0 30 - 40° C tn N - Methylpyiroliflon oder Dimethylacetamid lOMA) 0 0 0 NH-C^. COOH HOOC C-NH--0-(Q>-NH-C H00C'k^'c-NH--0--NH-CJ^'C0OH HOOC 0 0 Polyamidcarbonsoure (,.A-A-Polymer" ) COOH C-NH-0-0- ■ n MjO 200 - 250° C Vakuum oder Ny - atmosphare ---O-K V©- o ©- < Ä' > -Q- o -©- < c^c II II 0 0 Polypyromellithimid >-©-0-0--- Abb. 105 : Synthese von aromatischen Polyimiden [19 ] Dm Polyamidcarbonsäuren mit hohen Molekulargewichten zu erhalten, ist es unbedingt erforderlich, das feste PMDA (möglichst frisch im Vakuum sublimiert) nach und nach in kleinen Portionen oder kontinuierlich unter Rührung zu der vorgelegten Diaminlösung zu geben und einen kleinen PMDA-Über-schuß zu verwenden. Die umgekehrte Verfahrensweise, Zugabe des Diamins zu einer PMDA-Lösung oder -Suspension, führt zu Polymeren mit bedeutend niedrigeren Molekulargewichten. Die als Zwischenstufe auftretenden Polyamidcarbonsäurelösungen zeigen eine Abnahme der Visoosität, die wahrscheinlich auf einen Kettenabbau zurückzuführen ist. Die Geschwindigkeit des Abbaus hängt in ganz auffallender Weise vom Lösungsmittel (s. Abb. 106 ) ab: In DMF ist sie am größten, in DMA deutlich geringer, und in N-Methylpyrrolidon bleibt die Viscosität nahezu konstant. Auch durch Zusatz von Benzol, Toluol oder Xylol zu DMF- oder DMA-Lösungen läßt sich der Abbau verhindern. Was die Drsache betrifft, so ist Zeit [Stunden] Abb. 106: Einfluß des Lösungsmittels auf die Beständigkeit (Viseosität) von Polyamidcarbonsäurelösungen (nach [20 ]). 1 ( + ) Dimethylformamid (DMF) 3 ( • ) DMF/Toluol 6O/4O 2 ( O ) Dimethylacetamid (DMA) 4 ( A ) N-Methylpyrrolidon es naheliegend, an eine durch die Anwesenheit der freien COOH-Gruppen bewirkte Hydrolyse zu denken. Man kann die Lösungen zwar unter strengem Ausschluß von Feuchtigkeit aufbewahren, aber man kann nicht verhindern, daß durch partielle Imidisierung immer wieder geringe Wassermengen neu entstehen. Die Synthese der Polyimide ist auch insofern bemerkenswert, als hier durch Erhitzen eines Polymeren, nämlich der Polyamidcarbonsäure, auf hohe Temperaturen an der Polymerkette eine chemische Veränderung vor sich geht, die eine ganz bedeutende Verbesserung der anwendungstechnisch interessanten Eigenschaften mit sich bringt. Wie wir noch an mehreren Beispielen sehen werden, ist das nicht die Regel. Im allgemeinen haben die bei höheren Temperaturen an Polymerketten stattfindenden Reaktionen eine ganz unerwünschte Verschlechterung der Eigenschaften zur Folge, so daß man gezwungen ist, Stabilisatoren zuzusetzen, die solche Reaktionen verhindern, wie z.B. die Oxydation von Polyolefinen oder die HCl-Abspaltung bei Polyvinylchlorid. Polyimidazopyrrolone (Pyrrone) [ 21 ] Dicarbonsäuren + Tetramine reagieren zu Polyimidazolen, Tetracarbonsäuren + Diamine geben Polyimide, und Tetracarbonsäuren + Tetramine führen zu den Polyimidazopyrrolonen (Abb. 107). 0< c II 0 /O c II 0 h2n nh2 c II 0 c'° * H2N30nDrNH2 c h2n^^ ^nh2 II 0 0 II ■* NH-C HO-C ii 0 OH 20-40° C (BHF) Hj. H OH ■ö Hj' H OH 0 -| I " II yrcxi" o=c \ ]Qc \ c ^c=o 0 = C _ C-NH , \ tXr n 1, ^ -H H2 -. .11, 0- r\ OH H: ;H, 0; OH Polyarninoamidcarbonsäure (..A-A A Polymer") - 2n H20 Polyimidazopyrrolon (.. Pyrrone") Abb. 107 s Reaktionsschema der Pyrrone-Synthese Die Synthesereaktion verläuft in zwei Stufen wie bei den Polyimiden. Die Lösung der isolierbaren Polyamidaminocarbonsäure, die beim Zusammengeben der Komponenten in DMF-Lösung bei gewöhnlicher Temperatur entsteht, v/ird auf Glasplatten ausgegossen und langsam auf 300° C erhitzt. Dabei entsteht unter doppelter H^O-Abspaltung das tiefrote Polymere als Film, aus dem sich das Lösungsmittel durch Erhitzen nicht vollständig entfernen läßt. Verwendet nan an Stelle von Diaminobenzidin Tetraminobenzol, so entstehen bei der Synthese Polymere mit Leiterstruktur (kurz Leiterpolymere genannt): Polyphenylenaether und Polysulfone ★ ) Unsubstituierte Polyphenylenaether sind unlösliche und unschmelzbare ' Substanzen und haben daher trotz ihrer hohen Wärmebeständigkeit bisher kein Interesse gefunden. Thermoplastisch und in vielen organischen Lösungsmitteln löslich ist dagegen das Dimethylderivat (kurz PPO genannt), das sich nach einem eleganten von A. HAY [22 ] gefundenen Syntheseverfahren aus 2,6-Dimethylphenol leicht darstellen läßt: ch3 ch3 ch3 ch3 H + H|-O-0h + H-O>-0H ♦ ^>-0H + ••• CH3 ♦ 0 : CH3 I ch3 ch3 h!o *n'2°2 H2° - n H20 chci3 Pyridin, HO Py -Cu-Cl Py 2C-30"C f3 ch3 ch3 ch3 ch3 4 1 ch3 ch3 1 >° V 0 $ 0 ö ^-0-Q-O- ch3 ch3 ch3 ch3 ch3 ch3 ch3 PPO - Synthese durch oxydative Kupplung Unter Wasserabspaltung findet beim Einleiten von Sauerstoff in eine Lösung des Phenols in Gegenwart eines Kupfer-Amin-Komplexes die Dehydrierung statt. Die Reaktion ist exotherm und verläuft bei normaler Temperatur unter Selbsterwärmung. Zur Vermeidung von Vernetzungen muß die Wärme abgeführt werden. Nach beendeter O^-Aufnahme wird die viscose Lösung des Polymeren in Methanol eingeführt, wobei das PPO als weiße bis gelbliche, faserige Substanz ausfällt. Setzt man dem Reaktionsansatz Butanol oder sonst ein Nicht-Lösungsmittel zu, verläuft die Reaktion als Fällungspolymerisation. Entscheidend für den Verlauf der Synthese ist eine genügend hohe Konzentration des Kupfer-II-Amin-Komplexes, der die Reaktion katalysiert. Hier ist die Bezeichnung Katalysator angebracht, denn es handelt sich nicht um eine Initiierung wie bei Kettenreaktionen. Die Reaktion ist eindeutig eine Stufenreaktion, wie die Abhängigkeit des Polymerisationsgrades vom Umsatz zeigt. Wahrscheinlich bildet der Kupfer-II-Amin-Komplex zunächst ein komplexes Salz mit dem Phenol, das dann mit dem nächsten Monomeren unter Austritt von Cu* reagiert, welches durch den anwesenden Sauerstoff wieder in Cu** übergeführt *) - im Gegensatz zu den Polyphenylensulfiden (PPS), die als "Ryton" [PHILLIPS PETR.] im Handel sind und bei > 300 °C thermoplastisch verarbeitet werden (Tg » 260 °C). wird. In gleicher Weise reagieren möglicherweise auch längere Ketten miteinander. Die bisher bekannt gewordenen Vorschläge für den Mechanismus der Reaktionen nehmen an, daß ein Phenoxyradikal als Zwischenstufe auftritt. Diese Annahme ist besonders deshalb wenig befriedigend, weil ein Phenoxyradikal, wenn es erst einmal da ist, über die mesomere Grenzform des Phenylradikals sofort in das Tetramethyldiphenochinon übergehen würde, das immer in geringen Mengen als unerwünschtes Nebenprodukt auftritt: Störungen der oxydativen Kuppelung, wie sie z.B. durch eine zu geringe Cu -Konzentration oder zu geringe Aminkonzentration (Pyridin oder andere tertiäre oder sekundäre Amine) eintreten, lassen unter Umständen das Chi-non zum Hauptprodukt der Synthese werden. Es dürfte daher mit zu den Hauptaufgaben des Cu^-Komplexes bei der Reaktion gehören, die Entstehung des Phenoxyradikals und damit die unerwünschte C-C-Kupplung zu verhindern. Es ist relativ leicht, nach dem Verfahren der oxydativen Kupplung Polymere mit hohen Molekulargewichten (um 100 000) zu erhalten. PPO (als Mischung mit Polystyrol: Noryl, GENERAL ELECTRIC) ist ein Thermoplast mit einer Erweichungstemperatur um 230 °C und bildet harte und zähe Filme, die nicht röntgenkristallin sind. Eine ältere Synthese [23 ] ging aus vom Natriumsalz des p-Chlor-2,6-dimethyl-phenols, das beim Erhitzen in polaren Lösungsmitteln unter strengem Ausschluß von Feuchtigkeit unter Abspaltung von NaCl den Polyphenylenaether bildet. Auf ähnliche Weise, nämlich aus dem Na-Salz des Bisphenol-A und 4,4'-Dichlordiphenylsulfon, wird ein Polyphenylensulfonäther (Handelsname: Udel, UCC) hergestellt [ 24]: CH3 ch3 ----0^S02^0^-C-^0^-S02^0^C^0 CH3 CH3 Aromatische Polyäthersulfone mit regelmäßigem Wechsel von Aether- und Sulfongruppen lassen sich durch Polykondensation des Diphenyläthersulfonsäurechlorids herstellen (J. B. ROSE [25 ]): O'°''S02_O‘0_<^‘S02hO"0 Synthesen von aromatischen Polysulfonen, in denen die aromatischen Reste nur durch Sulfongruppen verbunden sind, wurden von R. GABLER und J. STTJDINKA [ 26 ] beschrieben. Polyamidsulfonsäure Von O.E. SASS und B. VOLLMERT wurde die Darstellung eines neuen Monomeren aus Toluol und Schwefelsäure beschrieben [ 27 ], das durch Umkristallisieren aus 200 °C heißer konzentrierter Schwefelsäure in hoher Reinheit erhältlich ist: Disulfoca rboxyanhydr id (DSCA) Durch Reaktion dieses Sulfocarboxyanhydrides mit aromatischen Diaminen, z.B. Benzidin, 4,41-Diaminodiphenyläther oder 4,4'-Diaminodiphenylsulfon, in polaren Lösungsmitteln wie Dimethylacetamid oder N-Methylpyrrolidon bilden sich Polyamidsulfonsäuren, die nach Abdampfen des Lösungsmittels feste und zähe, klar-transparente Filme ergeben: H03S, ° 0 S03H {'■0_so2H0‘^"NHH0~so2H0^NH_^H0"s°3'0_ir"NH— 0 'so3h ho3s^ 0 Aromatische Polyamidsulfonsbure (farbloser Film) Polyhydantoine und Polybenzoxazindione Durch Reaktion von bifunktionellen aromatischen Diisocyanaten (i) und bifunktionellen aromatischen BisglycineBtern (il) gelang es R. MERTEN filmbildende, wärmebeständige Polyhydantoine mit Molekulargewichten um 25 000 zu erhalten [ 28 ]. Die Reaktion muß so geführt werden, daß die Methanolab- Spaltung erst dann erfolgt, wenn die kettenbildende Reaktion der Isocy-anatgruppen mit den Aminogruppen beendet ist: H3C 0 u r 1 M h3c"C-C-OCH3 0 CH3 II » ru H3CO-C-C"ch3 H3C 0 •3' ,v.-i.-uLn3 n3t,u-L —C'‘J h3^"C — C-OCH3 m3lu- " ° "O“ nh C-^N “Ö“0 “O“N ^chn “O“0 “O“ nh C^N “O"0 N 0 CH3 11 » H3CO-C-C'CH3 ♦ v *CHN- -CH3OH|Kresol H3C 0 0 CH3 H3C 0 0 CH3 Hsc~c— C C-C'CHJ HjC'C-C C-C'CH3 • 0 -©- N -Q- 0 -0- N N -Q- 0 -0- N N -0- 0 -0- N N-------------------- Polyhydantoin Mit bifunktionellen Hydroxycarbonsäuren, im Beispiel: 2,5-Dihydroxy-terephthalsäureester (i), reagieren bifunktionelle aromatische Iso — cyanate (H) zu Polybenzoxazindionen (L. BOTTENBRUCH [29]): OH ♦ C. /-=r\ /rzr\ £■ ♦ HO (I) OR HN i-O-"- -ROH 0 -n ROH DMS, DABCO Polybenzoxazindion DMS = Dimethylsulfoxyd, DABCO = 1,4-Diazabicyclo[2.2.2.]-oktan Polyaethylensulfid (Thiokol) Durch Reaktion von 1,2 - Dichloraethan mit Natriumtetrasulfid läßt sich ein kautsohukelastisches Polymeres hersteilen. Die Synthese verläuft wahrscheinlich nach folgender Gleichung: ••• + C|-CH2-CH2-Cl + Na-S-S-S-S-Na + C|-CH2-CH2-CI + Na-S-S-S-S-Na + ••• I - n NqCI -----CH2-CH2-S-S-S-S-CH2-CH2-S-S-S-S-CH2-CH2-S-S-S-S-CH2-CH2'~~— Es ist nicht sicher, daß die Anzahl der Schwefelatome pro Segment immer genau 4 beträgt. Auch für die Konstitution der Schwefelsegmente sind andere Möglichkeiten diskutiert worden. Thiokol ist ein gegen fast alle organischen Lösungsmittel beständiger Kautschuk und wird daher als Dichtungsmaterial geschätzt. Von Nachteil sind seine nicht sehr gute Alterungsbeständigkeit, sein kalter Fluß und sein unangenehmer Geruch. Silicone, Polykieselsäure, Silicatglas Diese als Öle, Kautschuke und harte Lackharze herstellbaren Polymeren entstehen durch Reaktion von Dichlorsilanen mit Wasser und Kondensation der entstandenen, im monomeren Zustand nicht isolierbaren Dialkylkieselsäuren untereinander und mit Alkylchlorsilanen. Dabei entstehen Makromoleküle, in denen der Kohlenstoff als bindendes Element in der Kette ganz fehlt: = h3 CHj CH3 + Cl-S.-Ci I I CH3 II Cl-Si-Cl + H20 --► CI-Si-OH -------=-*■ Cl-Si-O-Si-Cl ♦ HCl I I II CH3 CH3 + HCl CH3 CH3 Dl methyldichlorsilan CH3 CH | I 3 ch3 ch3 CI -Si-O-Si- CI + h2o —► H0- Si-O- Si-OH + 2 HCl CH3 CH 3 ch3 ch3 ch3 CH3 ■ ch3 ch3 ch3 ch3 2 HO-Si-O- S|-0H ► HO-Si-O -Si-0 -Si-O- Si-OH + h2o CH3 ch3 _ ch3 ch3 ch3 ch3 cn3 Cl-S.-Cl I Ch3 ch3 ch3 ch3 ch3 ch3 I I I I I HO-Si-O-Si-O-Si-O-Si-O-Si-Cl + HCl 1 1 i 1 1 ch3 ch3 ch3 ch3 ch3 Polysiloxane usw. Durch Mitverwendung von Trichlorsilanen entstehen vernetzte Polymere und durch Zusatz von Monochlorsilanen abgesättigte Kettenenden: cn3 CH3 ch3 ch3 H3C-Si-CI ♦ CI-Si-CI *• Cl-Si-Cl + Cl-Si-Cl + ch3 ch3 CI ch3 CI h3c-Si-ch3 CI ch3 ch3 CI 1 ch3 H3C-Si-CI + Cl-Si-Cl ► Cl-Si-Cl + Cl-Si-Cl + CHj ch3 ch3 ch3 ♦ x HOH ch3 CH ch3 ch3 H3C- Si — 0—Si—C D—Si — 0— Si — 0 — ch3 ch3 ö ch3 CH3-Si-CH3 + 2 * HCl ch3 ch3 0 ch3 H3C-Si-0-Si-0-Si-0-Si-0- X -o X -o ch3 ch3 Die technische Synthese der Silicone geht von cyclischen Verbindungen aus, die durch Destillation rein darstellbar sind, dem Trisiloxan-6-Ring oder dem Tetrasiloxan-8-Ring. Beim Erwärmen mit KOH als Initiator bildet sich daraus rasch unter starkem Viscositätsanstieg ein kautschukelastisches Polymeres: ch3 ch3 ch3 ch3 ch3 ch3 ch3 cm3 ch3 O-Si-O-Si-O-Si-O-Si-O-Si-O-Si-O-Si-O-Si-O-Si-O CH3 CH5 CH3 CH3 CH3 CH3 CH3 CH3 CH3 H3C ,ch3 >"° cn3 I l'CH3 H3C—Si 0 / \ / H3C o — Si I ^ch3 ch3 KOH Durch Abfangen der Polykondensation mit Essigsäureanhydrid kann man Silicone als pastöse Zwischenstufen isolieren, die als Dichtungsmaterial weite Verbreitung gefunden haben. Beim Kontakt der aus einer Tube ausgepreßten Masse mit feuchter Luft geht unter Essigsäureabspaltung die Polykondensation langsam weiter, und es entsteht ein kautschukelastisches Polymeres, vor allem, wenn man von verzweigten Zwischenprodukten ausgeht: ch3 ch3 gh3 ch3 0 I I II II Si-0-Si-0-Si-0-Si-0-C-CH3 i I i i 3 ch3 ch3 ch3 ch3 o ch3 ch3 ch3 ch3 HOH + CH3-C-0-Si-0-Si-0-Si-0-Si-~- I I I I ch3 ch3 ch3 ch3 ch3 n-c;_n_ CH3 c :_n- ch3 C: _ n — ch3 1 C : _ r» _ ch3 C n- ch3 c i — n — ch3 1 C n — ch3 1 ch3 1 _ c . _ O 5 (*> I ) 31 u CH3 31 U ch3 31 U ch3 31 U 1 ch3 31 U 1 ch3 31 U ch3 31 U 1 ch3 31 U 1 ch3 — ♦ 2 CH3C00H Die Silicone stehen nach Struktur und Eigenschaften zwischen den organischen und anorganischen Polymeren (Glas, Asbest, Wasserglas). Wie bei den Gläsern läßt sich auch bei den Siliconen ein Teil der Siliciumatome der Kette durch Atome anderer Elemente wie Aluminium, Bor oder Blei ersetzen L 30 ]. Polymere Kieselsäure entsteht durch Polykondensation von Kieselsäure, z.B. wenn man Siliciumtetrachlorid vorsichtig hydrolysiert und das gebildete HCl durch Dialyse entfernt: OH OH OH I I i HO-Si-OH + HO-Si-OH + HO-Si-OH + — I i I OH OH OH I OH OH OH OH OH HO-Si-O-Si-O-Si-O-Si-O-Si-O i i i i i OH OH OH OH OH Durch weitere Kondensation bilden sich verzweigte und vernetzte Kieselsäuren, die sich als Gel abscheiden. Die Herstellung von anorganischen Gläsern kann man als "Umkondensation" von SiO^ (Quarzsand) mit Hilfe von Soda und Kalk auffassen [ 31 ]J i i i 0 0 0 I I I -Si-0-Si-0-Si-0- I I I 0 0 0 -Si-0-Si-0-Si-0- I I ♦ x No2CO3 ♦■y CaO I NaO-Si-OCa-Na I 0 0 1 I 0 I -Si- I 0 I -O-Si-O-Si-O-Si-O-Si-O-Si-O-Ca- I I I I I 0 0 0 0 0 0 0 0 — Si—0 — Si—0 — Si — 0 — 1 Ca Na 1 Ca Na 1 Ca | 1 1 1 0 0 Quarz (ebene Projektion) 1 -Si- 0 — Si— 1 0 —Si — O-Na ♦ X CO2 el 0 0 Na Na 1 Ca Glas VERFAHRENSTECHNIK DER POLYKONDENSATION Entsprechend der verschieden großen Reaktionsfähigkeit der zur Reaktion gelangenden Stoffe gibt es keine allgemein anwendbare Methode für die Durchführung von Polykondensationsreaktionen. Schmelzpolykondensation Zur Herstellung von Polyestern und Polyamiden (z.B. Nylon 66) erhitzt man die Komponenten gewöhnlich in einem trockenen Inertgasstrom (meist Stickstoff) längere Zeit (24 - 48 Std) auf höhere Temperaturen, derart, daß man im Laufe der Reaktion die Temperatur langsam steigert (bis 250°),wobei das Reaktionswasser abdestilliert. Bei flüchtigen Komponenten führt man den ersten Teil der Reaktion - um Monomerverluste zu vermeiden und die Äquivalenz der reaktiven Gruppen zu erhalten - unter Druck im geschlossenen Reaktor und den letzten Teil der Reaktion unter Vakuum aus, wodurch die Wasserkonzentration erniedrigt und damit das Molekulargewicht erhöht wird. Die chemische Industrie verwendet heute kontinuierlich arbeitende Anlagen zur Herstellung von Polyamiden ("VK-Rohr") und Polyestern durch Schmelzkondensation [32] . Lösungspolykondensation Besonders hohe Molekulargewichte lassen sich erreichen, wenn man die Komponenten in inerten Lösungsmitteln wie Toluol und Xylol unter Zusatz eines Veresterungskatalysators (p-Toluolsulfonsäure) erhitzt und das Reaktionswasser mit dem siedenden Lösungsmittel azeotrop kontinuierlich entfernt, indem das getrocknete Lösungsmittel wieder in den Reaktionsraum zurück- geführt wird, wie es auch bei normalen Veresterungen üblich ist ("Auskreisen des Wassers"). Je schärfer man das im Kreislauf geführte Lösungsmittel trocknet, desto höher wird das Molekulargewicht der Polykondensate. Auf diese Weise lassen sich Polyester mit Molekulargewichten über 100 000 hersteilen (H. BATZER [ 3J]). Disäurechloride und Diamine werden in polaren Lösungsmitteln wie DMA oder NMP unter Zusatz von Li2C0j, LijO oder LiH umgesetzt. Der entstehende Chlorwasserstoff wird unter Bildung von LiCl und H20 bzw. H2 gebunden. LiCl fördert die Löslichkeit der entstehenden Polyamide, wodurch die Synthese aromatischer Polyamide (Aramide) erst möglich wurde: NOMEX (Du Pont) aus Isophthalsäuredichlorid und m-Phenylendiamin und KEVLAR (Du Pont) aus Terephthalsäuredichlorid und p-Phenylendiamin. Grenzflächenpolykandensation Die Polykondensation von Säurechloriden und Diaminen oder Diolen läßt sich in eleganter Weise in einem Zweiphasensystem durchführen. Man unterschichtet zu diesem Zweck in einem Becherglas eine verdünnte wäßrige Lösung eines Diamins mit einer verdünnten Lösung des Dicarbonsäuredichlorids in einem mit Wasser nicht mischbaren Lösungsmittel, z.B. Methylenchlorid. Dann bildet sich an der Phasengrenzfläche ein dünner Film des momentan entstehenden Polyamids. Man kann diesen Film mit einem Glasstab an einer Stelle herausziehen und durch vorsichtiges Drehen als Schlauch auf einem Glasstab oder einer Walze aufwickeln (Abb. 117 )• Wenn man die Konzentrationen von Diamin und Säurechlorid richtig eingestellt hat, reißt der Polymerfaden (Schlauch) nicht ab, Bondern man kann ihn - da der Film an der Grenzfläche in dem Maße, wie man ihn als Schlauch in der Mitte abzieht, vom Rande des Glases her laufend nachgebildet wird - immer weiter aufwickeln, bis die Lösung schließlich so verdünnt wird, daß er abreißt. Das bei der Reaktion entstehende HCl diffundiert in die wäßrige Phase und wird von dem Diamin als Salz gebunden. Die Molekulargewichte von so dargestellten Polyamiden sind relativ hoch (E.L. WITTBECKER, P.W. MORGAN [ 34 J). Bei Durchführung der Grenzflächenpolykondensation im technischen Maßstab verteilt man die eine Phase durch Rühren in Form kleiner Kügelchen in der anderen, wobei der Film fortlaufend von der Oberfläche in Form kleiner Fetzen abgeschlagen wird. Bei der Grenzflächenpolykondensation muß, wenn man Polymere mit hohen Molekulargewichten erhalten will, das Konzentrationsverhältnis der Monomeren in Abb.117 i Apparatur zur Herstellung von Polyamiden durch Grenzflächenpolykondensation H Hexamethylendiamin (4.4 S in 50 cm3 H2O) S Sebazinsäuredichlorid (3 cm3 in 100 cm3 CCl^) den beiden Phasen so eingestellt werden, daß unter Berücksichtigung der Diffusionsgeschwindigkeiten der Monomeren Äquivalenz der funktionellen Gruppen in der Reaktionszone vorliegt. Festphasenpolykondensation Es ist ein bemerkenswertes, für makromolekulare Stoffe typisches und in der Chemie der niedermolekularen Verbindungen unbekanntes Phänomen, daß die verfahrenstechnischen Details der Synthesereaktion (wie Druck, Temperatur, Lösungsmittelkonzentration, Reaktantenverhältnis) unmittelbar die Struktur, insbesondere das Molekulargewicht, aber auch andere Strukturparameter wie die Molekulargewichtsverteilung, den Verzweigungsgrad, die Taktizität oder die Sequenz der Struktureinheiten der entstehenden Moleküle beeinflussen. Im Falle der Festphasenpolykondensation geschieht dies durch den Zerteilungsgrad eines Polykondensats . Entscheidend für das bei Polykondensationen mit Wasserabspaltung erreichbare Molekulargewicht ist die Wasserkonzentration in der reagierenden Masse [ s. Gl. (23) S. 85 ]. In einem kleinen Laboransatz bedeutet es keine besondere Schwierigkeit, den Wassergehalt mit Hilfe eines hohen Vakuums oder eines trockenen Stickstoffstroms auf niedrige Werte zu senken. Je größer jedoch bei Schmelzpolykondensationen der Ansatz wird, desto schwieriger wird es, den Wassergehalt in einer wirtschaftlich tragbaren Zeit auf Werte unterhalb 0,006 ^ J zu erniedrigen, weil die Diffusion aus einer großvolumigen hochviskosen Polykondensatschmelze nur langsam erfolgt. Om speziell bei der großtechnischen Herstellung von Polyterephthalaten (bei Polyestern braucht man relativ niedrige Wasserkonzentrationen wegen der relativ niedrigen Gleiohgewichtskonstanten) Produkte mit höheren Molekulargewichten zu erhalten (die für den Spritzguß-Einsatz erwünscht sind), stellt man zunächst ein Polybutylterephthalat (PBTP) oder Polyaethylenterephthalat (PETP) oder Copolymere wie üblich durch Schmelzpolykondensation her, granuliert die Masse durch Extrudieren und setzt das Granulat in großen Reaktoren bei Temperaturen, die kurz unterhalb der Schmelztemperatur liegen, einem trockenen Stickstoff- Abstand von Kornmitte Abb. 118 • Molekulargewichtsverteilung in einem Polyterephthalat-Granulatkorn. Die angegebenen Molekulargewichte sind ihrerseits wieder Mittelwerte im Rahmen einer SCHULZ-FLORY-Verteilung. *) Bei diesem Wassergehalt der Schmelze beträgt das mittlere Molekulargewicht M = 20 000 : Bei Mmon = 114 entspricht das Pn = 175 und einem Umsatz von p - (P - 1) / P = 0,9943 • Daraus resultiert [h20] = Kp•(1 - p)2 / pn= 0,000327 (mit Kp = 10). Mit diesen Daten liefert Gl. (9*) S. 89 : Cj^q = 0,006 % . ström aus. Dabei wird das Molekulargewicht von 15 000 auf Werte um 30 000 angehoben. Die Ursache für diesen Effekt ist darin zu suchen, daß in den kleinen Granulatkörnern (Durchmesser 2 bis 4 nun) eine raschere Diffusion des Reaktionswassers an die Kornoberfläche erfolgt, wo es vom trockenen Stickstoffstrom aufgenommen und abgeführt wird. Abb.118 macht deutlich daß in den Randzonen, in denen der Wassergehalt am niedrigsten ist, das Molekulargewicht die höchsten Werte erreicht, während dem Kornmittelpunkt zu die Rn-Werte immer niedriger werden. Beim späteren Aufschmelzen des Granulats bei der Konfektionierung oder der Verarbeitung im Extruder oder in der Spritzgußmaschine wird das Material wieder homogen in Bezug auf die Molekulargewichtsverteilung, die freilich bei Festphasenpolykondensaten immer breiter sein wird als bei normalen Schmelzpolykondensaten. 2.3 ENZYMATISCHE POLYMERSYNTHESEN Im lebenden Organismus wird die Synthese von makromolekularen Verbindungen durch Enzyme bewirkt, wie wahrscheinlich alle in der lebenden Zelle ablaufenden Reaktionen enzymatisch gesteuert werden. Zahlreiche Enzyme sind seit langem aus Pflanzen, tierischen Organen und aus Mikroorganismen isoliert worden, so daß man enzymatische Synthesen auch "im Reagenzglas" (in vitro) ablaufen lassen kann. Im Hinblick auf ihre Funktion werden Enzyme durch die Bezeichnung Biokatalysatoren richtig charakterisiert. Sie sind in der Lage, die Aktivierungsenergie einer Reaktion so stark herabzusetzen, daß diese bei Temperaturen um 10 bis 40 °C mit der für ihre Funktion in der Zelle optimalen Geschwindigkeit abläuft. Im Hinblick auf ihre chemische Konstitution (Primärstruktur) sind Enzyme Proteine, also lineare oder verzweigte Polyamide mit 20 verschiedenen Struktureinheiten, entsprechend den 20 verschiedenen, in Proteinen vorkommenden Aminosäuren, die bei jedem Protein in einer genau definier ten, von Protein zu Protein verschiedenen, aber bei allen Makromolekülen einer Proteinart gleichen Reihenfolge (Sequenz) in der Kette angeordnet sind. In dieser Feststellung ist schon enthalten, daß Enzyme im strengen Sinne monodispers in Bezug auf die MolekülgröQe sind, d.h. alle Makromoleküle einer Proteinart haben exakt den gleichen Polymerisa-tionsgrad. Auch die Synthese der Enzyme verläuft ihrerseits wieder unter Mitwirkung von Enzymen, die letztlich mit den Keimzellen - zusammen mit der Information für die Aminosäuresequenz der Enzymketten - von Generation zu Generation übertragen werden. Die enzymatische Aktivität ist durch eine wohldefinierte, von Molekül zu Molekül einer Spezies gleiche Tertiärstruktur bedingt, die durch eine Faltung der oc.-Helix zustandekommt und durch Disulfidbrücken, Was- *) serstoffbrückenbindungen und sterische Effekte der AS-Substituenten stabilisiert wird. Mit der Primärstruktur der Proteinkette liegt stets auch schon die Tertiärstruktur fest: Sie ist die sich aus der Primärstruktur - in Analogie zur Bildung von Kristallen - zwangsläufig ergebende thermodynamisch stabile räumliche Anordnung der Kettenspirale. Als typische Beispiele für Tertiärstrukturen zeigt Abb.120 die Strukturen von Hämoglobin und Myoglobin, den Sauerstoffüberträgern im Blut bzw. im Muskel, die durch Röntgenstrukturanalyse aufgeklärt wurde (PERUTZ und KENDREW [ 35 ]). Abb. 120: Tertiärstrukturen nach M.F. PERUTZ und J.C. KENDREW [35] a) p-Kette des Hämoglobins b) Myoglobin *) AS = Aminosäure Dank ihrer geometrischen Form können Enzyme wie Werkzeuge oder Instrumente wirken, die in der Lage sind, einzelne Moleküle - und zwar immer nur Moleküle einer ganz bestimmten Art, solche nämlich, die gerade in strukturbedingte "Nischen" und "Falten" des Enzymmoleküls hineinpassen -zu "ergreifen" und in bestimmten Positionen festzuhalten, die die jeweiligen Reaktionen optimal begünstigen. Dieser Enzym-Substrat-Komplex ermöglicht 1. die starke Erniedrigung der Aktivierungsenergie und 2. die extrem hohe Spezifität der enzymatischen Reaktionen. Man vergleicht gern und treffend die Beziehung Enzym-Substrat mit dem Verhältnis von Schloß und Schlüssel. Enzyme sind in der Lage, sich ihr Substrat aus Mischungen mit einer Vielzahl von anderen Verbindungen herauszunehmen. Dieselbe Struktur, die die hohe Spezifität bedingt, ermöglicht auch das Abstoppen einer Enzymkatalyse durch Blockieren der aktiven Stelle des Enzymmoleküls durch ein ebenfalls auf das Schloß passendes Fremdmolekül (Kompetitive Hemmung Abb. 122/1a ). Man kennt aber auch Beispiele dafür, daß die Aktivität eines Enzyms durch sog. Effektormoleküle (s.Abb.122/lb) gesteuert wird, deren Paßstelle oder Kontaktstelle nicht mit der des Substrats identisch ist, durch deren Addition aber der das Substrat bindende Ort des Enzym-Makromoleküls so verändert wird, daß das Substrat nicht mehr paßt (Allosterischer Effekt [ J6 ]). Effektor kann z.B. das durch die enzymatische Synthesekette entstehende Endprodukt sein. Eine weitere Möglichkeit, die Produktion (bzw. den Abbau) eines Stoffes zu regulieren, besteht darin, daß die Synthese eines der für die Bildung dieses Stoffes notwendigen Enzyme geregelt wird. Das geschieht durch Blockierung und Freigabe des für die Synthese des Enzyms zuständigen Genabschnitts, wie in Abb.122/2 dargestellt ist (katabolisches und anabolisches Operon [ 57 ]). Induktor ist im Falle 122/2a eine im Nährmedium vorhandene oder auch nicht vorhandene Substanz (z.B. Glucose oder Lactose), die in den wachsenden Zellen zu CO^ und Wasser abgebaut wird. Das Enzym wird nur benötigt, wenn der Nährboden die betreffende Substanz enthält. Nur dann wird der Repressor inaktiviert und der Operator ist frei, d.h. die Transcription (S. 150ff.) und damit die Enzymsynthese kann ablaufen. Im Falle der Abb.122/2b dagegen ist der Effektor eine Substanz (Glucose, Aminosäure), die zum Aufbau von Zellbausteinen (Cellulose- oder Proteinmolekülen) benötigt wird, und deren Synthese daher gefördert werden a ENZYM Ml! SUBSTRAT Cs » C» X-*' Y-Y' KOMPLEMENTÄRE z-z' PSEUDOSUBSTRAT V IN KONKURRENZ MIT S BEI HOHER »-KONZENTRATION FUNKTIONELLE GRUPPEN KONFORMATIONSANOERUNG BEI A, VERURSACHT DURCH ADOITION OES EFFEKTORMOLEKÜLS E BEI B Abb.122/1 : Desaktivierung von Enzymen a) durch kompetitive Hemmung b) durch den allosterischen Effekt Abb.122/2 : Steuerung von Enzymsynthesen durch Verriegelung und Freigabe eines Gens (DNS-Abschnitts) mit Hilfe eines Repressors, der das Gen nur dann verschließen kann, wenn er a) von seinem Induktor getrennt ist (katabolisches Operon), oder wenn er b) mit seinem Induktor verbunden ist (anabolisches Operon), nach PARDEE, JAKOB, MONOD [ 3?] soll, wenn sie zur Neige geht. Gerade dies geschieht nach dem Regelschema b. Je geringer nämlich die Konzentration der benötigten Effektor-Aminosäure ist, desto mehr Operator-Gene sind frei, so daß die Trans-cription für das entscheidende Enzym stattfindet und die Aminosäuresynthese in Gang kommt. Weil jeder Schritt einer Synthesekette durch Enzyme katalysiert wird, gibt es eine sehr große Zahl von verschiedenen Enzymen in der lebenden Natur. Trotzdem hat (wegen der bei hohen Molekulargewichten mit 20 vertut- ) schiedenen Struktureinheiten unvorstellbar großen Zahl von möglichen Primärstrukturen)die Natur den vorhandenen Spielraum bisher bei weitem nicht ausgeschöpft. Xm folgenden Abschnitt werden einige Beispiele von enzymatischen Synthesen beschrieben. Wenn man auch durch die Aufklärung von einigen Tertiärstrukturen von Enzymen einen gewissen Einblick in das Prinzip ihrer Wirkung gewonnen hat, so ist der Mechanismus des Reaktionsablaufs im Einzelnen immer noch unverstanden. Auch die durch die reversible Verbindung eines Protein-Makromoleküls mit dem kleinen Effektormolekül bewirkte allosterische Veränderung der Tertiärstruktur ist schwer zu verstehen. 2.5.1 POLYSACCHARIDSYNTHESEN Stärke wird durch Phosphorylase, ein z.B. aus Hefe oder Kartoffeln erhältliches und auch im Muskel vorkommendes Enzym, zu Glucose-1-phosphat (Cori-Ester) abgebaut. Das gleiche Enzym ist in der Lage, aus Glucose-1-phosphat ein Polysaccharid aufzubauen, das in seinen Eigenschaften mit Amylose ^ (Formel s. S. 49 ) übereinstimmt (E.HUSEMANN [58 ]): CH20H Wachsende Amylose-Kette Pn CH20H e ii 0-1 O-P-O -< ) 'e VfbH Glucose-1-phosphat Phosphorylase ch2oh ch2oh fOH Wachsende Amylosekette +1 0 0 11 0-P-OH Phosphor -saure Phosphorylase knüpft nur oc-1,4-Bindungen, so daß das entstehende Polymere unverzweigt ist. Es gibt andere Enzyme, die die Bildung von 1,6-Polyglucosiden katalysieren, so daß mit Hilfe von Enzymgemischen auch *) **) *) Stärke ist ein Gemisch von Amylose (unverzweigtes Poly-oc-1,4-D-gluco-sid) und Amylopektin (verzweigtes Polyglucosid, cc-1,4 und oc-1,6). **) Die Zahl liegt bei 10^^ bis 10^^(s.S. 205). Wir wissen nicht, wieviele dieser Sequenzen als Enzyme brauchbar sind. Daher steht die obige Aussage auf unsicheren Füßen. verzweigte Polysaccharide nach Art des Glykogens ' entstehen können. Nicht nur aus Glucoseestern der Phosphorsäure, sondern auch aus Glucose selbst können auf enzymatischem Wege Polyglucoside (Glucosane) entstehen. Das zeigt die Synthese des Pullulans mit Hilfe eines Hefepilzes, Pullularia pullulans. Pullulan ist ein wasserlösliches Polysaccharid, in dessen Molekülketten wahrscheinlich in regelmäßigem Wechsel auf drei (X-1,4-Glucosidbindungen immer eine oc-1,6-Verknüpfung folgt: CH2 ch2oh ch2oh ch2 0, jOH ch2oh ch2oh ch2 ch2oh ch2oh ch2 0 Auch die Pullulansynthese läuft vermutlich über ein Phosphat als Zwischenglied, da eine direkte Vereinigung von Glucose zu Polyglucosid aus thermodynamischen Gründen in einem wäßrigen System nicht zu langen Ketten führen kann. ■**) Anders ist das bei der Synthese von Dextran , die mit Hilfe verschiedener Enzyme (z.B. aus Leuconostoc mesenteroides) möglich ist und auch technisch durchgeführt wird, weil sich Dextranlösungen als Blutersatz-Flüssigkeit und Dextran-Gele (Vernetzung durch Reaktion mit Epichlorhydrin) als Säulenfüllung bei chromatographischen Trennungen (Sephadex-Gel) bewährt haben. Bei der Dextran-Synthese dient nicht Glucose, sondern Saccharose als Substrat, so daß hier die Glucose-Fructose-Bindung in eine Glucose-Glucose-Bindung umgewandelt wird. Wahrscheinlich wächst die Kette in der Weise, daß bei jedem Wachstumsschritt zunächst ein Saccharoserest zwischen Enzym und Kette tritt und dann aus dieser Zwischenverbindung Fructose austritt (F. PATAT [39 ]): Enzym-Dextrankette(P ) + Saccharose '*— *) **) [Enzym-Saccharose-Dextrankette(P )] I, . Enzym-DextrankettelP .) + Fructose n+1 *) Glykogen ist das Reservepolysaccharid der Leber. Es ist noch wesentlich stärker verzweigt als Amylopektin. **) Poly-ot-1,6-D-glucose In ähnlicher Weise wird wahrscheinlich auch Cellulose durch ein Enzym, das in Acetobacter xylinum vorkommt, aus Zucker synthetisiert (Bakteriencellulose) . 2.J.2, DIE BIOSYNTHESE DES NATURKAUTSCHUKS Kautschuk, der in großem Maßstab aus Hevea brasiliensis gewonnen wird, entsteht nicht wie die Synthesekautschuke durch eine Polymerisationsreaktion von Isopren, sondern in Analogie zu den Polysacchariden und Nucleinsäuren durch eine enzymatische Polykondensation unter Abspaltung von Pyrophosphat. Als Monomeres dient Isopentenylpyrophosphat, das aus Essigsäure über Acetessigsäure und Mevalonsäure als Zwischenstufen entsteht. A^-Isopentenylpyrophosphat wird durch ein in frisch gezapftem Latex noch in aktiver Form enthaltenes Enzymsystem unter Austritt von Pyrophosphat zu Kautschuk polykondensiert (F. LYNEN [40 ]): CH3 V = -CH2 C=CH. OH OH I CH3 \ ' ‘ — C H ? v xch2-o-p-o-p-oh + ch2-^ V II II 0 0 Wachsende Kautschukkette OH OH 1 1 ch2-o-p-o-p-oh ii ii 0 0 Isopentenylpyrophosphat Enzym aus Hevea brasiliensis ch3v -CH/ C = CH CH 3\ ch2-ch2/ OH OH OH OH C=CH. 11 ii NCH2-0-P-0-P-0H + HO-P-O-P-OH II II II 11 0 0 0 0 Pyrophosphorsäure 2.5.5 DIE KOPIERENDE SYNTHESE DER DNS (REPLIKATION) STRUKTUR DER DNS Desoxyribonucleinsäure (DNS oder DNA) ist der Hauptbestandteil der Chromosomen. Als dem Träger der Erbinformation kommt ihr in der gesamten belebten Natur eine zentrale Bedeutung zu. Dieser Aufgabe entsprechend unterliegt DNS im lebenden Organismus nicht wie die meisten anderen Makromoleküle einem Stoffwechselzyklus, bei dem nebeneinander fortwährend Polymerketten ab- und aufgebaut werden (Kontrolle durch radioaktiv markierte Monomere). DNS ist ihrer Konstitution nach ein linearer Polyester mit Phosphorsäure als Dicarbonsäurekomponente (die dritte Funktion wird nicht für die Kettensynthese genutzt) und einer substituierten Desoxyribose (Pentose) als Mol-Komponente. Sie ist molekular-einheitlich. Ihre Molekulargewichte sind außerordentlich hoch und liegen bei isolierten Präparaten in der Größenordnung von 10^ bis 10^. DNS ist nur hinsichtlich des Konstitutionsprinzips der Kette und der Art der Struktureinheiten (eine Säure und vier verschiedene Diole) eine Substanz, die man mit einem Namen bezeichnen kann, nicht aber hinsichtlich der Anordnung der Struktureinheiten ln der Kette. Es gibt in der Natur so viele verschiedene DNS, wie *) es verschiedene Arten von Organismen gibt. Jede Art hat ihre eigene, nach Kettenlänge und Nucleotidsequenz genau festgelegte DNS. p / \ 0 OH H ch2 H i'<\ /C * N i ' CH- N i -5C'CH, y\ o / °: V* ✓ V 0 OH i H CH, hi'0v I CH- -y-C.'CH, V ... 0 OH \ ch2 HC'°s HC. 'CH-CHj V ... 0 OH Adtnin -NHj ,C-N Cyto.m N *C-NH2 C-C 0 ,C-NH -nn ;c-o c-c' - H CH3 Thymin \ CH, H HC'°v /C*N 1 CH- N I ”5'CH, V*cx F C-< V'"- * Vhh / \ ) OH nh2 s ch2 0 HC'°n ./K J Cytosin CH----"C'CH, v...... 0 OH C-C H H Emzelstrang (A) (C) (T) (G) (C) Abb.126:Primäretruktur der DNS gemäss der CHARGAPP1sehen Komplementaritätsregel ------------ Spaltung durch Desoxyribonuclease *) Wenn man auch geringe Strukturunterschiede noch berücksichtigen wollte, müßte man sagen: Jedes Individuum hat seine eigene DNS. Ausnahme: Eineiige Zwillinge. Abb.126 zeigt das Strukturprinzip des DNS-Moleküls (aufgeklärt von E. CHARGAFF [ 41 ]). Bei der Hydrolyse durch das Enzym Desoxyribonuclease wird die Kette in ihre Struktureinheiten, die vier Mononucleotide, gespalten (durch gestrichelte Linien angedeutet). Die Nucleotide, Adenosinphosphat, Guanosinphoephat, Thymidinphosphat und Cytidinphosphat werden durch das Enzym Nucleotldase weiter gespalten in Phosphorsäure und Nucleoside, das sind N-glykosidische Verbindungen von Ribose bzw. Desoxyribose mit einer der vier Basen Adenin, Guanin, Cytosin, Thymin (s. Tabelle 127). Tabelle 127s Zur Nomenklatur der DNS- und RNS-Bausteine EH- ■OH 0- OH OH DNS-Nucleotid STRUKTURSCHEMA D = Desoxyribose B = Base ( T,C, A,G ) P = Phosphorsäure RNS-Nucleotid STRUKTURSCHEMA R*Ribose B-Bose |U,C,A,G) P = Phosphorsoure Nu c leo ti d e Abkürzung N ucltosidt Basen Th y m id ylsäure »Thymidin-5-monophosphat T Thymidin »Thyminribose Thymin k c •O « c c o 'Z n >» Q. nur in DNS Cytidylsoure ■ Cytidin-5-mono phosphat C Cytidin = Cytosinribose Cytosin in DNS und RNS Adenylsäurt =*Adenosin-5-mono phosphat A Adtnosin = Adeninribose Adenin c g Z 3 O 0- A3 Guonylsäur« * Guanosin-5-monophosphat G Guanosin »Guaninribose Guanin Uridylsäurt ■Uridin-5-monophosphot U Uridin »Uracilribose Uracil nur in RNS Neben DNS gibt es noch eine weitere Nucleinsäure, die Ribonucleinsäure (RNS oder RNA), die in verschiedenen Arten in der Zelle vorkommt. Von DNS unterscheidet sie sich chemisch durch das Vorhandensein einer 0H-Gruppe am C-2 der Ribose und dadurch, daß statt der Base Thymin die Base Dracil auftritt. Ihre Synthese und ihre Aufgabe bei der enzymatischen Proteinsynthese werden dort besprochen (s.S. 146ff.). In Übereinstimmung mit röntgenographischen Untersuchungen von FRANKLIN und WILKINS [ 42 ] bildet das DNS-Molekül eine plektonemische ^ Doppelspirale, die auch im gelösten Zustand erhalten bleibt. Die Stränge der Spirale werden von der Polyphosphorsäureester-Kette gebildet, während *) Plektonemische Doppelspiralen bestehen aus zwei ineinandergeschraubten Einzelspiralen, im Gegensatz zu paranemischen Doppelspiralen, die durch seitliches Ineinanderschieben von zwei Einzelspiralen entstehen. Abb.128: Hypothetische Sekundärstruktur der DNS (WATSON-CRICK-Modell) links: Modell aus Styropor-Atomkalotten rechts: Modell aus Styropor-Scheiben (12X 6x2 cm), die den Basenpaaren (s. Abb.129) entsprechen. Die Kordeln stellen die Poly-desoxyribosephosphat-Ketten dar. die Basenreste das Innere der Spirale ausfüllen (Abb. 128). Man kann sich als Modell eine Leiter aus Draht denken, die verdrillt wurde. Die endgültige Aufstellung dieses Strukturmodells und die Erklärung für die Stabilität dieser Struktur, aus der sich auch die Möglichkeit zur Reduplikation oder Replikation ergibt, verdanken wir J.D. WATSON und F.H.C. CRICK [43 ]5 die Doppelspirale des DNS-Moleküls (doppelsträngige Helix) wird daher allgemein als Watson-Crick-Modell bezeichnet. Die Erklärung für die Stabilität liegt u.a. in der Tendenz zur Bildung von besonders stabilen Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Basenpaaren Adenin-Thymin einerseits und Guanin-Cytosin andererseits. Entsprechende 'Nebenvalenzbindungen Adenin-Cytosin und Guanin-Thymin würden auf Grund der sterischen Verhältnisse und der sich daraus ergebenden Abstände der die H-Brücken bildenden Atomgruppen weniger stabil sein (vgl. Abb.129). In der Spirale stehen sich daher stets die Basenpaare mit den stabileren H-Brücken gegenüber und bilden sozusagen die Sprossen der verdrillten Leiter. Vergl. dazu auch S. 158 und 159- THYMIN . H ADENIN r —.*—2,8 A—►/ LSlli 0.../N,c,H //C C\^-3,0Ä—/ C\\ H-\. r*-....Nv /c^ nh N-C C — N / * / HO H H = GUANIN \*— 2,9 A — H N-H-------0 \ / CYTOSIN ,C-C , „; . X - c // —3,0 A—► / \\ H-C N...--H-N C . \ • / \ / N-C • C = N / \\'*—2,9A—►/ H 0.......H-N \ H /V" A' H Abb. 129 8 Basenpaarung nach WATSON und CRICK [43] gemäß der CHARGAFF1sehen Komplementaritätsregel [41] A - T und C - G sind komplementäre Basenpaare N* : Ober dieses Stickstoffatom sind die Basen im DNS-Doppel-strang mit den Desoxyriboseresten der Polyphosphorsäureesterketten verbunden. Wird bei Thymin die punktiert umrandete. Methylgruppe durch H ersetzt, hat man Uracil, das in RNS an Stelle von Thymin (in DNS) steht. DIE KORNBERG-SYNTHESE Daß das möglich ist, daß es also zu jedem Einzelstrang eines DNS-Mole-küls gerade immer einen komplementär gebauten Strang gibt, der mit dem anderen Strang eine Doppelspirale der beschriebenen Art bildet, in der einem Basenrest A immer gerade ein Basenrest T und entsprechend einem G ein C gegenübersteht, liegt an der Eigenart der enzymatischen Synthese, *) bei der ein Basenstrang durch den neu entstehenden kopiert wird, indem längs einer vorgegebenen DNS-Kette fortschreitend das jeweis komplementäre Nucleotid an die neu wachsende Kette addiert wird, wie in Abb.130 ) im Sinne der Entstehung einer Negativ- oder Komplementärkopie Abb. 150; Schema der DNS-Synthese als semikonservative Replikation nach J.D. WATSON [ 44 J. Zum Reaktionsablauf vgl. auch Abb. 162 . schematisch dargestellt ist. Dieser als semikonservative Replikation bezeichnete Prozeß ist nur möglich, wenn sich die Doppelspirale am Ort der Synthese in ihre Einzelstränge trennt. Über den Mechanismus dieser Entspiralisierung gibt es wohl Hypothesen, aber keine experimentell gesicherten Aussagen. Lediglich die Tatsache der semikonservativen Replikation der DNS bei der enzymatischen Synthese kann als bewiesen gelten. A. KORNBERG [ 45 ] gelang es 1955, aus Coli-Bakterien ein Enzym ("DNS-Polymerase-I") zu isolieren, das in der Lage ist, aus den vier Nucleo-tiden, und zwar den Desoxyribonucleosidtriphosphaten, DNS zu synthetisieren, wobei die beiden äußeren Phosphatgruppen als Pyrophosphat abgespalten werden (Reaktionsgleichung s. Abb. 1 31). 0 = P-0 0 \ Aden'n w 0 > e 0 =P-0 H2?^OnNv^ Thymin \ / DNS- i—r Kette HO (Pn) + I---O-P-O-P-O e ii ii 0=P-0 0 0 i 0 I / H2C.O.NV Guanin V OH Guanyl - desoxyribose -triphosphat 0 o=p-o9 0 HjC^O. N. Adenin V 0 1 e 0 = P - 0 0 H2C O^N^Cytosin v7 0 w oXo9 1 0 0=p-0e 1 0 Enzym H2^°NN^Thym.n w 0 0 =P-0e I 0 H2C^OvN^ Guanin DNS- Kette lpn.t> W HO 0 0 11 11 e + HO-P-O-P-O '9 * © 0 0 Pyrophosphat Abb. 131 : Chemische Formulierung des Additionsschrittes Die Untersuchung dieser Synthese bestätigte durch die folgenden bedeutsamen Ergebnisse das Schema der semikonservativen Replikation: 1. Die Synthese läuft nur dann ab, wenn alle vier Nuoleosidtriphosphate gleichzeitig anwesend sind. Fehlt eines der Triphosphate, so geht die Synthese nicht. 2. Zum raschen Ablauf der Synthese ist stets die Anwesenheit von DNS er forderlich (Matrizen-DNS, template-DNA), wobei es gleichgültig ist, ob diese DNS pflanzlichen oder tierischen Ursprungs ist. Ohne die Anwesenheit von DNS bei der Synthese entstehen bei sehr lan ger Reaktionszeit Nucleinsäuren mit alternierender Basensequenz, -A-T-A-T-A-T-A-T-, sowie Nucleinsäuren aus homopolymeren Strängen, -C-C-C-C-C- bzw. -G-G-G-G-G-, beide in Form von komplementären Doppelspiralen [ 46 ]. Die Matrizen-DNS (auch als "template" [ = Schablone] bezeichnet) kann bei der Synthese mit dem Enzym Polymerase aus E.-Coli in Form von Einzelsträngen mit Primer-Stücken (s. Abb. 160) oder beschädigten Doppelsträngen vorliegen. Andere Polymerasen (z.B, aus Thymus) erfordern als Matrize Einzelstrang-DNS. 3. Die Zusammensetzung der bei der KORNBERG-Synthese neu entstehenden DNS ist - unabhängig von den Mengenverhältnissen der vier vorgelegten Nucleosidtriphosphate - stets identisch mit der Zusammensetzung *) der Matrizen-DNS. ' Analyse der Nachbarschaftshäufigkeiten durch KORNBERG-Synthese Die Ergebnisse der KORNBERG-Synthese werden durch das Struktur-Modell der Doppelhelix und durch das Schema der semikonservativen Replikation gemäß Abb.130 in einleuchtender Weise erklärt. Es standen jedoch zwei alternati ve komplementäre Strukturen zur Wahl: die mit gleichgerichteten und die mit gegenläufigen Strängen gemäß Abb.133 a und b. Durch Analyse der Nachbarschaftshäufigkeiten konnte die Frage zugunsten der Doppelhelix mit gegenläufigen Polyesterketten im Sinne des Modells a der Abb. 133 auf folgen de Weise entschieden werden [47 ]: Man kann die KORNBERG-Synthese mit radioaktiv markierten Nucleosid-triphosphaten durchführen, bei denen das mit der am C_ ' der Ribose befindlichen OH-Gruppe verbundene P-Atom ein jp ^ '’p ist. Durch Einwirkung eines DNase-Enzyms (s. Abb. 134) läßt sich die entstandene DNS (anders als in Abb.126) so hydrolysieren, daß die Kettenspaltung zwischen dem der Ribose (bzw. dem daran befindlichen Sauerstoff) und dem Phosphor erfolgt. Jetzt ist das radioaktive Phosphoratom von seinem ursprünglichen Nucleosid getrennt und mit dem Nachbarnucleosid auf der anderen Seite verbunden, das bei der Synthese vor ihm in die Kette eingebaut wurde. Nach elektrophoretischer Trennung der Spalt-Nucleoti- de und Messung der Radioaktivität kennt man somit die relative Häufigkeit 32 der Kettennachbarn des für die Synthese eingesetzten P-Nucleotids. Für *) Bei der Komplettierung von einstrangiger Matrizen-DNS ist der neue DNS-Strang komplementär zum Matrix-Strang. **) Oft findet man die Atome des Ribose- bzw. Desoxyribosemoleküls mit 1’ bis 5* **) bezeichnet, um sie von den Atomen der heterocyclischen Basen zu unterscheiden, die mit 1 bis 5 numeriert werden. Im obigen Text handelt es sich immer nur um Ribose- bzw. Desoxyribose-Atome. Abb. 1J5 : Schematische Darstellung von DNS-Doppelsträngen a) mit gegenläufigen Polyesterketten b) mit gleichlaufenden Polyesterketten Die Pfeilrichtungen sind so gewählt, daß sie mit dem Portschreiten der Addition bei der Synthese übereinstimmen. A = Adeninrest, T = Thyminrest, C = Cytosinrest, G = Guaninrest 0 P = Phosphorsäurerest: (auch als p bezeichnet) i OH eine vollständige Analyse der Nachbarschaftshäufigkeit sind vier Syntheseversuche mit doppelstrangiger Matrizen-DNS erforderlich, bei denen jeweils ein anderes der vier Nucleotide radioaktiv markiert ist. Wie man sich mit Hilfe der Modelle a und b klar machen kann, muß das Resultat solcher Versuche für die beiden Strukturen verschieden ausfallen, so nämlich, wie es in Tabelle 134 wiedergegeben ist. Experimentell gefunden wurde die Übereinstimmung gemäß a. Damit ist zunächst einmal bewiesen, * P C‘ P Ti P g! 3 ,T P Je p >A P Je P Je p ;t p Ia 5 KORNBERG ENZYM ♦ PPpT ♦ PPP A ♦ PPP c ♦ ppp G G.p/Cg;/A® =1/1/2 folglich auch: GpT / CpT / ApT = 1/1/2 *2 Abb. 134 : KORNBERG-Synthese mit J P radioaktiv markiertem Thymidin-triphosphat und Nucleasespaltung. Ergebnis : 1 GpT / 1 CpT / 2 ApT Tabelle 134s Zu erwartende Nachbarschaftshäufigkeiten durch KORNBERG- Synthese mit radioaktiv markierten Nucleosid-triphosphaten: a) bei gegenläufigen und b) bei gleichläufigen Polyribosephosphat-Ketten im Sinne der Strukturmodelle a und b in Abb. 133. aus der sich auch die Bedeutung der Kurzbezeichnungen ergibt. a b a b a b a b ApA = TpT (TpT) TpA = TpA (ApT) CpA = TpG (GpT) GpA = TpC (CpT) ApT = ApT (TpA) TpT = ApA (ApA) CpT = ApG (GpA) GpT = ApC (CpA) ApC = GpT (TpG) TpC = GpA (ApG) CpC = GpG (GpG) GpC = GpC (CpG) ApG = CpT (TpC) TpG = CpA (ApC) CpG = CpG (GpC) GpG = CpC (CpC) daß in der DNS-Doppelhelix eine komplementäre Sequenz der Nucleotide in den beiden Strängen vorliegt, wie sie bei Basenpaarung im Sinne des WATSON-CRICK-Modells zu erwarten ist. (Auch ein Ergebnis gemäß [b] würde eine komplementäre Basensequenz voraussetzen). Es ist darüber hinaus bewiesen, daß die Richtung, die durch die Reihenfolge der Atome in der , ii ii , Kette gegeben ist (-Cc-C,-C,-0-P-0-C_-C,-C--0-P-0-),in den beiden Strän-5 4 3 i 5 4 3 i gen entgegengesetzt ist. Wie zu erwarten, ergibt die Nachbarschaftshäufigkeitsanalyse bei der KORNBERG-Synthese mit einstrangiger ((>X-Phagen-DNS als Matrize bei gerin- gen Umsätzen keine Übereinstimmung von Nachbarschaftshäufigkeiten, weil zuerst nur der Einzelstrang komplementär zum Doppelstrang ergänzt wird. Man kann jedoch die Synthese bis zu 600 i - bezogen auf die eingesetzte Matrizen-DNS - weiterlaufen lassen und findet dann Übereinstimmung gemäß a [ 48 ]. Das ist nur möglich, wenn auch die bei der KORNBERG-Synthese gebildete DNS ihrerseits wieder als Matrix dient. Der MESELSON- und STAHL-Versuch Zentrifugiert man in einer hochtourig laufenden Ultrazentrifuge über längere Zeit (bis zur Gleichgewichtseinstellung) eine geeignete niedermolekulare Lösung, - meist werden Caesiumchloridlösungen verwendet - so bildet sich in der Zentrifugenküvette ein konstant bleibender Konzentrations- und damit auch Dichtegradient aus. Bei-Anwesenheit von gelösten Makromolekülen bewegen sich diese solange, bis sie in eine Zone gelangen, in der die Dichte des Lösungsmittels (CsCl-Lösung) mit der Dichte der Makromoleküle übereinstimmt, so daß sich alle gelösten Makromoleküle LAGE UND INTENSITÄT DER BANDEN COLI - DNS IN N15-MEDIUM GEWACHSEN NACH EINER ZELLTEILUNG IN N^—MEDIUM NACH ZWEI ZELLTEILUNGEN IN NU—MEDIUM DNS-STRANG MIT NU NACH DREI ZELLTEILUNGEN IN NU-MEDIUM II I DER KÜVETTE Abb. 135: Schema zum MESELSON-imd STAHL-Versuch schließlich in dieser Zone ansammeln. Infolge der sehr hohen Molekulargewichte und der daher geringen Diffusionsgeschwindigkeit ist bei DNS-Lösungen die Zone, deren Lage man durch optische Methoden leicht ermitteln kann, relativ scharf. 1 5 Durch Züchtung von Colibakterien auf einem NH^-Salze enthaltenden Nährboden läßt sich gemäß den Versuchen von M. MESELSON und F.W. STAHL [ 49 ] Coli-DNS mit größerer Dichte isolieren, deren Bande in der Gradientenzentrifuge weiter von der Zentrifugenachse entfernt liegt als die der entsprechenden 14NH4 -DNS. Bringt man die 1 ^N -Bakterien wieder auf normale, "'^N enthaltende Nährböden zurück, so muß entsprechend dem Mechanismus der semikonservativen Replikation nach einer Zellteilung gemäß dem Schema in Abb. 88 DNS entstehen, bei der der eine Strang 1 5 und der andere N enthält, d.h. beim Zentrifugieren der aus Bakterien dieses Stadiums isolierten DNS ist nur eine Bande zu erwarten, die zwischen I und II liegt. Nach zwei Zellteilungen sollten, wie man sich anhand von Abb. 88 leicht klar macht, gleiche Mengen leichter und halbschwerer DNS entstehen, usw. Genau dieses Ergebnis brachten die MESELSON-STAHL-Versuche, die zu den eindrucksvollsten Beweisen für die Richtigkeit der semikonservativen Replikation gehören. Abbildung replizierender DNS Die DNS-Doppelhelix hat einen Durchmesser von ca. 20 X und kann daher elektronenmikroskopisch abgebildet werden. Abb. 137 zeigt die ringförmige DNS des X, -Phagen während der Replikationsphase. Die Pfeile markieren die beiden Replikationsgabeln. Ein weiteres Verfahren, DNS speziell von Chromosomen abzubilden, ist die Autoradiographie: Mikroorganismen werden Uber mehrere Generationen mit Tritium-markiertem Thymidin gefüttert, die Zellen werden aufgebrochen, und die durch Einstellen eines bestimmten p^-Wertes gespreitete DNS wird mit einer besonders feinkörnigen, filmbildenden photographischen Emulsion überschichtet. Nach einigen Wochen wird der Film entwickelt und die fixierte DNS hat sich infolge der radioaktiven Strahlung des Tritiums abgebildet. Mit Hilfe dieser von J. CAIRNS [ 50 ] entwickelten Methode konnten zum ersten Mal bei E. Coli Y-förmige Replikationsgabeln sichtbar gemacht werden. Abb. 137: Elektronenmikroskopische Aufnahme der ringförmigen DNS des \ -Phagen während der Replikation. Die Pfeile markieren die Replikationsgabeln. Nach J. TOMIZAWA und T. OGAWA [ 51 ]• DNS ALS TRÄGER GENETISCHER INFORMATION Die seit dem Bekanntwerden der Versuche von GREGOR MENDEL auf breiter Basis durchgeführte systematische Erforschung der Vererbung von Merkmalen durch Kreuzungsversuche hat zu der Erkenntnis geführt, daß die (durch das Auftreten von Mutationen als solche erkennbaren) Erbfaktoren oder Gene, zu Kopplungsgruppen mit linearer Anordnung der Gene zusammengeschlossen sind. Bei der Segregation des elterlichen Erbgutes bei der meiotischen Teilung (s. Abb.140) werden die Gene bevorzugt als geschlossene Kopplungsgruppen auf die vier haploiden Gameten verteilt, jedoch nicht immer. Es kann auch zu einem Bruch von Kopplungsgruppen und einer Überkreuzkombination (Crossover) zwischen den vier homologen Informationskopien (je zwei von jedem Elter) kommen (s. Abb.138). Die Wahrscheinlichkeit, daß zwei Gene durch Crossover getrennt und mit entsprechenden Genen des Partners kombiniert werden, ist umso größer, je weiter die Gene in der Kopplungsgruppe voneinander entfernt sind, so daß die Rekombinantenhäufigkeit ein Maß für den Abstand der Gene voneinander ist und ihre gegenseitige Lage zu bestimmen gestattet. Die Linearität der Genanordnung in den Kopplungsgruppen ergibt sich zwin- a b c d A • ♦ ▼ » i ■ Ar • ♦- V » *- A ♦ ♦ y » ■ A • ♦ y—» Abb. 138: Schema der Neukombination (genannt Rekombination) von Genen durch den Vorgang des Crossing over A O O vom väterlichen Erbe stammende Gene (durch Replikation verdoppelt) vom mütterlichen Erbe stammende Gene (durch Replikation verdoppelt) Gen-Kopplungsgruppe = Chromosom = DNS-Doppelsträng a) Zustand im Zellkern im Anfangsstadium der Zellteilung: Die DNS-Replikation hat bereits stattgefunden, so daß jetzt (vorübergehend) vier homologe Chromatide, nämlich je zwei Schwesternstränge, vorliegen. ' b) Brüche von gepaarten Chromosomen (Gen-Kopplungsgruppen) an homologen Stellen, d.h. genau zwischen zwei einander entsprechenden (homologen) Genen. Jeder dieser Brüche ist chemisch ein DNS-Doppelstrang-Bruch. c) Überkreuz-Neukombination (Rekombination) der gebrochenen Stränge. d) Kopplungsgruppen nach abgeschlossenem Crossover: In dieser Form werden die vier Stränge bei der meiotischen Zellteilung auf die vier Gameten aufgeteilt (s.Abb.140). *) Homologe Chromosomen bzw. Chromatide sind solche, die die Informationen (Gene) für die gleichen Erbmerkmale (z.B. Blütenfarbe) tragen, wobei homologe Gene keineswegs identisch sein müssen. Sie können vielmehr durch Mutationen verschiedenartig abgewandelt sein (rote, weiße, rosa Blüten). Ein Chromatid ist identisch mit einem DNS-Doppelstrang, ein Chromosom kann auch aus zwei DNS-Doppelhelices bestehen, nämlich im Zustand nach der Replikation. gend aus der Additivität der durch Bestimmung der Rekombinationshäufigkeit ermittelten Genabstände (sie werden in Rekombinationseinheiten = Rekombinationshäufigkeit in io angegeben). Eine neuere Methode der Gen- *) kartierung bedient sich der Gentransferierung bei der Konjugation von Bakterien, wobei der zeitliche Abstand des Transfers als Maß für den Abstand der Gene gemessen wird [ 52 ]. Abb. 139: Genkarte der rll-Region des Coliphagen T4 nach S. BENZER [ 53]. Rekombinationshäufigkeit benachbarter Mutanten: 0,01 - 0,02 io. Die kleinen Quadrate geben die Häufigkeit an, mit der die jeweiligen Mutanten auftreten. Da sich bei Mikroorganismen Hunderte von unabhängigen Mutanten gewinnen #) lassen und entsprechend viele Kreuzungs- bzw. Konjugations- Experimente ausgeführt werden können, ist es z.B. bei E. Coli möglich gewesen, rund 350 verschiedene Genorte auf einer ringförmigen "Karte" zu lokalisieren [ 52 ]. *) Konjugation ist einer der sog. parasexuellen Mechanismen, durch die bei Mikroorganismen Teile des Genoms ausgetauscht werden können. In Abb.159 ist ein anderes Beispiel angeführt, die sog. rl- Region des Coli-Phagen T4 (Phagen sind Viren, die nur Bakterienzellen befallen). Lineare Genkartierungen, wie man sie durch Kreuzungsexperimente erhält, sind zunächst nichts anderes als abstrakte Hilfskonstruktionen zur anschaulichen Registrierung der Ergebnisse von Kreuzungsexperimenten. Sie gestatten schon für sich allein betrachtet die Aussage, daß sich die Gene als Träger der Erbinformation (Information im Sinne von Anweisung) SY N A P S I S mit haploidem Chromosomensatz Abb.140:Schematische Darstellung der Chromosomenpaarung und -trennung während der meiotischen Zellteilung mit Crossing over (Chiasmata). ...........homologes Chromosomenpaar. Jedes Chromosom enthält hier, nämlich nach der DNS-Replikation und vor der Zellteilung, zwei DNS-Doppelstränge, was im Mikroskop (s. Abb.140) erst im Stadium des Diplotäns sichtbar wird. (Die Replikation erfolgt bereits in der Interphase, d.h. in der Zeit zwischen den Zellteilungen). Vom Diplotän an symbolisiert daher jede Linie (durchgezogen oder gestrichelt) nur einen DNS-Doppelstrang. Die Zellen der höheren Pflanzen und Tiere enthalten mehrere, verschieden lange Chromosomenpaare. Übersichtlichkeitshalber wurde hier jedoch nur ein Chromosomenpaar eingezeichnet. bei der Weitergabe dieser Information so verhalten, als seien sie gruppenweise zu langen Ketten aneinandergereihte Gebilde, die mit den vom Partner beigesteuerten homologen Kopplungsgruppen kleinere oder größere Stücke austausohen können. Die zytologische Forschung, speziell die mikroskopische Beobachtung der Vorgänge im Zellkern vor und bei der Zellteilung, hat diese Vorstellung in vollem Umfang bestätigt, nachdem bereits 1885 von WEISMANN auf die Parallelen zwischen Kopplungsgruppen und Chromosomen hingewiesen worden war. Die materielle Erscheinungsform der Kopplungsgruppen sind die Chromosomen des Zellkerns, oder umgekehrt: Gen-Kopplungsgruppen sind die Chromosomensymbole, und die in Abb.158 dargestellten Kopplungsgruppen symbolisieren demnach den Zustand eines homologen Chromosomenpaares im Stadium des Diplotäns oder der Metaphase I der meiotischen Teilung vor der Aufteilung in vier Gameten (vgl. dazu Abb.140). Die als Crossover bezeichnete Überkreuzkombination von Merkmalen tritt unter dem Mikroskop als Überschneidungen von Chromatidfäden (Chiasmata) zu Beginn der Metaphase I der meiotischen Zellteilung deutlich sichtbar in Erscheinung. Da jeder der vier bei der Meiosis entstehenden Gameten über die gesamte Erbinformation verfügt, muß vor der Teilung das Genom kopiert worden sein. Die Frage nach dem stofflichen Träger der Erbinformation wurde durch O.T. AVERY, C.M. MAC LEOD und C.M. MC CARTY [ 54] 1944 durch Transformationsversuche beantwortet. Bei dem durch F. GRIFFITH [55] 1928 bei Pneumokokken-Mutanten entdeckten Phänomen der Transformation handelt es sich um die Übertragung eines Erbmerkmals (z.B. des mutierten Merkmals S) von abgetöteten Zellen auf lebende Zellen der gleichen Spezies, bei der das entsprechende Merkmal in der Wildform S+ vorliegt. Nach Injektion der lebenden S+-Bakterien und der toten S-Bakterien in einen Wirt findet man neben den lebenden S+-Bakterien auch lebende S-Bakterien, d.h. ein Teil des Genoms der toten S-Zellen ist auf die lebenden S+-Zellen übertragen worden. AVERY verwendete statt der S-Zellen Zellextrakte und fand, daß diese ihre transformierende Wirksamkeit voll behalten, wenn man vor der Injektion proteinspaltende Enzyme oder RNS spaltende Enzyme einwirken läßt, daß die transformierende Wirkung jedoch völlig verloren geht, wenn die Extrakte mit DNS spaltenden Enzymen behandelt werden. Damit war bewiesen, daß DNS-Makromoleküle die stofflichen Träger des Genoms (= der Erbinformation) sind. Folglich hat man in der semikonservativ kopierenden DNS-Synthese den Mechanismus zu sehen, nach dem das Genom vor der Aufteilung auf die Schwesterzellen bei der Zellteilung kopiert wird. Man kann eine durch Kreuzungeanalyse gewonnene Genkarte (e. Abb.139) mit ihrer linearen Anordnung der Mutationsorte auf eine DNSrKette übertragen und findet eo die abstrakte Zeichnung (Karte) in Gestalt des Schemas mit eindimensional eingetragenen Marken für bestimmte Erbmerkmale (Mutationsorte) durch ein lineares Makromolekül realisiert. So kann man Gene unmittelbar mit Segmenten eines DNS-Moleküls identifizieren. Wie groß die DNS-Segmente sind, die jeweils zu einem Gen gehören, hängt von der Definition des Gens ab. Abweichend von der ursprünglichen Definition des Gens als Einheit der Rekombination und der Mutation (die im Extremfall zur Gleichsetzung des Gens mit einem Tri-Nucleo-tid der DNS-Kette führen kann) versteht man jetzt unter einem Gen denjenigen Abschnitt einer DNS-Kette, der für die Synthese eines Enzyms notwendig ist. Die enzymatische DNS-Synthese ist somit ein Vermehrungsvorgang auf molekularer Ebene, eine Art Elementarprozeß der Vermehrung, bei der die in der Struktur der DNS-Moleküle nach Art einer Schrift enthaltenen Anweisungen kopiert werden, indem jeder der beiden komplementären Spiralstränge als Matrix für die Bildung eines neuen,zur Matrix im Sinne der Basenpaarung komplementären Stranges dient, so daß der neue Doppelstrang mit dem Matrizen-Doppelstrang identisch ist. DER GENETISCHE CODE Prinzip einer abtastbaren Informationsspeicherung ist die aperiodische Folge bestimmter registrierbarer Zeichen. Das einzige, was bei der DNS-Kette aufgrund ihrer Struktur variabel ist, ist die Folge der vier Nucleotideinheiten in der Kette, die Basensequenz, in der somit die für die Entwicklung eines Organismus1 notwendigen Anweisungen enthalten sein müssen. Die Basensequenz ist einer Schrift mit vier verschiedenen Schriftzeichen vergleichbar. Wie wird sie gelesen? Welcher Art sind die Anweisungen, die sie beinhaltet? Wie werden sie ausgeführt? Die Beantwortung dieser Fragen im Laufe weniger Jahre gehört zu den imponierendsten Leistungen der biochemischen Forschung. Die Fragen lassen sich nicht einzeln beantworten, weil man die Methode der Ablesung nur dann versteht, wenn man die Art der Anweisungen und das Ausführungsverfahren kennt. Alle in der Zelle ablaufenden Reaktionen werden durch die katalytische Aktivität von Enzymen gesteuert. Enzyme sind Proteine mit ganz spezifischen räumlichen Strukturen (s. dazu S.120), durch die sie befähigt werden, mit Molekülen in ähnlich souveräner Weise umzugehen wie ein Ingenieur oder Mechanikermeister mit den Bauelementen einer Maschine. Die Raumstruktur kommt durch Spiralisierung (Sekundärstruktur) und spezifische Faltung der Spiralen (Tertiärstruktur) zustande, die sich als zwangsläufige Folge einer bestimmten Aminosäuresequenz in der Proteinkette einstellt. Art und Wirkungsweise eines Enzyms ist daher allein durch diese Aminosäuresequenz in der Kette determiniert, so daß die Vermutung nahe lag, die Anweisungen der DNS-Schrift würden sich auf die Synthese von Enzymen, d.h. Proteinketten mit bestimmter Aminosäuresequenz, beziehen. Diese Vermutung wurde durch die Beobachtung gestützt, daß es Mangelmutanten (von Bakterien oder Hefezellen z.B.) gibt, bei denen bestimmte Enzyme fehlen oder defekt sind, die sich aus dem Wild-mycel in aktiver Form isolieren lassen, d.h. daß durch eine Veränderung eines Gens (oder im Bereich eines Gens) die Synthese eines Enzyms ge- ^ \ stört wird. (Ein Gen - ein Enzym - Theorie [ 56]). ' Später gelang es in einigen Fällen, durch Aufstellung von Genkarten und Eintragung der Mutationsorte einerseits und durch Analyse der Aminosäuresequenz des bei den Mutanten defekten Enzyms andererseits zu zeigen, daß einem Mutationsort in der Genkarte eine fehlerhafte Sequenz in der Proteinkette entspricht. Man spricht von Colinearität zwischen Gen und Proteinketten (C. YANOFSKY [ 57 ]). Wenn die enzymatische Proteinsynthese von der DNS gesteuert wird, muß die Vier-Zeichen-Schrift der DNS so verschlüsselt sein, daß mit den vier Basen-Symbolen 20 verschiedene Aminosäuren bezeichnet werden können, oder anders gesagt: Es muß eine Zuordnung, einen Code geben, der es gestattet, die DNS-Schrift mit ihren vier verschiedenen Zeichen in die Proteinsequenz mit ihren 20 verschiedenen Aminosäuren zu übersetzen, ähnlich wie es einen Code gibt, der die Morseschrift mit ihren drei *) Wie man jetzt weiß, stimmen die Grenzen von Gen und Enzym insofern nicht immer überein, als sich die Gene auf der DNS-Kette überlappen: Ein und dieselbe Nucleotidsequenz eines DNS-Teilstücks kann durch Verschiebung des Ableserasters die Information für zwei verschiedene Aminosäuresequenzen enthalten [ 58]. Die Genüberlappung ist ein eindrucksvolles Beispiel für die höchste Sparsamkeit und Intelligenz im Haushalt der Natur: Intelligenz hilft Kettenlänge einsparen. Zeichen (Strich, Punkt und Intervall) in unser normales Schriftalphabet mit seinen 26 Buchstaben zu übertragen gestattet. Nur wenn - anders als beim Morsealphabet - die Anzahl der Zeichen pro Co-don konstant ist, kann man ohne Interpunktionen oder Abstände auskommen und die Schrift als Raster vom Anfang her ablesen. Da 20 verschiedene Aminosäuren aufzurufen sind, eine Kombination von je zwei von vier verschiedenen Nucleotiden aber nur 16 verschiedene Zweiergruppen liefert, NUCIEOTIO 2 IM TRIPLETT u C A G PHE SER TYR CYS U PHE SER TYR CYS C u LEU SER TERM TERM A LEU SER TERM TRY G LEU PRO HIS ARG U LEU PRO HIS ARG C LEU PRO glunh2 ARG A LEU PRO glunh2 ARG G 1LEU THR aspnh2 SER U ILEU THR aspnh2 SER c ILEU ThR LYS ARG A START THR LYS ARG G VAL ALA ASP GLY U VAL ALA ASP GLY c VAL ALA GLU GLY A START ALA GLU GLY G h2n cooh 1 \ / h2n COOH ►^N COOH h2n COOH h2n ^cooh h2n ^cooh h2n ^COOH H,N COOH \ / H?N COOH H2N COOH 1 \ / 1 \ / CH SCH Vh nch CH CH CH CH CH CH H ch3 ch2 CH-OH CHJ cn2 CH /\ ch2 CH / \ k2 OH CHj ch2 SH h3c ch3 CH /\ H2C CHj 6 s-ch3 h3c ch3 ch3 GLYCIN ALANIN SERIN THREONIN METHIONIN CYSTE IN VALIN LEUCIN ISOLEUCIN PHENYLALANIN (GLY) (ALA) (SER) (THR) (MET) (CYS) (VAL) ILEU) (ILEU) (PHE) h2n COOH \ / h2n COOH \ / h2n cooh H2N COOH \ / h2n cooh \ / h2n cooh \ / HjN COOH * \/ H?N COOH H?N COOH K 1 \/ l2N COOH CH CH CH CH CH CH CH CH CH CH ch2 CH2 Ch2 9H2 C«2 cn2 fH2 ch2 CH2 9 OH COOH conh2 ch2 COOH fM2 conh2 h2c nh2 h2c c ch2 cn2 HN CH2 \ / h2c-ch2 w H tr; H ASPARAGIN- GLUTAMIN- HN NH CH2-NH 2 TYROSIN SAURE ASPARAGIN SÄURE GLUTAMIN ARGININ LYSIN PROLIN TRYPTOPHAN HISTIDIN 1 TYR) (ASP) (ASPN) (GLU) ( GLN ) (ARG) (LYS) (PRO) (TRY) (HIS) Abb. 144! Der genetische Code in Tabellenform und als "Sonne" (BRESCH [59]) von innen nach außen zu lesen, mit den Formeln und Abkürzungen der 20 Aminosäuren. Die Strukturformeln der vier Basen (A, T[ü], C, G) finden Bich in Abb. 129. U steht in RNS anstelle von T in DNS. Der Code ist stark degeneriert, d.h. alle Aminosäuren (mit Ausnahme von Tryptophan) werden durch mehrere Codonen bezeichnet, die in der Regel in den ersten beiden Basen übereinstimmen. Ausnahmen sind mit Stern bezeichnet. "amber", "ochre" und "opal" sind Bezeichnungen für die drei Terminatorcodonen. muß ein System von gleich langen Codonen mindestens drei Basen bzw. Nuoleotide pro Codon enthalten. Aufgrund experimenteller Befunde der letzten zehn Jahre [ 60 ] lassen sich über den genetischen Code folgende Aussagen machen: Der genetische Code ist ein interpunktionsloser Triplett-Raster-Code. Jedem Codewort oder Codon (Nucleotid-Triplett) entspricht immer nur eine Aminosäure, die durch das Erscheinen des Codons am Ort der Proteinsynthese zur Addition an die gerade in der Fertigung befindliche Kette aufgerufen oder zugelassen wird. Umgekehrt gehören aber zu fast allen Aminosäuren mehrere Codonen. Der Code ist stark degeneriert, wie man sagt. Abgetastet wird die DNS-Kette vom Gen-Anfang her, wobei die Codonen überlappungsfrei aneinandergereiht sind. Anfang und Ende eines Gens, d.h. Beginn und Ende einer Proteinsynthese sind durch besondere Codonen (s. Abb.144) gekennzeichnet. Der genetische Code ist nach den bisherigen Befunden bei allen Organismen, vom Virus bis zum Säuger, gleich: Der genetische Code ist universell. Die Universalität des Code beinhaltet auch die Tatsache, daß vom Beginn des Lebens an immer nur die in Abb.144 aufgeführten 20 Aminosäuren zum Aufbau von Proteinen verwendet wurden, obwohl über 100 verschiedene natürlich vorkommende Aminosäuren bekannt sind. Der bei der Aufklärung des genetischen Code (Abb.144) beschrittene Weg lehnt sich eng an die im folgenden zu besprechende enzymatische Proteinsynthese an und ist daher zugleich eine Bestätigung der Vorstellungen, die man über diese Synthese entwickelt hat. DNS-INFORMATION UND PROTEINSYNTEESE Bei der Besprechung der chemischen Konstitution der DNS wurde bereits darauf hingewiesen, daß neben DNS in der Zelle noch eine zweite Nuclein-säure vorkommt, die RNS, die die gleiche Kettenstruktur hat wie DNS, und die auch in der Lage ist, Aufgaben der DNS zu übernehmen, wie das alleinige Vorkommen von RNS in einigen Viren und Phagen zeigt. Von DNS unterscheidet sie sich hinsichtlich der chemischen Konstitution durch ihre OH-Gruppe am C-2 der Ribose, die der DNS fehlt, sowie dadurch, daß in RNS anstelle der Base Thymin die Base Uracil (Thymin ist Methyl-uracil) auftritt. Ea gibt in der Zelle drei verschiedene RNS-Arten, die sich - ihren speziellen Aufgaben bei der Proteinsynthese in der Zelle entsprechend - durch ihre verschiedene Struktur unterscheiden. Den größten Anteil der in einer Zelle verkommenden RNS macht die riboso-male-RNS aus (85 $). Rund zehn Prozent der Gesamt-RNS der Zelle wird von der Transfer-RNS und der Rest von der messenger-RNS (Boten-RNS) gestellt. Transfer-RNS Die Transfer-RNS (t-RNS) hat ein vergleichsweise geringes Molekulargewicht von rund 25 000, entsprechend ca. 70 Nucleotideinheiten. Wie man aus röntgenographischen Daten schließen kann, liegen Teile der t-RNS-Kette in Form einer Doppelspirale vor. Da das Molekül bei Aufhebung der Spiralform seine Größe nicht ändert, muß man annehmen, daß die Kette wie eine Haarnadel umgebogen und in Teilstücken spiralisiert ist. Am Cj-Kettenende befindet sich die Basensequenz CCA und am anderen, dem C^-Ende der Kette steht meist ein G. In der Kette selbst kommen neben den vier Nucleotiden A, U, C, G noch geringe Mengen (nur wenige Prozente) von über 50 verschiedenen Nucleotiden mit anderen Basen vor. Man nimmt an, daß sie sich durch sekundäre Reaktion (polymeranaloge Umsetzung) der t-RNS bilden. Unklar bleibt dabei jedoch, wie sich die anderen RNS-Arten gegen solche Umwandlungen ihrer Basenreste schützen, und wieso nur ein Teil der in der t-RNS-Kette vorkommenden A-, G- und C-Basen methyliert und nur ein Teil der Uracilbasen hydriert wird, die anderen aber nicht. Seit einigen Jahren ist die Nucleotidsequenz einer Reihe von t-RNS-Arten bekannt [ 61 ]. Es zeigte sich, daß bei allen bisher sequenzierten t-RNS-Molekülen (über 60) immer dann die größtmögliche Anzahl von regulären Basenpaarungen (UA und CG) und damit der thermodynamisch stabilste Zustand erreicht wird, wenn man die Molekülketten nach Art eines Kleeblattes anordnet (Abb. 147). Die Kleeblattform ist die Sekundärstruktur der t-RNS, entspricht also der Helix bei Proteinen. Wie die Proteine, sind auch die t-RNS-Moleküle in ganz bestimmter Weise zu Tertiärstrukturen gefaltet (Abb. 147 ). t-RNS reagiert unter der Einwirkung bestimmter Enzyme mit Aminosäuren in Form der AMP ^-Anhydride [gebildet aus Adenosintriphosphat (ATP) + Aminosäure unter Freisetzung von Pyrophosphat]. Die Aminosäuren werden durch *) *) AMP = Adenosinmonophosphat Abb. 147 : Struktur der Phenylalanin-Transfer-RNS der Hefe a) Nucleotidsequenz und Sekundäretruktur (Kleeblattmodell) nach RAJBHANDARY und CHANG [ 62]. Neben den vier in RNS üblichen Nucleosiden U, A, C, G finden sich in t-RNS noch über 30 verschiedene Nucleoside mit ungewöhnlichen Basen, von denen in (Phe)-t-RNS die folgenden auftreten: H' = Pseudo-Uridin-, D = Dihydrouridinj Gm = Methylguanidin C = Methylcytosin; Y = Nucleosid mit nicht genau bekannter Base b) Tertiärstruktur nach A. RIECH [ 63 ], durch Röntgenstrukturanalyse ermittelt. ---------- Wasserstoffbrücken: * nur durch Faltung gemäß b möglich. 4-69 und 14 - 21 sind ungewöhnliche Paare: G - U und A - A diese Reaktion an das Cj-Ende (CCA-Ende) der t-RNS-Moleküle über eine Esterbindung angekoppelt, und zwar reagiert jede der über 20 verschiedenen t-RNS nur mit einer ganz bestimmten, nämlich "ihrer" Aminosäure. Die 20 verschiedenen, diese Reaktionen katalysierenden Aminoacylsynthe-tase-Enzyme müssen jeweils zwei spezifische Erkennungsorte haben, die nur die richtigen t-RNS-Aminosäure-Kombinationen zulassen. Wie man aus den Ergebnissen der Arbeiten, die zur Aufklärung des genetischen Code führten, schließen muß, hat jede t-RNS eine Dreiersequenz (Basentriplett), die als Anticodon bezeichnet wird und die charakteristisch ist für die Aminosäure, die mit der t-RNS eine Bindung eingeht: t-RNS mit der Sequenz AAA oder GAA als Anticodon bindet nur Phenylalanin, t-RNS mit GGG (oder AGG, UGG, CGG) als Anticodon nur Prolin, t-RNS mit AAU als Anti codon nur Isoleucin usw. - wie es dem genetischen Code entspricht (siehe Abb. 144 ). So gehört zu jeder t-RNS eine bestimmte Aminosäure, die sie mit Hilfe eines Enzyms zu binden vermag. Dabei ist es nicht das als Anticodon bezeichnete Basentriplett, das diese Spezifität bewirkt, sondern die gesamte - in einigen Fällen bekannte - Primär-, Sekundär- und Tertiär Struktur der jeweiligen t-RNS zusammen mit der Struktur des beteiligten Enzyms, ohne daß man in der Lage wäre, etwas über den Mechanismus dieser für die Entstehung von Enzymen mit ihren spezifischen AS-Sequenzen und damit für alle Lebensvorgänge entscheidend wichtigen Reaktion auszusagen. Das Anticodon der t-RNS vermag - im Kontakt mit einem Ribosom - eine Basenpaarung mit einer ebenfalls an dieses Ribosom gebundenen m-RNS einzugehen, deren Basensequenz mit der eines DNS-Strangstücks identisch ist. So wird durch die Folge der Tripletts (Codonen) einer m-RNS die Folge der (vorübergehend) an diese Kette komplementär fixierten t-RNS und so auch die Folge der mit den t*RNS verbundenen Aminosäuren gesteuert. Damit wird schon das Prinzip der DNS—*• m-RNS - gesteuerten Proteinsynthese sichtbar. Die an das t-RNS-Molekül angekoppelte Aminosäure selbst hat auf die Reihenfolge ihres Einbaus in die Proteinkette keinen Einfluß, wie folgendes Experiment gezeigt hat (CHAPEVILLE [64 ]): In der Verbindung von Cystein mit t-RNS^yst wurde das Cystein mit Raney-Ni zu Alanin reduziert. Die so künstlich hergestellte Verbindung Ala-t-RNS*^3* baute bei der Proteinsynthese in vivo und in vitro stets ihr Alanin dort in die Proteinkette ein, wo man dem genetischen Code und der m-RNS-Sequenz gemäß Cystein erwarten sollte und nicht dort, wo man Alanin zu erwarten hatte. Allein das Anticodon der t-RNS also bestimmt, wo die mit diesem t-RNS-Molekül verbundene Aminosäure in eine wachsende Proteinkette eingebaut wird. Es gibt 20 verschiedene in Proteinen vorkommende Aminosäuren, aber sehr viel mehr verschiedene t-RNS. Das liegt einmal daran, daß die t-RNS-Mole-küle verschiedener Organismen (auch für dieselbe Aminosäure) verschieden sind. Außerdem gibt es für eine Aminosäure - der Degeneration des Code entsprechend - auch innerhalb einer Spezies meist mehrere t-RNS. Eine bestimmte t-RNS-Art reagiert dagegen immer nur mit einer bestimmten Aminosäure. Nomenklaturbeispiel: (E. coli)-t-RNS^er . *) Dm die als Anticodonen in den t-RNS-Molekülen enthaltenen Tripletts zu erhalten, muß man den genetischen Code rückwärts unter Einsetzung der komplementären Basensymbole lesen. Boten-RNS Die m-RNS (messenger-RNA), wegen ihrer Funktion bei der Proteinsynthese so bezeichnet, wird nur in geringer Menge (um J der gesamten Zell-RNS) in der Zelle gefunden. Im Gegensatz zu DNS ist m-RNS einsträngig. Sie hat zwar viel geringere Molekulargewichte als DNS, nämlich in der Größenordnung von 100 000 bis 800 000, aber die Nucleotid-Zusammensetzung und -Sequenz der m-RNS ist mit der der DNS der Zellen identisch, in denen sie gebildet wird, genauer: mit einem Strang dieser DNS, wobei statt Thymin die Base Uraoil auftritt. Von S. OCHOA [ 65 ] wurde ein Enzym gefunden, das in der Lage ist, RNS zu synthetisieren. Wie bei der KORNBERG-Synthese ist es auch hier erforderlich, daß alle 4 Nucleosid-triphosphate ^ (Dridin- statt Thymidin-tri-phosphat) und eine Matrizen-DNS zugegen sind. Wenn denaturierte, d.h. in Einzelstränge zerlegte DNS als Matrize verwendet wird, werden beide Stränge kopiert und die Basensequenz entspricht - wie die Nachbarschaftshäufigkeitsanalyse ergibt - derjenigen der Matrizen-DNS. In der lebenden Zelle dagegen wird unter dem Einfluß von m-RNS-Polymerasen (Transcriptasen) immer nur ein DNS-Strang kopiert. Wie nämlich aus Phagenexperimenten eindeutig hervorgeht, ist nur ein Strang der Phagen-DNS in der Lage, mit der gebildeten m-RNS stabile Doppelstränge zu bilden [ 66 ]. Der Mechanismus des Kopiervorganges, der als Transcription bezeichnet wird, entspricht dem der semikonservativen Replikation: Unter der Einwirkung eines Enzyms (RNS-Polymerase, Transcriptase) geht an der vorgesehenen Stelle (ein chemisch unerklärlicher Vorgang) die DNS-Doppelspirale auf, und die Synthese läuft unter Rotation die Kette entlang (s. Abb. 150). Die Umdrehungszahl wird auf 240 UpM geschätzt. Das Enzym, das diese Synthese ermöglicht, ist nicht nur in der Lage, den richtigen Start- und Endpunkt für die Synthese zu erkennen, sondern auch den sinnvollen Strang der DNS-Doppelhelix vom nicht-sinnvollen zu unter- *) *) Zumindest aber die komplementären Partner derjenigen Nucleosid-triphosphate, die als Nucleotide in der Kette des Matrix-Polymeren Vorkommen. Bei einem alternierenden Copolymeren -— ---GAGAGAGA-------als Matrix genügt z.B. die Anwesenheit von Cppp und Uppp zur Bildung der Poly-(CU)-RNS. Natürlich handelt es sich hier nicht um die Desoxy-ribonucleosid-triphospha-te, sondern um die Ribonucleosid-triphosphate. Wenn ein Mißverständnis nicht zu befürchten ist, sieht man von einer Kennzeichnung durch den Vorsatz "Desoxy-" (bzw. dTppp etc.) ab. DNS neu entstehende RNS RNS- Polymerase Abb. 150 : Schematische Darstellung der enzymatischen RNS-Synthese an einem DNS-Strang als Schablone (Transcription) nach G. SCHRAMM. scheiden [ 67 ] und an diesem Strang als Matrize die m-RNS mit der komplementären Basensequenz entstehen zu lassen. Durch die Transcription,d.h. die stückweise Übertragung der DNS-Sequenz auf RNS-Moleküle, wird die DNS-Information transportabel und so für die Synthese von Proteinen mit bestimmter AS-Sequenz verfügbar. Es ist naheliegend, anzunehmen, daß die Kette der m-RNS immer gerade so lang ist, daß die Information für den Aufbau eines Enzyms darin enthalten ist. Das dem m-RNS-Molekül entsprechende DNS-Kettenstück kann jedoch durch Verschiebung des Ableserasters mehrfach (maximal dreifach) zur Informationsspeicherung verwendet werden. Wie kürzlich gefunden wurde, ist bei dem Phagen 10) von Enzymen (Translationsfaktoren) gesteuert wird [ 72], von denen ihre Molekulargewichte und andeutungsweise auch ihre Punktion bekannt sind. Wieviele t-RNS-Moleküle gleichzeitig nebeneinander an der m-RNS-Kette über ihre Codon-Anticodon-Basenpaare fixiert sind, ist nicht bekannt, es müssen aber mindestens zwei sein, weil sonst eine korrekte Reihenfolge der Aminosäuren in der entstehenden Proteinkette nicht gewährleistet wäre. Die Code-Aufklärung Nach Kenntnis des Protein-Syntheseprinzips ist es ziemlich leicht, die Methode zu verstehen, die zur Entsohlüsselung des genetischen Code geführt hat, waren es doch gerade die Versuche zur Code-Entschlüsselung, die zur Aufklärung des Protein-Syntheseprinzips geführt haben und die somit auch die beste experimentelle Bestätigung des in Abb. 152 dargestellten Schemas darstellen: Statt der m-RNS wurde ein synthetisches Trinuoleotid bekannter Konstitution in ein alle Aminosäuren enthaltendes, zur enzymatischen Proteinsynthese befähigtes zellfreies System, bestehend aus einer Suspension bzw. Lösung von Ribosomen, Enzymen und Adenosintriphosphat (ATP), eingesetzt. Dabei entstand natürlich kein Polypeptid, aber das synthetische Trinuc-leotid wurde, genau wie die m-RNS, von Ribosomen aufgenommen und dem Schema in Abb. 152 entsprechend mit der zugehörigen, ihre Aminosäure tragenden t-RNS zu einem von der Lösung abtrennbaren Komplex aus Ribosom, Trinucleotid, t-RNS und Aminosäure vereinigt. Auf diese Weise konnte durch Synthese der fraglichen Tripletts in Form von Trinuoleotiden definierter Konstitution jeweils die bei der Proteinsynthese von diesem Triplett codierte Aminosäure isoliert und identifiziert werden. Mit dieser im Laboratorium von M. NIRENBERG [ 60 ] entwickelten Technik gelang die Zuordnung der meisten Tripletts. Der Rest wurde durch Synthese von Oligo-nucleotiden, die sich mit Hilfe von KORNBERG-Enzym verlängern lassen, und Sequenzanalyse der gemäß Abb. 152 in vitro entstandenen Polypeptide aufgeklärt (H.G. KHORANA [ 60 ]): 1. Synthese eines DNS-Oligonucleotids aus den Komponenten durch schrittweise Addition und Hybridisierung komplementärer Ketten: 5’gagagagaga3' + 3'ctctctctct5' 2. Iterative Kettenverlängerung durch KORNBERG-Synthese [75 ],(s.a.S.158) 3 GAGAGAGAGA3 5 GAGAGAGAGA3 5GAGAGAGAGA3 3CTCTCTCTCT5’ 2 3 CTCTCTCTCT-3 ^GAGAGAGAGA3 3 CTCTCTCTCT5 + dAppp + dCppp + dGppp 5 GAG AG AGAG AG AG A3 3CTCTCTCTCTCTCT5 + dAppp + dCppp K.-Enzym + dTppp + dGppp usw. *) *) dTppp = Desoxy-thymidin-5-triphosphat 3. RNS-Synthese mit RNS-Polymerase (OCHOA-Enzym) : a) mit Cppp und Uppp: DNS'—GAGAGAGAGAGAGA~ o'! ! ! J !!!!!!!!!!c' DNS J CTCTCTCTCTCTCT^ b) mit Gppp und Appp: 5' 3' DN S ~->GAGAGAGAGAGAGAA— RNS-Polymerase DNS~'~'^CTCTCTCTCTCTCT-£— Gppp, Appp 4. a) Proteinsynthese mit Poly-r(DC) als m-RNS: Ribosomen, Aminosäuren -----------»- — Ser-Leu-Ser-Leu-Ser-Leu~—— t-RNS, ATP DCÜ = Codon für Serin CUC = Codon für Leucin b) Proteinsynthese mit Poly-r(GA) als m-RNS: Ribosomen, Aminosäuren ----------*_ ----Glu-Arg-Glu-Arg-Glu-Arg----- t-RNS, ATP GAG = Codon für Glutaminsäure AGA = Codon für Arginin Die Code-Zuordnungen lassen sich natürlich nicht aus diesen Versuchen allein treffen, wohl aber durch Kombination einer Vielzahl weiterer analoger Versuche mit anderen alternierenden, durch schrittweise Synthese hergestellten Oligonucleotiden sowie weiteren Oligonucleotiden mit 3 und 4 sich regelmäßig in der Kette wiederholenden Nucleotiden, z.B.: Poly-r(COA) Poly-leucin (CDA) Poly-tyrosin (DAC) Poly-threonin (ACD) Poly-r(üDC) Poly-phenylalanin (UDC) Poly-serin (neu) Poly-leuoin (CDD) -GAGAGAGA' 'DCDCDCUC' 5 3 ~GAGAGAGAGAGAGA - 'RNS RNS-Polymerase s‘ --------------*■ —CUCÜCDCÜCUCDCU------RNS Cppp, Dppp Poly-r(AAG) Poly-lysin (AAG) Poly-arginin (AGA) Poly-glutaminsäure (GAA) THERMODYNAMIK UND MECHANISMUS DER DNS-REPLIKATION *) Man ist versucht, diese Reaktion, die zu extrem unwahrscheinlichen Reaktionsprodukten führt, mit einem mechanischen Kopiervorgang zu vergleichen: Drucken, Prägen, Gießen (Spritzgießen), Pressen. Beliebig unwahrscheinliche Gebilde, Figuren und Formkörper aller Art entstehen mit Hilfe einer vorgegebenen Matrize (Druckstock, Klischee, Hohlform, Spritzgußform, Preßform, Schablone) zwangsläufig. Dieser Vorgang ist streng sterisch reguliert, so daß die Form der entstehenden Gebilde nicht in eine thermodynamische Beschreibung des Bildungsvorgangs eingeht. Die Thermodynamik erfaßt nur die Zustandsänderung, die mit dem durch die Druckdifferenz verursachten Strömungsvorgang verbunden ist, der solange anhält, bis die Druckdifferenz zwischen Spritzgußzylinder und Spritzgußform null wird. Das ist immer dann der Fall, wenn die Form mit der plastischen Masse ausgefüllt ist. In diesem Sinne liegt es nahe, die semikonservative Replikation als eine lineare Kristallisation unter gleichzeitig verlaufender Polykondensation zu bezeichnen. Hierbei muß man das Enzym, die DNS-Polymerase und die Matrizen-DNS als kooperative Einheit betrachten, weil ohne Anwesenheit der Matrizen-DNS die Reaktion viel langsamer zu Polymeren ohne sinnvolle Basensequenz, nämlich zu streng alternierenden A-T-Copolymeren, verläuft [ 46]. Die freie Enthalpie der DNS-Synthese (Reaktionsgleichung s. Abb.131) resultiert aus der negativen Enthalpiedifferenz AH des Übergangs der Phosphorsäure-Anhydridbindung des angelagerten Nucleosid-triphosphats in eine Ribose-Phosphorsäure-Esterbindung der Polyesterkette (exotherme Reaktion), vermindert um den Betrag von T • AS (AS ist, wie bei fast allen Polymersynthesen, negativ, weil die translatorischen Freiheitsgrade der Monomeren bei der Addition an die Kette weitgehend verloren gehen), vermehrt aber um den AH-Betrag, der durch das Schließen der Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den komplementären Strängen frei wird, vermehrt auch um den Betrag der als "Stapelkräfte" bezeichneten zwischenmoleku- *) *) Die Wahrscheinlichkeit, daß eine 1000 Nucleotide lange DNS-Kette mit vorgegebener Nucleotidsequenz entsteht, ist 4-1°°° ~ lO~fa00. laren Wechselwirkung,die zu einer blättchenartigen Assoziation der planaren Ringsysteme der Purin- bzw. Pyrimidinbasen führt . Ein Blick auf das Kalottenmodell der Abb.128 zeigt, was gemeint ist. Man neigt vielfach dazu, in diesen Stapelkräften die Hauptursache für die Stabilität der Doppelhelix zu sehen. Es wird dabei vergessen, daß man allein durch mäßige Änderung des p^-Wertes eine partielle Trennung von Doppelsträngen (Versuche an \.-Phagen) erreichen kann. Das spricht zumindest für einen erheblichen Anteil der H-Brücken am Zusammenhalt der Stränge. Auch der lineare Anstieg des "Schmelzpunktes" (Helix-Knäuel-Übergang) von ca. 80 °C auf ca. 100 °C bei der thermischen Denaturierung von DNS mit steigendem GC-Anteil (30 % bei Chlostridium perfringens-DNS bis 70 % bei DNS von Miorocooous lysodeiktikus) spricht für einen starken Einfluß der H-Brückenbindungen auf die Stabilität der Doppelhelix. Trotzdem ist es fraglich, ob die Bildung der H-Brücken bei der semikonservativen Replikation einen wesentlichen Beitrag zur Reaktionsenthalpie liefert, da man damit rechnen muß, daß auch die Mononucleosid-triphospha-te zumindest teilweise (im Sinne eines Gleichgewichts) als H-Brücken-Assoziate vorliegen: Air--.T + C:V:-.Gc^A + T + C + G ^=±=A-:---C + T-::G^=iA::::G + T:---C I II III IV Auch in der DNS-Doppelhelix muß man mit einem Gleichgewicht zwischen I und II rechnen, wenn auch der assoziierte Zustand I stark überwiegt. Wenn in der Doppelhelix kurzzeitig Wasserstoffbrücken gelöst werden, ist dadurch die Stabilität der Helix nicht gefährdet, da es sehr unwahrscheinlich ist, daß sich über ein längeres Kettenstück hin viele benachbarte Basenpaare gleichzeitig lösen. Ein längs der Kette statistisch fluktuierendes Lösen und Schließen von einzelnen Wasserstoffbrücken würde lediglich der Doppelhelix eine größere Flexibilität geben. Daß das I-II-Gleichgewicht tatsächlich existiert, wird durch das sprungartige Gleiten von zwei DNA-Oligomersträngen gegeneinander bewiesen, welches man bei DNA-01igomeren mit alternierender oder allgemein periodischer Basenfolge beobachtet hat. Unter den Bedingungen der KORNBERG-Synthese verlängern sich nämlich solche Oligomer-Doppelstränge erheblich, indem die durch Verrutschen überstehenden Einzelstränge durch das Polymerase-Enzym komplementiert werden [ 73 ]: A-T-A-T-A-T A-T-A-T-A-T A-T-A-T-A-T T-A-T-A-T-A T-A-T-Ä-T-A T-A-T-A-T-A + A + T, Enzym A-T-A-T-A-T-A-T A-T-A-T-A-T-A-T T-A-T-A-T-A-T-A T-A-T-A-T-A-T-A + A + T, Enzym A-T-A-T-A-T-A-T-A-T-A-T T-A-T-Ä-T-jUt-A-T-A-T-A Um so unverständlicher ist es unter thermodynamischen Aspekten, daß bei den zur Entstehung der neuen Stränge führenden Reaktionen während einer Replikation so gut wie keine Kombinationen gemäß III oder IV des Gleichgewichts auftreten, die ja stets zu einer Änderung (Störung) des Informationsgehalts - zu einer Mutation also - führen müßten. Offenbar besitzt das DNS-Polymerase-Enzym eine sterisch-geometrische Schleuse, die nur Kombinationen AT und CG erlaubt und (oder) eine spezielle Exonucleaseak-*) tivität , durch welche Fehlpaarungen rückgängig gemacht werden. Andererseits sind gelegentlich auftretende Kopierfehler gemäß IV oder III des Gleichgewichts eine Möglichkeit, die Nucleotidsequenz einer DNS-Kette unter Beibehaltung der vier normalen Nucleotide zu variieren. Solche Mutationen, die als Spontan-Mutationen bezeichnet werden, werden im Gang der Vererbung bei der semikonservativen Replikation normal weitergegeben, so daß die neue Sequenz in der DNS-Kette verbleibt. Mutationen können auch durch Strahlen oder mutagene Chemikalien erzeugt werden (s. Seite 197 ff,). Ziemlich rätselhaft ist der Start einer DNS-Replikation. Aus den bisherigen Versuchen mit Polymerase-Enzymen schließt man, daß weder intakte Dop-pelstrang-DNS noch reine Einzelstrang-DNS als Matrize wirksam sind '. *) Exonucleasen bauen die DNS-Kette schrittweise vom Kettenende her ab. Endonucleasen bewirken Kettenepaltung im "Innern" der DNS-Kette. **) Das steht im Widerspruch zu den Ergebnissen der Nachbarschaftshäufigkeitsanalyse (s. S.132) und zu der Beobachtung, daß auch die synthetisierte DNS wieder als Matrize wirksam ist [48 ]. Möglicherweise enthielten die verwendeten Kornberg-Enzyme noch Spuren von Endonucleasen, von Enzymen also, die eine Kettenspaltung bewirken, so daß an den Spaltstellen die Replikation beginnen konnte. Zum Start einer DNS-Replikation ist es erforderlich, daß zumindest ein kleines Stück einer Einzelstrang-Matrize als Doppelstrang vorliegt. Dieses kleine Starter-Stück (s. Abb. 160) wird gewöhnlich als primer bezeichnet. Starterwirksamkeit ist nur dann gegeben, wenn das verlängerungsfähige Ende ein C^-OH-Ende ist. Bsi Doppelstrang-Matrizen-DNS genügt es, wenn diese durch Einzelstrangbrüche (nicks) oder durch herausgelöste Stücke eines Stranges (gape ) beschädigt ist, um sie als Matrize brauchbar werden zu lassen. Bei der in vivo-Replikation scheidet die Möglichkeit, daß die intakte Chromosomen-DNS der Zelle zunächst durch zufällige nicks replikationsreif gemacht wird, aufgrund von elektronenmikroskopischen Aufnahmen replizierender Coli-DNS aus. Einige Beobachtungen sprechen dafür, daß in vivo zunächst kurze RNS-Stücke an bestimmten Stellen - wie beim Beginn einer Transcription - als primer eingeführt werden, von denen aus die Replikation startet. Die RNS-primer sollen dann später durch Enzyme wieder herausgetrennt und die Lücken durch Einbau von Desoxy-Nucleotiden ausgefüllt werden . Enzym 1 illlllllllllllllllllllllllllimilimilllll ----------------------» kein Umsatz rrm— 5' Enzym 111IIIIIIIIII1111111ITTTI11111! 111111TTT um ........... Enzym i ii 1111 ii in 1111 ................irr 111 HUIII111111111IIII lIimililLi Abb. 160 : Auslösung und Verlauf der DNS-Synthese in vitro mit Polymerase I (KORNBERG-Synthese) [ 74 ]. 1 Intakter Doppelstrang 2 Einzelstrang mit Starter (primer) 3 Doppelstrang mit Einzelstrangbrüchen (nicks) Das Reaktionsschema der Replikation, das durch Abb.130 nahe gelegt wird, wonach gleichzeitig oder unmittelbar aufeinanderfolgend in einem Enzymkomplex unter Polykondensation an beide Elternstränge jeweils das komplementäre Tochternucleotid angefügt wird (beide Tochterstränge würden von den Strängenden zur Gabelung hin wachsen), ist in Wirklichkeit nicht zutreffend. Wie sich aus der ausschließlichen Verwendbarkeit von Desoxy-ribonucleosid-51-triphosphaten und dem Erfordernis einer freien C^'-OH- Gruppe am primer (vgl. Abb. 1 (>0) bei der KORNBERG-Synthese ergibt, und wie auch in vivo-Experimente mit markiertem Thymidin gezeigt haben, erfolgt dae Wachstum der Kette nur in 5'---»-31-Richtung, was besagen soll, daß jeweils eine am c' befindliche OH-Gruppe eines Desoxyriboserestes ' | das wachsende Kettenende bildet, das mit der am des Monomeren befindlichen Triphosphatgruppe unter Abspaltung von Pyrophosphat reagiert (Abb. 131 und 162). Darüber hinaus muß man aus den experimentellen Befunden von OKAZAKI [ 75 ] schließen, daß in vivo an den Ästen der Replikationsgabel zunächst zahlreiche Polymerstücke der Tochterstränge gebildet werden, die dann durch ein besonderes Enzym, Ligase, zur endgültigen Länge verbunden werden. Es sind mehrere Ligase-Enzyme bekannt, die auch als Reparaturenzyme wichtige physiologische Punktionen zu erfüllen haben. An den Ästen der Gabel sind demnach mehrere DNS-Polymeraseenzyme aktiv. Der Mechanismus der Replikation - in dem Sinne, in dem man heute in der organischen Chemie von Reaktionsmechanismus spricht - ist vollkommen unbekannt. Man muß schon einige Phantasie aufwenden, wenn man sich erklären will, wie in einem Medium gleichzeitig und räumlich nur wenige 20 oder 30 8 entfernt Wasserstoffbrücken sich öffnen und schließen, aber nicht etwa statistisch wie bei einem dynamischen Gleichgewicht(oder einem stationären Zustand) in einer Lösung, sondern säuberlich getrennt! ln dem Elternstrang öffnen sie sich, und in den Elter-Tochtersträngen schließen sie sich wieder. Vor der gleichen Schwierigkeit steht man bei den Stapelkräften zwischen den Ebenen der Purin- und Pyrimidin-Ringe: Was bewegt die relativ großflächigen Scheiben der Heterocyclen, ihre "breitangelegte" Wendeltreppen-Wechselwirkung (s.Abb.128) in wässrigem Medium aufzugeben, um nach einem kurzen Rotations-Ballett-Zwischenspiel wieder in die energetisch gesicherten Positionen der Tochterstränge zurückzukehren? Ganz beträchtlich ist auch der Aufwand an Phantasie, der erforderlich ist, sich vorzustellen, wie der Rotationsmechanismus beschaffen sein soll,der die zu replizierende Schablonen-Doppelhelix ohne Kettenbrüche um ihre Längsachse dreht. Man darf Ja nicht übersehen, daß die Einzelstränge nicht, wie in Abb. 162 vereinfacht dargestellt ist, parallel nebeneinander verlaufen (paranemische Doppelspirale), sondern miteinander plektonemisch verdrillt sind, - jedenfalls nach dem bislang allgemein angenommenen WATSON-CRICK-Modell - so daß eine Trennung nur durch Entwinden, d.h. Rotation der Doppelhelix oder der Gabeläste, oder durch o ~o-p«o A A o-A-o c!xs> O-P-O A 0 0*^-0" 0 "0H»«0 6 P-'«K3 A o«p-o o 0-f»*0 ® 6 0-^-0' 6 ChDh^O > ,J3®. , 7' V- r*o 9’ ** -j£v/ 4°' '"X vA 5;^ V -oXf ,ßr° \ -o-/r -o>r° o ®Q\ 0< u'p /*' 5"p® CV' 5 b» \ ferner Amine, wie Methylamin, Aethylamin und die höheren Homologen und heterooyolisohe Amine. Schließlich sind in den Lösungen von MILLER-Versuohen auch noch trifunktionelle Moleküle gefunden worden. Eine wässrige Lösung nach Art einer solchen Ursuppe wäre ein denkbar ungeeignetes Medium für die Entstehung von Nuoleotid- und Peptidketten, da diese nur durch Polykondensation entstehen können. Wie bei der Besprechung der Polykondensationsgesetze im einzelnen gezeigt wurde (s. S. 66 ff.), hängt die Länge der sich bildenden Ketten vom erreichbaren Umsatz p , von der Gleiohgewiohtskonstanten Kp und vom Verhältnis der funktionellen Gruppen q ab. Wegen der hohen Konzentration an monofunktionellen Aminen, Carbonsäuren und Alkoholen liegt der Wert q (das Molverhältnis der miteinander reagierenden Gruppen) in den bei MILLER-Versuohen entstehenden Lösungen stets nahe bei 0.5, so daß selbst dann, wenn ein quantitativer Umsatz (p = 1) der bifunktionellen Moleküle möglich wäre, gemäß Gl. (12) bzw. (14) Seite 79 und 80 der mittlere Polymerisationsgrad P höchstens J sein könnte. Beispielsweise könnte man die Entstehung folgender Verbindungen erwarten: CH,- C - 0 3 ii ■L O-C-CH, II J 0 Adenosindiacetat (aus Ribose Adenin und Essigsäure) ii 0 0 CH, 0 CH, I 3 II I 3 HOOC-CH-O-P-O-CH-COOH OH Phosphorsäureester der Milchsäure (aus Phosphorsäure und Milchsäure 0 ii H5C2-NH-P-NH-C2H5 OH Phosphorsaurediaethylamid (aus Phosphorsäure und Aethylamin) CH, — C —NH-CH-C — NH — C,Hr 3 II I II 2 = 0 CH3 0 Acetylalaninaethylamid (aus Alanin, Essigsäure und Äthylamin) CH,-C-0-CH,-CH -CH,-O-C-CH, 3 II 2 I 2 II 3 Glycerindiacetat (aus Glycerin und Essigsäure) 0 OH 0 HO-CH — C — NH-CH — C —NH — C,Hc I II I II 25 CH3 0 CH3 0 Oligoamid (aus Milchsäure, Alanin und Aethylamin) Da der Wert ?n = 3 für solche Oligomere einen Mittelwert darstellt, sind im Rahmen der SCHULZ-FLORY-Verteilung (s. Seite 89 ff.) auch längere Ketten zu erwarten. Man muß freilich berücksichtigen, daß Pn = 3 die mittlere Kettenlänge bei p = 1 , also bei vollständigem Umsatz, darstellt. Polykondensationen aber sind Gleichgewichtsreaktionen, die in wässriger Lösung von der Wasserkonzentration abhängen. Gemäß Gl. ( 19 ) erhält man bei Kp = 10 (für Polyester zutreffend) und bei [H„o! = 32 (oder c„ „ sec 20 , entsprechend einer für Ur- c Ü2U suppen sehr hoch angesetzten Monomer-Polymer-Konzentration von ca. 80 7&, den Umsatz p = 0,2 . Berücksichtigt man, daß wegen des hohen Gehalts an monofunktionellen Verbindungen in Ursuppen nach Aussage der MILLER-Experimente q bei 0,5 liegt, ergibt sich gemäß Gl. (12) mit p = 0,2 ein mittlerer Polymerisationsgrad von = 1,154« Um die Anteile an längeren Ketten zu berechnen, die in einem Polykondensat mit dem mittleren Polymerisationsgrad P^ = 1,15 enthalten sind, muß man zunächst den für P =1,15 bei q = 1 zutreffenden Umsatz p er-mittein [denn die SCHULZ-FLORY-Verteilung in Form der Gl. ( 26 ) bzw. (27) Seite 92 iet für q = 1 abgeleitet]. Er ist gemäß Gl. (13) p = (P - 1) / P . Mit Pr = 1,154 ergibt das einen Umsatz von P = 0.1J3 (q = 1). Wie Seite 89 ff. abgeleitet wurde, gilt für Polymere, die durch Polykondensation entstehen, folgende Form der SCHULZ-FLORY-Verteilung: mp / m = P • pP_1 -(1 - p)2 (27) wobei mp die Masse der Moleküle mit dem Polymerisationsgrad P in m Gramm eines Präparates mit dem mittleren Polymerisationsgrad 1 / (1 - p) beim Umsatz p ist. In Tabelle 185 sind die Konzentrationen an Oligonucleotiden steigender Kettenlänge angeführt, die in einer MILLER-Ursuppe zu erwarten sind. Die Tabelle zeigt, daß in Ursuppen nicht nur die Bildung von Nuclein-säure- oder Proteinketten mit bestimmten, über die ganze Länge demselben Code entsprechenden Sequenzen sehr unwahrscheinlich ist (s. S. 172 ff.), sondern auch die Bildung von irgendwelchen Polykon- densaten aus den bifunktionellen Bestandteilen einer Ursuppe nach S.L. MILLER. Dabei ist besonders zu beachten, daß die Kettenmoleküle, auf die sich die Angaben beziehen, nicht etwa reine Nucleotidoligomere oder Oligopeptide sind, sondern statistische Copolymere. In einer Ursuppe mit ihren vielen Stoffkomponenten sind ja - man kann nicht oft genug darauf hinweisen, weil es immer wieder übersehen wird - nicht nur Aminosäuren (schon garnicht genau die 20, die zum Bau der Proteine Verwendung finden, sondern sehr viel mehr [ 97 ] - man kennt weit über 100 verschiedene AS - und alle liegen als Razemate vor und nicht als 1-Aminosäuren wie in den Proteinen der lebenden Organismen),sondern viele weitere bifunktionelle Monomere, die mit Aminosäuren copolykon-densieren, wie Oxycarbonsäuren (Milchsäure), Dicarbonsäuren und Diamine der verschiedensten Art. Das ist keine Annahme, sondern viele dieser Stoffe wurden in den bei MILLER-Experimenten anfallenden Lösungen nachgewiesen [ 82 ], nicht einmal, sondern immer wieder. Daher sind die in Ursuppen entstehenden Oligomerketten nicht etwa Oligopeptide oder Oligonucleotide, sondern statistische Copolymere aus 20 bis 30 (wahrscheinlich aber viel mehr) verschiedenen Aminogruppen, COOH-Gruppen, Aldehydgruppen, OH-Gruppen und andere funktionelle Gruppen enthaltenden bifunktionellen Monomeren. Viele dieser Monomeren (so die Aminosäuren und die Nucleoside [Ribose]) sind optisch aktiv und liegen als Razemate vor. Die entstehenden Ketten enthalten um so sicherer alle Sorten von Monomerresten, je länger die Ketten sind. Tabelle 185 : Kettenlängenverteilung (SCHULZ-FLORY-Verteilung) gemäß *#*) Gl. V 25 ) bei Co-oligomeren , wie sie in einer MILLER-Ursuppe zu erwarten sind: Kp = 10 und [HpO] = 32 (Wassergehalt 80 i) liefert mit Gl. ( 19 ) S. 84 den Umsatz p = 0,2 . Bei q = 0,5 und p = 0,2 ist gemäß Gl. (12) S. 79 Pn = 1,154 > entsprechend p = 0,133 hei q = 1 gemäß Gl. (13) S. 80 . Ke t- Gewichtsanteil Zahlenanteil * ) Anzahl der Masse Ur- ten- der Ketten- der Ketten- Kettenmoleküle Polykondensat, län- moleküle der moleküle der der Länge P in in der eine ge Länge P im Länge P im 1 g Ur-Poly- Kette der P Ur-Poly-kondensat (mp/m in %) Gl. (27) Ur-Poly-kondensat in °/o Gl. (26) kondensat **) Länge P enthalten ist **) 4 0,71 0,21 6,57 • 1018 1,5 • IO’19 g 10 0,99 10'5 1,15 ■ IO'6 5,69 •1013 2,7 • IO'14 g 20 3,53 ■ IO'14 2,03 • IO'15 6,52 • 104 1,5 . 10'5 e 40 2,24 ■ IO*31 6,43 •IO’35 2,07 •10-13 4,8 ■ 1012 g 60 1,04 O 1 -fc- 03 2,00 O 1 O 6,43 .10-31 1,5 0 O g 80 4,44 .io*66 6,39 • io'68 2,05 0 1 CD 5,0 1047 g *) Diese Werte beziehen sich auf Polynucleotide (RNS), bei denen das mittlere Molekulargewicht einer Struktureinheit (Monomere: Guanyl-ribose + Phosphat) M = (260 + 65) / 2 = 162,5 beträgt. **) Beispiel für P = 60 (PK = Polykondensat) mp / m = 60 • 0,13359 • 0,75 = 1,0 •10_5°g PK (P = 60) d.h. in 1 g Ur-PK ist 1,0 • 10 38 g PK mit P = 60 (Spalte 2) Ein mol PK (P = 60) ist P M = faO • 162,5 = 9750 g ' ' man 9750 g PK (P = 60) sind ~ 6 • 1023 Moleküle 1,0 -10'50gPK (P = 60) sind 6-1023-1,0 -10" 5°/97 50 = 6,43 • 10' 51 Moleküle 6,43 • IO'51 Moleküle (P = 60) sind in 1 g Dr-Polykondensat 1 Molekül (P = 60) ist in 1/6,43 -10~31 = 1,5 -103° g Ur-PK »**) "Co-oligomere" (in Analogie zu "Copolymere") sind kurze Ketten mit verschiedenen Struktureinheiten. Trotzdem lat auch die Bildung von reinen Polymeren, wie eie in den natürlichen Makromolekülen vorliegen, nicht unmöglich, sondern nur sehr unwahrscheinlich (s. Tab. 187): Die Wahrscheinlichkeit, daß unter (z.B.) JO möglichen Ereignissen, nämlich der Addition eines von 30 verschiedenen Monomeren, ein bestimmtes stattfindet, ist 1/30 . Daß dasselbe 20 mal hintereinander geschieht und ein reines Homopolymer entsteht, hat die Wahrscheinlichkeit von (1/30)^ « 3 • 10 . Das gilt aber nur, wenn alle Monomerkomponenten in derselben Konzentration vorliegen. Bedenkt man, daß - nach den Analysenergebnissen von MILLER-Experimenten [ 82 ] - Nucleoside in Ursuppen, wenn überhaupt, so nur in extrem geringen Konzentrationen vorliegen (und unter diesen wieder die für die Hypothesen der präbiotischen Evolution benötigten Guanosin- und Cytosinphoephate in den geringsten), so daß sich vielleicht unter *) 1 000 bis 10 000 Monomeren , bestenfalls ein Nucleosidmonomer befindet, so ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich in einer Ursuppe ein Dekanucleotid (Gp)^ (entsprechend P = 20) spontan bildet, bei (1/10^)^ bis (1/10^)^ zu suchen, also bei 10 ^ bis 10 d.h.: im Mittel ist unter 10^ bis 10^ Copolymerketten mit P = 20 nur eine einheitliche Ollgonucleotidkette mit 10 Nucleotideinheiten. Nach Auskunft der Tabelle 185 sind in 100 g Ur-Polykondensat aber nur 3,5 • 10 ^ g Oligomere mit Ketten dieser Länge, so daß man erwarten 55 75 kann, in 10 bis 10 g Ur-Polykondensat gerade eine RNS-Oligomer-Kette der Länge P ^ 20 (entsprechend 10 Nucleotidresten) zu finden. (Die Erdmasse ist rund 6-10 g , die der Sonne 2 • 10")p g und die des Universums bei 10^ g). Selbst wenn also die ganze Erdmasse oder gar das ganze Universum aus einem Ursuppen-Gel bestanden hätte, so wäre die Wahrscheinlichkeit, daß sich darin auch nur ein einziges Oligo-nucleotid mit 10 einheitlich-korrekt im Sinne einer RNS-Kette verknüpften Nucleotiden gebildet hätte, immer noch extrem gering gewesen. Daran ändert sich auch nichts Wesentliches, wenn man Hucleotide, also Nucleosidtriphosphate als die Monomeren betrachtet (statt Phosphorsäure und Nucleosid). Dann ist P = 10 statt P = 20 , dafür aber muß *) *) Cytosin und Guanin liegen bei MILLER-Experimenten unter der Nachweisbarkeitsgrenze, also - wenn überhaupt vorhanden - in Konzentrationen unter 10 ppm. Ihre Ribosederivate Guanosin und Cytidin können höchstens in Sekundärreaktionen über Formaldehyd ---->■ Ribose entstan- den sein und sind in MILLER-Ursuppen natürlich erst recht nicht analytisch erfaßbar, Die oben angenommenen Konzentrationen dürften daher eher noch zu hoch sein, zumal wenn man berücksichtigt, daß die zum Aufbau von RNS/DNS- und Proteinketten in Frage kommenden Monomeren jeweils in zwei spiegelbildlich verschiedenen räumlichen Strukturen vertreten sind, die in Ursuppen natürlich stets als Racemate vorliegen. Tabelle 187: Bildungswahrscheinlichkeiten und Konzentrationen im Ge-samtpolykondensat für reine Oligonucleotide (N) in einem Vielstoffgemisch nach Art einer Ursuppe mit 20 bis 40 gleich reaktiven, verschiedenen bifunktionellen Monomeren, in denen nur ein geringer Anteil (10 bis 0,001 mol $) des Nucleosid- bzw. Nucleotidmonomeren enthalten ist (Komponente N) für Polymerisationsgrade P = 10 und P = 20 entsprechend Ketten mit 10 Nucleotideinheiten. Bei Nucleosid-triphosphaten als Monomeren gilt P = 10 und bei Nucleosi- den + H,P0, als Monomeren gilt P = 20 . 3 4 Anteil der Komponente N in mol $ Bildungswahrscheinlichkeit bei P = 10 *) Masse Urpoly-kondensat, enthaltend 1 Molekül N-01igomer mit P = 10 Bildungs-Wahrscheinlichkeit bei P = 20 *) Masse Urpoly-kondensat, enthaltend 1 Molekül N-01igomer mit P = 20 *■* **)) 10 io'20 9,4 • 1014 g 1 IO'20 1,6 • 106 g io'40 9,4 • 1054 g 0,1 10'3° 1,6 • 1016 g 10-60 9,3 •1054 g 0,01 10-40 1,6 •1026 g 10-80 9,3 -1074 g 0,001 10-50 1,6 • 1036 g *) Beispiel für 0,1 mol $ N im Monomergemisoh der Ursuppe: In einer Ursuppe mögen 20 bis 40 verschiedene Monomere sein, die miteinander copolykondensieren können. Nucleoside liegen laut Analysenergebnis [ 82 J nur in sehr geringen Konzentrationen vor. 0,1 mol $ der Komponente N bedeutet, daß sich unter 1 000 von 20 - 40 verschiedenen Monomermolekülen 1 Nucleosidmolekül befindet. Die Wahrscheinlichkeit einer Addition eines Moleküls N an eine wachsende Kette ist dann 1/10'. Eine n malige Additionsfolge von N (zur Bildung einer reinen N-Kette mit P = n) hat dann die Wahrscheinlichkeit (l/lO^)n. **) Beispiel für 0,1 $ N im Gemisch bei P = 20 : Der Mittelwert für das Molekulargewicht aller im Gemisch vorliegenden Monomeren ist mit = 100 angenommen. Die Bildungswahrscheinlichkeit eines reinen Oligonucleotids mit P = 20 ist (1/103)28 = 10~6°, d.h. unter 1088 Copolymermolekülen (P = 20) befindet sich im Mittel 1 einheitliches Oligonucleotidmolekül (P = 20). Da 6 • 1023 Moleküle (= 1 mol) eine Masse von P • M_n_ = 20 • 100 g haben, flO muil n 7 Sn beträgt die Masse von 10 Molekülen dieser Art (100-20/6-10 3)-10 = 3,3 • IO” g (enthaltend 1 einheitliches Oligonucleotidmolekül). Gemäß Tab. 185 ist in 100 g Polykondensatmasse 3.53 • 10 ^4 g Polykondensat mit P = 20 . Wenn also 3,53 • 10~14 g Polykondensat P = 20 einer Masse von 100 g Ur-Polykondensat P^ = 1,15 entspricht, entspricht 3. 3 • 103^ g Polykondensat P = 20 (enthaltend 1 einheitliches Molekül) einer Masse von (100/3,53 • 10’14) • 3,3 • 10” = 9,3 • 1054 g Ur-Polykondensat (Pn = 1.15). man die Bildung von Nucleoaidtriphosphaten in Drsuppen annehmen, wofür sich in den Analysen der durch MILLER-Experimente erhaltenen Stoffgemische nicht der mindeste Anhalt findet. Da sich die Triphosphate erst über weitere Folgereaktionen aus Phosphorsäure und Nucleosiden bilden müßten, wäre mit Sicherheit die Konzentration dieser Nucleosidtriphos-phate um Zehnerpotenzen niedriger anzusetzen (1 Gppp oder Cppp oder weniger auf 10 000 bis 100 000 Monomere) und man würde Bildungswahrscheinlichkeiten für korrekte Oligonucleotide im Sinne der RNS-Struktur bei 10 ^ bis 10 ^ erhalten und die Massen an Urpolykondensat, in denen man ein RNS-ähnliches Oligomermolekül mit 10 korrekt in 3'- und 5'-Position verknüpften Nucleotidresten fyätte erwarten dürfen, lägen dann bei 1026 bis 1056 (Spalte 2 und 3 in Tab. 187). Schon früher (s. S. 172 ff.) wurde gezeigt, daß die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von DNS-Ketten mit bestimmter Nucleotidsequenz ungeheuer klein ist ( < 10— ^000iab. 185 und 187 zeigen, daß selbst die Entstehung eines kurzen DNS-Stückes mit beliebiger Sequenz durch Polykondensation in Drsuppen bereite ein extrem unwahrscheinliches Ereignis ist. Man sollte indessen in dieser geringen Bildungswahrscheinlichkeit von DNS-Ketten in Ursuppen nicht das einzige, ja nicht einmal das wesentliche Argument gegen eine auf Zufallsgesetzen (Mutation - Selektion) beruhende Evolution sehen. Die Wurzel des verhängnisvollen neodarwinistischen Irrtums liegt vielmehr in der totalen Fehleinschätzung der Folgen von einzelnen Mutationen auf die Änderung der geno- und phänotypischen Eigenschaften der betroffenen Individuen (s. S. 211 ff.). Während die neodar-winistische Lehre einfach davon ausgeht, daß einzelne Mutationen Eigenschaftsänderungen bewirken können, durch die ein Individuum entscheidende Selektionsvorteile erhält, die summiert schließlich zur nächst höheren Art führen, zeigen die Ergebnisse der DNS-Forschung ganz eindeutig, daß solche Eigenschaftsänderungen durch einzelne Mutationen unmöglich sind. Eigenschaftsänderungen, die dem Entstehen einer neuen Art zugrunde liegen, erfordern stets eine erhebliche Erweiterung (Bereicherung) der Baupläne (Organgerüst, Stoffwechsel etc.). Dazu sind in aller Regel viele neue Stoffe erforderlich. Die Synthese eines einzigen neuen Stoffes aber benötigt im Mittel 5 bis 10 neue Enzyme, also auch neue Gene. Ein neues Gen aber erfordert eine DNS-Kettenverlängerung um durchschnittlich 1 500 Nucleotide in Verbindung mit bis zu 1 500 koordinierten Mutationen. Die größtmögliche, sich an Fakten orientierende Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer solchen Neu-Gen-Bildung liegt bei 10"^ (s. S. 205 ff.), so daß die koordinierte Bildung von 10 neuen Genen (absolutes Minimum für eine neue Eigenschaft im Rahmen einer Bauplanänderung) bereits bei (10"6)10 = 10"60 liegt. Die Wahrscheinlichkeiten für das weitere Wachsen der DNS-Kette in Genschritten potenzieren sich, weil das Eintreten der jeweils nächsten Addition die jeweils vorhergehende Addition zwingend voraussetzt. Daher führen die Wahrscheinlichkeiten für eine evolutive Polykondensation, d.h. für eine nicht konstruktiv gesteuerte Kettenverlängerung der DNS, sehr bald ins Unmögliche (W « 10*^®®^) [s. Seite 208 ff.]. Einzelne Mutationen dagegen (durch die die DNS-Kette nicht verlängert wird) können niemals zu einer koordinierten Entstehung neuer Gene und Enzyme und somit auch niemals zu neuen Funktionen und Formen führen. Ob Selektion stattfindet oder nicht, ist für die Wahrscheinlichkeit der Entstehung neuer Genfolgen völlig uninteressant. Die Größe "Selektion" geht in die Berechnung dieser Wahrscheinlichkeit garnicht ein. Mutation -Selektion ist lediglich ein Mechanismus zur Artausbreitung und Arterhaltung (positive Auslese). Experimente mit reinen Ausgangsstoffen Das Basisexperiment für alle Überlegungen zur Entstehung des Lebens durch Selbstorganisation ist (oder sollte sein) der MILLER-Versuch [80], der schon viel früher in ähnlicher Form von anderen beschrieben war [85] und der inzwischen in zahlreichen Varianten hundertfach wiederholt wurde [82] und immer zu dem gleichen Ergebnis führte: Elektrische Entladungen oder ionisierende Strahlung in einem CH^ , H^O und NH^ enthaltenden Gasgemisch führen zur Bildung eines höchst komplizierten, meist kurz "Ursuppe" genannten Stoffgemisches aus zahlreichen mono-, bi- und trifunktionellen Verbindungen aus vielen Verbindungsklassen der organischen Chemie: Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Glykole, Aldehyde, Ketone, Nitrile, Carbonsäuren, Dioarbonsäuren, Oxycarbonsäu-ren, Aminocarbonsäuren, Carbonsäureester, Amine, Diamine, Triosen, Pentosen, Hexosen (Zucker) und Heterocyclen der verschiedensten Art wurden nachgewiesen. Dieses ist das einzige sich an den geologischen Fakten (so weit verfügbar) orientierende Experiment zur präbiotischen Evolution, das bekannt wurde. Das Ergebnis dieses Experiments führt unter Berücksichtigung der Polykondensationsgesetze zu der eindeutigen Aussage: Makromoleküle, auch Oligomerketten mit einheitlicher Struktur im Sinne von Nucleinsäuren (RNS, DNS) oder Proteinen oder Polysacchariden können sich in Ursuppen nicht bilden (s. Tab. 185 und 187). Die in einem Aufsatz von M. EIGEN und Mitarbeitern [93] aufgestellte Behauptung: "Die präbiotische Ursuppe stellte ein geeignetes Medium für einen DARWIN'sohen Evolutionsprozeß dar", ist daher unhaltbar. Sie wäre nur gerechtfertigt, wenn man Bildungswahrscheinlichkeiten für die Ausgangsmoleküle von 10-®® bis 10*®® als geeignete Startbasis für eine Evolution annehmen würde, was aber auch von M. EIGEN ausdrücklich abgelehnt wird [97]. Die Gesetze der Polykondensation, die eine Bildung von einheitlichen Oligomerketten (gleich welcher Art) in Ursuppen nicht zulassen, sind Gesetze der Stöchiometrie, d. h. sie haben nur eine Voraussetzung für ihre Gültigkeit, nämlich die atomare Struktur der Materie. Ihre Gültigkeit kann daher auch für die Zeit der Ursuppen nicht in Zweifel gezogen werden. Außer den MILLER-Experimenten sind noch eine Reihe weiterer Versuche zur Darstellung von Aminosäuren, Nucleosiden, Nucleotiden, Oligonucleo- tiden (E. ORGEL [ 85i 96 ]) und Oligopeptiden (PAECHT-HOROWITZ, KATCHALSKY [ 85, 99 ]) beschrieben worden, die aber, soweit sie mit der Entstehung des Lebens in Beziehung gebracht werden, keinerlei Beweiskraft haben, weil die Autoren nicht etwa "Drsuppen", also wässrige Lösungen, die bei MILLER-Experimenten entstehen, als Ausgangsmaterial verwenden, sondern hochgereinigte Verbindungen in hoher Konzentration. Wenn man diesen Versuchen als Basis für die Hypothesen zur Entstehung des Lebens Bedeutung beimessen wollte, müßte man annehmen, daß die Stoffe an speziellen Stellen der Urerde in reiner Form angereichert werden konnten. Um eine solche Anreicherung durch Adsorption -Desorption nach Art einer präparativen Chromatographie zu ermöglichen, benötigt man im Laboratorium recht komplizierte Anlagen mit einer Vielzahl sinnvoll angeordneter Säulen, deren jede ihre spezielle Art von Füllstoffen besitzt. Selbst wenn man annehmen würde, daß solche Anlagen für die Produktion reinster Stoffe aus dem ürsuppengemisch irgendwo auf der frühen Erde zufällig entstanden wären, hätte das keineswegs einen möglichen Weg zu einheitlichen Oligonucleotiden bedeutet. Unter den für die Urerde anzunehmenden geologischen und meteorologischen Bedingungen wären alle getrennt adsorbierten Stoffe letztlich wieder in der Ursuppe gelandet. An Regen und Sturmfluten soll es auf der Urerde nicht gefehlt haben. Außerdem werden die für die verschiedenen Synthesen benötigten Komponenten - darauf beruht ja das Reinigungsprinzip - unter ganz verschiedenen Bedingungen adsorbiert. Es würde also selbst bei Annahme einer jahrtausende langen Gutwetter-Periode allenfalls eine Trennung der Komponenten erreicht und damit die Synthese erst recht verhindert worden sein. Wollte man die jeweils für eine bestimmte Synthese reiner Oligomer-ketten zusammengehörenden Komponenten in der richtigen Kombination wieder vereinigt sehen, so müßte man sich Erdbeben ausdenken, durch die die verschiedenen Gesteinszonen, die die richtigen und die störenden Stoffe getrennt adsorbiert enthalten, so präzise voneinander separiert werden, daß ihre Stoffe bei nachfolgenden Regenfällen in getrennten Rinnsalen in getrennte Tümpel, die für eine Polymersynthese benötigten Stoffkomponenten aber in gemeinsame Seen geführt werden, die natürlich durch das Erdbeben so geformt werden müßten, daß sie dicht sind und auf ihrem Grund auch gerade die richtigen Mineralien als Reaktanten oder Katalysatoren enthalten: Phosphate (neben Mg++ und Harnstoff) für die Reaktion von Nucleosiden zu Triphosphaten, Zn++ und Mg++ als Katalysatoren für die Nucleotidpolykondensation nach ORGEL [ 96] und spezifische Tonerden für die Peptidsynthese nach PAECHT-HOROWITZ und KATCHALSKY [ 99 ]• Die Wahrscheinlichkeit derartiger *) geologischer Selbstorganisationen zu Großaufbereitungsanlagen für Ursuppen zu reinsten Monomeren (in ihrer Komplexität moderne Aufbereitungsanlagen für Crackgase zu den Monomeren Aethylen, Propylen und Butadien noch übertreffend), kann man zwar nicht wie die biologische Selbstorganisation mit Zahlen belegen, aber sie dürfte noch sehr viel geringer sein als diese. "Evolutionsexperimente" Experimente, die diesen Namen wirklich verdienen, gibt es bisher nicht. Es gibt Versuche mit Qß-Replikase (Enzym, das Qß-Phagen-RNS auch in vitro zu replizieren vermag), die zeigen, daß dieses Enzym (aus Qß-Phagen isoliert) auch ohne RNS-Matrize aus den vier Nucleosidtriphos-phaten RNS-Ketten aufzubauen vermag [100]. Es gibt ferner Versuche, die zeigen, daß eine Replikation an einer RNS-Matrize ohne Enzym möglich ist [ 96 ]. Und es gibt den vielzitierten SPIEGELMAN-Versuch [101 ]. Zu dem ersten Versuch (Enzym ohne Matrize) findet sich schon bei M. EIGEN (in dessen Arbeitskreis die Experimente durchgeführt wurden) der Einwand, "daß ein so komplexes biologisches Molekül wie die Qß-Replikase nicht in einem Experiment verwendet werden sollte, das darauf angelegt ist, die präbiotische Situation möglichst wahrheitsgetreu nachzuahmen" [ (93) ]• Dieser (nach EIGEN's eigenen Worten) durchaus richtige Einwand läßt sich nicht dadurch entkräften, daß man auf den zweiten Versuch (L. ORGEL: Matrize ohne Enzym) verweist, der unter Bedingungen durchgeführt wurde, die ebensoweit von der durch das MILLER-Experiment bestimmten präbiotischen Situation entfernt sind wie der erste, insofern nämlich als der Versuch von ORGEL mit einer langen, hochgereinigten RNS-Kette (Poly-U) als Matrize und ganz reinem Adenosintriphosphat (ATP) als Monomerem durchgeführt wurde, mit dem Ergebnis, daß selbst unter diesen von einer wahrheitsgetreuen Nachahmung *) In den theoretischen Abhandlungen werden solche komplexen Großaufbereitungsanlagen für Ursuppen schlicht als "das Vorhandensein einer räumlich und zeitlich gegliederten Umwelt" bezeichnet oder es ist die Rede davon, "daß solche Substanzen nur an speziellen Stellen der Ur-erde angereichert werden konnten, in denen eine Vielfalt von besonderen Bedingungen erfüllt war" [94] . der präbiotiachen Situation weit entfernten Bedingungen die Kettenlänge der entstandenen Oligo-A-nucleotide eine mittlere Länge von nur 5 Nucleotiden hatte und nur 75 $ der Kettenbindungen die 3'-5'-Anord-nung besaßen. Was von Evolutionsversuchen mit reinen Monomerkomponenten zu halten ist, wurde bereits auf S. 189 und 190 dargelegt: Von der präbiotischen Situation weiß man nicht viel, eines aber haben die MILLER-Experimente klar und sicher bewiesen, daß es nämlich in Ursuppen reine Monomere oder gar reine RNS-Oligomere mit längeren Ketten nicht gibt. Hypothesen zur präbiotischen Evolution finden daher durch Experimente mit reinen Monomeren oder gar Polymeren keine Stütze. Beim SPIEGELMAN-Versuch wurde eine aus Qß-Phagen isolierte RNS 74 mal nach einer bestimmten in 4 Stufen von 20 auf 4 Minuten reduzierten Inkubationszeit mit ebenfalls aus Phagen gewonnener Replikase jeweils in den nächsten Ansatz als Matrize übertragen. Dabei verringerte sich das Molekulargewicht der RNS von ca. 10^ auf 1,7 • 10^ und die Replikationsgeschwindigkeit stieg stark an. Die Verkürzung der Inkubationszeit wird als Selektionsdruck betrachtet, dem das reagierende System ausgesetzt wurde, mit der Folge, daß das RNS-Makromolekül alle im Reagenzglas - im Gegensatz zur Vermehrung in der Wirtszelle - nicht benötigte Information (RNS-Stücke, die die Information für die Hülle und das Replikaseenzym enthalten) als Ballast abwarf, so daß das verbleibende Reststück der Kette nunmehr schneller repliziert werden konnte. Was bei dem Experiment chemisch geschehen ist, ist ein hydrolytischer Kettenabbau, dessen Kinetik aber nicht untersucht wurde. Der Abbau wurde möglich und unvermeidlich durch die gegenüber der Coli-Zelle, dem natürlichen Wirt des QJ3-Phagen, völlig veränderten Reaktionsbedingungen. Ein Parallelversuch mit konstanter Inkubationszeit (der aber nicht gemacht wurde) hätte wahrscheinlich dasselbe Resultat erbracht. Der SPIEGELMAN-Versuch ist insofern interessant, als hier gezeigt wird, daß eine RNS-Kette (dasselbe gilt für DNS) unter in vitro-Bedingungen (d.h. von selbst) immer nur kleiner werden kann, nicht aber länger. Bei der Entwicklung des Lebens dagegen hat die Länge der DNS-Kette vom Polymerisationsgrad von ca. 10^ (bei Bakterien-DNS) auf Polymerisations- Q grade um 107 (Säuger-DNS) zugenommen (von 1 mm auf 1 m Länge). Wenn man das SPIEGELMAN-Experiment als "DARWIN-Experiment" bezeichnet (so in der Überschrift des Artikels [lOl])f kann man mit gleicher Berechtigung auch die Ammoniak-Synthese oder jede beliebige andere chemische Reaktion als Evolutionsexperiment bezeichnen, denn jede Reaktion verläuft selektiv, insofern als sie durch Auswahl bestimmter Reaktionsbedingungen auf ein gewünschtes Reaktionsprodukt hin optimiert wird. Die Reaktionsbedingungen schaffen den "Selektionsdruck" und das stoffliche System reagiert mit einer Zustandsänderung, die stets durch die Hauptsätze der Thermodynamik bestimmt ist. Im Hinblick auf die großen natürlichen Kettenmoleküle bedeutet das Abbau, denn das thermodynamische Gleichgewicht in wässriger Lösung führt stets zu sehr kurzen Ketten. Nur dadurch, daß die Abbaureaktionen in ihrem Ablauf behindert werden (in völliger Analogie zur Stabilisierung eines Knallgasgemisches bei normaler Temperatur durch die Schwelle der Aktivierungsenergie) , haben die Proteine eine gewisse Stabilität, die gerade ausreicht, daß sie ihre Funktion z.B. als Enzyme so lange erfüllen können, bis sie durch neu synthetisierte ersetzt werden, so daß der Gesamtorganismus im offenen Kontakt mit seiner Umwelt im Zustand eines Fließgleichgewichts erhalten bleibt. Kettenwachstum durch Mutation - Selektion ? Wie die Laten der Tabellen 185 und 187 zeigen, kann man sich die Startwahrscheinlichkeit für eine Molekülevolution nach Belieben aussuchen, indem man mit der Kettenlänge des Starter-Oligonucleotids so weit zurückgeht, bis man in eine Wahrscheinlichkeits- oder Konzentrationszone gelangt, die plausibel oder zumutbar erscheint. Alles weitere überläßt man dann der molekularen Evolution durch Mutation und Selektion, die freilich nur auf dem Papier und in Rechenmaschinen funktionieren kann, denn in einer wirklichen Ursuppe kann ein Linucleotid auf keinem Wege (auch nicht auf dem Wege einer Evolution) zum Tetra-, Okta-, Dekaoder Dodekanucleotid polykondensieren, - es sei denn mit den in Tabelle 197 zu findenden Wahrscheinlichkeiten. Solange nämlich ein einzelnes RNS- (oder DNS-) Molekül nicht von der Umgebung der Ursuppe abgesondert ist und umgeben von einem Kreis dienstbarer Enzyme sein Eigenleben führt (wie in der Zelle), bleibt es dem allgemeinen Polykondensationsgleichgewicht und seinen Gesetzen aus-geliefert [f>n = f (p, q) i Pn = f (Kp , [HgO]» mp / m = f (P , p) ]. Wenn H. KUHN behauptet, die Verlängerung von Strängen durch zufällige Kondensation zweier Oligomerstränge sei leicht möglich im Gegensatz zur spontanen Bildung eines längeren Stranges durch Verknüpfung von Monomeren [ 94 ], so stellt er damit für seine Ursuppen oder "besonderen Bereiche" neue Naturgesetze auf, denn nach den Gesetzen der Polykondensation, die heute gelten (und natürlich immer galten, solange es atomar strukturierte Materie gibt), ist gerade das nicht der Pall. Vielmehr sind alle Moleküle eines Polykondensationsansatzes (Monomere, Oligomere, Polymere) durch ständige Reaktionen ihrer funktioneilen Gruppen miteinander zu einem Gleichgewicht verbunden. Die funktionellen Gruppen (OH-, NH^-, COOH-, H^PO^) wissen sozusagen gar-nicht, ob sie sich an einem Monomeren, oder am Ende einer kurzen oder längeren Kette befinden. Selbstverständlich müssen diese der Tab. 185 zugrundeliegenden Gesetze der Polykondensation auch für Ursuppen gegolten haben, wenn man nicht die atomare Struktur der Materie in Zweifel ziehen will. Das aber bedeutet, daß die spontane Verdoppelung von RNS- oder DNS-Ketten durch Reaktion zweier kleinerer Oligomerket-ten ein Vorgang ist, für den die gleichen extrem kleinen Wahrscheinlichkeiten gelten, die in Tab. 187 angegeben sind. Akzeptiert man die Unwahrscheinlichkeit der Bildung längerer DNS- oder RNS-Ketten, indem man sich sagt: "Das Leben mit seinen langen DNS-Ketten ist da, also müssen sie sich gebildet haben, mit welcher Wahrscheinlichkeit auch immer", und fragt nach dem Schicksal von Nuclein-säurekettenmolekülen in Ursuppen, so geben darauf eine Reihe von Hypothesen die Antwort: Sie haben sich nach den Spielregeln der Evolution zu immer komplexeren Systemen entwickelt bis schließlich lebende Zellen entstanden [93, 94]. Für eine Evolution ist neben der Reproduzierbarkeit der Informationsträger ein Wechselspiel von Mutation und Selektion erforderlich. Mit der Mangelhaftigkeit der Replikation ist auch die Mutationsrate gegeben. Als Selektionskriterien werden Hydrolysestabilität der Kette und Replikationsgeschwindigkeit angenommen. Mit wachsender Kettenlänge erlangt eine RNS-Kette die Fähigkeit zur intramolekular-komplementären Faltung (Haarnadel- oder Kleeblattstrukturen). Die Annahme, daß gefaltete Ketten hydrolysestabiler sind als ungefaltete, ist von der Struktur her begründet (höhere Aktivierungsenergie der Hydrolysereaktion bei Faltstrukturen). Aber: solange Ketten im gefalteten Zustand verharren, können sie sich nicht durch Replikation verdoppeln. Solange es keine Enzyme gibt, die eine Ent-drillung bewirken, bestimmt die Temperatur, ob eine Kette gefaltet ist oder nicht, d, h. bei gefalteten Ketten findet eine Replikation nur in warmen Perioden statt, also etwa tagsüber bei Sonneneinstrahlung. Mit einem Gewinn an Stabilität ist daher stets ein Verlust an Brutto-Replikationsgeschwindigkeit verbunden. Das gilt in diesem speziellen Fall des periodischen Aussetzens der Replikation (etwa im Tag-Naoht-Rythmus) auch dann, wenn die Replikation diffusionskontrolliert verläuft. Außerdem aber ist in den Entfaltungsperioden ein Ket-tenmolekül um so hydrolyseanfälliger, je länger die Kette ist Insgesamt ist also die faltungsfähige längere Kette gegenüber der nicht oder weniger faltungsgeschützten kürzeren Kette im Nachteil, zumal ja der strukturelle Schutz gegen Hydrolyse nur in den kühlen Perioden wirksam werden kann, also gerade dann, wenn er am wenigsten benötigt wird, weil die Hydrolysegeschwindigkeit ohnehin stark reduziert ist (bei 30° Temperaturabfall nur noch rund 1/10 der Normalgeschwindigkeit) . Stabilität ist somit kein Selektionskriterium, das zu längeren Ketten führt, sondern zu kürzeren, denn diese sind in wässrigem Milieu allemal die stabileren, bis beim Gleichgewichtspolymerisationsgrad das Maximum der Stabilität erreicht ist. Letztlich gilt das für die gesamte Entwicklung des Lebens: Wäre nicht der den lebenden Organismen innewohnende und durchaus rätselhafte Drang zum Leben, - eine thermodynamisch begründbare Notwendigkeit für seine Entstehung und seinen Fortbestand ist nicht zu erkennen. Auch höhere Replikationsgeschwindigkeiten etwa auf Grund vorteilhafter Nucleotidsequenzen begründet keinen Selektionsvorteil. Wenn man annimmt, daß die RNS-Synthese in Drsuppen oder "besonderen Bereichen" ablaufen konnte, waren die ohnehin nur in geringer Konzentration vorhandenen Nucleosid-Monomeren bald verbraucht, so daß die RNS-Ketten -moleküle zur Replikation ständig auf Nachschub aus der Uratmosphäre warten mußten, d.h. die weitere Replikation verlief diffusionskontrol- *) Bei gegebener Hydrolysegeschwindigkeit von beispielsweise 4 Esterspaltungen in einer gegebenen Zeit wird in einem System von 4 Ketten mit P = 6 (20 Esterbindungen) der Polymerisationsgrad gerade auf die Hälfte sinken, während bei Vorliegen von nur einer Kette mit P = 21 (ebenfalls 20 Esterbindungen) in der gleichen Zeit der Polymerisationsgrad auf rund P^ = 4 , d.h. auf 1/5 seines Ausgangswertes fällt. liert, so daß die individuelle Fähigkeit einiger RNS-Moleküle zur schnelleren Reaktion sich garnicht hätte auswirken können. Zwangsläufige Entstehung von RNS-Oligomeren in Ursuppen bei den in den Evolutionshypothesen postulierten Wahrscheinlichkeiten um 1 mit anschließender Evolution auf Molekülebene hätte überdies zwangsläufig auch die Entstehung von Leben mit d-Aminosäuren und verschiedenem Code in getrennten Ursuppen zur Folge haben müssen, selbst wenn von verschiedenen Hypercyclen im Modell von EIGEN [ 93 ] immer nur einer übrigbleiben konnte. Man darf ja - bei Bildungswahrscheinlichkeiten um 1 - nicht annehmen, daß nur in einem einzigen der vielen Urmeere oder -seen eine präbiotische Evolution stattfand (dasselbe gilt auch für die "besonderen Bereiche" des KUHN'schen Modells [ 94 ]), denn die Aminosäuren (etc.) spendende Uratmosphäre umgab die ganze Erde gleichmäßig, so daß - wenn nicht in allen, so doch in vielen geographisch getrennten Seen - die gleichen Chancen für den Beginn einer Evolution gegeben waren, die nach den verbreiteten Modellvorstellungen dort unvermeidlich hätte einsetzen müssen. Wenn schon die ersten primitiven Stufen der Entstehung von Nucleotid-und Peptid-Oligomeren in Ursuppen an den allgemeingültigen Gesetzen der Polykondensation scheitern, trifft dies erst recht zu für die weiteren Stufen auf dem Wege zur Zelle: das Auftreten von enzymatisch wirksamen Proteinen, die Umstellung von RNS auf DNS, das Anwachsen der DNS-Kettenlänge unter Umgehung des Polykondensationsgleichgewichts vom Oligonucleotid mit 2 bis 10 Einheiten bis zur Länge der Bakterien-DNS mit rund 10^ Nucleotiden, die Entstehung des Code, die Entstehung der Transcriptions- und Translationsmaschinerie, der Bau einer Hülle, die sich synchron mit der DNS-Replikation durch Zusammenschnüren teilt und die exakte Aufteilung der lebenswichtigen Zelleinrichtungen auf die Tochterzellen. Das alles sind Vorgänge, die alle Merkmale einer sorgfältigen, hochintelligenten Vorausplanung erkennen lassen. Zufällige Mutationen (Replikationsfehler) mit den resultierenden Veränderungen in kleinsten Schritten führen zu nichts, weil Mutationen nur an bereits vorliegenden Nucleinsäureketten stattfinden können und kein Kettenwachstum bewirken und weil es keine Selektionskriterien gibt, die die mutativ bewirkten kleinen Schritte hätten fixieren und schließlich zu etwas wirklich Neuem bündeln können. Wenn man Bilanz zieht, kann man nicht umhin, folgendes festzustellen: 1. In "Ursuppen" (nach Art der bei MILLER-Experimenten anfallenden Lösungen) können weder Makromoleküle noch Oligomere (P > 10) in Konzentrationen entstehen, die eine molekulare Evolution diskutierbar erscheinen lassen (Konzentrationen von weniger als 40 1 Nucleotidkettenmolekül in 10 g Urpolykondensat sind keine Basis für eine im Rahmen der Naturwissenschaften diskutierbare Hypothese). 2. Für den Ablauf einer präbiotischen Evolution fehlen - ebenso wie bei der Bioevolution - die wichtigsten Voraussetzungen: Die Polykondensation von Nucleotiden zu einer Kette von 10^ Struktureinheiten (Bakterien-DNS) ist unerklärlich. Kleine Schritte (durch Mutationen bewirkt) begründen keinen Selektionsvorteil und große Schritte sind extrem unwahrscheinlich. 3. Alle bislang veröffentlichten Experimente zur Polykondensation von Nucleotiden oder Aminosäuren sind für das Problem der Evolution auf Molekülebene irrelevant, da sie mit reinen Monomeren und nicht mit "Ursuppen" aus MILLER-Experimenten durchgeführt wurden. Polykondensationsexperimente aber mit Ursuppen oder den darin gelösten Stoffgemischen sind ebenso überflüssig wie Versuche zur Konstruktion eines perpetuum mobile. 4. Großaufbereitungsanlagen für Ursuppen zur Produktion reinster Monomerer, wie sie zur spontanen Bildung von RNS / DNS und Proteinen oder deren Oligomer-Vorstufen unbedingt erforderlich wären, konnten auf der frühen Erde nicht von selbst entstehen. Die bekanntgewordenen Hypothesen zur Entstehung des Lebens durch Selbstorganisation der Materie über eine Evolution (Reproduktion -Mutation-Selektion) auf Molekülebene sind daher wissenschaftlich unhaltbar. 2.4.3 MUTATIONEN Man unterscheidet in der Makromolekularen Chemie unter dem Gesichtspunkt der Kette drei Arten von Reaktionen: 1. Kettenaufbaureaktionen, 2. Kettenabbaureaktionen und 3. Polymeranaloge Reaktionen. Durch die erste Art von Reaktionen entstehen die Polymerketten, durch die zweite werden sie zerstört und bei der dritten Art bleibt die Kettenlänge unverändert. Die Frage, ob unter den Bedingungen der frühen Erde Kettenaufbaureaktionen zum Start einer präbiotischen Evolution möglich waren, wurde im vorangehenden Kapitel ausführlich behandelt. Die eigentliche oder Bio-Evolution wird nach heutiger Lehrmeinung durch ein Wechselspiel von zufälligen Mutationen mit zwangsläufig folgender Selektion erklärt. Bevor wir uns dem Aufbau der DNS-Kette bei der großen Evolution zuwenden, müssen wir daher einen Blick auf die Mutationen werfen, die zu jener Art von Reaktionen gehören, bei denen die Kettenlänge unverändert bleibt. Unter dem Gesichtspunkt der DNS-Synthese ist eine erbliche Veränderung von Eigenschaften und Merkmalen bei Lebewesen nur durch Veränderungen der Nucleotidtripletts der DNS-Kette möglich. Chemische Veränderungen an der DNS-Kette, die als Mutationen bezeichnet werden, sind dem Genetiker, der sich mit der experimentellen Untersuchung von VererbungsVorgängen befaßt, seit langem bekannt. Sie treten oft spontan, d.h. ohne erkennbare Ursachen auf, können aber auch durch Bestrahlung mit UV-Licht oder durch eine Reihe von Chemikalien ausgelöst werden (Mutagene). Man hat verschiedene Arten von Mutationen zu unterscheiden: Punktmutationen, Chromosomen-Mutationen und tfbertragungsmutationen. Punktmutationen, die spontan durch fehlerhafte Basenpaarung entstehen oder durch UV-Bestrahlung oder mutagene Chemikalien (HNO^, HONH^, Nitrosoguani-din, Acridine) ausgelöst werden können, bestehen in einer Veränderung der Nucleotidsequenz an einer Stelle oder einigen wenigen Stellen eines Bakteriengenoms. In einigen Fällen hat man eine begründete Vorstellung vom Mechanismus der Mutagen Wirkung f 102 ] • So wird beispielsweise unter HNO^-Einwirkung Adenin (a) zu Hypoxanthin (H) desaminiert, das sich bei der Replikation nicht wie Adenin, sondern wie Guanin verhält, so daß in der neugebildeten Kette Cytosin eingebaut wird, wo normalerweise ein Thyminrest addiert worden wäre: VH2 0 ^ N S \h .HN°3 > /Cx HN C C. / HC. C N’ i HC Kette Adenin-R est CH Kette Hypoxanthin - Rest A T- HN02 H T Replikat^ -H C- hA T- Replik H Ci hG C- k T- A T- h H — t - X X HC GC GC GC AT AT AT AT In analoger Welse wird Cytosin zu Uracil desaminiert, das sich bei der Replikation wie Thymin verhält, so daß im Tochterstrang statt Guanin Adenin eingebaut wird. Die veränderten DNS-Tripletts haben - da die DNS-Sequenz bei der Proteinsynthese die Aminosäuresequenz steuert (s. Abb. 152) - zur Folge, daß Enzyme mit veränderter AS-Sequenz gebildet werden. Wenn die neuen AS-Se-quenzen in einer Region der Proteinkette liegen, die für die Tertiärstruktur und die katalytische Aktivität von untergeordneter Bedeutung ist, kann es sein, daß die Mutation ohne erkennbare Folgen bleibt. Wenn aber die veränderte Sequenz in einem für die Enzymaktivität entscheidenden Kettenabschnitt liegt, kommt das einem Ausfall des Enzyms gleich, und die Mutation kann - unter Umständen - tödlich sein. Bei vielzelligen Lebewesen können Mutanten, also Individuen mit erblich veränderten Eigenschaften natürlich nur dann auftreten, wenn die Änderung der DNS-Sequenz in einer zur Befruchtung gelangenden Keimzelle auftritt. Von Chromosomen-Mutationen spricht man, wenn die betroffenen Zellen mehr oder weniger Chromosomen haben als im Normalfall oder wenn bestimmte Chromosomen zu lang oder zu kurz sind, was durch Crossover (s. Abb.138) von nicht homologen Chromosomenstücken ("Illegitimes Crossover") erklärt werden kann (s.Abb.200). Crossover (Austausch von DNS-Abschnitten) finden während der meiotischen Zellteilung (s. Abb.140) statt und dienen offensichtlich dem Zweck, eine stärkere Vermischung der von den beiden Eltern stammenden Erbinformation zu ermöglichen. Das geht nur um den Preis von DNS-Kettenbrüchen mit dem Risiko von Fehlern bei der Neuverknüpfung (Rekombination) getrennter Stränge. Eine bekannte Chromosomenaberration beim Menschen, die auch als Mongolismus bezeichnet wird, ist Trisomie 21: Das Chromosom Nr. 21 ist dreimal -statt normal zweimal - vorhanden. Die dritte Art der Mutation, die Übertragung von DNS von einer Zelle zur anderen, ist bei Bakterien eingehend untersucht worden; die Übertragung erfolgt durch parasexuelle Prozesse, die als Transformation, Transduktion # \ und Konjugation unterschieden werden sowie durch Phageninfektion . Immer handelt es sich - der Mechanismus der Übertragung ist verschieden -um das Eindringen von DNS (Zusatzchromosomen) in ein Bakterium. Die aufgenommene DNS kann (vorübergehend) in das Genom des Bakteriums eingebaut *) *) Phagen sind Viren, die Bakterien befallen. Abt>. 200 : Schema zur Entstehung von Chromosomen-Mutationen (-Aberrationen) nach BRESCH-HADSMANN [ 103 ] . I Defizienz: Verlust eines Endstücks II Illegitimes Crossover innerhalb eines Chromosoms a) Deletion: Verlust eines Mittelstücks b) Ringbildung unter Verlust der beiden Endstücke c) Inversion: Vertauschung der beiden Endstücke III Illegitimes Crossover zwischen zwei homologen Chromosomen IV Illegitimes Crossover zwischen nicht-homologen Chromosomen Vergl. dazu auch Abb.138 und Abb. 140. werden und wird bei Zellteilung normal repliziert. Sie kann für das Bakterium tödlich sein (Lyse bei virulenter Phageninfektion), sie kann indifferent sein (Prophagen-Stadium) oder sie kann - für das Bakterium - äußerst nützlich sein, wie bei der Übernahme von Resistenzfaktoren / *) (Ring-DNS mit der Fähigkeit, die Synthese von Stoffen einzuleiten, die das Bakterium gegen Antibiotika resistent machen). *) *) Derartige Zusatzchromosomen werden allgemein als Episomen oder Plasmide bezeichnet. Episomen werden manchmal, oft auch nur vorübergehend, in das Bakteriengenom eingebaut. Übertragen werden sie mit Hilfe eines 1 - 20^iii langen und 85 2 dicken Proteinschlauches, der, von einer Zelle ausgehend, an eine andere ankoppelt und durch den die DNS hindurchkriecht. An Plasmide lassen sich synthetisch hergestellte DNS-Stücke mit der Information für bestimmte Proteine ankuppeln, die dann zusammen mit dem Plasmid in die Bakterienzellen gelangen und dort die Bildung dieses Pro- Es gibt R-Faktoren, die die Resistenzinformation gegen 5 verschiedene Antibiotika bzw. Sulfonamide tragen. Die Übernahme von DNS, sei es aus dem umgebenden Medium oder von anderen Bakterien, erfordert eine Permeation durch die Bakterienwand, bei Konjugation auf dem Wege durch einen langen, engen Kontaktschlauch (Pilus). Die Fähigkeit, durch Bakterienwände und dünne Röhren hindurchzukriechen, unterscheidet die DNS ganz wesentlich von normalen Makromolekülen, bei denen dergleichen nie beobachtet wurde. Osmometrische Molekulargewichtsbestimmungen wären sonst z.B. nicht möglich. Faßt man die Ergebnisse der Mutationsforschung zusammen, so kann man Mutationen in Bezug auf ihre Folgen so charakterisieren: 1. Die Mehrheit aller erkennbaren Mutationen ist letal. 2. Auch von nicht-letalen Mutationen haben die meisten schädliche Folgen. 3. Viele nicht-letale Mutationen führen zu ganz unwesentlichen, kaum erkennbaren Veränderungen. 4. Nur selten findet man unter den nicht-letalen Mutationen solche, die tiefergreifende Veränderungen zur Folge haben, wie z.B. die Bildung von anomalen Organen, Gliedmaßen, Farben oder Formen. Nach verbreiteter und fast allgemein akzeptierter Ansicht soll die Evolution durch ein Wechselspiel von Mutation und Selektion zu erklären sein: Mutationen, die sich für das betroffene Individuum negativ auswirken, verschwinden wegen der Benachteiligung gegenüber den nicht mutierten Artgenossen von selbst wieder. Die äußerst seltenen positiven Mutationen dagegen verschaffen den mutierten Individuen Existenzvorteile, so daß sie sich gegenüber ihren nicht mutierten Artgenossen durchsetzen und diese unter Dmständen verdrängen. Eines von vielen Beispielen, die gern für das Wechselspiel von Mutation und Selektion angeführt werden, ist der sog. Industriemelanismus: Der Birkenspanner, eine helle Schmetterlingsart, ist in Industriegebieten Englands im Laufe von einigen Jahren durch eine vorher unbekannte dunkle Rasse verdrängt worden. Der dunkle Typ ist wahrscheinlich irgendwann irgendwo als einzelne Mutante aufgetreten. Infolge der dunklen Flügel hoben sich die mutierten Tiere in Industriegebieten weniger von der dunklen Umgebung ab, so daß sie vor den Augen hungriger Vögel besser getarnt teins bewirken [104], das man auf diese Weise in Bakterienkulturen kommerziell herstellen zu können hofft (Beispiel:Insulinsynthese). waren als der helle Wildtyp, und dieser im Mittel häufiger von Vögeln gefressen wurde und ausstarh. Im Beispiel handelt es sich wahrscheinlich um den Fall einer Punktmutation. Es zeigt nicht nur, daß innerhalb einer Art auf diese Weise durch positive Auslese überlegene Rassen entstehen, ebenso wie ja zur Genüge bekannt ist oder sein sollte, daß negative Auslese zu Degeneration und Aussterben führt, es deutet auch schon an, daß durch Punktmutationen nicht die Evolution zu erklären ist. Bei der Evolution geht es nicht um Farbstoff- oder Duftvarianten oder allgemein um die eine oder andere Nucleotidsequenz in einem Gen, sondern um den Übergang zu neuen Gattungen, Familien, Ordnungen, Klassen und Stämmen. Und da ist es nicht mit der mutativen Veränderung von ein paar Sequenzen getan! vielmehr geht es bei einem solchen Übergang tun die Neusynthese von hunderten von Genen, d.h. DNS-Abschnitten mit jeweils 5 6 '\0J bis 10 Nucleotiden. Wären diese Übergänge in kleinen Schritten erfolgt, müßte es Hunderte von Übergangsformen zwischen den aufeinanderfolgenden großen Stämmen geben. Diese sind aber trotz intensiver Suche der Paläontologen seit vielen Jahrzehnten nicht gefunden worden [105]. Außerdem bieten kleine Mutationsschritte, sobald sie aus dem gesicherten Rahmen einer Art oder Familie oder Klasse herausführen, keine Selektionsvorteile. Was hätte es beispielsweise einem Fisch genützt, Ansätze für die Bildung einer Lunge zu besitzen, selbst wenn durch eine Mutation eine solche Fisohvariante einmal entstanden sein sollte, oder statt Flossen Fußstummel oder beides, Lunge und Füße, ohne entsprechende Veränderungen im Gehirn, die die für die Atmung und das Laufen notwendigen Bewegungen ermöglicht und koordiniert hätten. Alle die zahlreichen Zwischenstufen, die zur Bildung der verschiedenen Amphibienorgane notwendig wären, hätten für den Fisch im Wasser keinerlei Selektionsvorteile, wahrscheinlich aber erhebliche Nachteile gebracht, so daß eine Orientierung von etwaigen Zufallsmutanten von einer "Art" zur nächst höheren, wie hier im Beispiel von den Fischen zu den Amphibien, durch Selektion gar nicht denkbar ist. Eine Argumentation aber, die von der Tatsache des Übergangs von Art zu Art ausgeht und von dieser Tatsache her auf die Notwendigkeit von Selektionsvorteilen der Zwischenstufen (angeblicher Mutanten) schließt, wäre eine groteske Art der Beweisführung, denn das zu Beweisende würde damit ja bereits als bewiesen vorausgesetzt. Nicht nur Punktmutationen, auch Chromosomenmutationen sind keine Basis für eine molekulare Erklärung der Evolution: Vorhandene DNS wird stückweise ausgetauscht, in abnormer Weise neu kombiniert (s. Abb. 200), aber keine neuen Gene kommen hinzu. Die einzige bekannte Art von Mutationen, bei der ein Genom durch größere neu hinzukommende DNS-Stücke erweitert wird, sind die DNS-ttbertragungen, also die Phageninfektion und die Parasexualprozesse bei Bakterien, mit dem eindrucksvollen Beispiel der R-Faktoren-Übertragung durch Konjugation der Bakterien über Pili. Die Episomen oder Plasmide, die dabei übertragen werden, sind eine Art indifferenter oder nützlicher Phagen oder Viren. Man könnte sich so die ganze Evolution als eine Kette von Virusinfektionen an Keimzellen vorstellen. Abgesehen davon, daß Konjugation (Plasmidübertragung) nur bei Bakterien beobachtet wurde und somit dieser Gedanke nichts weiter als eine unrealistische Spekulation ist, bleibt-auch hier die Frage: Wo und wie entstehen diese neuen DNS-Stüoke, die sich wie Episomen und Plasmide in das Genom von Lebewesen einbauen lassen? 2.4.4 DAS GEDULDIGE KETTENWACHSTUM DER DNS DURCH DEN LAUF DER ERDENZEIT Vom Bakterien- zum Säugergenom Bakterien-DNS hat eine Kettenlänge von rund 1 mm (entsprechend 3 • Nucleotidresten in der DNS-Kette) und Säugetier-DNS besitzt eine auf mehrere Stücke (Chromosomen) verteilte Gesamtlänge von rund 1 m, entsprechend ca. 3 • 10^ Nucleotiden). Die Länge der DNS hat also im Laufe der Evolution um den Faktor 2000 zugenommen. Man kann ebensogut sagen: sie ist im Laufe der Evolution nach und nach durch Copolyaddition entstanden. Dieser Vergleich der DNS-Kettenlängen von Bakterien und Säugern zeigt in aller Deutlichkeit, daß das Auftreten neuer Arten im Laufe der Evolution im Wesentlichen nicht durch Mutationen, also durch Sequenzvariationen vorhandener DNS-Ketten, zu erklären ist , sondern die Entstehung neuer großer DNS-Kettenstücke voraussetzt, durch deren Nucleotidsequenz die Aminosäuresequenz von neuen Proteinen (Enzymen, Hormonen, Zellwandproteinen) gesteuert wird. Auf die Frage, wie lang ein neuer DNS-Abschnitt sein muß, damit eine neue, durch Selektion erfaßbare Eigenschaft entsteht, läßt sich keine präzise Antwort geben, aber man wird leicht einsehen, daß ein halbes oder über- haupt unfertiges (unwirksames) Enzym wohl keine vorteilhafte Neuerung, etwa ein neues Organ mit neuen Punktionen, hervorbringen kann. Kan muß bei dieser Frage auch berücksichtigen, daß eine neue, stoffbedingte Eigenschaft in der Regel fünf bis zehn Gene erfordert, denn erfahrungsgemäß sind an der Synthese eines Stoffes mehrere - eben 5 bis 20 - Enzyme beteiligt, weil die Synthesen über mehrere Zwischenstufen verlaufen, deren jede durch ein eigenes Enzym mit einer diesem Enzym eigenen Aminosäuresequenz gesteuert wird (s. Abb. 213). Zehn Enzymen entspricht ein DNS-Ab-schnitt mit rund 10 • 1600 = 16 000 Nucleotideinheiten. Aber auch mit einer von einer Gruppe von Enzymen gesteuerten Synthesekette sind die großen Übergänge in der Evolution (von Klasse zu Klasse, von Stamm zu Stamm) nicht zu erklären. Die molekularbiologische Evolutionseuphorie hat fast vergessen lassen, daß es auch heute noch keine fossilen Zwischenglieder zwischen den großen Tierklassen und -stammen gibt[l06, 105] Gerade die Vielzahl der in den letzten Jahrzehnten von Paläontologen gemachten fossilen Funde aus den verschiedenen Erdepochen läßt diese Lücken erst richtig deutlich werden. Man kann tatsächlich den Eindruck gewinnen, daß - nach einem vielzitierten Bonmot - der erste Vogel aus einem Reptil-*) ei geschlüpft ist Archaeopteryx, der Urvogel, war nämlich wirklich ein Vogel und kein Zwischenwesen zwischen Reptil und Vogel [107], wie vielfach behauptet wird. Wenn man sich fragt, wieviele Proteine neu- oder umstrukturiert werden mußten, damit aus einem Reptilei dieser Vogel kriechen konnte, kann man in Anbetracht der vielen gegenüber den Reptilien neuen Errungenschaften wie Federkleid, gleichbleibende Körpertemperatur, Nerven- und Muskel-Gestaltung für die Flugmotorik (Archaeopteryx stammt bemerkenswerterweise nicht von Flugechsen ab), nur feststellen,daß dies alles nicht mit der Synthese eines oder weniger neuer Stoffe zu leisten war, sondern schätzungsweise mehrere hundert neue Enzyme, Hormone und andere Proteine mit jeweils 200 bis 1000 Aminosäuresequenzen und folglich auch die Entstehung von entsprechend langen LNS-Ketten mit schätzungswei-5 se einigen 10 Nucleotideinheiten erforderte. In der Literatur über Evolution f106] ist von sogenannten Großmutationen die Rede, auf die die Übergänge in der Evolution zurückgeführt werden. Diese Großmutationen können, wenn sie zur Entstehung neuer Arten geführt haben sollen, nichts anderes sein als de novo-Synthesen von aperiodischen DNS-Abschnitten mit P > 1000. Die Bezeichnung dieses Phänomens mit dem *) Der Ausspruch wird dem französischen Zoologen Geoffroy Saint-Hilaire (1772 -I844) zugeschrieben. Namen "Groß-Mutation" ist irreführend, denn sie verleitet zu der Vorstellung, Synthesen neuer Gene könnten durch dieselben Ursachen (z.B. Strahlen, mutagene Chemikalien) ausgelöst werden wie die bekannten Mutationen, was bewiesenermaßen aber nicht möglich ist. Mutationen können sich nur an bereits vorhandenen DNS-Ketten ereignen, durch Mutationen können aber - das liegt im Wesen des als Mutation bezeichneten Vorgangs - nie- *) mals DNS-Ketten neu entstehen. Bildungs- und Additionswahrscheinlichkeit neuer Gene bei freier (nicht replikativer) Copolykondensatlon der Nuoleotide________________________ Die Frage nach der Länge von selektionswirksamen DNS-Abschnitten läßt sich also nur sehr ungenau beantworten, und man wählt daher zur Beurteilung der Bildungswahrscheinlichkeit der im Laufe der Evolution neu entstandenen DNS am besten die leidlich gut definierte Länge eines Gens, eines DNS-Abschnitts also, der die Information für die AS-Sequenz eines Enzyms enthält. Setzt man für Enzyme eine in etwa den natürlichen Gege-benheiten entsprechende mittlere Länge von 553 Aminosäuren fest , so entspricht dieser Proteinkette eine Länge der DNS-Kette von rund 3 • 553 = 1660 Nucleotiden und die Anzahl der möglichen verschiedenen Se-1661 1000 ***) quenzen ist dann 4 =10 '. Niemand vermag zu sagen, wieviele *) **) ***) *) Zur Frage des Mechanismus1 der DNS-Kettenverlängerung s. S. 221 . **) Für die mittlere Gen-Länge läßt sich kein verbindliches Maß festsetzen. Oft findet man eine Länge von 1000 Nucleotiden angegeben, was einer Länge von 333 Aminosäuren bei den zugehörigen Proteinen entspricht. Der Wert von 553 Aminosäuren bzw. 3 • 553 = 1660 Nucleotiden wurde hier gewählt, weil dieser Länge die runde Zahl von io1000 maximal möglichen Sequenzen zukommt. ***) Den 101®^ möglichen verschiedenen DNS-Sequenzen entsprechen nur 20553 = io7ZO maximal mögliche verschiedene Aminosäuresequenzen (bei P = 553). Sie Natur nutzt also den durch den Triplettcharakter des Code (bei 4 verschiedenen Zeichen) gegebenen Spielraum bei weitem nicht aus. Sie könnte mit maximal 43 = 64 verschiedenen Aminosäuren operieren (64553 = io1000 ). An Aminosäuren fehlt es nicht, denn man hat mehr als 120 verschiedene Aminosäuren bei Pflanzen und Tieren gefunden, aber sie werden - bis auf 20 - merkwürdigerweise nicht zum Proteinaufbau genutzt. Statt dessen wurde der Spielraum z.T. zur Degeneration des genetischen Code verwendet oder vertan. Bei den höheren Organismen dürfte die Einführung von Proteinen mit fremden Aminosäuren wie überhaupt neuer Proteine über DNS-Kettenverlängerung (Genomerweiterung) wegen des immer engmaschiger ausgebauten Immunsystems ohnehin umso mehr begrenzt worden sein, je weiter die Entwicklung bereits fortgeschritten war. Wenn es sonst keine Gründe für ein Ende der Evolution gäbe, würde die fortschreitende Perfektionierung des Immunapparates ein weiteres Wachsen der DNS-Kette verhindern. Die Entwicklungen innerhalb des Säugetier-Bereichs sind nicht von einem wesentlichen Längenwachstum der DNS-Kette begleitet. Die für diese Entwicklung notwendigen, relativ geringen anatomischen Veränderungen waren offenbar durch Sequenzänderungen und Ausnutzung freier Kapazitäten möglich. dieser maximal möglichen Sequenzen eines neuen Gens (mit einer Länge von 1661 Nucleotiden) die Produktion eines in einer speziellen Evolutionssituation gerade brauchbaren Enzyms ermöglichen würde, aber man kann obere und untere Grenzen angeben, die durch Fakten gesichert sind. 9 Das Säugetiergenom besteht aus einer DNS-Kette von ca. 3 10 Nucleotiden, was - bei einer mittleren Genlänge von 1,6 10^ Nucleotiden -einer Folge von 3*10^/1,6•10^« 2-10^ Genen entspricht. Diese 2 10^ Gene stellen einen winzigen Ausschnitt dar aus dem riesigen Reservoir der 101000 möglichen sequenzverschiedenen Gene. Nur über diesen kleinen Anteil von 2 10 Genen läßt sich etwas Bestimmtes aussagen, näm- 9 lieh, daß sie sich - in bestimmter Reihenfolge im Laufe von ca. 3 10 Jahren hier auf der Erde verfügbar geworden - für die Entwicklung zu einem bestimmten Säugetier als geeignet erwiesen haben und daß folglich in einer bestimmten Evolutionssituation immer nur eines von diesen 2 10 Genen zu gebrauchen war. Diese für irgendein konkretes Genom gültige Feststellung trifft genauso für die DNS-Ketten jedes beliebigen anderen auf der Welt existierenden Säugetiers zu. Damit ist freilich der insgesamt vorhandene Vorrat an theoretisch möglichen Nucleotidsequenzen von 10^^ längst nicht erfaßt. Da sich nicht ermitteln läßt, wieviele der 101^^ möglichen Nucleotidsequenzen (Länge = 1600) eine irgendwie geartete Genqualität haben, nehmen wir den günstigsten aller denkbaren Fälle an, nämlich den, daß alle 101<^^ 6 *) theoretisch möglichen Sequenzen als Gene tauglich sind und jede 10 te Sequenz für ein Enzym mit gleicher Wirkung codiert. Dann sind zu gegebener Zeit von den 101^ Sequenzen 10^°^ als Gene geeignet, weil sie die gleiche Wirkung haben. Die Wahrscheinlichkeit, daß irgendeine 994 von diesen 10 Sequenzen gerade dann, wenn sie benötigt wird, ent-steht, ist 1o"4/10TOO° = 10-6 . w = 10"^ ist die maximal denkbare, sich an Fakten orientierende Wahrscheinlichkeit für die zufällige Entstehung einer in einer gegebenen Evolutionssituation als Gen geeigneten Nucleotidsequenz eines DNS-Kettenabschnitts, Maximal-Wahrscheinlichkeit auch deshalb, weil alle 1o1000 theoretisch möglichen Sequenzen der Länge 1600 als für lebende Systeme geeignet eingestuft wurden, was ganz sicher nicht zutrifft (alle Homopolymeren und periodischen Sequenzen z. B. sind von vornherein unbrauchbar). Es wird vielfach die Meinung vertreten, daß im Grunde fast jedes be-liebige Enzym (und damit jede beliebige DNS-Nucleotidsequenz) in jedem Stadium der Evolution brauchbar gewesen sei, weil ja durch die zufällige Art der Enzyme erst die Richtung der Evolution festgelegt würde. Das ist jedoch ein schwerwiegender Irrtum, denn auch ohne Annahme *)-unter Übernahme der auf unserer Erde Vorgefundenen Situation, die besagt, daß es mindestens 10® wirkverschiedene Gene geben muß. Gäbe es weniger als 10® wäre die Evolution zwangsläufig auf einer niedrigeren Stufe stehen geblieben. Ob es mehr als 10® gibt, wissen wir nicht, ist aber sehr wahrscheinlich. Daher ist die Genbildungswahrscheinlichkeit mit ziemlicher Sicherheit viel kleiner als 10”®. eines wie immer gearteten Evolutionszieles wird durch die Art der bereits vorliegenden Nucleotidsequenz einer DNS-Kette die Zahl der noch akzeptablen Sequenzen stark eingeschränkt, und zwar sowohl durch die unmittelbare Nachbarschaft^zum neu entstehenden Gen als auch durch das Genom insgesamt. Man denke nur an eine Reihe von 10 Enzymen, - so viele werden z.B. für die Synthesekette einer Aminosäure oder eines Zuckers oder Farbstoffs benötigt - für die schon 6 oder 8 Gene vorliegen. Diese bestimmen bereits weitgehend die Art der Aminosäure oder des Zuckers und folglich auch die Sequenz der noch fehlenden Gene. Die neuen Gene müssen mit dem bestehenden Genom harmonieren, d.h. so cooperieren, daß kein Schaden angerichtet wird. Diese Überlegung führt nicht zu einer quantitativen Abschätzung für die Bildungswahrscheinlichkeit w von neuen Genen. Sie zeigt nur, warum w erheblich kleiner als 1 sein muß, und zwar um so kleiner, je größer die Anzahl Gene ist, die miteinander cooperieren müssen, d.h. je höher die Gesamtentwicklung ist, in deren Rahmen.die Entstehung der neuen Gene stattfindet: Betrachtet man eine Evolution nur bis zur Einzellerstufe (10^ Gene), ist w maximal 10~^, wenn man von den gleichen Überlegungen ausgeht, die bei einer 10 Gene umfassenden Evolution zu w = 10 geführt haben. Wahrscheinlichkeitswerte um 10~^ für die Entstehung neuer Gene sind im Rahmen einer bis zur Länge des Säugergenoms führenden Evolution die absolut größten, die man diskutieren kann. Andererseits lassen sich einfache Überlegungen anstellen, die zu Mindestwerten führen: Man kann nämlich bei der Abschätzung der Bildungswahrscheinlichkeit auch davon ausgehen, daß bei den maximal möglichen Nucleotidsequenzen min- destens so viele Gene für die Entwicklung von Leben geeignet waren, wie Gene in den irdischen Lebewesen jemals existiert haben. Schätzt man die Zahl dieser Gene auf 10^°, so ist die Bildungswahrscheinlichkeit für irgendeines dieser Gene 10^® / 10^00 = 10~970. Nimmt man an, 4 daß von diesen jedes 10 te in einer ganz bestimmten Evolutionsphase cooperativ war, so ist die Bildungswahrscheinlichkeit für ein solches -974 Gen 10 . Dieser Wert ist ein Mindestwert, weil hier die restlichen 1o1000 _ 10^ sä 10^000 Sequenzen als unbrauchbar abgeschrieben werden, obwohl natürlich die Anzahl der für irgendeine Art von Leben brauchbaren DNS-Sequenzen der Länge 1600 auch viel größer sein kann als 10^. Da sich eine Entscheidung für einen Wert zwischen den Extremwerten 10' und 10'°'^ nicht begründen läßt, gehen die folgenden Überlegungen-von dem größtmöglichen Wert w = 10'^ aus. Die Entstehung der DNS-Kette des Genoms von höheren Pflanzen und Tieren mit einer Größenordnung von } • 10^ Nucleotiden oder 2-10 Genen läßt sich formal als eine Polyadditions- oder Polykondensationsreaktion *) *) Nachbarschaft im Sinne von zeitlicher Reihenfolge betrachten, die sich beharrlich in vielen Variationen über rund eine halbe Milliarde von Jahren hingezogen hat. Ausgehend von einer primer- 6 *) Kette mit }• 10 Nucleotiden hat sich - so betrachtet - das Ereignis der Addition eines nützlichen Gens an die wachsende DNS-Kette im Laufe der irdischen Evolution des Lebens vom Einzeller zum Säuger rund 6 **) 2 ■ 10 mal in unmittelbarer Folge wiederholt, wobei ein Copolymeres mit der jetzt vorliegenden Sequenz entstanden ist. Das Copolymere enthält 4 Monomerreste, die in scheinbar statistischer Folge die Kette bilden. Betrachtet man aber, was berechtigt ist, die Gene - als die Funktionseinheiten des Genoms - auch als die Struktureinheiten der DNS-Kette, so besteht die DNS-Kette des "Säugetiergenoms" aus ca. 2 • 10^ verschiedenen, sich nicht oder nur selten wiederholenden Struktureinheiten, und diese 2 • 10^ in der Kette befindlichen Struktureinheiten sind eine Auswahl aus 10^^ verfügbaren verschiedenen Gen-"Monomeren". Bildungswahrscheinlichkeit des Gesamt-Genoms Bezeichnet man die Wahrscheinlichkeit für die Bildung eines in einer gegebenen Evolutionssituation brauchbaren neuen Gens mit w , so ist die Wahrscheinlichkeit W dafür, daß sich das mit der Wahrscheinlichkeit w zu erwartende Ereignis n mal hintereinander wiederholt, - und so eine DNS-Kette mit n Genen entsteht (s. dazu auch S. 89 ff.). W = wn (28) Für die Wahrscheinlichkeit einer auf zufälligen Mutationen beruhenden Gesamtevolution mit w r; 10 ^ für die Bildungswahrscheinlichkeit eines nützlichen Neu-Gens und mit n 5« 10^ für die Anzahl Gene im Säuger- Genom liefert Gl. (28) so unvorstellbar niedrige Zahlenwerte, daß Mutationen als Basis einer Evolution, d.h. als Erklärung für die Entstehung der Arten (Klassen und Stämme) aus zeitlich vorangehenden Arten indiskutabel sind. *) Diese Länge entspricht einem Bakteriengenom. Über die Bildungswahrscheinlichkeit dieses ersten DNS-Abschnitts s.S.181 ff. Einzellerleben gibt es nach derzeitigen Schätzungen seit 3 bis 4 Milliarden Jahren auf der Erde. Die Höherentwicklung begann jedoch erst vor 500 000 000 Jahren. **) Natürlich existiert dieses "Copolymere" in Wirklichkeit nur in Form der vielen den verschiedenen Arten der höheren Pflanzen und Tiere entsprechenden Varianten. Jeder Abstammungsreihe liegt ihre DNS-Kette zugrunde. Für jede einzelne dieser DNS-Ketten gelten die gleichen Überlegungen und Entstehungswahrscheinlichkeiten. Die Forderung: daß eich ein mit der Wahrscheinlichkeit w zu er- wartendes Ereignis n mal hintereinander wiederholt", bedeutet nicht, daß die für eine Evolution geeigneten Gene in linearer Folge ohne jede Unterbrechung durch mehr oder weniger lange Stücke von Ballastsequenzen die DNS-Kette der Chromosomen bilden müßten. "Hintereinander" betrifft vielmehr die zeitliche Folge des Verfügbar-werdens der rund 10^ die heutige Kette eines Säuger-Genoms bildenden Gene. In einer gegebenen Evolutionsphase z.B., in der gerade eine Enzymkette im Aufbau ist, die irgendeinen notwendigen Beitrag zur Bildung von Federn statt Schuppen liefert, müssen, - wenn die Entwicklung weitergehen soll -die für diese Kette noch fehlenden Gene mit ihrer bestimmten Nucleotid-sequenz entstehen und nicht irgendwelche von den 10^ oder 10^ zur Wahl stehenden anderen Sequenzen. Was nützte in dieser Situation ein Gen, das in eine Synthesefolge paßt, die mit der Vergrößerung des menschlichen Gehirns oder mit den menschlichen Sprachorganen zu tun hat? Solche oder welch andere Sequenzen auch immer sind so lange unnötiger Ballast, bis sie in einen sinnvollen Zusammenhang passen. Der Fortgang einer in Gang befindlichen Entwicklung wird nicht dadurch gestört, daß irgendwelche Folgen von Nucleotidsequenzen an die Kette angegliedert oder in die Kette eingefügt werden, solange deren tfber-setzungsprodukte (d.h. die diesen Sequenzen codegerecht zugehörigen Proteine), nicht in Funktion treten können, indem die Transcription blockiert bleibt. Wohl aber würde diese Entwicklung gestört, ja ganz unmöglich gemacht, wenn nicht eine bestimmte zeitliche Reihenfolge des *) In-Funktion-tretens bestimmter Gene über Transcription und Translation (s.S. 145 ff.) eingehalten würde. Diese Inbetriebnahme von jeweils in einer gegebenen Evolutionssituation nützlichen Genen durch die Zelle ist also letztlich das Ereignis, durch dessen 10^malige Wiederholung im Laufe der Evolution die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines funktionsfähigen Säuger-Genoms bestimmt wird und nicht die räumliche Folge von Genen bzw. Nucleotidsequenzen einer DNS-Kette. *) *) Man unterscheidet gewöhnlich zwischen Information und Funktion: DNS ist Träger der Information, die mit Hilfe der Proteine (Enzyme) in Funktion umgesetzt wird. Im weiteren Sinne hat jedoch auch die DNS ihre Funktion (im Sinne von Aufgabe) im Rahmen des Zellgeschehens, die sie mit dem Beginn der Informationsweitergabe durch Transcription und Translation übernimmt. Ohne den Anschluß an die Translationsorgane über ein Reglersystem (s.S.121) ist die DNS-Information unzugänglich. Mit der Ankoppelung an die Translationsorgane treten die Gene in Funktion. Diese nur insoweit, als die in Betrieb zu nehmenden Gene natürlich erst einmal da sein müssen, ehe ihre Information in Proteinfunktion umgesetzt werden kann. Unter chemischen Aspekten erscheint eine streng automatische Koppelung von Gen-Entstehung und Anschluß an die Trans-cription, d.h. der Gleichlauf von räumlicher und zeitlicher Folge mit dem Resultat einer ballastfreien DNS-Kette einfacher realisierbar als eine Kette mit einem größeren Reservoir an Ballast- oder Vorrat-Sequenzen, aus denen die Stücke ausgewählt werden müssen, die jeweils zu gegebener Zeit als Gene mit Ein- und Ausschalt-Automatik in das Zellgeschehen eingegliedert werden. Ich sehe nicht, wie das ohne intelligente Aufsicht und Steuerung möglich sein soll. Für die erstmalige Entstehung von Organsystemen im Laufe der Evolution besteht ja letztlich die gleiche Problematik wie bei der Zelldifferenzierung im Laufe der embryonalen Entwicklung (s. dazu S. 225 ff.). Man weiß nicht, wieviele überflüssige DNS-Kettenstücke das Genom der höheren Tiere und Pflanzen enthält, aber es wird für möglich gehalten, daß es ein relativ großer Anteil der Gesamtkette sein kann, der nicht übersetzt und so dem Zellgeschehen nicht dienstbar gemacht * ) wird. ' Die Frage der Entstehungswahrscheinlichkeit des Säuger-Genoms wird durch den Ballastanteil wenig berührt. Selbst wenn von den rund 2 • 10^ Genen oder 3 • 10^ Nucleotiden des Säuger-Genoms 9/'\0 unnötiger Ballast wäre , der am Zellgeschehen nicht teilnimmt, wäre es immer 5 noch das In-Funktion-treten von 2 • 10 verschiedenen Genen, dessen zeitliche Folge die Gesamtwahrscheinlichkeit bestimmt: Die Wahr- 5 scheinlichkeit, daß von rund 10 verschiedenen Genen ein bestimmtes gebildet bzw. in das Zellgeschehen einbezogen wird, beträgt 1 / 10^. Die Wahrscheinlichkeit, daß dies 10^ mal hintereinander geschieht, 5 die Wahrscheinlichkeit also, daß 10 mal hintereinander immer das / 995 jeweils gerade brauchbare Gen (.irgendeines von 10 aktuell brauchbaren unter 10^^ möglichen und irgendwann später brauchbaren, oder 1 brauchbares von 10^ möglichen) seine Funktion als Matrize bei der Transcription aufnimmt, ist gemäß Gl.(lOß) (1 / 10^)^^ = 10-500 000 *) **) *) Die Frage ist unter Molekularbiologen umstritten [108], Bei der Bonst meist auf äußerste Sparsamkeit ausgerichteten Arbeitsweise der Zelle wäre ein größerer Ballastanteil der DNS überraschend. Die Frage des Ballaets ist durch die Beobachtung der gestückelten Gene wieder aktuell geworden [ 68 ] . **) Fußnote siehe nächste Seite. Selektion Man sollte sich nicht einreden oder elnreden lassen, daß durch Selektionsprozesse diese unfaßbar geringe Wahrscheinlichkeit vergrößert werden könnte. Durch das Wechselspiel von Mutation - Selektion ließe sich nur dann eine Evolution begründen, wenn durch Mutationen (definitionsgemäß zufällig - spontane und als Replikationsfehler unvermeidliche Sequenzänderungen in einer DNS-Kette mit Wahrscheinlichkeiten um 1 ) Eigensohaftsänderungen bewirkt werden könnten, die in der Lage wären, einen Selektionsprozeß auszulösen. In Schulbüchern und Fernsehsendungen sieht das immer so überzeugend aus, wenn die Geschichte von den hellfarbigen Schmetterlingen erzählt wird, von denen einmal einer durch eine Mutation eine Farbänderung nach dunkelgrau erlitt und so erleben konnte, wie die Vögel seine hellen Artgenossen, die sie auf dem dunklen Untergrund der englischen Kohlenrevier-Bäume besser sahen, fraßen, während seine dunklen Nachkommen überlebten. Wie verhält sich das in Wirklichkeit? Angenommen es handelte sich hier um eine Mutation, so ist durch diese nicht die Bildung eines neuen Farbstoffs bewirkt, sondern die Synthese des hel- *) len Farbstoffs gestört worden. Daß sich die dunkle Defektmutante in der Industrielandschaft besser hielt als der weiße Wildtyp ist nur eines von vielen ähnlichen Selektionsbeispielen, die man in Biologiebüchern findet, die aber mit der Entstehung neuer Arten im Laufe der Evolution nicht das mindeste zu tun haben. Die Entstehung neuer Arten beginnt mit der Entstehung neuer Stoffe. Für die Synthese eines einzigen neuen Stoffes aber sind 5 Dis 20 neue *) Niemals kann durch Mutationen allein die Synthese eines neuen Farbstoffs bewirkt werden. **) Fußnote zu S. 210 : Zur Erinnerung: Man denke sich den Gesamtvorrat an verschiedenen Nucleotidsequenzen, den eine 1600 Nucleotide lange Kette zu bieten hat, nämlich 10^000 Gene, so in 10^95 Bündel mit je 105 verschiedenen Genen unterteilt, daß jedes dieser Bündel ein für irgendeine Evolution auf unserer Erde (ähnlich der vom Einzeller zum Säuger) geeignetes Sortiment von Genen (DNS-Ketten mit 1600 Nuc-leotiden verschiedener Sequen^ enthält. Daraus leitet sich die Aussage her: Jede 1o5te Nucleotidsequenz (P = 1600) ist in einer gegebenen Evolutionssituation brauchbar oder : Unter 10' Sequenzen ist jeweils eine in gegebener Situation gerade brauchbar, und somit die Wahrscheinlichkeit w , daß gerade diese entsteht bzw. an das Zellgeschehen angeschlossen wird: w = 1 / 10-* **) (oder bei ballastfreiem Genom : w = 1 / 10° ). Enzyme (jede Stufe hat ihr Enzym!) und somit auch neue Gene erforderlich (s. Abb. 213). Ihre Bildungswahrscheinlichkeit liegt im Mittel bei (10~^)^ = 10”^, d. h. unter 10^ Individuen einer Population ist im Mittel 1 Individuum zu erwarten, das eine solche Bereicherung seiner DNS erfährt (über den Mechanismus s. S. 218 ff.)» Wenn sich die Entwicklung in Richtung auf die Entstehung von Individuen mit weiteren neuen Genen fortsetzen sollte, so müßte sich das eine glückliche Individuum mit den 10 brauchbaren Neugenen, das sich phänotypisch in keiner durch das neue Gen bedingten Eigenschaften von den 10^ anderen Artgenossen der Population unterscheidet, nochmals auf 10^ Nachkommen vermehren, damit das Auftreten eines Individuums mit weiteren 10 brauchbaren Neugenen (für die Synthese eines zweiten neuen Stoffes) mit der Wahrscheinlichkeit 1 zu erwarten wäre. Da sich auch jetzt die neuen Gene noch nicht bemerkbar machen können [ 1. weil neue Gene auf unbestimmte Zeit von den Transcrip-tions - Translations - Organen der Zelle abgekoppelt sind (s. S. 221 ff.) und 2. weil neue Eigenschaften, die den Übergang zu einer neuen Tier- Klasse einleiten, erheblich mehr als 2 neue Stoffe voraussetzen], müßte 120 die ganze Population (sie zählt jetzt schon 10 Mitglieder, mehr als das Weltall Atome hat) weiter wachsen mit der wagen Aussicht auf eine irgendwann einmal eintretende Selektion. Man muß sich bei solchen Überlegungen immer wieder daran erinnern, daß 5 oder 10 neue Gene höchstens die Synthese eines neuen Farbstoffs, Vitamins, Duftstoffs, Hormons oder dergleichen ermöglichen, in aller *) Regel also nicht einmal das Auftreten einer positiven Mutante mit neuen Eigenschaften, die einen Selektionsvorteil erwarten lassen, geschweige denn einen ernsthaften Schritt in Richtung auf eine neue Art hin ermöglichen. Das Beispiel zeigt, wie absurd es ist, auf Mutation -Selektion die Entstehung neuer Arten und damit die ganze Evolution gründen zu wollen. Die Entstehungswahrscheinlichkeit von 10 J oder 10” für ein nützliches neues Gen (mit einer neuen Nuoleotidsequenz) könnte, um das Beispiel auf ein verallgemeinerungsfähiges Schema zu bringen (s. Abb.214), nur dann auf den Wert 1 erhöht und so zur Notwendigkeit werden, wenn sich ein mit einem nützlichen Neu-Gen ausgestattetes Individuum (das *) *) - im Gegensatz zu Defektmutanten, bei denen ein Gen durch eine Mutation geschädigt ist. Solche Gendefekte als Folge einzelner Mutationen (Replikationsfehler) im Gegensatz zur Entstehung neuer Gene sind relativ häufig und treten sofort als organische Schäden in Erscheinung, H \ c = c / H-C-OH s H-C-OH h2c-o-@ E f ythrose - 4 -phosphat Brenztrauben -saure OH I—\COOH HO\---/OH II 0 Dehydrochma -saure OH ( VcOOH 0 Dehydroshikimi -saure .COOH ■“ hoV/COOH 0-® _ -Enolather ® .COOH o-c' ► n ^-cooh HO\=/ Chonsminscure + ©o-c' ________CH; Phosphoenol -pyruvat COOH C = 0 ■ CT HO\=/COOH Prephensaure OH 0-© - Phosphat -H20 -co2 COOH c=o ch2 Phenylpyruvat hL>cooh ^ OH Shikimisaure H jN—CH — COOH Phenylalanin 1 3Essigsaure -----► ß - Hydroxy - ß - methyl - --► Mevalonsaure -----► Mevalonsaure- -----► glutarsaure diphosphat ----► Isopentenyl- -----► Geranyl- » Geranyl- -----► Farnesyl- » Praesqualen---------► diphosphat diphosphat kation diphosphat diphosphat ----► Squalen » 2,3-Oxidosqualen ----------► Hydroxysqualen --------► [Praelanosterin] --► Lanosterin ----► Cholesterin-----► 7a-Hydroxy- cholesterm Cholsaure ----► Glyko- cholsaure Desoxy- cholsaure ---- Koprostan------► Koprostan - 3a, 3a, 7a -dioi 7a, 12a-tnoi Glyko - desoxycholsaure 2 Abb. 213i Beispiele für mehrstufige Synthesen (KARLSON [109])s 1. Biosynthese der Aminosäure Phenylalanin (9 Stufen) 2. Biosynthese der Gallensäuren (19 bzw. 20 Stufen) Jede Synthesestufe benötigt ihr eigenes Enzym. Jedes Enzym erfordert für seine Synthese (s. S. 152) ein eigenes Gen in der DNS-Kette. Jede Genfolge benötigt ein Regulatorgen und ein Gen für die Synthese des Repressors (s. dazu S. 122). Zum Aufbau eines Gens sind im Mittel 1600 Nucleotidadditionen oder 800 Umsequenzierungsreaktionen, verbunden mit einer extrem unwahrscheinlichen Umesterungsreaktion (illegitimes crossing-over) erforderlich. Der neue Stoff kann aber erst dann synthetisiert werden, wenn alle für die Realisierung einer Synthesekette notwendigen 5 oder 10 oder 20 Gene vorhanden und funktionsbereit, d. h. mit Hilfe eines Regulator-Repressor-Induktor Mechanismus' (Operon) an die Transcriptions-Translations-Maschinerie angeschlossen sind, im Mittel also nach 16 000 Reaktionen, die bei der hier gewählten Beschreibungsweise zu 10 Gen-Additionsschritten zusammen gefaßt wurden. Die Wahrscheinlichkeit, daß die neuen Gene so zusammen passen, daß die codegemäßen Proteine als Enzyme für die Synthesestufen eines neuen Stoffes geeignet sind, ist höchstens (10"°)1®, also kleiner als 10“°®. In aller Regel bewirken aber erst zahlreiche neue Stoffe das Auftreten neuer Eigenschaften, die eine Selektion ermöglichen. Abb. 214 : Schema zur Demonstration der Erhöhung der Bildungswahrscheinlichkeit von nützlichen Genen durch Vermehrung einer Population. A, B, C, D Individuen mit steigender Zahl von neuen nützlichen Genen, die Jahrhunderte bis Jahrtausende lang latent bleiben, d.h. ohne selektionsfähige Manifestation in den Eigenschaften sind. N Normal-Individuen Auftragung waagrecht: Anzahl der Individuen (logarlthmlsch) senkrecht: Jahre nach der 1. Genaddition (linear) --------normales Wachstum der Population --------Wachstum, welches notwendig wäre, damit die Zahl der begünstigten Individuen in 100 Jahren jeweils von 1 auf 10& ansteigt. Lese-Beispiel: nach 300 Jahren zählt die Population bei normaler Vermehrung 10’ Individuen, davon 109 - 10J = 999 999 000 N und 103 (A+B+C), darunter 102 (B+C), darunter 10 C, darunter 1 D. Bei dem exponentiellen Normalwachstum (Verzehnfachung der Population in 100 Jahren) erhöht sich die Gen-Bildungs- und Additions-Wahrscheinlichkeit durch Vermehrung lediglich um den Faktor 10, d.h. von 106 Individuen haben nun jeweils im Mittel 10 das nächste nützliche Gen (W = 10/106 = 1/105). Wegen der Latenz der neuen Gene bis zur Manifestation überlegener Eigenschaften ist die Annahme eines selektiv erhöhten Kettenwachstums für die bevorzugten Individuen A, B, C usw. nicht diskutabel. unter 10^ Individuen einer Population mit irgendwelchen neuen DNS-Stücken beliebiger Sequenz in Genlänge im Mittel 1 mal zu erwarten ist) jeweils auf 10^ gleichartige Exemplare vermehrt hat, währenddessen die Zahl der anderen Individuen der Population natürlich um den gleichen Faktor angestiegen ist. Nur wenn man also annimmt, daß sich die ganze Population von Generation zu Generation jeweils um den Faktor 10^ ver- / . *) mehrt (gestrichelte Linie) und von der - wie noch gezeigt wird '-extrem unwahrscheinlichen Annahme ausgeht, daß die DNS-Kette aller Individuen pro Generation um eine Genlänge zunimmt, besteht die Gewißheit (W = 1), daß sich unter den Individuen der 2. Generation (10 ^ Individuen mit je 2 neuen Genen beliebiger Sequenz) eines mit 2 brauchbaren oder passenden neuen Genen befindet; denn die Wahrscheinlichkeit, daß 2 neue brauchbare Gene in einem Individuum entstehen, ist W = (1/10^)^ = 10-^. Wie man mit Hilfe des Diagramms in Abb. 214 verfolgen kann, würde bei diesem Mechanismus (gestrichelte Linie) die Population nach Entstehung eines einzigen Individuums mit 7 latenten nützlichen Neu-Genen, -die vielleicht gerade für die Produktion der für die Synthese eines neuen Farbstoffs, Zuckers oder sonst einer neuen organischen Verbindung notwendigen Enzyme ausreichten, aber noch keinerlei Selektionswirksamkeit erwarten ließen - bereits auf 10^ Individuen angewachsen sein, was auf der Erde natürlich nicht möglich ist. Das zeigt, daß die Bildungswahrscheinlichkeit (bzw. Funktionsaufnahmewahrscheinlichkeit) von neuen Genen, die mit den schon vorhandenen vorteilhaft cooperieren, unter den auf der Erde vorliegenden Bedingungen auf jeden Fall - selbst bei beliebig starker Vermehrung im Rahmen der durch die Erdoberfläche gewährten Möglichkeiten - beträchtlich kleiner *) Man nimmt an, daß neue Gene auf dem Wege über redundante (überschüssige und abgeschaltete) Gene, die ihrerseits wieder durch illegitimes Crossing-over mit Genverdoppelung gebildet werden, entstehen. Die Zahlenangaben für die Population mit irgendwelchen Neu-Genen beziehen sich daher genau genommen nur auf solche Individuen, die durch illegitimes Crossing-over in den Besitz von Doppel- oder Mehrfach-Genen gelangt sind, und diese bilden immer nur einen sehr kleinen Teil einer Population, so daß die Gesamtpopulation jeweils noch um den Faktor 10? bis 10^ größer ist als in Abb. 214 angegeben. Man sollte auch nicht meinen, die Populationen könnten durch Selektion stark reduziert werden, denn die in Abb. 214 sind überlebende. Nur durch die Anwesenheit einer entsprechenden Anzahl von Individuen mit der jeweiligen Anzahl von Neugenen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Entstehung des nächsten brauchbaren Gens auf 1 . Von Letal-Mutationen wären aber alle gleichermaßen bedroht , also auch die Begünstigten, denn neue Gene sind latent. als 1 war, vielleicht infolge starker Vermehrung 10 4 statt 10 8 , vielleicht aber auch nur 10~^4 statt 1(5^8 (es gibt ja 101888 verschiedene Nucleotidsequenzen bei einem 1600 Nucleotide langen Gen), wahrscheinlich also irgendwo in der Mitte bei 10 ^ oder 10 288 . Für die Abschätzung der Wahrscheinlichkeiten für eine auf Mutation - Selektion beruhende Evolution oder deren große Stufen ist die genaue -4 Kenntnis der wirklich zutreffenden Zahlenwerte zwischen 10 und 10-^4 für die Bildungswahrscheinlichkeit w eines einzelnen neuen Gens ohne Belang. Denn selbst wenn man diese Wahrscheinlichkeit für die Bildung einer cooperationsfähigen neuen Gensequenz, um den Einfluß einer möglicherweise einmal sehr starken Vermehrung zu berücksichtigen, mit w = 10~4 extrem hoch ansetzt, wäre die Wahrscheinlichkeit Wjj für einen "großen Übergang" (z.B. Reptil—►Vogel, Reptil—►Säuger) bei der in der Größenordnung sicher noch viel zu niedrigen Annahme von *) n = 200 bis 500 ' neuen Genen W„ = wn = (IO’4)200 bis (IO'4)500 = IO'800 bis 10'200° (29) bereits ein Ereignis, das in einer im Rahmen der Naturwissenschaften ganz indiskutablen Größenordnung liegt. Die Aussage: "Würfelergebnisse sind Zufall - das Würfeln der nächsten »6« wird aber zur Notwendigkeit, wenn man es nur oft genug versuchen kann" [110], ist zwar völlig richtig, nur suggeriert man damit eine völlig falsche Vorstellung, wenn man diese Aussage auf die Evolution bezieht , ohne dazu zu sagen, wie oft man es versuchen muß. Abb.214 und Gl. (29) geben die Antwort: 10888 bis 102888 mal. Man stelle sich Abb. 214 nach unten bis zu einer Kette von 200 bis 500 (statt 7) neuen Genen verlängert vor. Mutation - Selektion - man kann nicht oft genug darauf hinweisen - wäre nur dann ein evolutionsbegründendes Prinzip und würde nur dann an dem grotesken Ergebnis der Abb. 214 etwas ändern, *) **) *) Durch diese Zahl ist definiert, was man unter "großem Übergang" versteht: Der Gesamtzuwachs an Nucleotiden während der Evolution vom Einzeller zum Säuger liegt bei rund 3 • 10' Nucleotiden, entsprechend 3 . 109 / 1500 = 2 • 106 Genen. Bei im Mittel durch 500 neue Gene ermöglichten Übergängen muß es somit 2-10° / 500 = 4000 solche Übergänge im Laufe der Evolution gegeben haben. Von wirklich großen Übergängen gibt es aber nur relativ wenige (vielleicht 4 oder 5), so daß für diese Übergänge die Annahme von 2 • 10° / 5 = 400 000 neuen Genen der Wirklichkeit eher entspricht. Sollte das Säuger-Genom zu 9/10 aus nicht transcribierten (redundanten) Sequenzen bestehen, erniedrigt sich die Anzahl der für "große Übergänge" erforderlichen neuen Gene auf 40 000. **) »6« bedeutet bei BRESCH [110]: Mutante mit Selektionsvorteil. wenn es einzelne Mutationen (Ereigniswahrscheinlichkeit um 1) gäbe, durch die Mutanten mit Selektionsvorteilen entstünden, die ernsthaft als stabile Schritte auf dem Wege zu einer neuen Art zu betrachten wären, weil nur dann Gl. (28) bei beliebigem n Werte um 1 ergäbe Wy = w =1 =1 Seit Aufklärung der DNS-Struktur, des genetischen Code und der Translation weiß man, was eine Mutation ist, was sie bewirken kann und was nicht. Jeder, der es wissen will, weiß daher auch, daß durch eine Mutation (Veränderung einer einzelnen Nucleotidsequenz) kein Individuum mit Selektionsvorteilen, das als Zwischenstufe auf dem Wege zu einer neuen Art zu werten ist, entstehen kann, weil dazu die Entstehung von weit mehr als 50 neuen Genen erforderlich ist. Denn jeder weiß, daß ein halbfertiger Flügel kein brauchbares Instrument zum Fliegen ist und daß Selektionsdruck infolgedessen niemals aus einem Reptil einen Vogel entstehen lassen kann. Das geht nur durch Zufallsketten gemäß Gl. (29), - wenn man intelligente Planung und entsprechende Genkonstruktion ablehnt. Es sei - um Mißverständnisse zu vermeiden - noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß bei der Abschätzung der Bildungswahrscheinlichkeit von Genen von der Hypothese einer rein zufälligen Polyaddition von Nucleotiden zur DNS-Kette ausgegangen wurde. Die Begrenzung der Brauchbarkeit von neuen DNS-Sequenzen - was immer man über die Art ihrer Entstehung denken mag - wurde nicht aus einer dem Evolutionsgeschehen innewohnenden oder ihm von außen aufgetragenen Zielvorstellung hergeleitet, sondern ergibt sich notwendig aus der Vergangenheit, nämlich aus der Nucleotidsequenz der bereits im Genom vorliegenden Gene und der für das überleben der von den Neu-Synthesen betroffenen Individuen notwendigen Cooperationsfähigkeit der neuen Gene. Die Zukunft kann dabei aus dem Spiel bleiben. Ein gutes Beispiel für die strenge gegenseitige Abhängigkeit der Gensequenzen in der DNS-Kette und die dadurch bedingte enge Begrenzung der Tauglichkeit neuer Gensequenzen durch die vorangehenden, ist die Regulation ihrer Verfügbarkeit durch ein Operator-Gen und ein Regulator-Gen, die einzelnen Genen oder Gruppen von 5-10 Genen so zugeordnet sind, daß die Transcription und damit der Start einer Proteinsynthese mit Hilfe der Produktion eines Repressor-Proteins und dessen Assoziation mit dem Operator-Gen freigegeben oder blockiert wird (s. Abb.122/2). Im Falle eines anabolischen Operons ist meist der unter Mithilfe des vom Gen gesteuerten Enzyms entstehende Stoff als Induktor wirksam, ein Stoff also, der zur Zeit der Entstehung der Regulator-Gene - zur Anprobe sozusagen - noch garnioht verfügbar ist. Trotzdem muß die Tertiärstruktur des Repressors, dessen Aminosäuresequenz vom Regulator-Gen gesteuert wird, so beschaffen sein, daß dieser erst durch Verbindung mit dem Induktor zur Assoziation mit dem Operator befähigt wird. Entstehungsmechanismen neuer Gene Es war bisher immer nur die Rede von der Bildungswahrscheinlichkeit neuer Gene, von DNS-Stücken also mit rund 1500 in bestimmter Reihenfolge (Sequenz) angeordneten Nucleotiden. Dabei wurde die Wahrscheinlichkeit der Entstehung solcher DNS-Kettenstücke ausschließlich auf die Nucleotidsequenz bezogen, die Art der Reaktionen aber, durch die die Kettenstücke und ihre Sequenz entstehen, völlig außer acht gelassen, - mit Recht, denn die Bildungswahrscheinlichkeit von DNS-Stücken mit bestimmter Sequenz ist in der Tat von der Art (dem Mechanismus) der Bildungsreaktion unabhängig, weil bei allen diskutierbaren Synthesen neuer DNS-Ketten für deren Sequenz eine Zufallsverteilung der vier beteiligten Monomeren (A, T, C, G) zu erwarten ist, die durch die Chemie der Bildungsreaktion in keiner Weise beeinflußbar ist. Davon ausgenommen sind die im Laboratorium durchgeführten Synthesen, bei denen von vornherein eine ganz bestimmte Sequenz vorgegeben ist, die dann durch intelligentes Planen, durch Aufstellung einer Synthesestrategie und konsequentes, präparatives Vorgehen nach diesem Plan zielstrebig angegangen wird, wie z.B. bei der Insulinsynthese. Obwohl die Art ihrer Entstehung auf das Ergebnis der Entstehungswahrscheinlichkeiten neuer Gene keinen Einfluß hat, sollen die Möglichkeiten der Entstehung neuer Gene im Laufe der Evolution kurz besprochen werden, weil ja diese Wachstumsreaktion der DNS-Kette und die dabei oder danach (durch Sekundärreaktionen) entstehende Sequenz neuer DNS-Stücke das entscheidende, zentrale chemische Geschehen im Laufe der Evolution darstellt und nicht, wie immer gesagt wird, die Mutationen. 1. Nicht-enzymatische Polykondensation von Nuoleosidphosphaten Wenn man den sich an die bekannten MILLER-Versuche (s. S. 172) anschließenden Spekulationen über Ursuppen folgt, sind die ersten Nucleo-tid- und Peptid-Oligomeren in Nuoleosidphosphate und Aminosäuren enthaltenden Lösungen auf der frühen, eben erkalteten Erde entstanden (s. dazu S. 9 ff. oder 181 ff.). In der Zeit, in der sich die Evolution vom Einzeller bis zu unserer heutigen Tier- und Pflanzenwelt abgespielt hat, nämlich in den letzten 500 Millionen Jahren, gab es mit Sicherheit keine Nuoleosidphosphate enthaltenden Lösungen außerhalb lebender Zellen mehr, so daß eine DNS-Synthese außerhalb lebender Zellen als Möglichkeit für das Entstehen neuer DNS-Stücke zur Verlängerung der DNS auf dem Wege vom Einzeller zum Säuger nicht in Betracht kommt. 2. Enzymatische DNS-Synthese ohne Matrize Durch semikonservative Replikation (s.S. 129 ff.) entsteht - von gelegentlichen Replikationsfehlern abgesehen - stets wieder DNS mit der gleichen Sequenz, die in der Matrizen-DNS vorliegt. Für neue Gene wird aber DNS mit neuen Sequenzen benötigt, für die es noch keine Vorlage (Matrize, template) gibt. Wie von A. KORNBERG in seinen berühmten Experimenten über die enzymatische DNS-Synthese mit Coli-Polymerase gezeigt wird, findet unter den Bedingungen der an die Anwesenheit einer Matrizen-DNS gebundenen semikonservativen Replikation mit Polymerase I in vitro auch ohne Gegenwart einer Matrize eine langsam verlaufende DNS-Synthese statt [ 46 ]. * ) Diese führt jedoch stets zu DNS-Ketten mit alternierender ATAT-Folge und G-G- und C-C-Homopolymeren, die jeweils miteinander Doppelstränge bilden [46 ]: ------ A-T-A-T-A-T-A-T-A-T-A --------- T-A-T-A-T-A-T-X-T-A-T ------ G-G-G-G-G-G-G-G ------c- c- c'-'c- c- c'-c-'c *) In der Natur wurden Nucleinsäuren mit alternierender AT-Struktur bisher nur in Krabbenchromosomen und einigen Hefen gefunden, jedoch ohne die zugehörigen Proteine mit alternierender Isoleucin-Tyrosin-Sequenz. Derartige Makromoleküle sind - wie alle Ketten mit periodischer Folge -zur Informationsspeicherung unbrauchbar. Die KORNBERG'sehen Versuchsergebnisse machen es unwahrscheinlich, daß in gewissen Zellbereichen zu längeren Kettenstücken führende enzymatische DNS-Synthesen ablaufen, die als Neu-Gene von Zeit zu Zeit in das Genom aufgenommen vrerden. Von SDMPER und LDZE [100] wurde über in vitro-Versuche mit Qß-Replikase berichtet, bei denen ohne Matrize RNS-Moleküle mit nicht-periodischer Sequenz gebildet wurden. Mit DNS wurden analoge Ergebnisse bisher nicht erhalten. 3. DNS-Kettenverlängerung durch Nucleotidinsertion Mutationen sind Reaktionen an einer DNS-Kette, durch die die Sequenz verändert wird. Im allgemeinen geschieht das während einer Replikation durch Addition eines nicht-komplementären Nucleosidtriphosphats, aber auch durch Strahlen oder Chemikalien können Mutationen ausgelöst werden. Eine weitere denkbare Reaktion wäre die Insertion eines Nucleo-tidmonomeren irgendwo in der Kette. Die erste derartige Einschubreaktion geschähe rein zufällig, die zweite, dritte, vierte usw. müßte aber immer neben der jeweils vorletzten stattfinden. Die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Neugenbildung durch Insertionsmutationen ist p aber derartig gering, nämlich (l/N) , wenn N die Kettenlänge der vor- liegenden DNS und P die Länge des neuen Gens ist, daß eine solche Art der Genbildung nicht in Betracht zu ziehen ist [ w = (1/ 3-10^)^^ schon bei einem Bakterien-Genom]. 4. Kettenverlängerung bei der Replikation Die semikonservative Replikation (s. S. 129 ff« und 157 ff. ) führt, da Replikationsfehler (Mutationen) selten sind, in aller Regel zu Tochtermolekülen, deren Sequenz mit der der Matrizen-DNS übereinstimmt. Zu einer getreuen Kopie gehört auch: gleiche Länge von Kopie und template. Da Replikationsfehler nicht ganz auszuschließen sind, wird man auch annehmen dürfen, daß hin und wieder an den Kettenenden der Chromosomen ein Nucleotid mehr addiert wird. Dieses über die Matrize (template) hinaus ankondensierte Nucleotid wird dann bei der nächsten Replikation komplementär ergänzt, wenn es nicht vorher enzymatisch wieder abgetrennt wurde. An einer solchen Art der Kettenverlängerung waren, wenn sie stattge- funden haben sollte, alle Individuen gleichermaßen beteiligt, so daß schon unter 10^ Individuen einer Population im Mittel eines mit einer brauchbaren Sequenz zu erwarten ist. Im Gegensatz zu Insertionsmutationen ereignet sich diese Art von Replikationsfehlern (trans-tem-plate-Addition) stets zwangsläufig am Kettenende, so daß die Bildungswahrscheinlichkeit für ein beliebig langes DNS-Stück (freilich mit irgendeiner von 10 Sequenzen, wenn nicht auch hier eine Tendenz zum Alternieren vorherrscht) bei 1 liegt. 5. DNS-Kettenverlängerung durch illegitimes Crossing-over In bestimmten Stadien der meiotischen Zellteilung kommt es zur Paarung homologer Chromosomen mit einer normalerweise exakten vis a vis - Stellung der homologen Gene. Dabei können DNS-Ketten an bestimmten Stellen, nämlich zwischen zwei Genen durch enzymatische Hydrolyse quergespalten werden, worauf die getrennten Kettenenden durch ein herbeieilendes Li-gaseenzym wieder verbunden werden, aber - da offenbar keines der Kettenenden mehr weiß, wie sie zusammengehörten - (manchmal) überkreuz. Ein solches - im Mikroskop als Chiasma der Chromosomen (s. Abb.140) zu beobachtendes - normales Crossing-over ist in Abb.138 schematisch dargestellt. Es kann bei einer derart gewagten Operation zu allerlei Verwirrung kommen, die als illegitimes Crossover in Abb. 200 dargestellt ist. Man sieht, daß im Palle m einer der DNS-Stränge verlängert und der andere verkürzt aus der Prozedur hervorgeht. In Abb. 221 ist das noch einmal etwas deutlicher dargestellt: Beide Stränge sind an der Stelle zwischen Gen 4 und 5 so verklemmt, daß das Gen 5 bei der 12 3 4 6 7 Abb. 221: Normales und illegitimes Crossing-over mit DNS-Verlängerung durch Gen-Verdoppelung bei einer der homologen DNS-Ketten. ---------------1---Chromosomenstrang = DNS-Doppelhelix Strangpaarimg ausgespart wird. Wenn jetzt der Kettenbruch in dem einen Strang zwischen den Genen 5 und 6 , in dem anderen aber zwischen 4 und 5 erfolgt, führt die tfberkreuzverknüpfung (Umesterungsreaktion) in der dargestellten Weise dazu, daß einer der homologen Stränge das Gen 5 doppelt besitzt, während dem anderen das Gen 5 fehlt. In dieser durch illegitimes Crossing-over bewirkten Genverdoppelung haben wir möglicherweise den Mechanismus zu sehen, durch den die DNS-Kette im Laufe der Evolution sprunghaft- stetig um Genlänge gewachsen ist [ 68 ]. Der Organismus, der später nach der Paarling den mit einem Doppelgen ausgestatteten Chromosomensatz erhält, kann nun zwar das zugehörige Protein reichlicher und schneller produzieren, hat aber noch kein neues Gen. Der Prozeß der Neugenbildung beginnt erst, wenn eines der Doppelgene durch Blockade des Operators ( S. 122) von der Translation abgekoppelt ist. Das Gen ist jetzt sozusagen aus dem Verkehr gezogen mit der Folge, daß Mutationen, die dieses Gen betreffen, von dem Lebewesen nicht mehr wahrgenommen werden. Wäre das Gen nicht blockiert, könnte sich eine Sequenzumwandlung durch Mutationen zum neuen Gen dort nur dann vollziehen, wenn die Mutationen ganz überwiegend auf eines der doppelten Gene beschränkt würden und wenn die dort konzentrierten Mutationen alle unschädlich wären ( > 99 9^ aller Mutationen sind schädlich). Beides ist extrem unwahrscheinlich, d.h. die Doppelgen-Familie wäre ausgestorben, ehe es zur Entstehung eines neuen Gens gekommen wäre. Bei einem abgeschalteten Gen dagegen können sich dort auch bei normaler Mutationsrate Sequenzänderungen unbemerkt ansammeln, während die meisten der auf anderen Genen durch Mutationen betroffenen Individuen sterben oder so geschädigt werden, daß sie von der Fortpflanzung ausgeschlossen bleiben. Die Wahrscheinlichkeit, daß bei einer irgendwann zufällig einmal erfolgten Wiedereinschaltung des oder der durch Mutationen umsequenzierten Gene die neuen Sequenzen sich im Augenblick gerade als brauchbar erweisen, ist natürlich genau wie bei jeder anderen Art einer Neusynthese eines Gens 1 / 10^ oder (1 / 10^)n bei n neuen Genen. Das gilt auch dann, wenn an dem Doppelgen nur eine einzige Sequenz geändert werden müßte, gleichgültig ob dies durch eine einzige Mutation oder durch eine Vielzahl von Mutationen und Rückmutationen erreicht würde: Immer ist die neue brauchbare Sequenz eine unter 10^ möglichen (genauer : irgendeine von 10"^^ brauchbaren unter 101000 möglichen). Was aber gegenüber der unter 3 beschriebenen Neusynthese durch tt-Ad- dition anders ist, ist der Umstand, daß nicht alle Individuen einer Population in gleicher Weise an dem Kettenwachstum ihrer DNS beteiligt sind, sondern nur die wenigen, die das seltene Ereignis dieser speziel- *) len Art eines illegitimen Crossing-over erlebt und überlebt haben. Eine Erhöhung der Genbildungswahrscheinlichkeit durch starke Vermehrung gemäß Abb. 214 von 10”^ auf 10-^ oder lö-^ scheidet damit praktisch aus, d.h. die höchste denkbare Wahrscheinlichkeit für Entstehung und Freigabe eines in einer bestimmten Evolutionssituation gerade brauchbaren neuen Gens durch illegitimes Crossing-over und mutative Umsequenzierung ist 10-6 . Eine weitere Besonderheit der Genbildung durch Mutation redundanter (= aus dem Verkehr gezogener) Doppelgene liegt darin, daß bei diesen Mutationen eine "Hinterbandkontrolle" durch Signifikant-werden der durch die Mutationen bewirkten Eigenschaftsänderungen grundsätzlich unmöglich ist. Eine Eigenschaftsänderung vor Vollendung von 5 bis 10 neuen Genen kann zwar auch ohnehin nicht in Erscheinung treten, weil erst danach eine Enzymkette für die immer mehrstufige Synthese eines neuen Stoffes verfügbar ist. Hier aber wird deutlich, daß schon wegen der Abkoppelung der für die Neu-Gen-Bildung verfügbaren Doppelgene von der Transcription (die eine absolut notwendige Voraussetzung für das Entstehen der neuen Gene ist) eine Selektion bis zur zufälligen Wieder-ankoppelung (nach 10 oder 20 oder 50 neuen Genen ?) von vornherein unmöglich ist. Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, daß durch Mutationen keine neuen Gene entstehen können. Das ist nach wie vor richtig, denn das neue Gen entsteht nicht durch Mutationen allein, sondern durch eine strenge Folge von Ereignissen: Genverdoppelung durch illegitimes Crossing-over, Abkoppelung eines der Doppelgene von der Transcription (Wahrscheinlichkeit 1/10^ bis 1/10^ je nach Länge der DNS-Kette eines Genoms), mutative Umsequenzierung und Wiederankoppelung an die Transcription. Diese hochkomplizierte Kette von verschiedenen Reaktionen ist alles andere als eine Mutation im üblichen Sinne. Auf die gleiche Weise könnten natürlich auch gemäß 5 oder 4 entstandene und zunächst periodisch sequenzierte DNS-Stücke mutativ in neue Gene umgewandelt werden, wenn sie erst einmal als redundante Gene in ein Genom aufgenommen wurden. *) Man muß erwarten, daß der Geschlechtspartner in aller Regel eine normal lange DNS mitbringt, so daß bei der Replikation zwangsläufig Komplikationen auftreten. Daß sich einmal ein Paar mit demselben illegitimen Crossing-over am gleichen Gen findet, ist höchst unwahrscheinlich. HYPOTHESEN "Hypotheses non fingo", soll der große NEWTON gesagt haben. Aber auch er kam - ebensowenig wie irgendein Wissenschaftler - nicht ohne Hypothesen aus. Eine Sammlung von Meßergebnissen ist für den denkenden, phantasiebegabten Menschen ein unwiderstehlicher Anreiz, sie in ein Netz von Ursache und Wirkung einzuordnen, sie "theoretisch zu deuten", ein komplettes Modell von der durch die Messungen zwangsläufig nur unvollständig beschriebenen Wirklichkeit zu machen. Dabei kann sich zeigen, daß Meßpunkte übrig bleiben, die sich nicht durch den theoretischen Ansatz, die Hypothese, das Modell erfassen lassen. Dann werden die fraglichen Messungen wiederholt, um sicher zu sein, daß keine Meßfehler Vorlagen, oder die Meßgenauigkeit wird verbessert, um den Fehlerbereich einzuschränken, und es zeigt sich, ob die Hypothese erweitert, verfeinert werden kann oder verworfen werden muß. Es kann auch sein, daß die Meßwerte Lücken aufweisen, die eine Prognose für den Ausgang neuer Messungen erlauben, durch die - nachdem sie durchgeführt wurden - die Theorie bestätigt oder in Frage gestellt werden kann. Theorien, Modelle, Hypothesen üben oft eine eigenartige Faszination aus, nicht nur auf ihre Urheber, was verständlich wäre, sondern auch auf die Zeitgenossen und gar auf die Nachwelt. Man könnte das einen Globus-Effekt nennen, der natürlich nicht nur das Modell "Erde" als Kugel oder Geoid mit ihrer Geographie meint, sondern die Gesamtsituation "der Irdischen", der Erdbewohner betrifft. Man möchte das Ganze des Lebens gern so klar vor sich sehen wie einen von innen beleuchteten Globus. Hypothesen können richtig oder falsch sein - errare humanum. Das Ptolemäische Weltmodell war falsch und beherrschte länger als ein Jahrtausend die Vorstellung und das Denken der abendländischen Menschheit: Das typische Beispiel einer dogmatisierten Hypothese. Ein aktuelles Beispiel ist die DARWIN'sehe Hypothese von der Entstehung der Arten durch Entwicklung nach dem Schema von Mutation-Selektion, die inzwischen zu einem Welt und Leben umspannenden Evolutionsmodell weiter entwickelt wurde. Auch dieses Modell ist falsch, was nicht hindert, daß es mit geradezu missionarischem Eifer als durch naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse gesicherte Theorie in aller Welt verbreitet und propagiert wird. Dogmatisierte Hypothesen verdecken die Lücken des Nichtwissens durch vermeintliches Wissen und blockieren so den Weg der wissenschaftlichen Erkenntnis. Alle Modelle aber, die wir uns machen, richtig oder falsch, bergen in sich die Gefahr des geschnitzten Bildes, die Gefahr, den Teil, den das Modell beschreibt, für das Ganze zu halten und die Methode, mit deren Hilfe das Modell erstellt wird, die Naturwissenschaft, für die allein und einzig richtige. Schon PLATO beschreibt in seinem berühmten Höhlengleichnis f111 ] die Wissenschaftler als Menschen, die, durch Fesseln aller Bewegungsmöglichkeiten beraubt, in einer Höhle gefangen sitzen und nur auf die dem Eingang der Höhle gegenüberliegende und vom Eingang her erhellte Wand blik-ken können. So sitzen sie und sehen einen spärlichen Ausschnitt des Lebens und Treibens außerhalb der Höhle als Schattenbilder auf ihrer Wand abgebildet, ohne unmittelbar die Gesamtsituation, in der sie sich befinden, erkennen zu können. Fasziniert von der Bewegung der Schattenbilder und voll in Anspruch genommen durch das Bemühen, sie möglichst genau zu beobachten und miteinander in Beziehung zu setzen und so jene für die beste Beobachtung des Schattengeschehens ausgesetzten Preise und Ehrungen zu erlangen, finden sie keine Zeit, dem Gedanken nachzugehen, daß das, was sie dort in der Höhle so gefesselt betrachten und - miteinander wetteifernd - bis ins letzte Detail zu beschreiben versuchen, nur die kümmerliche Projektion eines winzigen Ausschnitts einer großen, weiten, lichtvollen Wirklichkeit außerhalb der Höhle sein könnte. Durch noch so präzise Erfassung der Schattenbewegungen und Korrelation aller Parameter allein kann die Frage, ob es eine Wirklichkeit höherer Dimensionen ausserhalb der Höhle gibt oder das Geschehen an der Wand selbst die ganze Wirklichkeit ist, von den an die Enge der Höhlenbedingungen gefesselten Forschern niemals entschieden werden. Ebensowenig läßt sich die Frage, ob menschlicher Geist das Endergebnis eines nur durch gewisse Spielregeln gesteuerten Zufallsgeschehens ist, das vor 3 bis 4 Milliarden Jahren durch Selbstorganisation der Materie zufällig begann, oder ob Materie letztendlich auf einen "Sündenfall des Geistes" */ zurückzuführen ist, der sich im Ablauf einer Schöpfungsgeschichte ereignete, nur durch möglichst präzise Beschreibung der uns erkennbaren Spuren dieses Geschehens beantworten. Wir sind als menschliche Lebewesen Teil unseres Raumes und seiner Dimensionen und so unfähig, die raum-zeitlichen Zustandsänderungen, an die wir gleichsam gefesselt sind, von außen zu beobachten, ja wir sind auch bei noch so exakter Beschreibung der beobachteten Zustandsänderungen nicht einmal in der Lage, festzustellen, ob es ein Außen gibt oder nicht. Was wir aber feststellen können, ist, daß es Menschen gibt, die es einfach wagen, zu glauben und zu hoffen, daß auch die Höhle unserer Welt einen Ausgang hat, wie jene Höhle im Gleichnis des großen Philosophen. Wenn es für einen Gefangenen eine Hoffnung gibt, dann ist es nicht die Aussicht auf eine "Humanisierung" seiner Gefängnishöhle, sondern die Freiheit, die nur der Ausgang - lat.: exitus -zu gewähren vermag. 2.5 DNS - INFORMATION UND FORMWERDÜNG Wir wissen zwar jetzt, wie die Natur es anstellt, einheitliche Proteine mit gleicher Länge und gleicher Sequenz herzustellen, wir wissen aber nicht, warum die Zellen - je nach der räumlichen Lage in einem wachsenden Organismus - bald die einen, bald die anderen Proteine hersteilen und wissen nicht, wie daraus so verschiedenartige Zellen wie Nerven-, Haut-, ) nach THOMAS MANN [112] und LEOPOLD ZIEGLER [113] Muskel-, Knorpel-, Haar-, Magenschleimhaut-, Netzhaut- oder Glaskörperzellen entstehen. Wir haben auch nicht die geringste Vorstellung davon, wie es möglich ist, daß diese Zellen sich zu Organen ganz bestimmter Größe und genau definierter Form zusammenfügen und wie aus vielen Milliarden Zellen und den daraus gebildeten Organen eine Funktionseinheit mit ganz bestimmter Größe und Form, nämlich das fertig ausgebildete Lebewesen entsteht. Mit anderen Worten: Die Aufklärung der DNS-Struktur, die Aufklärung der Art der Informationsspeicherung und die Aufklärung des genetischen Code mitsamt der enzymatischen Proteinsynthese gibt keine Antwort auf die Frage der Zelldifferenzierung und des embryonalen Wachstums, also des eigentlichen makroskopischen Formbildungsvorganges aus molekularen Bauelementen. Bekannt ist, daß die DNS-Information - in jeder Körperzelle ist die Gesamtinformation für den Bau aller in einem Organismus tätigen Enzyme enthalten - solange durch Repressoren verriegelt ist, bis durch bestimmte Substanzen, die als Effektoren oder Induktoren bezeichnet werden, die Verriegelung für bestimmte DNS-Abschnitte (Gene) aufgehoben wird, so daß sie für die betreffende Proteinsynthese verfügbar sind (s. Abb.122/2). Für jeden DNS-Abschnitt sind andere Induktoren als Schlüssel wirksam, so daß durch deren Konzentration die jeweilige Proteinsynthese gesteuert wird. Rätselhaft bleibt aber, in welcher Weise die Form eines Organs oder Organismus', die ja als solche ein durchaus nichtmaterielles Prinzip ist, eine Idee oder ein Bild im Sinne PLATOS, wie also diese jedem Lebewesen eigene Form durch Proteinsynthesen, Zellteilung und Zellenassoziation von innen heraus aus einer im wesentlichen bei allen Lebewesen gleichgestaltigen, nahezu kugelförmigen Eizelle gebildet wird, so daß schließlich so verschiedengestalti-ge Wesen das Licht der Welt erblicken wie die Mücke und der Elefant, die Libelle und das Krokodil, der Löwe und die Gazelle, die Nachtigal, der Adler, das Wiesel, der Affe und der Mensch, und alle die vielen Arten der Pflanzen: Rosen und Orchideen, Nadel- und Laubbäume, das Gras und die Lilie. Dabei muß man berücksichtigen, daß der Begriff der Form bei Lebewesen ja nicht nur die äußere Form umfaßt, sondern auch die innere Form: Das Knochengerüst mit den komplizierten Gelenken, das ungeheuer verästelte und doch streng auf seine Funktion hin geordnete System der Gefäß- und Nervenbahnen und das Gehirn. Was die Eizellen der vielen verschiedenartigen Lebewesen in einer für uns erkennbaren Weise unterscheidet, ist die Länge und die Nucleotidse-quenz der in den Zellkernen enthaltenen DNS. Die chemisch-physikalischen Vorgänge, durch welche die in der DNS-Sequenz enthaltenen Anweisungen zur Ausbildung all der vielen verschiedenen Formen verwendet werden, sind uns unbekannt. Erwiesen ist: Eine intakte DNS ist eine absolut notwendige Bedingung für das Entstehen, Wachsen und Existieren eines Lebewesens. Das heißt aber nicht, - wie man zuweilen liest - daß in der DNS das Wesen des Lebens begründet ist. Vielmehr ist DNS nur eine von vielen Voraussetzungen für Leben, wenn auch eine herausragende von zentraler Bedeu- tung. Andere Bedingungen sind durch die ganz spezielle Umwelt des wachsenden Keims gegeben, darunter so triviale Bedingungen wie die Aufrechterhaltung einer bestimmten Temperatur oder die Gegenwart von Wasser, Licht, C02 und Sauerstoff. Eine weitere, der DNS an Bedeutung nicht nachstehende Bedingung für das Entstehen von belebter Form ist das Wirken eines Prinzips, das die Formbildung beim embryonalen Wachsen steuert, wie das Kontaktthermometer die Temperatur eines Thermostaten, das also in der Lage ist, Sollwert (vollendet ausgebildete Form) und Istwert (jeweiliges Embryonalstadium) zu vergleichen und die notwendigen Signale auszulösen, die das wachsende System dem Sollwert zuführen, d.h. am richtigen Ort und zu gegebener Zeit die jeweils notwendigen Enzymsynthesen in Gang bringen und stoppen. Ohne ein solches Formprinzip des Körpers - für das wir keinen neuen Namen zu suchen brauchen, denn seit ARISTOTELES [ 114] ist dafür *) die Bezeichnung "Seele" eingeführt - ist eine formorientierte Zell- *) Wir sind gewohnt, Seele nur als Forschungs- und Behandlungsobjekt der Psychologen zu sehen oder im Zusammenhang mit religiösen Vorstellungen. In der obigen Definition von Seele als Formprinzip, d.h. lebendige Form bewirkendes und erhaltendes Prinzip, ist Beseelt-sein eine universelle Eigenschaft alles Lebendigen. Nach ARISTOTELES ist Seele die Entelechie (d.i. das formbildende Prinzip) eines bestimmten Lebewesens und als solche imtrennbar mit dessen Körper verbunden. In "Herders Kleines Philosophisches Wörterbuch" heißt es: "Seele ist das Wesens-, Wirk- und Gestaltungsprinzip (Energie oder Entelechie) eines organbegabten Körpers, also mit diesem wesenhaft verbunden in der substanzialen Einheit des Leibes." Das griechische Wort tvx i^(_£L06 bedeutet so viel wie "ununterbrochene Tätigkeit oder Wirksamkeit". Es ist eine Substantivierung von !v rlX-Ei, £j(_£uv d.i. "am Ende sein, am Ziele sein." Der Ausdruck bedeutete in Athen: "in Amt und Würden stehen". Die philosophischen Begriffe Entelechie und Seele haben keine naturwissenschaftliche Relevanz, d.h. es läßt sich kein Bezug zu irgendwelchen naturwissenschaftlichen Größen hersteilen, wie z.B. bei der Kristallform über den Atomabstand im Kristallgitter zu den Interferenzmaxima der Röntgenbeugung. Wenn man also den Begriff "Seele" heranzieht, um den Vorgang der Formbildung von Lebewesen zu beschreiben, so tritt man damit aus dem Bereich der Naturwissenschaft heraus in der Erkenntnis, daß es eine Wirklichkeit (Wirksamkeit) gibt, die mit naturwissenschaftlich relevanten Begriffen nicht zu beschreiben ist. Man wird dabei zu bedenken haben, daß die naturwissenschaftliche Erkenntnis sich in den letzten Jahrhunderten ständig ausgeweitet hat, so daß immer weitere Bereiche des Unerklärlichen in den naturwissenschaftlich erhellten Bereich einbezogen wurden. Das hat vielfach zu der Meinung geführt, daß es für die naturwissenschaftliche Methode des Erkennens keine Grenzen gibt. Im Fall des Begriffes Entelechie der von H. DRIESCH zur Bezeichnung der Zielstrebigkeit in der lebenden Natur verwendet wurde, ist eine naturwissenschaftliche Erklärung bisher nicht möglich gewesen. Die heute bei Biologen fast allgemein vertretene Auffassung, daß die Kenntnis der DNS und ihrer Funktion in der Zelle den Begriff der Entelechie überflüssig gemacht habe, beruht auf einem Irrtum: Die Formbildung im Bereich der Lebewesen ist durch die bisherigen Kennt- teilung und Zelldifferenzierung nicht denkbar. Die Seele bildet mit der lebenden Materie als deren formende Kraft nach dem berühmten Gleichnis des Aristoteles genauso eine innere Einheit, wie die Form einer Statue mit dem Marmorblock, den sie prägt, zu einem unteilbaren Ganzen verschmilzt. Das Problem des Zusammenhangs von Körper und Seele, das A. SCHOPENHAUER als den "Weltknoten" bezeichnet hat, kann durch das Studium der Zelldifferenzierung während des embryonalen Wachstums sicher keiner Lösung zugeführt werden, aber es ist doch möglich, daß man es im Zusammenhang mit der DNS-Triplettsequenz - welche ja als "geschriebene" Information auch kein materielles Prinzip darstellt - unter neuen Aspekten zu sehen lernt. Die Differenzierung der Zellen eines wachsenden Lebewesens zum (mehr oder weniger) formvollendeten Individuum zeigt uns wie vielleicht kein anderer Vorgang in aller Deutlichkeit die Einheit und Ganzheit von Körper und Seele: Einerseits ist ohne das Wirken eines formenden Prinzips im Sinne einer Sollwert-Istwert-Kontrolle bei kybernetischen Systemen keine lebendige, funktionstüchtige Form und kein Wachsen des Keims zur lebendigen Form des Pflanzen- oder Tierkörpers von innen heraus denkbar. Andererseits aber ist das Wachsen und die dadurch sich formende Gestalt total an die in der Primärstruktur, d.h. der Basensequenz der DNS vorgegebene, materiell fixierte Anweisung gebunden, wie man z.B. an der bis ins Detail gehenden Ähnlichkeit eineiiger Zwillinge erkennt. Auch die erheblichen Mißbildungen, die u.U. bereits durch die Blockade oder Störung einer oder einiger weniger Enzymsynthesen zwangsläufig eintreten, zeigen in aller Deutlichkeit die engen, im Materiellen, d.h. im Stoff und im Stoffumsatz durch chemische Reaktionen liegenden Grenzen, in denen das Wachsen eines Lebewesens verläuft. Wenn man an die schrecklichen Mißbildungen durch Chemikalieneinwirkung während des Embryonalstadiums und durch Chromosomen-Aberrationen, z.B. Trisomie 21 (früher auch Mongolismus genannt), und das unkontrollierte Wachsen von Karzi-*) nomen denkt, ist man versucht, das ganze Kapitel "Leben" mit "Macht nisse über DNS nicht zu erklären. Man sollte andererseits auch nicht meinen, durch Einführung der Begriffe Entelechie und Seele sei etwas zur naturwissenschaftlichen Klärung des Vorganges beigetragen. Durch Verwendung dieser Begriffe wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß hier ein Vorgang ist, der mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht zu beschreiben ist. *) Krebs ist ein Wachstumsvorgang, bei dem die formorientierte Steuerung ausgeschaltet ist und kann möglicherweise - wie viele Erkrankungen des Körpers - auch durch psychische Störungen verursacht werden. und Ohnmacht der Seele" zu überschreiben. DNS ist nicht nur ein Kettenmolekül, sie ist auch eine Sklavenkette, die das Leben an die Materie fesselt, mit all den grausamen, unerbittlichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Diese totale Abhängigkeit des Lebens von den materiellen Voraussetzungen beweist indessen nicht, daß Pflanzen, Tiere und Menschen ohne Seele sind, was bekanntlich eine heute weit verbreitete Meinung ist [115]. Das Wirkprinzip Seele ist mit einem Handwerker zu vergleichen, der, um Haus, Fenster, Möbel, Geräte, Instrumente bauen zu können, auf das Vorhandensein von Rohmaterial, Werkzeug lind Bauplan angewiesen ist. Das Rohmaterial ist - für die Pflanze - CO^, H^O, anorganische Salze und Licht, als Werkzeuge dienen die Enzyme, und der Plan ist die jedem Lebewesen eigene DNS. Enzyme und DNS sind in der Eizelle vorhanden, werden also beim Beginn des Wachsens bereits vorgefunden. Der während des embryonalen Wachstums stattfindende Aufbau vollzieht sich in einer für uns als Techniker äußerst befremdlichen Art, die man als ein dreidimensionales Wachsen von innen heraus wahrnimmt, und die durch die nicht nur an der Oberfläche, sondern auch im Innern eines wachsenden Körpers stattfindenden Zellteilungen hervorgerufen wird. Auf eine uns nicht erklärliche Weise wissen oder erfahren die Zellen, wo sie sich, wie rasch und wie lange sie sich zu teilen haben, damit der Organismus die ihm durch die Erbinformation vorgegebene Gestalt annimmt. Sie erfahren auch genau, an welchen Stellen und wie sie sich in Knochenzellen, Nervenzellen, Gefäßzellen, Blutkörperchen etc. umzuwandeln haben. Bisher ist kein Mechanismus bekannt, der nur auf Grund der Anwesenheit oder Abwesenheit bestimmter Enzyme auf dem Wege der Zellteilung makroskopische Gebilde mit genau definierter Gestalt hervorbringt, z.B. eine Hand, ein Bein, einen Augapfel, ein Gesicht oder die geometrisch genau festliegende Führung von Nervensträngen und Blutgefäßen mit ihren komplizierten, aber wohl definierten Krümmungen und Verästelungen, oder die bewundernswerte Mechanik eines Gelenks. Das Wort von der "Selbstorganisation der Materie", die heute vielfach als Ursprung des Lebendigen angesehen wird, ist leicht ausgesprochen, aber wir kennen nicht seinen physikalisch-chemischen Inhalt. Es dürfte sicher sein, daß bei den Vorgängen der Zelldifferenzierung während des Wachstumsprozesses hochkomplizierte, ineinandergreifende, automatisch wirkende Regelkreise nach Art des Lac-Operons (vgl. S.122) eine bedeutende Rolle spielen. Automatisch arbeitende Regelsysteme benötigen jedoch - wenn sie funktionieren sollen - Sensoren oder Meßsonden (z.B. Kontaktthermometer oder Pt-Wider-standefühler bei Thermostaten), die den jeweiligen Ist-Zustand mit dem Soll-Zustand vergleichen. Wir können uns weder denken, wie die vollständige Information über den Soll-Zustand einer bestimmten makroskopischen Körperform (Außen- und Innenform) als Basentriplett-Sequenz auf der DNS untergebracht sein soll, - wo wir doch wissen, daß dadurch lediglich die Synthese von Proteinmolekülen mit bestimmter, codegereohter Aminosäuresequenz ermöglicht wird -, noch können wir uns denken, wie das Kon-trollsystem beschaffen sein soll, das den Wandel der Form während des EmbryonalWachstums beobachtet und durch Regulation von Teilungsgeschwindigkeit und Differenzierung der Zellen den Zellverband seinem Soll-Wert, dem fertig ausgebildeten Individuum, entgegensteuert. Weder physikalische Faktoren, wie die Schwerkraft oder elektrische oder magnetische Felder oder Lichteinwirkung oder Lichtwechsel, noch chemische Faktoren wie unterschiedliche Ernährung oder Stimulation von Zellen durch verschiedene Diffusionswege oder -geschwindigkeiten verschiedener Stoffe kommen für ein derartiges Kontrollsystem in Frage. Die Informationsübertragung durch Konzentrationsgradienten und Stoffaus-tausch scheint besonders nahe zu liegen, weil bei einigen Mikroorganismen die Regulierung von Enzymsynthesen nach dem Schema des anabolischen oder katabolischen Operons (vgl. Abb.122/2) nachgewiesen wurde. Zur Bildung eines räumlichen Musters verschiedener Induktor-Konzentrationen sind Diffusionsvorgänge Jedoch ungeeignet, denn 1. erfolgt durch Diffusion stets ein Konzentrationsausgleich (2. Hauptsatz), so daß auf größere Entfernungen Konzentrationsgefälle immer geringer und die zu differenzierenden Zonen immer unschärfer werden, und 2. verlaufen Konzentrationsgradienten konzentrisch um das Diffusionszentrum, so daß eine gezielte Steuerung, wie sie bei der embryonalen Entwicklung effektiv vorhanden ist (vgl. dazu Abb. 232), durch Diffusion nicht möglich ist \ Eine orientierte Diffusion, d.h. verschiedene Diffusionsgeschwindigkeit in verschiedenen Richtungen, setzt bereits eine Differenzierung voraus. Daher ist das "spielerische Modell" von C. BRESCH (Abb. 231 ), das von einer spontan auftretenden Veränderung (i) einer Zelle (schwarzer Kreis) eines zunächst homogenen Zellverbandes ausgeht, von der aus dann durch Diffusion ein Hemmstoff ausgesandt wird, der eine Veränderung zweiter Art umso sicherer verhindert, Je höher seine Konzentration ist, so daß #) Das gilt grundsätzlich auch für die viel diskutierten "dissipativen Muster" [116], die durch oszillierende chemische Reaktionen entstehen. Formbildung durch dissipative Muster würde ein räumliches Muster von Reaktionszentren voraussetzen, dessen Entstehung so rätselhaft wäre wie die Formenbildung selbst. sich an der entferntesten Stelle mit der größten Wahrscheinlichkeit diese Veränderung (il) (weißer Kreis) ereignet; nur dazu geeignet, die ganze Hilflosigkeit zu demonstrieren, mit der wir als Chemiker vor dem Phänomen der Differenzierung stehen, ater auch die Unbekümmertheit vieler Biologen, mit der sie physikalisch-chemischen Vorgängen allerlei geheimnisvolle Fähigkeiten zusohreiben, die sie nun einmal nicht haben. Man versuche nur einmal, die Entstehung von so verschiedenen Gebilden wie Nervenzellen und Muskelzellen (vgl. Abb. 252) in unmittelbarer Naohbarsohaft von wenigen 10 oder 50 2 Abstand durch Polarisierungsund Diffusionsmechanismen zu verstehen, deren Prinzip durch das Bresoh'sohe Schema in Abb. 231 dargestellt wird. 1 2 5 4 5 Abb. 251 : Ein "spielerisches Modell" zur Veranschaulichung des Prinzips der Zelldifferenzierung durch Konzentrationsgefälle von Effektoren oder Hemmstoffen infolge einer von bevorzugten Punkten ausgehenden Diffusion nach C. BRESCH [117]• 1 Zufällige Entstehung einer Sonderzelle (i), die einen Hemmstoff produziert, der die Entstehung von Sonderzellen (H) verhindert. 2 Sonderzelle (h) entsteht in größter Entfernung von (i), weil dort die Hemmstoffkonzentration am geringsten ist. 5 Oben-unten-Altemative und Symmetrieachse als Folge der Sonderzellen. 4 Sonderzelle (n) hat die Eigenschaft, sich vorübergehend rascher zu teilen. 5 Durch Stoffe, die verschieden rasch von (i) und (h) diffundieren, entstehen da, wo sich beide Stoffe in Außenzellen treffen, Sonderzellen (m) und (IV), von denen aus die Arme und Beine wachsen. Das Befremdliche des embryonalen Wachstums, das wir uns eigentlich gar nicht richtig vorstellen können, ist uns im allgemeinen nicht bewußt, weil wir es buchstäblich von Kindesbeinen an gewohnt sind. Es wird uns aber bewußt, wenn wir uns fragen, wie wir denn wohl einen funktionsfähigen Tiger- oder Menschenkörper bauen würden, der nicht nur wie die Gebilde der Künstler aus Stein oder Holz in seinen äußeren Umrissen, sondern auch im Innern völlig naturgetreu beschaffen sein soll. Wir Abb. 232 : Sohnittserienrekonstruktion eines 7.5 mm großen menschlichen Embryos nach E. BLECHSCHMIDT f118] zur Veranschaulichung eines überall gleichzeitig erfolgenden zentral gesteuerten Wachsens von innen heraus. In der Kopfpartie: Ausbildung des Gehirns. Im fertig ausgebildeten Zustand besteht das menschliche Gehirn aus schätzungsweise mehreren Milliarden Neuronen, die alle sinnvoll untereinander durch Nervenstränge "verdrahtet" sind. Man versuche sich vorzustellen, wie das durch Diffusion von Stoffen und ein dadurch entstehendes Konzentrationsmuster geschehen sein soll. In der Rumpfpartie: Herz-Lebermassiv. Seitlich am Herzwulst bereits die Anlage des Handtellers. könnten gar nicht anders Vorgehen als so, wie es ein Handwerker, Ingenieur oder Architekt gewöhnlich tut: wir müßten unter zweidimensionaler Kontrolle bauen, das heißt, wir müßten an einer Stelle, z.B. Ijei den Zehen oder am Kopf anfangen und dann Zelle für Zelle, Teil für Teil zusammenfügen, derart, daß man - wie beim Bau eines Hauses - stets zweidimensionale Schnitte zur Hand und vor Augen hat, um die zu bauende und langsam entstehende Form mit dem Plan vergleichen zu können. Der Plan selbst würde bei diesem Vorgehen aus einer sehr großen Anzahl (Größen-Ordnung 10 bis 10 ) einzelner Schnittzeichnungen bestehen müssen, wenn er Lage, Größe und Form jeder einzelnen Zelle enthalten sollte. Auch dem Chirurgen, der in Teilbereiche eines Körpers Einblick nehmen und dort Eingriffe vornehmen will, bleibt nichts anderes übrig, als Schnitte zu legen: er öffnet die in sich geschlossene Körperform mit dem Skalpell und sieht den Innenbereich des Körpers, in.dem er operieren will, durch Aufspreiten des Schnittes flächenhaft vor sich. Nach dem Eingriff überläßt er es der Natur, nach grobem Zusammenfügen der Trennflächen, wieder zusammenzuwachsen, zu heilen. Der Göttinger Anatom E. BLECHSCHMIDT [119] hat die Schnittserienmethode verwendet, um den inneren Aufbau von menschlichen Embryonen in verschiedenen Wachstumsphasen sichtbar zu machen. Die Embryoleichen wurden in außerordentlich zahlreiche dünne Schnitte zerlegt. Die Schnitte wurden durch Anfärbemethoden präpariert und abgebildet und lieferten so die "Zeichnungen", nach denen vergrößerte Schnittserienrekonstruktionen aus Kunststoff angefertigt wurden (Abb.232). Eine andere Art des technischen Bauens ist die Montage, wie sie bei 'Instrumenten, Maschinen und Industrieanlagen üblich ist. Hier werden fertige, d.h. die endgültige Form und Größe bereits besitzende Einzelteile oder Stücke (Funktionseinheiten wie Zahnräder, Kugellager, Ventile, Linsen, Federn, Rohrleitungsstücke etc.) zum Ganzen zusammengefügt. Auch diese Art des Vorgehens beim Bau dreidimensional-räumlicher Strukturen ist von der Art des organischen Wachsens grundverschieden, wenn auch das fertige Werk, die Maschine, z.B. das Uhrwerk oder die chemische Produktionsanlage, zu Vergleichen mit dem lebenden Körper herausfordert. Eine dritte Art des Formgebens ist das Gießen flüssiger oder plastischer Massen (Bronze, Stahl, Polymerwerkstoffe) in vorgegebene Formen, deren Umrisse nach Größe und Gestalt genau kopiert werden, die So erhaltenen Körper sind innerlich strukturlos (soweit man von der Kristallstruktur und dem Gefüge der aus dem flüssig-plastischen Zustand erstarrten Werkstoffe absieht). Durch Vergleiche des Wachsens mit unseren Techniken des Konstruierens, des Bauens, Montierens und Gießens, erkennt man Parallelen und Unterschiede. Man erkennt auch die Überlegenheit des Bauens von dreidimensionalen Strukturen durch stetige Kontrolle von einem nicht an diese drei Dimensionen gebundenen und durch sie beschränkten Kontrollzentrum aus. Ein von einem vierdimensionalen Raumsystem aus operierendes Regelsystem könnte ein dreidimensionales Wachsen genauso leicht überschauen und kontrollieren, wie wir "von oben", aus der dritten Dimension ein flächenhaft wachsendes Gebilde überblicken und steuern können, denn mit der gleichen Leichtigkeit und Vollständigkeit, mit der uns von der dritten Dimension aus alle Details eines flächenhaften Mosaiks unmittelbar, d.h. ohne daß der Zugang zu der zu kontrollierenden oder zu bearbeitenden Stelle erst vom Rande her freigelegt werden müßte, zugänglich sind, sollte das Innere von dreidimensionalen Gebilden von der vierten Dimension aus direkt zugänglich und offen sein. So aber müssen unsere Monteure immerzu in einer im Bau befindlichen dreidimensionalen Anlage herumlaufen und herumklettern, um den Fortschritt des Baues durch Messen linearer und planarer Dimensionen, die durch flächenhaft darstellende Baupläne (Querschnitt- und Aufrißzeichnungen) vorgeschrieben sind, zu beobachten und zu kontrollieren. Wäre der Bau für uns nicht offen, d.h. wären die Lücken zwischen den räumlich-massiven Bauelementen kleiner als unsere Körperdimensionen oder unsere Instrumente, so wäre all unsere Intelligenz vergebens, wir könnten den Bau nicht realisieren. Genau das aber ist bei den Pflanzen und Tierkörpem der Fall: sie sind für uns geschlossen. Jeder Eingriff erfordert den öffnenden Schnitt, um den flächenhaften Überblick und die Operation von der Oberfläche her zu ermöglichen. Nur mit großem Aufwand ist es möglich, auf offenen, "begehbaren" Kanälen Sonden (Katheter) ins Körperinnere einzuführen, z.B. über Arterien in die Herzkranzgefäße, über die Harnwege bis zu den Nieren oder durch die Speiseröhre in den Magen, Und selbst von diesen Kanälen aus sieht man immer wieder nur Oberflächen und niemals das eigentlich Innere eines Körpers, das in allen Details nur "von oben", also von der 4* Dimension her erfaßt werden kann. Um sich die Besonderheit und das Befremdliche des organischen Wachsens vor Augen zu führen, sollte man noch ein zu geschlossenen Körpern mit bestimmten Formen führendes Wachsen zum Vergleich heranziehen: das Kristallwachstum und die Kondensation gasförmiger Materie, die wegen der Oberflächenspannung stets primär zu kugelförmigen Gebilden führt (vom Nebeltropfen bis zu den riesigen Gasbällen der Fixsterne). Im Gegensatz zu dem durch Intelligenz planmäßig gesteuerten "Wachsen" von Maschinen und Fabrikanlagen folgt dieses Wachsen nur den Gesetzen der Thermodynamik, derart daß dabei ein Minimum an potentieller Energie resultiert. Nur von Temperatur und Druck hängt es ab, ob der Vorgang zur Kondensation, also zur Bildung von Assoziaten, oder aber zur Auflösung von Assoziaten führt (Verdampfung, Diffusion, Auflösung). Es ist zwar Mode geworden, den Unterschied zwischen intelligenter Steuerung und Molekülassoziationen dadurch zu verwischen, daß man den Molekülen intelligentes Verhalten zuschreibt (Moleküle haben Gedächtnis, Moleküle erkennen sich etc.), aber der Unterschied zwischen dem Wachsen einer Pflanze oder eines Tieres und dem Wachsen eines Kristalls aus einer Lösung bleibt für jeden bestehen, der willens ist, ihn zu sehen, es ist der gleiche Unterschied, der zwischen belebt-beseelter und toter Materie besteht. Es gilt zwar auch für den Menschen, daß er Staub ist und zu Staub zurückkehren wird, aber zwischen dem Staub, der er während seines Lebens ist und dem Staub, als der er zu Grabe getragen oder verbrannt wird, besteht jener Unterschied, der das Leben ausmacht. Dem Vorgang der Kristallisation ist ein Assoziationsprinzip, das als Selbstmontage bekannt ist, eng verwandt, das man auch als LEGO-Prinzip bezeichnen könnte. Es spielt bei Proteinen und Nucleinsäuren eine bedeutende Rolle: Die Makromoleküle besitzen entlang der Kette eine bestimmte Folge von funktionellen Gruppen, deren Abstand sich aus der enzymatischen Synthese durch die Basensequenz der DNS zwangsläufig ergibt. Im Zusammenwirken mit räumlichen Faktoren entsteht daraus spontan eine bestimmte Tertiärstruktur (vgl. Abb.120), die ihrerseits - nun überwiegend durch räumliches Aneinanderpassen und Einrasten in Positionen minimaler potentieller Energie - Strukturen höherer Ordnung z.B. aus vier Untereinheiten ausbilden können. Proteinmoleküle oder Polysaccharidmoleküle an der Oberfläche von Zellen können nach dem gleichen Einrastprinzip bestimmte Zellassoziationen zwangsläufig-spontan herbeiführen. Ein instruktives Beispiel für das hervorragende Funktionieren dieses Lego-Prinzips ist die zum Teil spontan erfolgende Montage von "vorgefertigten" Teilen des Coli-Phagen T4 zum intakten, virulenten Phagenpartikel (Abb. 237 b). Durch Untersuchung von Mutanten ließ sich ein bereits erstaunlich gutes Bild von dem Bildungsmechanismus erhalten, wobei freilich die den Teilabschnitten zugrundeliegende Chemie noch völlig im Dunkeln liegt. Abb. 236 : Genkarte des Coli-Phagen T4 mit ringförmiger DNS. Die Karte wurde mit Hilfe von Defektmutanten aufgestellt. Nach W.B. WOOD und R.S. EDGAR f120]. Abb. 237 zeigt die der Ring-DNS des Phagen entsprechende Genkarte, Abb. 237 a zeigt die Spontanmontage von Teilstücken am Beispiel von Mutanten mit defekten Genen und Abb. 237 b zeigt ein Schema der Gesamt-Montage, bei der freilich nur ein Teil der Schritte nach dem Einrastprinzip erfolgt. Es kann als sicher gelten, daß das Lego-Prinzip beim Aufbau von Organen eine bedeutende Rolle spielt. Ebenso sicher ist es aber, daß höhere Organismen ihre Form nicht nach diesem Prinzip erhalten können, es sei denn, die Zellen erfahren von Kontrollzentren, welche Art von Paßstellen sie jeweils auszubilden haben. Wie das Wachsen im Einzelnen auch stattfindet, es ist ein automatischer Vorgang mit einer Vielzahl von ineinandergreifenden, aufeinander abge-stimmten Regelkreisen, die nur dann funktionieren können, wenn eine Steuerzentrale da ist, die imstande ist, die jeweils erreichte Form - Mutante defekt m Mutante defekt in Gen 27 Gen 23 I Inkubation aktive Phagen -Partikel Schwanz 5 6 7.8.10.2S. 26. . 27 28.29 51.53. \ 9.11.12 54 48.19 V Kopf : 20.21.22. • 23.24.31.40 60 O j 16.17.49 ♦ Schwanzfaden b Abb. 237 : Montage des Coli-Phagen T4 durch "seif assembly". a) Zwei Defektmutanten liefern nur eilt imvollständiges Sortiment von Teilstüoken. Bei Vereinigung beider Lösungen entstehen virulente Phagen. b) Durch das Studium von Defektmutanten ermitteltes Schema der Gesamtmontage. Die Zahlen geben die Gene an, bei deren Blockierung die jeweiligen Teilschritte unterbleiben. Nach W.B. WOOD und R.S. EDGAR [120]. mit allen inneren Details - mit der angestrebten Form zu vergleichen und die Wachstumsprozesse an den vielen (Größenordnung : > Milliarden) einzelnen Stellen eines wachsenden Lebewesens zu koordinieren. Was uns für das Verständnis des WachstumsVorgangs fehlt, ist die Kenntnis des Systems, das in der Lage ist, Form zu erkennen und die Bausteine (Zellen, Proteine) mit dem Ganzen des wachsenden Lebewesens in Beziehung zu setzen, d.h. ortsbezogene Anweisungen für die Proteinsynthese zu geben, eine Art Code also zwischen Form und Materie. Der Vergleich von Kristallwachstum und Pflanzen- oder Tierwachstum läßt den Unterschied zwischen Flächenwachstum und räumlichem Wachstum (Wachsen von innen her) deutlich erkennen: Beim Kristall reiht sich an der Kristalloberfläche Atom an Atom, Molekül an Molekül, immer in gleich- bleibender Anordnung. Die Bausteine bleiben imverändert, sie werden im fertigen, endgültigen Zustand auf der Oberfläche des Kristalls an das Kristallgitter angebaut. Die Bausteine der lebenden Körper dagegen, die Zellen, sind in fortwährender Veränderung: sie teilen sich und differenzieren sich, d.h. das Wachsen erfolgt nicht an der Oberfläche, sondern überall, auch im Innern des wachsenden Körpers, gleichzeitig, aber nicht gleichmäßig, sondern differenziert, hier langsam, dort rasch, hier zu Nervensträngen, dort zu Membranen, hier zu Haaren, Nägeln, dort zu Augenlinsen, zu Blutkörperchen usw. Chemische Reaktionen von der Art, wie wir als Chemiker sie kennen und untersuchen, sind grundsätzlich nicht in der Lage, von sich aus, d.h. ohne Steuerung, Körperformen von der Art der Pflanzen und Tiere auszubilden. Eine Steuerung anzunehmen, die in den Reaktionen selbst liegt, halte ich für einen falschen Denkansatz. Hier werden - bevorzugt von Biologen - in die Moleküle und ihre Reaktionen Fähigkeiten hineingezaubert, die sie einfach nicht besitzen. Wir kennen keinen physikalischohemischen Vorgang, der z.B. beim Wachsen eines Armes zu erkennen gestattete, wann eine laut Plan (wie dieser auch immer beschaffen sein mag) gegebene Länge erreicht ist, ganz abgesehen von der noch viel differenzierteren inneren Gestaltung des Armes, den Gelenken, Knochen, Sehnen, Nerven- und Muskelsträngen. Wir haben auch nicht die geringste Kenntnis darüber, ob und wie eine dafür erforderliche Information, der Bauplan, auf der DNS deponiert ist. Gerade weil wir wissen, daß die DNS-Informa-tion in Form von Basentripletts vorliegt und diese Basentripletts nach dem Schema des genetischen Code in Aminosäuresequenzen von Enzymen oder Hormonen umgesetzt werden, fällt es dem Chemiker schwer, einen praktikablen Modus zu sehen, nach welchem die Entstehung dieser Enzyme von der räumlichen Lage der Zellen im wachsenden Organismus abhängig ist, wobei man immer bedenken muß, daß die Form der Eizelle, von der aus das Wachstum beginnt, bei all den verschiedenen Lebewesen weitgehend gleich ist, und die Form, die erst entstehen soll, noch keinen Einfluß auf die Produktion von Effektoren, Induktoren und Repressoren, die die Freigabe der jeweils richtigen DNS-Abschnitte bewirken, ausüben kann. Eine Signalisierung durch Nervenreize scheidet aus, da die Nervenstränge erst einmal gebaut werden müssen, aber selbst wenn sie vorhanden wären, wie sollten die Enden wissen, wo welche Zellen zu bilden sind, wenn kein Steuer- und Kontrollzentrum zu erkennen ist und vielmehr jede einzelne Zelle dieselbe komplette Produktionsanweisung für Enzyme enthält. So lassen sich Zellkerne aus Zellen der Darmschleimhaut von ausgewachsenen Fröschen (Xenopus laevis) in entkernte Eizellen transplantieren, die sich dann zu normalen Fröschen entwickeln. Die Umgebung des die DNS enthaltenden Kerns ist also entscheidend dafür, welche Abschnitte der DNS jeweils in Funktion treten [l2l]. Seit O.T, AVERY bei seinen Transformationsversuohen mit Pneumokokken nachgewiesen hatte, daß die DNS des Dornorstammes das "transformierende Prinzip" war, ist es mehr und mehr üblich geworden zu sagen, DNS sei der stoffliche Träger "der Erbinformation". Richtig ist, daß weitere Verbindungen, die als Informationsträger in Frage kämen, nicht bekannt sind. Sicher ist aber auch, daß wir nicht wissen, wie mit Hilfe eines Systems, dessen Anweisungen sich auf die Produktion von Proteinen mit definierter AS-Sequenz beschränken, das formbildende Wachstum gesteuert werden soll. In wachsenden Pflanzen- und Tierkörpem erfolgt nicht nur die Zellteilung, sondern überhaupt die Produktion von Stoffen in strenger Abhängigkeit von der jeweiligen Lage in einem durch das Formprinzip eines Körpers gegebenen, in den Zellen des Körpers selbst fest verankerten räumlich-zeitlichen Koordinatensystems, das - zumindest bei höhe ren Tieren - von den durch die Astronomie gegebenen Raumkoordinaten weitgehend unabhängig ist. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Mechanismus von Freigabe und Verschluß der DNS-Abschnitte, die über Transcription und AS-Sequenz die Enzymaktivität steuern, seinerseits wieder durch ein Konzentrationsmuster verschiedener Stoffe (Effektoren/ Repressoren) gesteuert wird. Damit ein solches sich auf ein dreidimensi onales Koordinatensystem erstreckendes Konzentrationsmuster in streng koordinierter zeitlicher Abfolge steuernd wirksam werden kann, muß es erst einmal aufgebaut werden. Nun ist es zwar möglich, daß in einer Kas kadenreaktion nach und nach durch die von Reaktion zu Reaktion entstehenden Stoffe immer neue DNS-Abschnitte zur Kopie freigegeben und auch wieder verriegelt werden. Aber eine solche Reaktionsfolge ist ihrem Wesen nach ortsblind und zur Musterbildung unfähig, weil Zonen mit scharfen Konzentrationsgrenzen, die der Bildung von unterschiedlichen Geweben mit präziser räumlicher Begrenzung (vgl. Abb. 232) vorausgehen müssen, ohne bereits vorgebildete strukturelle Anisotropien nicht entstehen können. Denn durch Diffusion (ohne vorgegebene strukturelle Anisotropie) bilden sich um jedes Erzeugerzentrum konzentrisch-kugel-eymmetrische Zonen gleicher, mit zunehmender Entfernung vom Zentrum stetig abfallender Stoffkonzentration, Induktoren, die die Produktion von bestimmten Enzymen, die ihrerseits wieder bestimmte Syntheseschritte katalysieren, blockieren oder freigeben, können nur dann formbildend wirksam werden, wenn sie in bestimmten räumlichen Bezirken anwesend sind, in anderen aber nicht, denn nur so kann in verschiedenen Zonen eine unterschiedliche Teilungsgeschwindigkeit und eine verschiedenartige Ausgestaltung der Zellen möglich werden. Nun haben aber Konzentrationsdifferenzen normalerweise stets das Bestreben, sich durch Diffusion auszugleichen. Es hat daher großes Aufsehen erregt, als chemische Reaktionen gefunden wurden, die aufgrund von Rückkoppelungsmechanismen (Autokatalyse) in der Lage sind, in zunächst homogenen Medien Konzentrationsdifferenzen von selbst entstehen zu lassen. Bei geeigneter Wahl der Ausgangskonzentrationen bilden sich z.B, bei der bekannten BELUSOY-ZHABOTINSKII-Reaktion ' Konzentrationsmuster in Form von parallel verlaufenden Streifen oder - bei Anwesenheit von Initiierungskeimen z.B. Staubpartikeln (sogenannten "Schrittmachern") - in Form von konzentrischen Kreisen, die durch Farbindikatoren sichtbar gemacht werden können und die als "dissipative Muster" bezeichnet und im Zusammenhang mit der biologischen Formbildung (Morphogenese) viel diskutiert werden [116, 122]. Ein wesentliches Merkmal dieser Reaktionen ist die strenge Periodizität der zu beobachtenden zeitlichen oder räumlichen *) BELUSOV-ZHABOTINSKII-Reaktion ist die durch Cer-Ionen katalysierte Oxydation von Malonsäure durch Bromat zu Ameisensäure und CO^. Folgende Reaktionen laufen ab: (1) Br- + Br0j~ + 2 H+ ----»- HBr02 + HOBr (2) HBr02 + BrOj- + 2 Ce+++ + 3 H+----->2 HBrC>2 + HgO + 2 Ce+++ + (3) HBr02 + Br" + H+ -----► 2 HOBr (4) HOBr + HOOC-CH2-COOH ------>-H00C-CH(Br)-C00H + H20 (5) H00C-CH(Br)-C00H+4 Ce+++++ 2 HgO—*4 Ce* 1- 2 3 4 5*'''+ Br" + 5 H++ HC00H + 2C02 Das Oszillieren der Reaktion läßt sich qualitativ an Hand der Gleichungen (l) bis (5) leicht verfolgen: Durch Reaktion (1) wird Br verbraucht und HBrOj, entsteht. Reaktion (2) sorgt autokatalytisch für ein rasches Ansteigen der HBrÜ2-Konzentration, mit der Folge, daß die Br”-Konzentra-tion gemäß Gl.(3) rasch gegen ein Minimum geht. Inzwischen ist durch das Ansteigen der HOBr-Konzentration gemäß (1) und (3) Reaktion (4) in Gang gekommen, die+^.hrerseits Reaktion (5) nachzieht, da durch Reaktion (2) einp hohe Ce+ -Konzentration entstanden ist. Durch Reaktion (5) aber entsteht Br", so daß der Cyclus gemäß Gl.(l) von vorn beginnen kann. Die sich selbst beschleunigende Reaktion (2) wirkt wie ein plötzlich sich öffnendes Wehr, das Jeweils eine [HBrO^]-Welle erzeugt und so die Einstellung eines stationären Zustandes verhindert und bei den Konzentrationen der anderen Reaktionspartner ebenfalls ein zeitliches Auf und Ab be wirkt. In Verbindung mit Diffusionsvorgängen entstehen durch die Oszilla tlon der Konzentrationen räumliche Konzentrationsmaxima und -minima, die sich wellenförmig um ein Zentrum gruppieren. Einführende Literatur bei R.J. FIELD [123]. Konzentrationsschwankungen. Nun gibt es zwar im Bereich des Lebendigen einige periodische Phänomene (z.B. zeitlich-periodische, wie die Kontraktion des Herzmuskels, oder räumlich-periodische, wie die Anordnung von Schuppen, Haaren, Blättern oder Nadeln), die vielleicht durch oszillierende chemische Reaktionen gesteuert werden können, für die Formbildung im Laufe des biologischen Wachsens dagegen ist eine betonte Aperio-dizität geradezu charakteristisch zu nennen (s. Abb. 241 a) - in auffallendem Gegensatz zum Kristallwachstum, das zu streng periodischen Strukturen führt (s. Abb. 241 b). Dissipative Muster sind daher denkbar ungeeignet, die Entstehung biologischer Strukturen zu erklären. Abb. 241 : a Das Gefäßsystem des menschlichen Herzens (Röntgenkon- tras tauf nähme: BAYER AG) als Beispiel für aperiodische Formbildung im Bereich der lebenden Natur, b Polyformaldehyd-Kristall (nach E.W. FISCHER) als Beispiel für periodische Struktur im Bereich der Polymer-Werkstoffe. Ganz abgesehen davon aber sollte man bei der Diskussion um die Entstehung lebender Form durch Diffusion oder dissipative Muster nicht übersehen, daß man auf diesem Wege dem Kern des Problems nicht näher kommt, denn die Steuerung der Formbildung durch die Konzentration von Induktoren - die bestimmte Enzymsynthesen freigeben oder blockieren - mit Hilfe von Diffusionsvorgängen oder oszillierenden chemischen Reaktionen setzt bereits Form voraus, nämlich das räumliche Muster der Erregungszentren bzw. die zeitliche Änderung dieses Musters im verfügbaren Raum. Die Entstehung eines solchen Musters aber ist ebenso rätselhaft wie die Entstehung der Form selbst. Die im Zusammenhang mit der Embryonalentwicklung oft zitierte, von dem französischen Mathematiker R. THOM [124] entwickelte Theorie zur Stabilität und Gestaltung biologischer und physikalischer Formen ("Katastrophentheorie") betrifft nicht die hier behandelte Frage nach dem Zusammenhang von Basensequenz der DNS und Gestalt der Lebewesen. Unsere Kenntnisse über DNS-Replikation und Transcription gemäß dem genetischen Code sind vornehmlich an Mikroorganismen, Einzellern, Viren und Phagen oder im Reagenzglas gewonnen worden, und die bisher bekannten Regelvorgänge (Lac-Operon u.ä.) beziehen sich ausschließlich auf die Regelung von Stoffkonzentrationen in Lösung. Das Problem der Formwerdung durch Zelldifferenzierung und formgesteuerte Zellteilung existiert bei Viren und Phagen nicht. Es ist daher mehr als voreilig, das, was man bei Viren und Phagen kennen gelernt hat, als das Ganze des Lebens zu betrachten und zu übersehen, daß durch Phagenstudium das Wesen des Lebens in keiner Weise erhellt wurde. Eher das Gegenteil ist wahr: Das Hoffnungslose unseres Beginnens, das Geheimnis des Lebens zu entschleiern, d.h. durch physikalisch-chemische Vorgänge zu beschreiben, ist durch die Kenntnisse um die DNS-Synthe-se, die Transcription und die Translation erst recht deutlich geworden. 2.6 GEH SYNTHESE MIT INTELLIGENTER PLAMTOG (GENTECHNOLOGIE) Kein Chemiker der Welt vermag von sich aus zu erkennen, welche Nucleo-tidsequenz ein Gen (Stück einer DNS-Kette) haben müßte, damit es für seine Aufgabe in den Zellen irgendeines bestimmten Lebewesens geeignet wäre, aber man hat gelernt, die Aminosäuresequenz von Proteinen durch enzymatische Kettenspaltung nach einem bestimmten Schema zu ermitteln. Las erste Protein, dessen Aminosäuresequenz von F. SÄNGER und L.F. SMITH [129] aufgeklärt wurde, war Insulin, ein normalerweise von der Bauchspeicheldrüse produziertes Hormon, durch dessen Mangel die Zuckerkrankheit hervorgerufen wird. Da der genetische Code bekannt ist, kennt man bei bekannter Aminosäuresequenz eines Proteins immer auch die Nucleo-tidsequenz des Gens, das die Produktion dieses Proteins in der Zelle steuert. So ist es dank der menschlichen Intelligenz möglich, zielbewußt Gene mit bestimmter Nucleotidsequenz synthetisch herzustellen, deren Synthese durch statistische Copolymerisation wegen der extrem geringen Bildungswahrscheinlichkeit unmöglich wäre. Beispielsweise ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Proteinmolekül mit der Aminosäuresequenz des Insulins mit seiner ca. 50 Aminosäuren langen Doppelkette oder ein entsprechendes Gen,ein LNS-Molekül mit 1 50 Nucleotiden, durch statistische Copolymerisation, bei der die Reihenfolge der Aminosäuren bzw. Nucleo-tide dem Zufall überlassen bleibt, entsteht, W = 20”^ = 10”^ \ Die Synthese bestimmter Proteine (Insulin ist nur ein Beispiel unter vielen) ist auf zwei Wegen möglich: 1. Durch schrittweise Addition von Aminosäuren nach dem Sequenzmuster der zu synthetisierenden Proteinkette. 2. Durch Synthese einer DNS-Kette, deren Nucleotidsequenz gemäß dem genetischen Code der Aminosäuresequenz des zu synthetisierenden Proteins entspricht, und Einschleusen des synthetischen DNS-Stücks in Colibakterien, wo das fremde DNS-Stück (Gen) dasselbe bewirkt, wie die eigenen Gene, nämlich die Produktion des codegemäß zugeordneten Pro- *) w = IO-65 heißt: Unter 10^ (1 mit 65 Nullen) Proteinmolekülen wäre im Mittel eine Proteinkette mit der Sequenz eines bestimmten Insulins zu erwarten. Die Bildung einer DNS-Kette mit einer ganz bestimmten Folge von 150 Nucleotiden würde eine geringere Wahrscheinlichkeit besitzen als 10~°5f nämlich 4~150 - io~90.Wegen der Degeneration des Code gibt es jedoch sehr viele Nucleotidsequenzen, nämlich ca. 10' - 10°' = 10*', die zu dem gleichen Protein mit der Sequenz eines bestimmten Insulins führen würden. Nur dann, wenn die Natur mit 4^ = 64 statt mit 20 Aminosäuren operieren würde, entspräche einer bestimmten AS-Sequenz immer eine bestimmte Nucleotidsequenz (s. dazu auch S. 205)» teins durch Transcription-Translation an den Ribosomen. Die Synthese der für den gentechnologischen Weg (2) benötigten Gene wird in zwei Stufen durchgeführt: Zuerst werden durch schrittweise Addition von 5 his 10 Nucleotiden nach Plan Oligomer-Doppelstränge so hergestellt, daß an den Enden Einzelstrangstücke überstehen, deren Sequenz komplementär zur Sequenz der überstehenden Enden des damit zu verbindenden Nachbarstücks ist, so daß (analog zur Replikation) eine Zuordnung der komplementären Einzelstrangstücke im Sinne der Basenpaarung stattfindet. Die Verbindung der noch offenen Kettenenden (Pfeile) zu Phosphorsäureesterbindungen wird mit Hilfe des Enzyms Ligase bewirkt: ACTGAGTCCA + GAAGCAA -I—i—i G G C T6ACTCA I_I_1_I_1_I_I TCTTCGTT -J_1_l_l_I_l_i_l sticky ends i—i—i—i—i—i—i—i—i—i i—i—i—i—i—i—i—i—i—i ACTQA GTCCAG AAÖCAAG6C t Beide Synthese-Methoden sind im Falle des Insulins bereits erfolgreich durchgeführt worden. Das trotz der dreimal längeren DNS-Kette dank der enzymatischen Verknüpfungsmöglichkeit leichter herzustellende gentechnologische Präparat wird in Kürze auf dem Markt erwartet. Andere Präparate sind in Entwicklung. DIE SYNTHESE-VERFAHREN Der erste Weg zur Synthese von Proteinen mit der AS-Sequenz natürlicher Vorbilder, der schrittweise und stückweise Aufbau der Proteinkette gemäß dem Sequenzmuster der gewählten Vorlage, ist ein vollsynthetisches Verfahren, aber auch der gentechnische Weg erfordert in der ersten Stufe den planmäßigen Aufbau von Oligonucleotid-Ketten, deren Sequenz codegemäß der AS-Sequenz des zu produzierenden Proteins entspricht, durch chemische Synthese. Abb. 245: Syntheseplan der Insulinsynthese von H. ZAHN [ 130] Abkürzungen: BZL = Benzyl, DCCDI = Dicyclohexylcarbodiimid, OBu = Butylester, OMe = Methylester, TOS = p-Toluolsulfonyl, Z=Benzyloxycarbonyl Die Teilketten A1, A2 etc. und B1, B2 etc. wurden durch stufenweise Verlängerung um jeweils einen Aminosäurerest aufgebaut: A1 = Cys-Asnj A2 = Glu-Asn-Tyrj A3 = Leu-Tyr-Gin-Leus A4 = Val-Cys-Ser; A5 = Gin-Cys-Cys•Ala-Gly; A6 = Gly-Ile-Val•Glu B1 = Phe■Phe■Tyr-Thr•Pro•Lys■Ala; B2 = Glu-Arg-Glyj B3 = Leu-Tyr-Leu-Val-Cys-Gly( B4 = Ser-His-Leu-Val-Glu-Alaj B5 = Phe-Val•Asn-Gin-His-Leu-Cys-Gly Aminosäure - Abkürzungen siehe Abb. 144 Für diese Synthesen stehen zwei verschiedene Verfahren zur Wahl: 1. Das ZAHN - Verfahren 2. Das MERRIFIELD - Verfahren Nach dem ersten Weg stellt man zunächst nach den klassischen auf E. FISCHER zurückgehenden Methoden Oligomere mit 3 bis 6 Aminosäuren pro Kette her, die dann durch geeignete Reaktionsschritte in der richtigen Reihenfolge (die durch das natürliche Vorbild gegeben ist) miteinander zur Proteinkette verbunden werden. Als Beispiel für eine solche Reaktionsfolge zeigt Abb. 245 die ZAHN'sehe Synthese des Schafinsulins. Es besteht aus zwei Polypeptidketten, der A- und der B-Kette, die über Schwefelbrücken miteinander verbunden sind: A GLY* ILE • VAL*OtU*OLN*CV*CV* ALA*GLV* VAL*CV*SER ■LEU*TYR*0LN*LEU*0LU*ASN»TYR»CV*A5N I I PME • VAL* ASN ’GLN'MI S*LEU*C V*OLV •SER*MI5"LEU*VAL'GLU,ALA*LEU,TYR’LEU,VAL*CY* GLY* GLU* ARG* GLY* PME • PME *TVR*TMR*PRO*LYS*ALA Das Ziel, ein Protein mit der durch das natürliche Vorbild gegebenen AS-Sequenz, liegt fest, der Syntheseplan muß von der Forschergruppe jeweils ausgearbeitet werden und kann variieren. So wurde Insulin nach anderen Plänen auch von Arbeitsgruppen in USA (KATSOYANNIS und DIXON [130]) und China (NIU, WANG, HSING, TSOU und TSAO [130]) synthetisch hergestellt. Eine HOECHSTer Gruppe stellte zuerst die Oligomeren mit eingebauten Schwefelbrücken her und baute das Molekül von dort aus weiter. Die Bio-Synthese in den B-Zellen der Langerhans1 sehen Inseln der Bauchspeicheldrüse nimmt einen indirekten Weg über ein anderes Protein, das sog. Proinsulin, das enzymatisch zu Insulin umgesetzt wird. Der zweite Weg wird auch als Festphasen-Synthese bezeichnet: Man bindet die erste Aminosäure an die Oberfläche kleiner Feststoff-Partikelchen an, z. B. Polystyrolkügelchen von weniger als 0,1 mm Durchmesser, und hängt dann, Schritt für Schritt, die jeweils nächste Aminosäure an die so von Stufe zu Stufe um eine Aminosäure wachsende Kette an. Abb. 246 zeigt die ersten Schritte dieses Verfahrens für den Fall Abb. 246: Die ersten Stufen der Proteinsynthese nach MERRIFIELD BOC = t-Butyl-oxy-carbonyl DMF = Dimethylformamid DCCDI = Dicyclohexylcarbodiimid einer Proteinsynthese mit kleinen Polystyrolperlen als Festphase, wobei man sich vorzustellen hat, daß die Oberfläche der Festphasenpartikel dicht mit wachsenden Peptidketten besetzt ist. Beide Verfahren laufen bei der Synthese von Oligonucleotiden für den gentechnischen Weg ganz analog, nur daß die einzelnen Reaktionsstufen natürlich mit anderen chemischen Reaktionen realisiert werden, z. B. unter Verwendung hochreaktiver Derivate von Nucleosidphosphorigsäureestem als Monomere für die Polykondensationsschritte [131]. Der Vorteil des Merrifield-Verfahrens liegt in seiner technisch einfacheren Durchführbarkeit: Die kleinen Polystyrolperlen, an denen die wachsenden Ketten hängen, lassen sich leicht filtrieren und waschen und können während der ganzen Synthese im gleichen Reaktionsgefäß verbleiben. Nur die jeweilige Monomerlösung und die Waschlösungsmittel werden zugeführt und durch einen Siebboden abgezogen. Es gibt bereits vollautomatisch arbeitende Anlagen, die unter der völlig abwegigen Bezeichnung "Gen-Maschinen" angeboten werden. Da beim Merrifield-Verfahren die einzelnen Stufen nicht jedesmal gereinigt, d. h. von Nebenprodukten, insbesondere Ketten, die nicht mit dem jeweils letzten Monomeren reagiert haben (die Reaktionen verlaufen nur bis zu 90 % Umsatz), abgetrennt werden, entstehen zwangsläufig immer neben Ketten mit korrekter AS- oder Nucleotid-Folge auch solche mit fehlerhafter Sequenz, die erst nach Ablösen der fertigen Ketten von der Träger-Oberfläche abgetrennt werden können. Das aber ist bei langen Ketten extrem schwierig, aufwendig und von einer gewissen Länge ab unmöglich. Daher werden nach dem Merrifield-Verfahren nur Oligomere (mit 5 bis 8 Nucleotiden) in reiner Form hergestellt. Da man für den gentechnischen Weg mit Oligomeren auskommt, die enzymatisch mit Ligase zu den langen DNS-Ketten (Genen) verbunden werden, gewinnt die Festphasen-Polykondensation nach MERRIFIELD möglicherweise zur Synthese der Oligomer-Vorstufen von Gen-Synthesen wieder an Bedeutung, nachdem sich die Herstellung von reinen, einheitlichen Proteinen mit langen Ketten als unmöglich erwiesen hatte [132]. ZUSAMMEN FASSUNG E. coli und M. flavus ( i---« 1/1000 mm) ZUSAMMENFASSUNG Das Makromolekül DNS, aus Bakterienkulturen oder Organen höherer Lebewesen isoliert und durch geeignete Methoden in reiner Form gewonnen, ist ein Makromolekül wie viele andere. Es läßt sich durch Hydrolyse bis zu den Monomeren abbauen und es läßt sich durch geeignete Synthesemethoden aus den Monomeren aufbauen. Man kann das Molekulargewicht in der Ultrazentrifuge bestimmen und findet die für Makromoleküle charakteristische Abhängigkeit der Viscositätszahl (Maß für die relative Viscositätserhöhung) von der Kettenlänge mit a-Werten zwischen 1 und 2, je nachdem, ob die Kette ein- oder doppelsträngig vorliegt. Die Besonderheiten des DNS-Makromoleküls zeigen sich erst im Verband der lebenden Zelle: 1. Seine Fähigkeit zur identischen Replikation, d. h. zur Bildung einer neuen DNS-Kette nach dem Sequenzmuster einer vorliegenden DNS vor jeder Zellteilung oder in vitro ("im Reagenzglas") bei Gegenwart geeigneter Enzyme (Polymerasen) und 2. Seine Eigenart, einer befruchteten oder anderweitig angeregten Eizelle und dem wachsenden Keim mit seiner Nucleotidsequenz als Träger der Erbinformation zum Aufbau eines artspezifischen Individuums zur Verfügung zu stehen. Die Frage, der wir - Autor und Leser - nachgegangen sind, war die Frage nach der erstmaligen Entstehung (Originalsynthese) einer solchen *) artspezifischen Sequenz , genauer: Die Frage nach der Wahrscheinlichkeit für das Von-selbst-Entstehen eines in ein evolutiv wachsendes Genom passenden neuen Gens und einer Gruppe von Neu-Genen, die in der Lage sind, einen Übergang oder Sprung von einer Tierklasse zur nächsthöheren zu ermöglichen. Wir haben dabei das Wachsen der DNS-Kette im Laufe der Evolution (1 mm bei Bakterien ----►- 1 m bei Säugetieren) als das betrachtet, was es ist, wenn es von selbst ablaufen würde, nämlich als Polykondensation, genauer: Copolykondensation, von 10^ wirkverschiedenen Genen (s. Abb. 251 b ). Auf die Frage nach der Entstehungswahrscheinlichkeit langer DNS-Ketten *) Artspezifische Sequenzen gibt es nicht nur so viele wie es Arten gibt, sondern wegen der unvermeidlichen Mutationen und der Vermischung der Gene bei sexueller Fortpflanzung so viele wie es Individuen gibt. Freilich sind die Sequenzunterschiede von Art zu Art erheblich größer als die von Individuum zu Individuum. K, M‘ ,a Bild links: Zunahme der DNS-Kettenlänge im Laufe der Erdgeschichte. Maßstabgetreu wäre die Doppelspirale im Bild ca. 3000 km lang. lautet die eindeutige Antwort der Polykondensationsstatistik: Die Wahrscheinlichkeit (die Chance) für das Von-selbst-Entstehen eines neuen DNS-Abschnitts, der für einen großen Übergang notwendig wäre, ist viel kleiner als Das gilt für den ersten "großen Über- gang", nämlich die Entstehung von Makromolekülen und deren Organisation zur ersten lebenden Zelle ebenso wie für die Entstehung primitiver Stämme von Wirbellosen (Würmer, Quallen), für die Entstehung der Fische, Reptile, Vögel und Säugetiere und der vielen anderen Pflanzen- und Tierklassen. Der DARWIN’sehe Mechanismus von Mutation-Selektion ist bestens geeignet bei unverändert bleibender Länge der DNS-Kette die optimale Anpassung einer Population an gegebene und sich ändernde Umweltbedingun gen zu fördern und so eine Art zu stabilisieren; das DNS-Kettenwachs-tum dagegen, das mit dem Übergang von einer Tierklasse zur nächst höheren (oder allgemein: mit der Entstehung neuer Stämme, Klassen und Ordnungen) zwangsläufig verbunden ist, ist durch Mutation - Selektion nicht zu erklären. Anders gesagt: Die als wissenschaftliche Basis der Evolution herangezogene Lehre von der Entstehung neuer Arten, Familien und Klassen durch Mutation - Selektion in kleinen Schritten ist durch die Aufklärung der molekularen Mechanismen von Mutation, Polykondensation und Erbinformation widerlegt. Fred HOYLE, der bekannte englische Astrophysiker macht es sich etwas zu leicht, wenn er schreibt: "Die Vorstellung, daß man nicht nur zu Biopolymeren, sondern zum funktionierenden Programm einer lebenden Zelle durch Zufall in einer Ursuppe hier auf der Erde gelangen könnte ist offensichtlich hochgradiger Unsinn" f125 D• Einmal ist der "hochgradige Unsinn", der als "Entstehung des Lebens durch Selbstorganisation" in verschiedenen Varianten in aller Welt als Wissenschaft zum Glauben angeboten wird, keineswegs offensichtlich, sondern sorgfältig in mathematisch - naturwissenschaftlich formulierte Hypothe sen verpackt. Auch für die Autoren dieser Hypothesen, ist der Irrtum, dem sie verfallen sind, keineswegs offensichtlich, weil sie zwischen Mutation und Polykondensation (s. Abb. 251) nicht zu unterscheiden gelernt haben und daher voraussichtlich auch nicht begreifen werden, daß Genverdoppelung mit mutativer Sequenzänderung eine Polykondensa-*) tionsreaktion und nicht eine Mutation ist. Die ständig und überall verbreitete Lehre einer Evolution durch Mutation - Selektion ver- ) Fußnote siehe Seite 252 I Abb. 251 : a) DNS-KETTEN-VERÄNDERUNG (MUTATION) durch kopierende Synthese (Replikation) ohne Änderung der Kettenlänge. Die Mutante zeigt schwerwiegende Mängel und verschwindet, oder sie zeigt erhöhte Fertilität und breitet sich rascher aus, oder sie weist andere Eigenschafts-änderungen auf, die ohne Verlängerung ihrer DNS-Kette möglich sind, z. B. eine andere Farbe, die sich der Umgebung besser anpaßt, oder dergleichen. b) DNS-KETTEN-VERLÄNGERUNG durch Polykondensation: Jede neue Genaddi- tion ist ein Scheideweg mit 1 000 000 verschiedenen Richtungen (Sequenzen). Da die Neu-Gen-Additionen den in Funktion befindlichen Teil der Kette nicht verändern, treten keine Eigenschaftsänderungen auf, folglich auch keine Selektion. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine zufällig sich ergebende Genfolge (stark durchgezogene Linie) eine Kette von Proteinen (Enzymen und Strukturproteinen) hervorbringt, die zu einer neuen Tierklasse führt, ist W = (wQen)n = (l/l0°) , wenn n die Anzahl neuer Gene bedeutet, die eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen einer neuen Tierklasse sind. Selbst wenn man bei den großen Übergängen (z. B. Würmer----Fische, Reptil------► Vogel) 1000 lebensfähige Zwischenstufen annähme (gefunden wurde keine einzige), wäre immer noch 10 /5000 = 200 und W = 1/10^^ . Das bedeutet: Die Entstehung neuer Tierklassen kann nur das Ergebnis einer intelligenten Konstruktion sein. Sonst gäbe es die Lebewesen nicht. schweigt, daß Mutationen das gewaltige Kettenwachstum der DNS nicht bewirken können und ist daher bestens geeignet, den von F. HOYLE angesprochenen hochgradigen Unsinn zu verbergen. Das Zweite, was HOYLE und alle (z. B. W.M. IRVINE und F. CRICK), die an eine durch Bakterien aus dem Weltall initiierte Evolution glauben, übersehen, ist, daß jeder Wachstumsschritt der DNS-Kette in der Grössenordnung von 1000 bis 2000 Genen (oder 1 bis 3 - 10^ Nucleotiden) - und solche Wachstumsschritte ereigneten sich im Laufe der Evolution ungefähr tausendmal - ebenso unwahrscheinlich ist wie die zufällige Entstehung des funktionierenden Programms einer lebenden Zelle (mit ihren 1000 bis 2000 Genen) in einer Ursuppe. Man kann also konsequenterweise nicht das eine, die zufällige Entwicklung zur Zelle in Ursuppen, als hochgradigen Unsinn ablehnen und das andere, die zufällige Entwicklung der Zelle zu Pflanzen und Tieren durch Mutation - Selektion, kritiklos annehmen. Die Hypothese, daß vor einigen Milliarden Jahren Bakterien enthaltende Kometen oder Planetoide (ANAXAG0RAS [500 v. Chr.], H. von HELMHOLTZ [1B50], W.M. IRVINE [126 ], F. HOYLE [ 6 ]) oder Raumschiffe von anderen Sternen (E. von DÄNIKEN [127]» F. CRICK [128]) auf unserer Erde niedergingen, kann daher zur Erklärung der Entstehung der Arten nicht das mindeste beitragen. Das einzige, was man unter naturwissenschaftlichen Aspekten dazu sagen kann, ist, daß die Lebewesen nicht von selbst entstanden sind, weder Bakterien aus Nucleotiden und Aminosäuren in Ursuppen, noch Quallen und *) Füßnote zu S. 250 : Um Mißverständnisse zu vermeiden: Es geht hier nicht um einen Nomenklaturstreit, darum also, ob man eine Reaktion als Mutation oder Polykondensation bezeichnet, sondern darum, daß eine Evolution nur denkbar ist, wenn immer wieder neue DNS-Ketten-stücke mit einer nicht beliebigen Sequenz entstehen und an die DNS-Kette anwachsen und daß diesem Vorgang folglich eine Wahrscheinlichkeit zukommt, die kleiner als 1 ist. Dabei ist es garnicht so sehr von Bedeutung, ob diese Wahrscheinlichkeit 10“ , 10“^® oder 10~4 ist. Es ist nicht möglich, einen bestimmten Zahlenwert dafür zu begründen. Begründen läßt sich nur, daß die Wahrscheinlichkeit nicht wesentlich größer als 10”^ sein kann. Es kommt auch garnicht darauf an, durch welche chemischen Reaktionen im einzelnen neue DNS-Stücke an die wachsende Kette angehängt werden, sondern darauf, daß die neuen DNS-Stücke durch eine Folge von Reaktionen entstehen, die -weil sie bereits vorhandene DNS-Ketten nicht verändern - keine Eigenschaftsänderungen bewirken und folglich auch keine Selektion ermöglichen. Deshalb ist die Bezeichnung "Mutation" für die Kettenwachstumsreaktion falsch, denn diese Bezeichnung wird, seit es sie gibt, für Reaktionen gebraucht, die irgendwo an einer vorhandenen (in Funktion befindlichen) DNS-Kette stattfinden und daher in aller Regel Eigenschaftsänderungen zur Folge haben, die zwangsläufig zu einer Selektion führen, - ganz im Gegensatz zu Kettenverlängerungsreaktionen der DNS, die, weil sie latent bleiben, keine Selektion bewirken können. Würmer aus Bakterien, noch Fische aus Würmern, noch Molche, Schlangen und Echsen aus Fischen, noch Vögel und Säugetiere aus Sauriern und nicht Menschen aus Affen. Die Überlegungen zur Entstehung von lebender Form haben erkennen lassen, daß die DNS-Kette mit ihrer genetischen Information zwar eine unerläßliche Voraussetzung für das Entstehen und Bestehen von Lebewesen der uns bekannten Art ist, wie das Vorliegen eines Schaltplans für den Bau einer Groß-Rechenanlage unentbehrlich ist, daß aber die DNS-Kette allein keinesfalls das Entstehen eines Lebewesens bewirken kann, weil sie nur die Anweisung für die Synthese bestimmter Stoffe (Enzyme) enthält, die ihrerseits wieder in der Lage sind, Teilschritte für die Synthese von Stoffen zu katalysieren. Und wiederum sind es Stoffkonzentrationen, die darüber bestimmen, wann welche Stoffe in den Zellen entstehen. Dafür aber, wie die Anordnung der vielen Stoffe zu verschiedenartigen Zellen, der Zellen zu Organen und der Organe zu lebenden Körpern geschieht, fehlt jeder Anhaltspunkt. Das gilt nicht nur für die Ontogenese (Embryonalentwicklung), sondern auch für die Entstehung der vielen Pflanzen- und Tierformen im Laufe der Evolution. So ist uns Leben ein doppeltes Geheimnis: Wir wissen nicht, wie das DNS-Makromolekül mit seiner genetischen Information entstand, und wir wissen nicht, wie mit deren Hilfe lebende Form entsteht. Diese Wissenslücke wird um so größer und um so deutlicher sichtbar, je genauer wir die Mechanismen kennen lernen, nach denen mit Hilfe der DNS-Informa-tion Stoffe gebildet werden (Translation, Gentechnologie). Hätte DARWIN recht gehabt mit seiner Annahme, daß neue Arten durch Ketten von Mutationen, deren jede eine Selektion zur Folge hat, entstanden sind, wäre die Lebensentstehung und -entwicklung ein Problem der Naturwissenschaften gewesen, denn Mutationen lassen sich experimentell untersuchen. Seit aber die Molekularbiologie gezeigt hat, daß neue Arten ein Wachsen der DNS-Kette um viele Gene erfordern, die durch Mutationen am funktionsbereiten Genom nicht entstehen können, so daß Selektion ausscheidet, und somit DARWIN's Annahme hinfällig geworden ist, hat das Problem der Lebens- und Artenentstehung aufgehört, ein naturwissenschaftliches zu sein, weil die extrem geringen Wahrscheinlichkeiten für die Entstehung von Genketten ( «1ö"1^) keine experimentelle Untersuchung zulassen. Die beiden außerwissenschaftlichen Erklärungsmöglichkeiten, das *) Wirken intelligenter Planung oder Zufall beruhen auf Glauben. Jaques MONOD sagte 1964 in einem Vortrag bei CERN in Genf: "Es ist absurd und absolut unsinnig, zu glauben, daß eine lebende Zelle von selbst entsteht; aber dennoch glaube ich es, denn ich kann es mir nicht anders vorstellen" [133]* **) eine moderne Version oder Perversion des alten "Credo quia absurdum". MONOD's Glaube ist bewundernswert stark und unbeirrbar. Niemand würde daran glauben, wenn ihm erzählt würde, es habe jemand tausendmal hin-tereinander eine Sechs gewürfelt . Sähen wir mit eigenen Augen, daß es wirklich geschähe, würden wir nicht zögern, daraus zu schließen, daß hier der Zufall durch eine lenkende Kraft (Schwerpunktverlagerung) ausgeschaltet wurde. Vor der gleichen Situation bei der Evolution des Lebens dagegen weigern wir uns beharrlich, das Wirken zielbewußt lenkender Kräfte auch nur in Erwägung zu ziehen, weil wir zäh an dem Dogma festhalten, daß alles, was ist und geschieht, "natürlich" (d. i. naturwissenschaftlich) erklärbar ist, - bis auf den Anfang: Wenn Leben zufällig - notwendig durch Selbstorganisation der Materie entstand, wie entstand die Materie? Wir schieben die Frage nach dem Ursprung nur immer weiter zurück. Für uns alle, ob wir nun an den Primat des Geistes oder der Materie glauben, bleibt DIE FRAGE ALLER FRAGEN, WARUM NICHT NICHTS IST. *) Zufall selbst ist nicht zu definieren. Wir sind gewohnt, Ereignisse als zufällig zu betrachten, wenn ihre Eintrittswahrscheinlichkeit bei häufiger Wiederholung einem konstanten Wert zustrebt. Die mathematische Wahrscheinlichkeit, um die es hier geht, ist definiert als ^ _ Anzahl der ausgewählten (günstigen) Ereignisse math. ” Anzahl der insgesamt möglichen Ereignisse Das Würfeln einer Sechs ist ein Ereignis von 6 möglichen, hat also die Wahrscheinlichkeit l/6. Würfelt jemand einmal eine Sechs, sagen wir, es war Zufall, würfelt er aber lOOOmal, waren mit ziemlicher Sicherheit 166 Sechsen darunter, nämlich 1/6 von Tausend (Anteil = Wahrscheinlichkeit). Zufall und Notwendigkeit hängen also aufs engste zusammen. Weicht die Anzahl der Sechsen erheblich von 166 ab, war Manipulation im Spiel. So kann man die Zufälligkeit von Ereignissen durch die Konstanz der ihrer Wahrscheinlichkeit entsprechenden Eintrittshäufigkeit prüfen: Ist sie nicht konstant, können die Ereignisse nicht zufällig eingetreten sein, ist sie konstant, sagen wir, sie seien zufällig eingetreten, streng genommen müßten wir sagen: "Sie können zufällig eingetreten sein", wie z.B. der Zerfall von Radiumatomen. Bei Ereignissen mit extrem geringen Wahrscheinlichkeiten kann man nicht einmal die Konstanz der Eintrittshäufigkeit prüfen, weil sie zu selten eintreten. Die Frage: "Zufall oder nicht" bleibt daher offen. **) Beim Würfeln ist W = 1/6 , bei einer Genaddition aber, die sich im Laufe der Evolution nicht 1000 mal, sondern 2 Millionen mal wiederholt hat, ist W < 1/106. GLOSSAR 2 (2ngström) ist eine Längeneinheit: 1 2 = 10~8 cm = 0,000 000 01 om 104 2 = 1 /L = 10~4 cm Wenn von der DNS-Doppelhelix also gesagt wird, sie habe einen mittleren Durchmesser von 20 2, so heißt dies, daß der "Faden" des DNS-Makromoleküls 2 Millionstel Millimeter stark ist. Ist der Durchmesser des Zellkerns mit 10yu angegeben, so entspricht dies einem Wert von 1/100 mm. Es gibt in der Natur größere und kleinere Zellkerne. 10^1 ist ein Mittelwert, der ungefähr für tierische Zellen zutrifft. ADSORPTION - DESORPTION: Läßt man eine verschiedene Stoffe enthaltende Lösung langsam über poröse feste Stoffe wie Aluminiumoxyd oder Silikate laufen, werden die gelösten Stoffe an der Feststoff-Oberfläche unterschiedlich stark festgehalten (adsorbiert). Spült man mit reinem Lösungsmittel nach, werden die festgehaltenen Stoffe nacheinander wieder ausgespült (desorbiert), so daß man sie getrennt auffangen kann. Dieses Verfahren bezeichnet man als Chromatographie. In kleinen Säulen oder an dünnen Oberflächen führt man sie zu analytischen Zwecken durch, an großen Säulen mit entsprechend größeren Flüssigkeitsmengen kann man die Substanzen getrennt isolieren und als Präparate gewinnen, daher präparative Chromatographie. AKTIVIERUNGSENERGIE: Eine Mischung von Wasserstoff und Sauerstoff bezeichnet man als Knallgas, weil es sich bei Zündung unter Explosion in Wasser umwandelt: „ „ - _ . c. n + U ----► Nun liegen die Gase Wasserstoff und Sauerstoff aber normalerweise nicht im atomaren Zustand (als Einzelatome) vor, sondern als Moleküle aus je zwei Atomen: H2 und O2 . In dieser Form explodiert die Mischung nicht, weil die Moleküle durch eine Energieschwelle - eben die Aktivierungsenergie - daran gehindert werden, miteinander zu reagieren. Erst wenn man z. B. durch Erwärmen (Zündung) die Bindungen der Atome in den Molekülen H2 und O2 lockert, kommt es unter Überschreitung der Aktivierungsenergie zur Reaktion. Will man sich das an einem mechanischen Modell erläutern, so denke man an eine Kugel, die in einer Mulde M-j liegt, benachbart mit einer zweiten, tiefer gelegenen Mulde M2 : M, Wäre nicht die Schwelle zwischen beiden Mulden, so würde die Kugel sofort von M1 nach Mp rollen. Nun aber muß man sie erst durch Energiezufuhr (Anstoßen) auf die Höhe der Schwelle bringen, ehe sie nach Mp hinunterrollen kann. Diese Energie entspricht der Aktivierungsenergie bei chemischen Reaktionen. Katalysatoren bewirken eine mehr oder weniger starke Reduzierung der Energieschwelle, durch die ein System von Molekülen daran gehindert wird, durch chemische Umwandlung vom Zustand M^ in den Zustand Mp überzugehen. Auch die Enzyme - als Biokatalysatoren - wirken im Prin- zip so, ohne daß man über den Wirkungsmechanismus im Einzelnen etwas zu sagen wüßte. Man darf annehmen, daß die Geometrie der komplizierten Tertiärstruktur der Enzyme dabei eine Rolle spielt, indem sich zunächst ein Enzym-Substrat-Komplex bildet. Das aber ist nur dann möglich, wenn die räumlichen Muster von Enzym und Substrat genau aufeinander abgestimmt sind (Schloß - Schlüssel). AMINOSÄUREN (AS) sind vor allem als die niedermolekularen Bauteile der Proteine (Eiweißstoffe) von Bedeutung. Es ist auffallend, daß die Natur zum Aufbau der Proteinketten immer nur die 20 Aminosäuren verwendet, deren Strukturformeln auf Seite 144 zusammengestellt sind, unabhängig davon, wie hoch die Lebewesen entwickelt sind. Dies hängt mit dem Genetischen Code (s. d.) zusammen, der ebenfalls für alle Lebewesen der gleiche ist. Durch die Reihenfolge der Aminosäuren in den Proteinketten ist deren Sekundär- und Tertiärstruktur (s. d.) und damit auch ihre Punktion als Enzym oder Hormon festgelegt. Neben den als Struktureinheiten der Proteine regelmäßig anzutreffenden Aminosäuren, deren Strukturformeln auf Seite 144 zu finden sind, gibt es noch über 100 weitere, meist in Pflanzen und Mikroorganismen gefundene Aminosäuren, die im Zusammenhang mit dem Thema dieses Buches keine Bedeutung haben. Zum Aufbau der Proteine aus Aminosäuren siehe unter "Proteine". Im menschlichen und tierischen Organismus kann nur ein Teil, nämlich 12 der 20 AS aus anderen Stoffen aufgebaut werden, die anderen ("essentiellen") AS müssen als fertige AS mit der Nahrung zugeführt werden. AMP = ADEN0SINM0N0PHOSPHAT: bildet sich aus Adenosintriphosphat (ATP) unter Abspaltung von Pyrophosphat. ARTSPEZIFITÄT: Summe aller Eigenschaften, die für eine Art typisch sind (Größe, Gestalt, Lebensweise, Nucleotidsequenz der DNS-Kette) und durch die sich eine Art von anderen Arten unterscheidet. AS = Abkürzung für "Aminosäuren" (s. d.) ASSOZIATION: Zusammenballung von Molekülen zu größeren Einheiten, die aus mehreren bis vielen Molekülen bestehen. ATP = ADENOSINTRIPHOSPHAT = ADENYLRIBOSETRIPHOSPHAT. ATP ist einer von den vier Monomerbausteinen der RNS. Darüber hinaus hat ATP im gesamten Stoffwechsel eine überragende Bedeutung als chemischer Energiespeicher. Durch Vermittlungen von ATP können sich energiereiche Zwischenverbindungen bilden, die zum Aufbau von Polymerketten dienen. Formel: h2n N OH t-c' > u 'V —N — CH NCH-0H OH OH OH \ / \ I iii C-C 0—CH-CHo-O-P—O-P-O-P-OH / \\ L ii ii ii HO 0 0 0 BASENTRIPLETT: Eine DNS-Kette besteht aus einer aperiodischen (nur scheinbar ungeordneten) Folge von 106 bis 109 Nucleotiden, von denen es vier verschiedene (A, T, C und G) gibt. Je drei Nucleotide (ACC, ATC, GCA und GGC usw.) sind zu einem Basentriplett oder Codon zusammengefaßt, das jeweils in Analogie zu den Buchstaben einer Schrift eine von den 20 Aminosäuren bezeichnet. Zu einer Kette hintereinander- gehängt (DNS-Kette) gibt die Reihenfolge der Basentripletts (meist kurz "Basensequenz" genannt) die Anweisung für die Reihenfolge der Aminosäuren in den Protein-Makromolekülen (s. a. "Genetischer Code"). BROWN'SCHE BEWEGUNG: Im gasförmigen Aggregatzustand führen Moleküle eine ungeordnete Bewegung aus, die als Brown'sohe Bewegung bezeichnet wird, und die dazu führt, daß die Moleküle fortwährend elastisch Zusammenstößen und an die Behälterwand prallen. Die Geschwindigkeit der Bewegung ist umso größer, je höher die Temperatur ist. Die Brown'sehe Bewegung führt dazu, daß von den Gasmolekülen jeder verfügbare Raum gleichmäßig ausgefüll't wird. Konzentrationsdifferenzen (Druckdifferenzen) werden von selbst ausgeglichen. Ähnlich wie die Moleküle eines Gases verhalten sich die Moleküle eines gelösten Stoffes. In einer Flüssigkeit besteht die Brown'sohe Bewegung in einem fortwährenden Platzwechsel der Moleküle. Bei Makromolekülen bewegen sich hauptsächlich Teilstücke der Ketten unter ständigem Wandel der Kettengestalt. Im festen Zustand, im Kristall, ist die räumliche Lage der Atome durch die Gitterplätze gegeben, und die Brown'sehe Bewegung beschränkt sich auf Schwingungsbewegungen. CHEMISCHE EVOLUTION (auch "präbiotische Evolution"): Hypothese, wonach eine Entwicklung von den ersten "Biomolekülen" wie Aminosäuren und Nuoleosiden in einer Ursuppe bis zu ersten lebenden Zellen nach dem DARWIN'sehen Schema von Mutation und Selektion stattgefunden haben soll. CHROMATOGRAPHIE siehe unter "Adsorption - Desorption". CODON siehe unter "Basentriplett" und unter "Genetischer Code" COLI - BAKTERIUM: Darmbakterium, das sich besonders für Versuchs- g zwecke im Laboratorium eignet. Seine DNS-Kette besteht aus ca. 3’10 Nucleotiden und ist ca. 1 mm lang. COPOLYMERE sind Makromoleküle, deren Kette aus verschiedenartigen Struktureinheiten besteht. Am Aufbau der DNS- und RNS-Kette sind vier verschiedene Struktureinheiten (s. d.) beteiligt und Protein-Ketten besitzen 20 verschiedene Struktureinheiten. Man unterscheidet periodische und statistische Copolymere. Der einfachste Fall eines periodischen Copolymeren ist das mit alternierender Folge von zwei Komponenten. Bei den statistischen Copolymeren richtet sich die Folge der Struktureinheiten nach dem für die Synthese eingesetzten Monomerenverhältnis und nach der Geschwindigkeit der verschiedenen Additionsschritte, die keineswegs - auch nicht im Falle der technischen Copolymersynthesen - bei allen Monomer-Komponenten gleich sein muß. Bestimmte Monomer-Folgen können daher bei statistisch verlaufenden Copolymer-Synthesen bevorzugt sein. Proteine haben eine auf ihre Funktion hin orientierte Sequenz der AS-Struktureinheiten, die durch die Sequenz der vier Nucleotid-Ein-heiten der DNS-Kette präzise gesteuert wird. Durch thermische Polykondensation von Aminosäuregemischen entstehen stets statistische Copolymere. Es ist daher völlig abwegig, in thermischen Polykondensaten, die unter präbiotischen Bedingungen auf der Erde entstanden sein mögen, Vorstufen der zum Aufbau lebender Zellen dienenden Proteine suchen zu wollen. Es gibt keinen Übergang von statistischen Copolymeren auf der einen Seite zu den Copolymeren mit streng gesteuerter Sequenz der lebenden Zelle auf der anderen Seite. CRACKGASE: Cracken ist das Aufspalten von Erdöl oder Erdölfraktionen in leichter flüchtige (niedriger siedende) Fraktionen durch kurzzeitiges Erhitzen auf 700 - 800 °C in Röhrenöfen, z. B. zur Gewinnung von Aethylen, Propylen, Butadien (Monomere für Kunststoff-Synthesen). CROSSING OVER: Bei der meiotischen Zellteilung (s. d.) kommt es vor, daß im Stadium der paarweisen Parallel-Anordnung der gleichartigen Chromosomen DNS-Ketten an bestimmten Stellen zerschnitten werden und überkreuz wieder zusammenheilen: Solange dies an homologen (entsprechenden) Stellen geschieht führt dieser Vorgang nur zum Austausch von Genen mütterlicher und väterlicher Herkunft. Es kommt aber auch vor, daß der Schnitt an nicht homologen Stellen erfolgt. Dann entsteht eine kürzere und eine längere Kette. Das ist ein Fall von illegitimem Crossing over (einer unter mehreren möglichen). CYTOPLASMA siehe unter "Zytoplasma" DIFFUSIONSKOEFFIZIENT: Maß für die Geschwindigkeit, mit der sich ein flüssiger oder gelöster Stoff in einer anderen Flüssigkeit ohne Rühren verteilt. DINUCLEOTID: Verbindung von zwei Nucleosid-Molekülen über eine Phosphorsäurebrücke. Oligonucleotide sind dementsprechend Verbindungen von wenigen Nucleosid-Molekülen über Phosphorsäurebrücken. DISPERSION ist ein stoffliches System im Zustand feiner Verteilung. Die dispergierten Partikelchen können fest, flüssig oder gasförmig sein. Die Partikelgröße von Dispersionen kann in weiten Grenzen variieren. Grobe Dispersionen setzen sich um so rascher ab, je größer die Partikel sind (Sandaufschlämmungen, Teilchengröße im Millimeterbereich) und sind um so stabiler, je kleiner die Teilchen sind. Besonders feine Dispersionen mit Teilchendurchmessern im ^-Bereich und darunter (l^x = 1/1000 mm) werden als kolloide Dispersionen bezeichnet. Bei immer kleiner werdenden Dispersoid-Partikelchen gehen die Dispersionen stufenlos in Lösungen über. EMULSIONEN sind ein Spezialfall von Dispersionen, bei denen die dispergierten Teilchen flüssig sind. Der bekannteste Fall einer Emulsion dürfte die Milch sein. Man kann Monomere in Emulsion polymerisieren und erhält so Kunststoff-Dispersionen (oder Latices), die z. B. eine Zwischenstufe bei der Produktion von Synthesekautschuk sind, die aber auch als Anstrichfarben weite Verbreitung gefunden haben. ENTELECHIE: Das griechische Wort L\> r bedeutet laut Wörterbuch so viel wie "ununterbrochene Tätigkeit oder Wirksamkeit". Es ist eine Substantivierung von tv rtltt £Xti-v d. i. "am Ende sein, am Ziele sein". Der Ausdruck bedeutete in Athen: "in Amt und Würden stehen". ARISTOTELES hat den Begriff der Entelechie verwendet, um das zielstrebige Wirken in der lebenden Natur und das Prinzip des zur vollendeten Form führenden Wirkens zu benennen. Die einem bestimmten Lebewesen zugehörige Entelechie ist nach ARISTOTELES die Seele dieses Lebewesens. Nach Auskunft von "Herders Kleines Philosophisches Wörterbuch" heißt es: "Seele ist das Wesens-, Wirk- und Gestaltungsprinzip (Energie oder Enteleohie) eines organbegabten Körpers, also mit diesem wesenhaft verbunden in der substanzialen Einheit des Leibes." Die philosophischen Begriffe Enteleohie und Seele haben keine naturwissenschaftliche Relevanz, d. h. es läßt sich kein Bezug zu irgendwelchen naturwissenschaftlichen Größen hersteilen, wie z. B. bei der Kristallform über den Atomabstand im Kristallgitter zu den Interfe-renzmaxima der Röntgenbeugung. Wenn man also den Begriff "Seele" heranzieht, um den Vorgang der Formbildung von Lebewesen zu beschreiben, so tritt man damit aus dem Bereich der Naturwissenschaft heraus in der Erkenntnis, daß es eine Wirklichkeit (Wirksamkeit) gibt, die mit naturwissenschaftlich relevanten Begriffen nicht zu beschreiben ist. Man wird dabei zu bedenken haben, daß die naturwissenschaftliche Erkenntnis sich in den letzten Jahrhunderten ständig ausgeweitet hat, so daß immer weitere Bereiche des Unerklärlichen in den naturwissenschaftlich erhellten Bereich einbezogen wurden. Das hat vielfach zu der Meinung geführt, daß es für die naturwissenschaftliche Methode des Erkennens keine Grenzen gibt. Im Fall des Begriffes Enteleohie - der von Hans DRIESCH zur Bezeichnung der Zielstrebigkeit in der lebenden Natur verwendet wurde, -ist eine naturwissenschaftliche Erklärung bisher nicht möglich gewesen. Die heute bei Biologen fast allgemein vertretene Auffassung, daß die Kenntnis der DNS und ihrer Funktion in der Zelle den Begriff der Enteleohie überflüssig gemacht habe, beruht auf einem Irrtum: Die Formbildung im Bereich der Lebewesen ist durch die bisherigen Kenntnisse über DNS nicht zu erklären. Man sollte freilich nicht meinen, durch Einführung des Begriffes Enteleohie sei etwas zur naturwissenschaftlichen Klärung des Vorganges beigetragen. Durch Verwendung der Begriffe Enteleohie und Seele wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß hier ein Vorgang ist, der (vorerst?) mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht zu beschreiben ist. ENZYME: Biokatalysatoren (langkettige Eiweißmoleküle oder Proteine), die durch ihre katalytische Wirkung die Geschwindigkeit der in den Organismen ablaufenden chemischen Reaktionen bestimmen. Durch die hohe Selektivität ihrer Wirksamkeit können die vielen in den Zellen der Organismen ablaufenden chemischen Reaktionen gesteuert werden. Die Synthese der Enzyme findet in der Zelle an submikroskopisch kleinen Partikeln, den Ribosomen, statt und wird durch die Folge der Basentripletts in der DNS-Kette gesteuert. Die Triplettfolge (Basensequenz) legt die Aminosäurefolge in den Proteinketten der Enzyme fest. Jedes Enzym hat seine Aminosäuresequenz, durch die die hohe katalytische Spezifität (s. d.) bewirkt wird. Jede Synthesestufe hat ihr eigenes Enzym. ESTERGRUPPEN: Durch Reaktion einer Säure mit einem Alkohol entsteht ein Ester: CHj-COOH HO-CH^CHj- C = Kohlenstoffatom 0 = Sauerstoffatom H = Wasse^stoffatom Essigsäure Alkohol Essigsäureaethylester Die gestrichelte umrahmte Gruppe von Atomen ist die Estergruppe. Die gleiche Reaktion, jedoch nicht mit monofunktionellen Molekülen wie Essigsäure und Alkohol, sondern mit bifunktionellen Molekülen ausgeführt, ergibt kettenförmige Polyestermoleküle (s. Abb. 5). FETTAMINE sind langkettige Kohlenwasserstoffmoleküle mit einer Aminogruppe am Kettenende, z. B. CHj-(CH^)1^-NH^ FUNKTIONELLE GRUPPEN: Atomgruppen wie -OH, -NH^ oder -C00H, die durch Reaktion untereinander die Moleküle, an denen sie sich befinden, fest miteinander verbinden können. Wenn zwei funktionelle Gruppen sich an einem Molekül befinden, z. B. HO-R-OH und HOOC-R'-C00H , entstehen unter geeigneten Bedingungen durch Reaktion der funktioneilen Gruppen lange Ketten. GENE: Stoffliche Träger von Erbanlagen, die bei der Vererbung auf die Nachkommen übertragen werden, und die für die Ausbildung von erblich bedingten Eigenschaften verantwortlich sind. Definitionsgemäß ist ein Gen identisch mit einem DNS-Abschnitt, der die Information für die Aminosäuresequenz eines Enzyms (oder eines anderen Proteins) enthält. GENETISCHER CODE: Zuordnung von DNS-Tripletts und Aminosäuren. Die DNS-Kette besteht aus einer Folge von vier verschiedenen Einheiten (Nucleotiden, s. S. 126). Jeweils drei Nucleotide sind zu einer Einheit, dem Triplett oder Codon zusammengefaßt, und jedes Triplett ist ein Signal für eine bestimmte von zwanzig verschiedenen Aminosäuren. So ist durch die Folge der DNS-Tripletts die Reihenfolge der Aminosäuren in den in der Zelle neu gebildeten Proteinen festgelegt. Das Gesamtschema dieser Zuordnung wird als Genetischer Code bezeichnet. Die für die Evolution bedeutendste Eigenschaft des Code ist seine Universalität, d. h. das Faktum, daß der gleiche Code bei allen Lebewesen, den primitivsten und den höchstentwickelten, unverändert gilt. Damit war auch Art und Anzahl der für den Aufbau von Proteinketten verwendeten Aminosäuren von Beginn des Lebens an unveränderlich festgelegt. Von den über hundert natürlich vorkommenden sind dies immer nur die in Abb. 144 aufgeführten zwanzig Aminosäuren. Für die Universalität des Code gibt es keine zur Zeit erkennbare Erklärung. Man muß sie als Vorgefundenen Sachverhalt zur Kenntnis nehmen. Wäre Leben mit einem reduzierten Code (weniger Code-Tripletts -weniger Aminosäuren) möglich, sollten sich in der aufsteigenden Reihe von den primitiven kernlosen Einzellern bis zu den Säugern wenigstens Andeutungen einer Entwicklung zeigen. Die vielbesprochene Hypothese von einer chemischen Evolution (von Methan-Ammoniak-Blausäure über Aminosäuren und "Proteinoide" bis zur vermehrungsfähigen Zelle) entbehrt daher jeder wissenschaftlichen Grundlage, ja sie muß wegen der bewiesenen Universalität des Genetischen Code als widerlegt gelten. Erst der Genetische Code ermöglicht das Wechselspiel von Information (im Sinne von Anweisung für die AS-Sequenz) und Funktion der weisungsgemäß gebildeten Enzyme und Hormone. Die Funktion der Enzyme besteht in ihrer hochselektiven katalytischen Aktivität und der darauf beruhenden Steuerung aller in der Zelle ablaufenden Reaktionen. GENOM ist die Gesamtheit der Erbanlagen als Summe aller Gene. GESETZ DER KONSTANTEN PROPORTIONEN siehe unter "Stöchiometrie" GRENZFLÄCHENPOLYKONDENSATION: Polykondensation, bei der die beiden Monomer-Komponenten (Kettenbauteile) in zwei sich nicht mischenden Flüssigkeiten, z. B. Benzol - Wasser, gelöst sind, so daß sie nur an der Grenzfläche miteinander reagieren können. 2. HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK siehe unter "Thermodynamik" HELIX: Viele Makromoleküle - sie haben die Form von Fäden oder Perlenketten - haben die Tendenz, sich zu Spiralen aufzurollen, die man als Helix (Plural: Helices) bezeichnet. Die Helixbildung stellt eine geordnete Assoziation oder Aggregation der Kettenatome dar und ist insofern ein intramolekularer Kristallisationsvorgang. Die Helix ist ein Sonderfall von Sekundärstruktur. Der allgemeinste Typ der Sekundärstruktur ist das statistische Knäuel, das man als das Ergebnis einer unregelmäßigen, ungeordneten Kettenspiralisierung oder Kettenfaltung betrachten kann. HOCHSPEZIFISCHE KATALYTISCHE AKTIVITÄT: Katalysatoren sind Stoffe, die den Ablauf chemischer Reaktionen stark beschleunigen. Die in der Industrie verwendeten Katalysatoren sind meist für eine Vielzahl von verschiedenen Reaktionen wirksam, die Biokatalysatoren (Enzyme) dagegen fast immer nur für eine ganz bestimmte Reaktion. Diese Eigenschaft bezeichnet man als hochspezifische Aktivität (Schlüssel -Schloß - Vergleich). ILLEGITIMES CROSSING OVER siehe unter Crossing over. INTERPHASE ist der Lebensabschnitt einer Zelle zwischen zwei Zellteilungen. Der Zustand des Zellkerns in dieser Phase ist dadurch gekennzeichnet, daß die DNS in aufgelockerter Form als Doppelstrang-Molekül vorliegt und sich nach dem Schema der semikonservativen Replikation verdoppelt (s. S. 129 ff.)» Die Interphase endet - bei der Meiosis -mit der Synapsis, dem Stadium der Paarung homologer Chromosomen, durch die die Zellteilung eingeleitet wird (Abb. 140): Die DNS spira-lisiert sich zu immer kompakteren Gebilden, den im Mikroskop sichtbaren Chromosomen (Abb. 171). Nach beendeter Zellteilung entspiralisie-ren sich die Chromosomen wieder, die DNS löst sich auf unter Verteilung auf das ganze Kernvolumen, und der Zellkern ist wieder in seinen Interphase-Zustand übergegangen. KATALYSATOR: Die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion hängt wesentlich von der Aktivierungsenergie ab, d. h. der Energie, die verfügbar sein muß, damit die Moleküle der zur Reaktion gelangenden Stoffe in einen reaktionsbereiten Zustand "gehoben" werden (s. unter "Aktivierungsenergie"). Katalysatoren sind Stoffe, durch deren Anwesenheit die Aktivierungsenergie vermindert und so die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht wird. In der lebenden Zelle wird die Rolle der Katalysatoren von Proteinen wahrgenommen, die als Enzyme (s. d.) bezeichnet werden. Sie zeichnen sich vor den technisch verwendeten Katalysatoren (Metallen, Metalloxyden, Metallkomplexen) durch eine extrem hohe Spezifität aus, d. h. sie katalysieren nur ganz bestimmte Reaktionen und andere nicht. So benutzt die Zelle den Einsatz von Enzymen zur Steuerung des physiologischen Geschehens (s. S. 119 ff.). KETTENABBAU: Durch chemische Reaktionen, z. B. durch Einwirkung von Säuren, können Makromolekülketten gespalten werden. Die Reaktion kann so verlaufen, daß vom Kettenende her eine Struktureinheit der Kette nach der anderen abgespalten wird, die Kettenspaltung kann aber auch statistisch erfolgen (irgendwo in der Kette). In der Natur kommt dem enzymatischen Kettenabbau die größte Bedeutung zu. Es gibt Enzyme, die nur vom Kettenende her abbauen und solche, die nur statistisch abbauen. KOAZERVATE sind Zusammenballungen von vielen Makromolekülen, insbesondere von Protein-Makromolekülen, zu größeren Partikelchen, die im Lichtmikroskop zu sehen sind. Wenn die Zusammenballung im flüssigen Zustand erfolgt, haben die Koazervate zwangsläufig Kugelgestalt. Das ist eine Folge der Oberflächenspannung, die stets die für ein gegebenes Volumen kleinste Oberfläche erzwingt, und das ist eben die Kugeloberfläche. KOLLOIDTEILCHEN siehe unter "Dispersion" KOMPLEMENTÄRE MONOMERMOLEKÜLE: Zu einander passende, sich gegenseitig ergänzende Moleküle. Das "Passen" und "Ergänzen" kann sich auf die geometrische Form beziehen, aber auch auf polare Gruppen, die in den Partnermolekülen oder komplementären Molekülen in gleicher Zahl und gleichem Abstand vorliegen. KONSTITUTION (oder Primärstruktur) ist die Art und Weise, wie die Atome in den Molekülen angeordnet sind. Man beschreibt sie in der Regel durch eine chemische Formel (Strukturformel), die aber wegen der fehlenden dritten Dimension nur als nicht maßstabgetreue Projektion der wirklichen räumlichen Struktur anzusehen ist. Beispiel: CH^-COOH CH5-CH2-OH Essigsäure Alkohol (Aethanol) H„N-CH-COOH 2 I ch3 Alanin (Aminosäure) C = Kohlenstoffatom 0 = Sauerstoffatom H = Vasserstoffatom Eine naturgetreue Darstellung der Struktur von Molekülen erhält man durch Kalottenmodelle (Abb. 128). KUNSTSTOFF-SYNTHESEN: Herstellung von Kunststoffen durch Reaktion von kleinen Kettenbauteilen (Monomeren) zu langen Ketten. Nur Monomere mit zwei reaktionsfähigen Gruppen führen zur Bildung von Kunststoff-Makromolekülen. LANGKETTIGE ESSIGESTER sind Ester aus langkettigen Alkoholen (Fettalkoholen) und Essigsäure, z. B. CH^-C-0-(CH^)^y-CH^ 0 LATEXPARTIKEL sind die kleinsten Teilchen einer Kunststoff-Dispersion, siehe unter "Dispersion" und "Emulsion". MAKROMOLEKÜLE sind die Moleküle von zahlreichen Natur- und Kunststoffen (wie z. B. von Kautschuk, Cellulose, Proteinen, Polystyrol, Poly-aethylen, Plexiglas, Nylon). Makromoleküle zeichnen sich durch die kettenförmige Anordnung ihrer Bestandteile (Kettenbauteile) und die große Länge der Ketten aus (Modell: 3 ni langer Draht mit 0,1 mm Durchmesser). Makromoleküle liegen meist geknäuelt vor. MEIOSIS, Meiose, meiotische Zellteilung, Reifeteilung oder Reduktionsteilung: Bei der sexuellen Fortpflanzung beginnt die Entwicklung des Keims mit der Vereinigung von Samenzelle und Eizelle. Dabei verschmelzen auch die Zellkerne, so daß die in beiden Kernen befindlichen Chromosomen nunmehr einer Zelle angehören. Daher sind alle Körperzellen höherer Organismen diploid, d. h. sie besitzen alle Chromosomen in doppelter (homologer oder gleichartiger, aber nicht gleicher) Ausfertigung. Damit die Chromosomenzahl nicht von Generation zu Generation erneut verdoppelt wird, durchlaufen die Keimzellen vor der Befruchtung (bei einigen Lebewesen wie Sporozoen und niederen Pflanzen direkt nach der Befruchtung) eine Zellteilung besonderer Art, bei der die Chromosomenzahl auf die Hälfte reduziert wird, eben die meiotische Zellteilung. Die Meiosis läuft so, daß in zwei Teilungsschritten vier Keim- zellen mit dem haploiden Chromosomensatz (jedes Chromosom nur einmal vorhanden) entstehen. Beim ersten Teilungsschritt kommt es zu Überkreuzverknüpfungen von DNS-Ketten (s. unter "Crossing over"). MENDEL'SCHE GESETZE: Durch systematisch angelegte Kreuzungsexperimente mit Erbsen gefundene Vererbungsgesetze, die grundlegend waren für die klassische Genetik, d. h. für die auf Kreuzungsversuchen beruhende Vererbungslehre. MILLER-VERSUCHE siehe unter "Ursuppe". MOLEKULARGEWICHT: Die Größe eines Moleküls wird durch sein Molekulargewicht (korrekte Bezeichnung: Molmasse) angegeben, welches der Summe der Atomgewichte der am Aufbau eines Moleküls beteiligten Atome entspricht. Einer international angenommenen Konvention entsprechend kommt dem häufigsten Kohlenstoffisotop das Atomgewicht 12 zu, worauf sich alle anderen Atom- und Molekulargewichte beziehen. Das Atomgewicht des Wasserstoffs kommt der Molekulargewichtseinheit (1 Dalton) sehr nahe (1,008 Dalton oder g/mol). Makromolekulare Stoffe haben Molekulargewichte, die in der Regel zwischen 10 000 und einigen Millionen liegen. Das Molekulargewicht der meisten Proteine liegt zwischen 50 000 und 100 000, DNS hat Molekulargewichte im Milliardenbereich (109) und darüber (bis 101^). 23 Als mol bezeichnet man diejenige Menge eines Stoffes, die 6,02-10 Moleküle enthält. Ein mol besitzt stets die Masse von M Gramm, wenn M das Molekulargewicht ist. Die Anzahl der Moleküle pro mol, 6,023 • 1023 , wird als Loschmidt’sche Zahl N bezeichnet. L Man kann also auch das Molekulargewicht (Molmasse) in Gramm angeben statt in Dalton ( = Gramm pro mol). Die Masse m eines Moleküls ist m = M/Nt ( = Molekulargewicht/Loschmidtsche Zahl) Die Masse eines einzelnen Sauerstoff-Moleküls in Gramm ist daher m. = 32 / 6,023 ■ 1025 = 5,513 • 10'25 [g], 2 da die Masse von einem mol Sauerstoff 32 [g] beträgt. Die Masse eines Proteinmoleküls mit dem Molekulargewicht 100 000 ist entsprechend: “Protein (100 000) = 100 000 ' 6’02 ' ^ = 1>66 ' 10'19 ^ Bei Makromolekülen mit ihrer Kettenstruktur ist oft die Länge der Kette interessanter als ihr Gewicht. Die Länge wird durch die Anzahl der Struktureinheiten pro Kette (= Polymerisationsgrad) angegeben: Polymerisationsgrad Molekulargewicht des Polymeren______ Molekulargewicht der Struktureinheit Da man (bei bekannter Kettenstruktur) auch die Länge der Struktureinheit kennt, kann man die Länge der gestreckten Kette auch leicht in Zentimetern angeben. Die Ketten der Makromoleküle liegen jedoch meist im spiralisierten oder geknäuelten Zustand vor. Vergl. dazu Abb. 42. M0N0CARB0NSÄUREN: Organische Säuren, deren Moleküle nur eine Säuregruppe (-C00H) besitzen, wie z.B. Essigsäure: CH^-C00H oder Ameisensäure: HC00H. M0N0LAYER-VERFAHREN: Polykondensation von Monomermolekülen, die in Form einer monomolekularen Schicht über eine Flüssigkeitsoberfläche ausgebreitet sind. MONOMERE: Makromolekulare Stoffe bilden sich durch eine hundert- bis vieltausendfache Folge von Additionen kleiner Moleküle, die - im Gegensatz zu den sich so bildenden Polymeren - als Monomere bezeichnet werden. Die Monomeren werden durch Anziehungskräfte aneinander gebunden, so daß sich lange Ketten bilden, wobei sich die innere Struktur der Monomermoleküle etwas verändert. Damit eine Aufreihung zur Kette möglich ist, müssen Monomermoleküle bifunktionell sein, d. h. sie müssen an zwei Stellen Haftgruppen haben, mit deren Hilfe sie sich festhalten (s. dazu Abb. 5 oder 54). MONONEN und ETIS: Zellen können als Einzelindividuen leben: Bakterien Algen, Pantoffeltierchen. Die einzelligen Lebewesen stehen am Anfang der Evolution. Erst in späteren Stadien - 5 Milliarden Jahre nach Beginn des Lebens - treten Organismen auf, die aus vielen Zellen bestehen, die - in großer Zahl in jeweils besonderer Weise angeordnet -die einzelnen Organe des Individuums bilden und in diesen jeweils spezielle Funktionen übernehmen. In den vielzelligen Lebewesen haben die Zellen ihre Individualität aufgegeben und sind ganz im Verbund aufgegangen, so daß neue Individuen, die höheren Pflanzen und Tiere , resultieren. Man könnte sich in Fortsetzung dieser Entwicklung denken daß auch die so gebildeten vielzelligen Individuen sich wieder zu Gemeinschaften aus vielen Einzelindividuen zusammenschließen, die irgendwann in der Zukunft so mächtig werden, daß die Einzelindividuen ihre Einzelexistenz aufgeben und ganz in ihrer Spezialfunktion der arbeitsteiligen Gesellschaft aufgehen, wodurch dann - und darin besteht das eigentlich Neue, bisher noch nicht Realisierte und auch nicht recht Vorstellbare - eine höhere Lebenseinheit mit überragenden Fähigkeiten entstehen soll, die von C. BRESCH als "Monon" bezeichnet wurde: tfbermenschen-Organismus, alle Menschen des Planeten Erde umfassend und intelektuell verbindend, "Resultat der abschließenden, alles-umfassenden Integration der Evolution eines Planeten!" Alle Mononen aller bewohnten Planeten des Weltalls werden in späteren Phasen der Gesamtentwicklung - so jedenfalls die BRESCH'sche Zukunfts Vision - in analoger Weise zu interstellaren Gemeinwesen, genannt "Etis" zusammenwachsen. Mononen und Etis sind konfuse Phantasiegebilde, deren Realisierung weder möglich noch wünschenswert erscheint. Von innerer, geistiger Harmonie getragene Lebensgemeinschaften von Menschen gibt es bereits seit langem. Es fehlt auch nicht an Versuchen, ganze Völker ideologisch zu verbrüdern und so die allgemeine Weltverbrüderung einzuleiten. Millionenfach umschlungen zu sein ist aber nun einmal nicht jedermanns Sache, und so sind alle Versuche überregionaler Harmonisierung bisher in brutale Gewaltakte ausgeartet. Nichts deutet darauf hin, daß es in Zukunft anders sein wird. MONONUCLEOTID: Verbindung eines Nucleosids (s. d.) mit Phosphorsäure oder Essigsäure (s. Abb. 5 und Abb. 7) oder einer anderen Säure. MHTATIVE SEQUENZVERÄNDERUNG UND WIEDERANKOPPELUNG siehe unter "Translation". NEODARWINISMUS: Darwinismus, ergänzt durch die Erkenntnisse der Molekularbiologie. Die von DARWIN postulierten sprunghaften Änderungen der Erbfaktoren sind auf der molekularen Ebene nichts anderes als spontan auftretende Sequenzänderungen der Nucleotide in der DNS-Kette Das Selektionsprinzip wird vom Neodarwinismus auch auf DNS- oder RNS-Moleküle vor der Existenz von Zellen übertragen. NUCLEINSÄUREN: Sammelbezeichnung für Desoxyribonucleinsäure (DNS) und Ribonucleinsäure (RNS). NUCLEOSIDE sind die Kettenbauteile (als Monomere oder als Kettenbestandteile) der Nucleinsäuren, also von DNS und RNS (bei DNS müßte es eigentlich "Desoxynucleoside" heißen), die abwechselnd mit Phosphorsäure die langen DNS-Kettenmoleküle oder -Makromoleküle bilden. Die Nucleosidmoleküle bestehen aus einem 5-Ring-Zuckermolekül (Ribose bzw. Desoxyribose), das an dem dem Ringsauerstoff benachbarten C-Atom mit einer der vier heterocyclischen Basen A, T, C oder G (s. S. 129) verbunden ist. Zusammen mit Phosphorsäure zu einer Einheit zusammengefaßt, bezeichnet man die Nucleoside als Nucleotide. Wenn man die Nucleoside als Kettenbestandteile meint, spricht man oft von Nucleo-sid- bzw. Nucleotidresten. NUCLEOTIDE und NUCLEOTIDRESTE siehe unter "Nucleoside". NUCLEOTIDSEQUENZ siehe unter "Nucleotid-Triplett" und "Sequenz". NUCLEOTID-TRIPLETT: Nucleotide sind die vier verschiedenen Struktureinheiten der Nucleinsäuren, also von DNS und RNS. Sie sind in den Makromolekülen wie die Stufen einer Wendeltreppe in bestimmter Reihenfolge aneinandergefügt (s. Abb. 128). Je drei Nucleotide der Kette ergeben ein Triplett oder Codon, welches dem Genetischen Code gemäß einer bestimmten Aminosäure zugeordnet ist, wie die Zeichen des Morsealphabets einem Buchstaben zugeordnet sind. So ist die Triplettfolge in der DNS-Kette die Anweisung für die Aminosäuresequenz bei der Synthese von Proteinen in der Zelle. OLIGOMERE und OLIGOMERKETTEN: Kurze Kette, bestehend aus wenigen (2 bis 10) miteinander verbundenen Monomer-Resten, z. B. Nucleosiden oder Aminosäuren. PAULI-PRINZIP: Es besagt, daß in einem Atom zwei Elektronen nicht in allen vier Quantenzahlen (Energiezuständen) übereinstimmen können. Das PAULI-Prinzip führt zum schalenförmigen Aufbau der Atome, worauf das Periodische System der Elemente beruht. pg-WERT: Als pg-Wert wird der negative dekadische Logarithmus der Wasserstoffkonzentration bezeichnet. Er ist ein Maß dafür, ob eine Lösung - im allgemeinen eine wässrige Lösung - sauer oder basisch ist Bei pg 7 ist eine Lösung neutral, bei pg-Werten über 7 (bis pg 14) ist die Lösung zunehmend alkalisch (oder basisch) und bei pg-Werten unter 7 zunehmend sauer. In alkalischen Lösungen überwiegen die OH” -Ionen, in sauren Lösungen die H* bzw. H^O+-Ionen gemäß der Dissoziationsgleichung des Wassers: HOH =i= H+ + OH" POLYAMIDE sind makromolekulare Stoffe mit einer bestimmten kettenförmigen Anordnung der Atome Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (0) und Stickstoff (N), die durch folgende Strukturformel beschrieben wird: ---C-NH-CH„-CH0-CH0-CH0-CHn-C-NH-CH0-CH_-CH_-CH0-CH„-C-NH-CH0------- || 2 2 2 2 2 || 2 2 2 2 2 || 2 0 0 0 Das gewählte Beispiel ist die Formel des Nylon-6 oder Perlon, das aus dem cyclischen Amid der Aminocapronsäure hergestellt wird: n |-HN-(CH2)5-CO-| =i= Nylon-6 Ebenfalls aus Aminosäuren entstehen die Proteine; auch diese sind daher ihrer Struktur nach Polyamide: -----NH-CH-C-NH—CH-C—NH-CH-C—NH-CH-C-NH-CH-C-NH-CH'------ t ii i ii i ii i ii i ii i R; 0 R2 o R3 0 R; 0 R; 0 R3 Man sieht, daß die Atomgruppe -C-NH- das gemeinsame Merkmal ist. 0 Eie Strukturformeln der Proteine unterscheiden sich von der des Nylon durch ihre Seitengruppen , R2 usw., von denen es in den Proteinen zwanzig verschiedene gibt. Die Reihenfolge der Seitengruppen R-j , R2, R^, Ry etc. in der Kette ist in einem reinen Proteinpräparat bei allen Molekülen dieselbe. Nur durch die Reihenfolge (Sequenz) und die Länge der Kette unterscheiden sich die verschiedenen Proteine voneinander. POLYDISPERSITÄT: Alle synthetisch hergestellten makromolekularen Stoffe bestehen aus einem Gemisch ungleich langer Moleküle. Die Angabe der Kettenlänge, ausgedrückt durch die Anzahl der Struktureinheiten pro Kette, ist daher stets ein Mittelwert, der oft Einzelketten mit 10 bis 100 000 Struktureinheiten umfaßt. Wie groß die Anteile der Ketten mit den verschiedenen Längen sind, wird durch die Verteilungskurve angegeben. Im Gegensatz dazu haben die Protein-Makromoleküle innerhalb einer Proteinart einheitliche Molekül-Längen, sie sind monodispers. POLYESTER: Makromoleküle haben eine Struktur, die am ehesten mit der einer Perlenkette vergleichbar ist. Die Perlen sind die Struktureinheiten einer Perlenkette. Bei den Makromolekülen werden die Struktureinheiten auch als Monomer-Reste bezeichnet, weil die kleinen Moleküle, durch deren Addition oder Polymerisation die Makromoleküle entstehen, Monomere genannt werden. Die Polyester entstehen durch Reaktion der Monomeren, Dicarbonsäure und Diol: + H0:-C-R-C-:OH + H0-R-0H + H0;-C-R-CH0H + HO-R-OH + ----1 11 11 .......> 1-----< 11 11 -------» — H2O - Abspaltung 'O-C-R-C-O-R-O -C-R-C-11 11 0 0 0-R-0-C-R-C-0-R-0-C-R' Die Estergruppe -C00- in der Kette ist für alle Polyester typisch. Die Reste R und R', d. h. die Art der Dicarbonsäuren und der Diole kann variieren. DNS und RNS sind Polyester mit Phosphorsäure als Dicarbonsäure und Desoxyribose bzw. Ribose als Diol. Die Formeln finden sich auf den Seiten 126 und 131. Eigentlich ist Phosphorsäure eine Tricarbonsäure und Ribose ein Triol, aber die dritte Funktion (0H-Gruppe) tritt bei der Kettenbildung in vivo nicht in Aktion, sonst würden vernetzte Gebilde mit verzweigten Ketten entstehen, wie das von der Kunststoff-Chemie bekannt ist. POLYKONDENSATION: Bildung langer, kettenförmiger Moleküle durch Verbindung zahlreicher Monomermoleküle (Kettenbauteile) miteinander mit Hilfe funktioneller Gruppen. POLYKONDENSATIONSTATISTIK: Mathematische Behandlung der Polykondensation, bei der ein Spektrum von ungleich langen Kettenmolekülen entsteht, das sich theoretisch berechnen läßt (SCHULZ-FLORY-Verteilung). Bei Polykondensationen mit mehr als einem Kettenbauteil oder Monomer werden die verschiedenen Monomersorten in statistisch-unregelmäßiger Folge an die Kette angehängt. Auch die hierbei entstehende Verteilung der Monomerreste in der Kette läßt sich nach statistischen Methoden berechnen. POLYKONDENSATIONSTHERMODYNAMIK: Konsequenzen der Hauptsätze der Thermodynamik (s. d.) für die Polykondensation, d. h. für die chemische Reaktion, durch die die natürlichen (und viele synthetische) Makromoleküle gebildet werden. POLYMERANALOGE REAKTIONEN sind chemische Veränderungen von makromolekularen Stoffen, bei denen die Länge des Kettenmoleküls unverändert bleibt. Einige solcher Reaktionen werden in der chemischen Industrie durchgeführt, um aus der Cellulose des Holzes Fasern oder Folien herzustellen (Viskose, Rayon, Cellophan, Acetylcellulose). Bei DNS kann durch Chemikalieneinwirkung oder Bestrahlung die Reihenfolge der Nucleotide verändert werden (Mutation). Auch das ist eine polymeranaloge Reaktion. POLYMERE ist eine viel verwendete Bezeichnung für makromolekulare Stoffe. Beide Bezeichnungen sagen wenig aus über das wesentliche Strukturmerkmal der Makromoleküle, nämlich die lineare Anordnung zahlreicher kleiner Moleküle zu einer langen Kette. Daraus ergibt sich alles Weitere: Die Sequenz (s. S. 59 ff. und 119 ff.)» die Tertiärstruktur (s. Abb. 42 und S. 120 ff.), die Assoziationsmöglichkeiten und die dadurch bedingten Eigenschaften und Funktionen in der lebenden Zelle. POLYMEREINHEITLICHKEIT: Die Makromoleküle eines synthetisch hergestellten Polymeren (z. B. eines Kunststoffes) sind verschieden lang. Diese Stoffe sind Mischungen von Molekülen mit Polymerisationsgraden (s. d.) zwischen 10 und einigen 100 000 in bestimmten Mischungsverhältnissen, die durch die Molekulargewichtsverteilungskurve beschrieben wird. Derartige Stoffe sind polydispers in Bezug auf die Molekülgröße. Dagegen sind die Makromoleküle von Proteinpräparaten untereinander genau gleich lang, sie sind polymereinheitlich. POLYMERISATIONSGRAD (P) ist ein Maß für die Länge eines Makromoleküls. So wie man die Länge einer Perlenkette durch die Anzahl der Perlen beschreiben kann, aus der sie besteht, kann man die Länge der kettenförmigen Makromoleküle durch die Anzahl der sich in der Kette wiederholenden Struktureinheiten beschreiben. Wenn man also sagt, der Polymerisationsgrad eines Proteins sei 1000, so besagt dies, daß die Moleküle dieses Proteins aus 1000 aneinandergereihten Aminosäureresten bestehen. Die Aminosäurereste sind die Struktureinheiten des Proteinmoleküls: H H 0HH OH HO'HHOHHOHH OH HO i i ii i i ii i i ii i i ii i i ii i i ii i i ii ----N-C—C-N-C-C-N-C-C-N-C—C-N-C-C-N-C-C-N-C-C“ R1 r2 r3 r1 r4 r3 r5 Struktur- einheit Proteine zeichnen sich dadurch aus, daß alle Makromoleküle eines Präparats untereinander gleich lang sind, sie sind polymereinheitlich, wie man sagt - im Gegensatz zu den synthetischen Polymeren, deren Molekülgröße sich auf einen großen Bereich verteilt. Bei synthetischen Polymeren (Kunststoffen) ist der Polymerisationsgrad daher ein Mittelwert . Aus dem Polymerisationsgrad ergibt sich das Molekulargewicht des Polymeren durch Multiplikation mit dem Molekulargewicht der Struktureinheit ^Pol = P Dem Polymerisationsgrad 1000 entspricht z. B. hei Proteinen ein Molekulargewicht von 100 000, wenn man für die Aminosäurereste einen Mittelwert von 100 einsetzt. PRÄPARATIVE CHROMATOGRAPHIE siehe unter "Adsorption - Desorption". PRIMARSTRUKTUR ist die Bezeichnung für Art und Anordnung von Atomen in Molekülen von Naturstoffen, in etwa synonym mit "Konstitution" (s. d.). Bei Makromolekülen bezeichnet Primärstruktur die Art und Anordnung der Struktureinheiten (M) in der Kette. Beispiele s. S. 43 ff. PROTEINE (oder Eiweißstoffe) sind eine der großen Gruppen makromolekularer Naturstoffe: Polysaccharide (z. B. Cellulose, Stärke), Naturkautschuk, Proteine und Nucleinsäuren (DNS, RNS). Die Rolle, die Cellulose als Gerüstsubstanz (tragender Zellwandbestandteil) im Pflanzenreich spielt, kommt im Tierreich den Proteinen zu. Dabei hat - zumindest bei den höheren Tieren - jedes Individuum sein eigenes Protein, das von anderen Individuen als fremd erkannt und abgestoßen wird (Immunreaktion). Neben den eigentlichen Körperproteinen (Muskeleiweiß, "Fleisch") ist das Milcheiweiß (Kasein) als Nahrungsmittel von besonderer Bedeutung. Weitere allgemein bekannte Proteine sind Seide und Wolle. Was den Proteinen ihre zentrale Bedeutung in der gesamten Natur, im Pflanzen- wie im Tierreich, gibt, ist ihre Rolle, die sie als Enzyme spielen. Mit Hilfe der katalytischen Wirkung von Enzymen werden die für Wachstum und Stoffwechsel der Organismen notwendigen chemischen Reaktionen gesteuert. Ihrer MolekülStruktur nach gehören Proteine zu den Polyamiden (wie Nylon und Perlon). Im Gegensatz zu diesen besitzen die kettenförmigen Makromoleküle der Proteine jedoch nicht eine (wie Perlon) oder zwei (wie Nylon-6,6) Struktureinheiten, sondern zwanzig verschiedene: Perlon NH-(CH2)5-C-NH-(CH2)5-C-NH- -(CH2)5 —c- nh-ich2)5- -C-NH || 0 0 0 0 Protein: 0: 0 ii: ii 0 -NH-CH-C- ch7 6h z I 1 X-O X 1 O=o o=o 1 CN XXX o-o-tn 1 X z 0 II .klU-PU-r ~ "NH CH C ■ NH CH C ch2 ch3 6 1 -rin um c 6 TT OH Tyrosin- j Alanin- Serin- Glycin- Cystein- Prolin-Rest Die großen Buchstaben sind Atomsymbole: C = Kohlenstoff, H = Wasserstoff, N = Stickstoff, 0 = Sauerstoff. Die gestrichelten Linien sind die Spaltstellen der Kette bei der Hydrolyse durch Säuren oder Enzyme. Die Reihenfolge der Aminosäurereste in der Kette (die Sequenz) und die Länge der Kette unterscheidet die verschiedenen Arten der Proteine. Bei einer Kette von 100 miteinander verbundenen Aminosäureresten gibt es (bei 20 verschiedenen Aminosäuren) 20^®® 101?° mögliche verschiedene Sequenzen (eins mit 130 Nullen) und damit verschiedene Proteine. Die Art der Bindung, durch die die Struktureinheiten (die Aminosäurereste) miteinander verbunden sind, ist bei allen Proteinen - wie überhaupt bei allen Polyamiden - dieselbe, nämlich eine Carbon-säureamidbindung. Die AS-Sequenz von Proteinen wird durch enzymatische Kettenspaltung mit Trypsin und Chymotrypsin aufgeklärt, die die Proteinketten jeweils an verschiedenen Stellen spalten: Eine Versuchsreihe wird mit Trypsin begonnen. Die Primär-Spaltprodukte werden isoliert und einzeln einer Chymotrypsinspaltung unterworfen. Bei einer zweiten Reihe beginnt man mit Chymotrypsin und gelangt durch anschließende Trypsinspaltung zu denselben Sekundär-Peptiden. Aus der Überlappung der Primär-Spaltprodukte erhält man die Reihenfolge der kleineren Sekundärpeptide, deren Sequenz man durch schrittweisen AS-Abbau ermitteln kann. Die erste, auf diese Weise durchgeführte Sequenzanalyse, war die des Insulins (F. SÄNGER). Heute kennt man bereits die Sequenz von zahlreichen Proteinen. Jährlich kommen neue hinzu. PR0TEIN0IDE: Erhitzt man Mischungen verschiedener Aminosäuren, insbesondere in Gegenwart von Polyphosphaten auf 80 bis 150 °C, erhält man Polykondensate, welchen von den Experimentatoren proteinähnliche Eigenschaften zugeschrieben wurden, und welche man daher als Proteinoide bezeichnet hat, - fälschlicherweise, denn von proteinähnlichem Verhalten solcher Polykondensate kann keine Rede sein. 1. Die Aminosäurepolykondensate sind nicht polymereinheitlich, sondern polydispers, d. h. in solchen Präparaten liegen Polymerketten verschiedener Längen vor. Die Proteine - auch die, die man in den primitivsten Lebewesen antrifft - sind dagegen streng einheitlich. 2. Die Aminosäurepolykondensate sind statistische Copolymere, d. h. die Reihenfolge der Struktureinheiten folgt den Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der jeweiligen Monomeradditionen an die wachsende Kette. Folglich erhält man Ketten mit immer der gleichen, durch die RG-Konstanten festgelegten Segmentlängenverteilung. Daß die Sequenz nicht genau den eingesetzten Mengenverhältnissen folgt, ist für den Polymerchemiker selbstverständlich. Proteine dagegen haben eine strengdefinierte Aminosäuresequenz, die bei allen Molekülen eines Präparates genau gleich ist, und durch die die Tertiärstruktur des Proteins festgelegt ist, die ihrerseits wieder die enzymatische Aktivität bestimmt. 3. Die Aminosäurepolykondensate sind uneinheitlich auch in Bezug auf die Kettenbindungen. In Proteinen liegen ausschließlich Peptidbindungen (-C0-NH-) in der Kette vor, in den thermischen Polykondensaten dagegen nur um 50 1° [2]. Der Rest besteht aus andersartigen, nicht enzymatisch spaltbaren Bindungen, deren chemische Natur unbekannt ist. (im Laborjargon nennt man so etwas "Schlunz".) Die Ketten sind außerdem intramolekular vernetzt oder verzweigt, worauf die Unfähigkeit zur Helixbildung hinweist. 4. Es ist viel über katalytische Aktivität von "Proteinoiden" ge- schrieben worden. Einmal muß man diese katalytische Aktivität mit der Lupe suchen - der Nachweis war nur mit Hilfe der hochempfindlichen Methode der radioaktiven Markierung möglich und zum anderen ist nicht die katalytische Aktivität das für Enzyme typische Merkmal (hohe katalytische Wirksamkeit findet man auch bei vielen niedermolekularen Verbindungen, bei Metallen und Metallkomplexen), sondern die hohe Selektivität. Wenn die Untersuchung der thermischen Aminosäure-Polykondensate eines gezeigt hat, dann dieses, daß sie so gut wie nichts Proteinartiges haben und daher als Vorstufen auf dem Wege zu lebenden Organismen nicht in Betracht kommen. Wie die ersten Proteine entstanden sind, ist bis heute so rätselhaft wie eh und je. Und außerdem: Selbst wenn sich durch thermische oder katalytische Polykondensation reine, einheitliche Proteine hersteilen ließen, wäre dadurch zur Frage nach der Entstehung des Lebens so gut wie nichts beigesteuert. Die Polykondensationsversuche gehen am eigentlichen Problem vorbei: Wie kam es zur Entstehung lebender Zellen, und das heißt zur Bildung des Genetischen Code und der enzymatischen Protein-Syntheseanlage ? RAZEMAT: Alle zweidimensionalen Gebilde, die keine Symmetrieachse und alle dreidimensionalen Gebilde, die keine Symmetrieebene haben, sind in zwei spiegelbildlichen Formen denkbar. So existieren auch organische Moleküle mit asymmetrischen Kohlenstoffatomen in einer D- und einer L-Form, die sich wie Bild und Spiegelbild gleichen, z. B. die Zuckermoleküle und die Aminosäuremoleküle, die - von wenigen Ausnahmen abgesehen - als L-Form in der Natur Vorkommen. Gemische, in denen Moleküle mit D- und L-Form gleich häufig vertreten sind, werden als Razemate bezeichnet. Bei nicht-enzymatischen Synthesen entstehen stets Razemate, die sich nur durch besondere Verfahren in die D- und L-Komponenten trennen lassen. Die Spiegelbild-Isomeren lassen sich dadurch leicht unterscheiden, daß sie die Ebene des polarisierten Lichtes nach rechts bzw. nach links drehen und werden daher auch als "optische Antipoden" bezeichnet. RÖNTGENSTRUKTURANALYSE: Regelmäßig angeordnete Striche auf einer Glasoberfläche oder einem Spiegel (Strichgitter) verursachen beim Durchtritt bzw. bei der Reflexion von Lichtstrahlen Beugungsmuster als Folge von Interferenz (periodische Schwächung und Verstärkung durch Überlagerung von Lichtwellen). Durch Vermessung der Beugungsmuster lassen sich mit Hilfe der Beugungsgesetze die Gitterabstände berechnen. Röntgenstrahlen verhalten sich beim Durchstrahlen von Kristallen (mit den regelmäßig angeordneten Atomen als Gitterpunkten) ähnlich wie sichtbares Licht an Strichgittern. Mit Hilfe der Beugungsmuster lassen sich die Atomabstände berechnen. Daraus kann man ein Strukturmodell erstellen. Diese Methode der Strukturaufklärung wird als Röntgenstrukturanalyse bezeichnet. SÄUGETIER-GENOM: Summe aller Erbmerkmale (Gene) in einer Säugetier-Zelle. Die Gene sind mehr oder weniger große Stücke der als Chromosomen in den Zellen befindlichen DNS-Makromoleküle (Länge eines Gens ca. 1 500 Nucleotide). Jedes Gen enthält die Anweisung für die Aminosäure-Reihenfolge eines Protein-Makromoleküls (z. B. eines Enzyms). Proteine wurden früher meist "Eiweißstoffe" genannt. SEELE siehe unter "Entelechie" SEQUENZ ist in der Polymerchemie die Reihenfolge von Kettenbestandteilen (Kettenbauteilen, Struktureinheiten) eines Makromoleküls. Bei den Proteinen ist die Reihenfolge der zwanzig verschiedenen Amino-säurereste gemeint (AS-Sequenz), die sich durch Kettenspaltung und analytische Bestimmung der Spaltprodukte aufklären läßt (siehe unter "Proteine"). Bei den Nucleinsäuren (DNS, RNS) versteht man unter Sequenz die Reihenfolge der vier verschiedenen Nucleotide oder Basen in der Kette (s. unter "Nucleinsäuren"). SPEZIES ist eine Stoffart, deren Moleküle untereinander identisch sind. Alle Makromoleküle einer Protein-Spezies beispielsweise sind nach Länge und Sequenz (= Reihenfolge der Aminosäurereste in der Kette) untereinander gleich. Die Moleküle verschiedener Proteinarten unterscheiden sich nur durch Kettenlänge und Sequenz. SPEZIFITÄT DER ENZYME siehe unter "Hochspezifische katalytische Aktivität". STÖCHIOMETRIE ist die Lehre von den Mengenverhältnissen der sich bei chemischen Reaktionen umwandelnden Stoffe. Wegen der atomaren Struktur der Materie reagieren verschiedene Substanzen nur in bestimmten Mengenverhältnissen miteinander, die den Zahlenverhältnissen der an der Reaktion beteiligten Atome oder Moleküle entsprechen (Gesetz der konstanten Proportionen). Bei der Ammoniaksynthese z. B. reagiert ein Stickstoffatom (N) stets mit drei Wasserstoffatomen (H): N + 3 H NH^ oder N? + 3 H2 2 NH^ Liegen die Stoffe bei der Reaktion in anderen Verhältnissen als den stöchiometrischen vor, d. h. als den durch die Reaktionsgleichung geforderten, bleibt der im Überschuß vorhandene Stoff übrig. Wieviele Moleküle der Sorte A mit wievielen der Sorte B reagieren, wird durch die Anzahl der Elektronen in der Außenschale der beteiligten Atome bestimmt. STRUKTUREINHEIT: Makromoleküle haben die Struktur einer Perlenkette. Das, was in einer Perlenkette die Perlen sind, wird in einer Makromolekülkette als Struktureinheit oder Kettenbauteil bezeichnet. Die Art der Struktureinheit ergibt sich aus der Art des oder der zur Synthese des Makromoleküls verwendeten Monomeren (s. d.). Die Monomer-Moleküle entsprechen den Perlen, bevor sie zur Kette aufgereiht werden. SUBSTRAT: Im Zusammenhang mit enzymatischen Reaktionen werden die Stoffe, die unter Mitwirkung von Enzymen chemisch verändert werden, als Substrate bezeichnet. SYNTHESE DER ENZYME siehe unter "Enzyme" THERMODYNAMIK (wörtl. übersetzt: Wärmebewegung) ist ein Teilgebiet der Physik und Chemie. Ihre Aussagen lassen sich in drei Axiomen (den drei Hauptsätzen) zusammenfassen: 1. Energie kann weder vernichtet noch erzeugt werden (Energieerhaltungssatz) . 2. Entropie kann nicht vernichtet, wohl aber erzeugt werden (Entropiesatz) . 3. Das Erreichen des absoluten Nullpunktes ( - 273 °C oder 0 Kelvin) ist unmöglich. Energie ist definiert als Maß für die Fähigkeit, Arbeit zu leisten. Entropie ist definiert als Maß für die Bewegungsfreiheit von Atomen und Molekülen in einem gegebenen Volumen. Die Hauptsätze der Thermodynamik sind allgemeine Erfahrungssätze und lassen sich nicht von irgendwelchen (noch allgemeineren) Naturgesetzen ableiten. Sie lassen sich nicht begründen, wohl aber auf verschiedene konkrete Situationen (Zustandsänderungwn, Prozesse) anwenden und führen zu Aussagen, die sich meist nicht auf den ersten Blick als Konsequenzen aus den Hauptsätzen erkennen lassen. Eine solche Konsequenz ist die Unmöglichkeit der Entstehung von langen Kettenmolekülen durch Reaktion von bifunktionellen Säuren und Alkoholen (Polykondensation) in wässrigen Lösungen. Eine korrekte Definition der Hauptsätze und ihrer weitreichenden Konsequenzen ist nur mit Hilfe mathematischer Formulierungen möglich. Um einem weit verbreiteten Irrtum zu begegnen, sei nur noch darauf hingewiesen, daß in offenen Systemen (nur solche sind in der lebenden Natur verwirklicht) sehr wohl Prozesse von selbst ablaufen können, die mit Entropieverminderung einhergehen. Bei fast allen Synthesen von Makromolekülen nimmt die Entropie ab, weil die vielen kleinen Ausgangsmoleküle buchstäblich an die Kette genommen werden und so einen Teil ihrer Bewegungsfreiheit einbüßen. TERTIÄRSTRUKTUR: Polymerketten sind normalerweise geknäuelt oder -wie bei vielen Naturstoffen, speziell den Proteinen - spiralisiert. Die Spiralen können ihrerseits wieder in verschiedener Weise gefaltet sein. Die Art dieser Faltung wird als Tertiärstruktur bezeichnet (s. Abb. 42 und 120). TRANSLATION siehe unter "Abkoppelung von Doppelgenen von der Translation" . TRIPLETT siehe unter "Genetischer Code". ÜBERKREUZ-VERBINDUNG von DNS-Partnersträngen siehe unter "Crossing over". UMESTERUNGSREAKTION: Reaktion von zwei verschiedenartigen Estermolekülen untereinander, derart, daß die Alkohol- und Säurekomponenten vertauscht werden: R.-C-O-R- + Rj-C-O-R, - Rj-C-O-R. + R.-C-O-R, 1 II 2 3 II 4 3 || 2 1 || 4 0 0 0 0 URATMOSPHÄRE: Über die Zusammensetzung der frühen Erdatmosphäre, die sich während des Erkaltens und Erstarrens der Erdoberfläche durch vulkanische Ausgasungen gebildet hat, kann man nur Vermutungen anstellen, die sich an den jetzigen Vulkangasen orientieren. Danach sollte die frühe Atmosphäre neben Wasserdampf hauptsächlich COj (Kohlendioxyd), HjS (Schwefelwasserstoff), NHj (Ammoniak), CH4 (Methan; und H2 (Wasserstoff) enthalten haben. Die Analyse der Dampfquellen von Larderello in der Toskana ergab folgende Werte für das trockene Gas (ohne Wasserdampf) in mol $ : 93 CO,, 2,5 H2S, 1,7 NHj, 0,9 CH4, 1,9 H2 . Durch Strahlenzersetzung von NHj sollte sich N2 (Stickstoff) gebildet haben. Durch Reaktion von angeregtem Stickstoff (durch elektrische Entladungen) mit Methan konnte sich HCN (Blausäure) bilden [2 ], die die Bildung von Nucleotiden (z. B. Adenosinphosphaten) ermöglichte: N + CH. -----HCN + H0 + H 4 2 H + CH, ---► CH, + H_ 4 3 2 N + CH^ ---- HCN + 2 H Auch aus CH^ und NH^ entsteht im Kontakt mit Aluminiumsilikat bei höheren Temperaturen HCN [2 ]: CH4 + NH5 ---------*- HCN + 3H2 URSUPPEN: Man nimmt an, daß vor 3 oder 4 Milliarden Jahren die Erde von einer Atmosphäre umgeben war, die hauptsächlich aus den Gasen Methan, Ammoniak und Wasserdampf bestand. Durch Versuche von S. L. MILLER wurde gezeigt, daß in solchen Gasgemischen durch elektrische Entladungen (Funkenstrecke) wässrige Lösungen von Aminosäuren (neben vielen anderen Stoffen, s. Tabelle 10) gebildet werden, die man als Ursuppe bezeichnet. Die durch solche Versuche erhaltenen Lösungen sind die einzige experimentelle Basis für Hypothesen zur Entstehung des Lebens durch Selbstorganisation. Lehnt man diese Versuche wegen der nicht beweisbaren Zusammensetzung der Uratmosphäre ab, muß man auf Selbstorganisationshypothesen verzichten. Man kann dann nur noch denkbare Mechanismen diskutieren, die möglich gewesen wären, wenn die Ursuppe diese oder jene Zusammensetzung gehabt hätte. Das läuft darauf hinaus,bestimmte Ursuppenzusammensetzungen für möglich zu halten, weil darin bestimmte Makromoleküle entstanden sein müssen, damit man sich die Entstehung des Lebens durch Selbstorganisation erklären kann. Das Unwissenschaftliche einer solchen Argumentation liegt auf der Hand. VITALISMUS: Die meisten Naturwissenschaftler sind heute der Meinung, daß alles beobachtbare Geschehen durch die bekannten Gesetze der Physik beschreibbar ist, auch die Vorgänge im Bereich der lebenden Natur. Nach der Lehre des Vitalismus’ ist dies jedoch nicht so. Lebensvorgänge werden danach durch besondere nicht-physikalische Kräfte bestimmt. Justus von LIEBIG schreibt beispielsweise (Chemische Briefe, Bd 2, Winter/Leipzig 1859)• "Die Form und Eigenschaften der einfachsten Gruppen von Atomen bedingt die chemische Kraft unter der Herrschaft der Wärme, die Form und Eigenschaften der höheren, organisierten Atome bedingt die Lebenskraft." Führender Vertreter des modernen Vitalismug* (Neovitalismus') ist Hans DRIESCH, der den von Aristoteles entlehnten Begriff der Entele-chie (s. d.) einführte, um die dem physikalisch-chemischen Bereich fremde, in der belebten Natur aber auf Schritt und Tritt zu beobachtende Zielstrebigkeit zu begründen. Da dem philosophischen Begriff der Entelechie keine Bedeutung im Sinne physikalischer Größen zukommt, stellt die Lehre des Vitalismus' für die Naturwissenschaften keine Bereicherung dar. Der Naturwissenschaftler kann mit Begriffen wie Entelechie oder Seele nichts anfangen, weil sie sich nicht in Gesetzmäßigkeiten einfügen lassen, deren Gültigkeit sich durch reproduzierbare Experimente beweisen läßt. Es ist jedoch eine offene Frage, ob die in den Naturwissenschaften üblichen Denkschemata und Experimentierpraktiken ausreichen, die Vorgänge in der lebenden Natur restlos zu beschreiben. Ich vertrete in diesem Buch die Meinung, daß dies nicht der Fall ist, und daß auch in Zukunft keine Aussicht besteht, die Lebensvorgänge - zu denen ja auch die geistigen Bemühungen des Menschen gehören - durch stoffimmanente Gesetze zu beschreiben. Die Argumente für eine solche These sind jedoch nicht naturwissenschaftlicher Art. Ich stelle nur fest, daß die bisher vorgetragenen Versuche einer wissenschaftlichen Beschreibung der Entstehung und Entwicklung des Lebens von unbewiesenen und unbeweisbaren Voraussetzungen ausgehen, und daß es insofern jedem freisteht, sich mit der naturwissenschaftlich-materialistischen Deutung des Lebens zufrieden zu geben oder nach einem religiös fundierten Sinn des Daseins zu suchen. Wenn Vitalismus der Versuch war, die Lehre von einem den Lebewesen innewohnenden Zielbewußtsein bei der Biologie anzusiedeln, muß man ihn als gescheitert betrachten. Das liegt daran, daß die Biologie sich den exakten Naturwissenschaften angeschlossen hat und der Begriff der Naturwissenschaften durch die historische Entwicklung von Chemie und Physik enger definiert ist als der Name besagt. Chemie und Physik beschränken sich bewußt auf die durch reproduzierbare Experimente erfaßbare und durch mathematisch formulierte Gesetze darstellbare Natur. Die Frage, ob die so umschriebene Natur die Wirklichkeit allen Daseins schlechthin ist oder ein vielleicht nur kleiner Teil dieser Wirklichkeit, ist schon keine naturwissenschaftliche Frage mehr. Die Aussage des Vitalismus', daß in der lebenden Natur zielbewußte Kräfte am Werk sind, ist nie widerlegt worden und kann auch nicht widerlegt werden, weil solche Kräfte außerhalb des Verwaltungsbezirks der Naturwissenschaften liegen. WAHRSCHEINLICHKEIT: Jeder kann sich leicht davon überzeugen, daß beim Würfeln über eine große Anzahl von Würfen hin der Anteil der Sechs-Würfe 1/6 der Gesamtwürfe ist. Die Chance, eine Sechs zu werfen, ist 1 zu 6 . Das ist gleichbedeutend mit der Aussage: "Die Wahrscheinlichkeit, eine Sechs zu werfen, ist 1/6." Allgemein gilt als Definition der mathematischen Wahrscheinlichkeit W: y _ Anzahl der ausgewählten (günstigen) Ereignisse ~ Anzahl der insgesamt möglichen Ereignisse Ebenso ist die Entstehungswahrscheinlichkeit einer bestimmten Proteinkette mit 1000 Struktureinheiten l/201(-)(-)® =» 1/10^*00 t denn eine Kette mit einer ganz bestimmten Sequenz ist eine unter lon'uu ver_ schiedenen insgesamt möglichen Ketten (vgl. dazu Seite 205). Voraussetzung dafür, daß sich der gemäß der Definitionsgleichung berechnete Anteil an bestimmten Ereignissen (z. B. Sechs-Würfen) tatsächlich einstellt, ist der reine Zufallscharakter der Ereignisse. Wenn man z. B. einen Würfel mit willkürlich verschiebbarem Schwerpunkt konstruieren würde, könnte man das WUrfelergebnis willkürlich beeinflussen. Umgekehrt ist die Feststellung, daß sich unter 1000 Würfen fast genau 1/6 = 166,666 .. Sechsen befanden, ein Beweis für die Korrektheit des Würfels, also dafür, daß die Würfelereignisse nicht von außen willkürlich gelenkt waren, ein Beweis also für ihren Zufallscharakter. Dieser Beweis ist leicht zu führen bei Ereignissen, die so häufig stattfinden wie das Würfeln einer Sechs. Sehr viel schwieriger würde das schon beim Zahlenlotto sein, wo man sich des halb damit begnügen muß, den einwandfreien Zustand der Mischapparatur amtlich prüfen zu lassen, und völlig unmöglich ist der Nachweis des Zufallscharakters durch Überprüfung der Konstanz der mittleren Eintrittswahrscheinlichkeit bei Ereignissen mit Wahrscheinlichkeiten in der Größenordnung von 1/10^00 > ZHAB0TINSKII— Reaktion oder BEL0DS0V - Reaktion ist die durch Cer- Ionen katalysierte Oxydation von Malonsäure durch Bromat zu Ameisensäure und CO2 . Folgende Reaktionen laufen ab: (1) Br* + BrOj” + 2 H+ ► HBr02 + HOBr (2) HBr02 + BrOj* + 2 Ce+++ + 5 H+----»- 2 HBrOg + H20 + 2 Ce++++ (j) HBr02 + Br* + H+---►- 2 HOBr (4) HOBr + HOOC-CHg-COOH ----► HOOC-CH(Br)-COOH + H20 (5) HOOC-CH(Br)-COOH+4 Ce+++++ 2 H20—► 4 Ce++++ Br* + 5 H++ COOH + 2 C02 Das Oszillieren der Reaktion läßt sich qualitativ an Hand der Gleichungen (1) bis (5) leicht verfolgen: Durch Reaktion (1) wird Br verbraucht und HBr02 entsteht. Reaktion (2) sorgt autokatalytisch für ein rasches Ansteigen der HBrOg-Konzentration, mit der Folge, daß die Br -Konzentration gemäß Gl. (3j rasch gegen ein Minimum geht. Inzwischen ist durch das Ansteigen der HOBr-Konzentration gemäß Gl. (1) und (3) Reaktion (4) in Gang gekommen, die ihrerseits Reaktion (5) nachzieht, da durch Reaktion (2) eine hohe Ce++++-Konzentration entstanden ist. Durch Reaktion (5) aber entsteht Br , so daß der Cyclus gemäß Gl. (1) von vorn beginnen kann. Die sich selbst beschleunigende Reaktion (2) wirkt wie ein plötzlich sich öffnendes Wehr, das jeweils eine [HBr02]-Welle erzeugt und so die Einstellung eines stationären Zustandes verhindert und bei den Konzentrationen der anderen Reaktionspartner ebenfalls ein zeitliches Auf und Ab bewirkt. In Verbindung mit Diffusionsvorgängen entstehen durch die Oszillation der Konzentrationen räumliche Konzentrationsmaxima und -minima, die sich wellenförmig um ein Zentrum gruppieren. Einführende Literatur bei R. J. FIELD [123]. ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK siehe unter "Thermodynamik" ZYTOPLASMA: Das Innere einer lebenden Zelle enthält eine Reihe von größeren und kleineren Gebilden (Zellkern, Mitochondrien, Polysomen, endoplasmatisches Reticulum), die in eine gelartige wässrige Lösung von Proteinen, Salzen und Monomeren eingebettet sind. Dieses das Zellvolumen ausfüllende Gel (ohne Kern) wird als Zytoplasma (oder Cytoplasma) bezeichnet (vgl. dazu Abb. 168). 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SCHINDEWOLF: Grundfragen der Paläontologie, Verlag Schweizerbart, Stuttgart 1950 107 W.-E. LONNIG: Archaeopteryx, bei W.-E. LÖNNIG, 7000 Stuttgart 75, Schweitzerstr. 5 (1975) 108 P.L. DININGER, C.W. SCHMID: J. Molec. Biol. 127. 437 (1979) 109 P. KARLSON: Biochemie, Georg Thieme-Verlag Stuttgart 1974, Seite 274 und 221 ff. 110 C. BRESCH: Zwischenstufe Leben, Epilog, S. 296-299 R. Piper & Co., München 1977 (Mononen und Etis: S. 249 ff.) (Würfelvergleich: S. 213) 111 PLATON: Politeia VII, 514 a (2) - 517 a (7) In der Übersetzung von MARTIN HEIDEGGER in A. LÄPPLE: Der Weg des Denkens, Verlag Ludwig Auer/Cassianeum, Donauwörth 1965, Seite 83-87 112 THOMAS MANN: Der Zauberberg, 6. Kapitel (Veränderungen) 113 LEOPOLD ZIEGLER: Menschwerdung, Summa-Verlag, Olten 1948, Band H, Seite 311 114 ARISTOTELES: z. B. in der Übersetzung von P. GOHLKE, Ferdinand Schöningh-Verlag, Paderborn 1961 115 H.J. CAMPBELL: Der Irrtum mit der Seele, Scherz-Verlag, 1973 116 P. GLANSDORFF, I. 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Chem. Techn. Lab. 29/4, 230 (1981) 133 J. M0N0D: Vortrag bei CERN in Genf, 1964 SACHREGISTER Abbau-Enzyme, 126 ff., 159. 164 Ableseraster, 142 ff. -Verschiebung, 150 Acridine Mutation durch - , 198 Adenin, 129 Basenpaarung A-C, 129 Bestandteil d. DNS, 126 Adsorption, 255 (0) , 12 Aktivierungsenergie, 255 (G) - bei Translation, 155 Erniedrigung d. - d. Enzyme, 74 Allosterischer Effekt, 122 Aminosäuren, 256 (G) -Sequenz in Proteinen, 146ff. 152, 175, 199, 258, 245 ff. Ankoppelung an t-RNS, 146 ff. Bildung in der Dratmosphäre, 9 ff., 172 Die 20 - in Proteinen, 144 Formeln d. 20 - , 144 opt. Aktivität (Chiralität), 175 Polykondensation von - , 11, 14 ff., 172 ff. AMP = Adenosinmonophosphat, 256 (G) , 127, 146 Amylose, 125 Anabolisches Operon, 122 Anaphase-I - bei Meiosis, 140 X = Angström, 255 (C) Antibiotika, 200 Anticodon, 147 ff. Archaeopteryx, 204 Arten Entstehung neuer - , 29 ff. neue - , neue Gene, 19, 21 ff., 205 ff. Wahrscheinlichkeit d. Entst. neuer - , 29 Artspezifität, 256 (G) - u. DNS, 2, 126 Assoziation, 256 (G) , 255 ATP = Adenosintriphosphat, 256 (G) , 127, 151 Autoradiographie, 156 AVERY-Versuch, 141 Basenpaarung, 129 fehlerhafte - , 198 ff. Gleichgewicht bei - , 158 Basensequenz, 16 ff., 119, 126, 205 ff. alternierende - , 151 ff., 219 ff. -Änderung = Mutation, s. d. - u. gen. Information, 142 ff. Kopierung d. - durch Repl.,129ff. maximal mögl. Zahl d. - , 205 ff. Basentriplett, 145 ff. - bei Translation 146 ff. BELUSOV-ZHABOTINSKII-Reakt.,275(G),240 Bildungswahrscheinlichkeit - v. Makromol. in Drsuppen, 5 ff., 181 ff. - v. neuen Genen, 22 ff., 205 ff. - v. Proteinketten, 177 Birkenspanner, 28, 202, 211 Boten-RNS, 149 ff. BROWN1sehe Bewegung - = Wärmebewegung, 257 (G) , 54, 154 CHARGAFF, 126 ff. Basenpaarung gemäß Kompl. Regel, 129 Komplementaritätsregel, 126 Chemo-Evolution, 257 (G) , 9 ff., 181 ff. Chiasma, 140, 141 Chromatide, 158 -fäden, 141 Chromatographie, 257 (G) , 12 Chromosomen, 158, 140, 168 ff. -aberationen, 199 ff. homologe - , 140 -Modell 1 : 50 000 , 169 -mutationen, 199 ff- Die mit (G) gekennzeichneten Seitenzahlen beziehen sich auf das Glossar (S. 255 - 275) -paarung, 140, 170 Struktur, 171 Zusatz - , 199 ff- Chromosomenmutationen, 199 ff Code, genetischer, I, 142 ff. Aufklärung des - , 154 Degenerierung des - , 1 45, Universalität des - , 1 45 Codon = Basentriplett, 143 ff Anti-, 147 ff Coli-Bakterium DNS-Kette in - , 2 Enzyme in d. - , 175 Genkarte des - , 236 Genom d. - , 2 Gentechnologie mit - , 243 ff. Meselson- u. Stahl-Vers-, 135ff. Ringgenom v. - , 139 Zellwand, 176 Copolymerisation, 258 (G) , 59 ff-alternierende - , 61 ff. -sgleichung, 60 mittlere Sequenzlänge, 60 Sequenzlängenverteilung, 63 ff. Craokgase, 258 (G) , 13 Crossing over, 258 (G) , 138 ff. illegitimes - , 34 ff-, 200 ff., 221 ff. Cytoplasma, 151 - = Zytoplasma, 275 (G), 167 Cytosin, 129 DARWIN, Ch., I -s Irrtum, 35 ff. Degenerierung des Code, 145* 245 Deletion, 200 Denaturierung der DNS, 158 Desaktivierung - v. Enzymen, 121 ff. Desoxyribonuoleinsäure (DNS) Bildungswahrscheinlichkeit v. -22 ff. DNS-Transfer, 139 Elektronenmikr. Abb. v. - , 137 Entstehung in Drsuppen, 9 ff. Enzymatische in vitro - Synthese der - , 129 ff. erstmalige Synthese, 1 ff., 172 ff., 181 ff., 203 ff. Gegenläufigkeit der Stränge, 133 ff- historische Synthese d. - , 19 ff., 172 ff., 203 ff. Kettenspaltung d. - , 126 Kettenverlängerung bei Evolution, 19 ff. KORNBERG-Synthese der - , 129 ff. menschliche - , Länge, 168 ff. -Polymerase, 129 ff -, 16 3 ff-Primär-Struktur der - , 125 ff-Replikation, 1 ff., 129 ff-, 157 ff-"Schmelzpunkt", 158 Sekundärstruktur (Doppelhelix),128 Semikonservative Replikation, 129 ff., 157 ff. Struktureinheiten, 127 Synthese der - , 129 ff-, 157 ff. Template, 132 - als Träger genet. Information, 137 ff-, 141 Übertragung v. - bei Bakterien, 141, 199 ff- Wasserstoffbrücken, 129, 158 Desoxyribose, 127 Dextran, 124 Dichtegradientenmethode, 135 ff-Differenzierung, 235 ff. Diffusion - u. Formbildung, 230 ff. - v. Induktoren, 230 ff. Dinucleotid, 258 (G), 6 Diplotän, 140 Dispersion, 258 (G), 173 ff. Dissipative Muster, 240 ff. DNS s. Desoxyribonuoleinsäure DNS-Synthese alternierende - , 131, 219 ff. Ende der in vivo - , 165, 170 erstmalige - , 1 ff., 172 ff., 181 ff., 203 ff. Nuoleotid-Addition, 131 - ohne Matrize, 131, 219 ff. Replikationsrunde, 170 Rotation bei der - , 166 Start der - , 159 ff. Thermodynamik d. - , 157 ff. - als Vermehrungsvorgang 142 - in vitro, 129 ff. - in vivo, 160 ff. Doppelhelix, 127 ff. paranemische - , 161 Rotation der - , 161 Trennung in Einzelstränge durch Denaturierung, 158 b. d. Replikation, 1 JO ple'-ctonemische - , 127, 161 ,166 Effektor, 122 Einzelstrangbrüche, 164 ff. Embryonalentwicklung, 225 ff. Emulsionen, 258 (G), 173 s. a. Kolloidteilchen Enantiomorphie, 270 (G) s. optische Aktivität s. Spiegelbildisomerie Endonucleasen, 159» 164 Endoplasmatisches Retikulum, 151, 168 Entelechie, 258 (G), 227 Enthalpie, 55 Entropie, 271 (G) ff., 55 ff. Enzym, 259 (G), 2, 23, 24, 119 ff. , 213 Allosterischer Effekt, 122 Desaktivierung v. - ,121 ff. Eine Reaktion - ein Enzym, 213 Ein Gen - ein Enzym, 143 - der DNS-Synthese, 129 ff., 161, 163 ff. - der Proteinsynthese, 151 ff., 154 -folge, 26, 33, 213 -kette, 26, 33» 213 Kompetitive Hemmung, 122 Regulation v. - , 121 ff, Spezifität, 121, , 213 Tertiärstruktur v. - , i: Wirkungsweise d, , -, 121 Eobionten, 173 Episomen, 200 Erbinformation, I, 137 ff. Erde Masse = 6 • 10*' e , 189 Estergruppe, 259 (G), 4 ff. Evolution, I chemische - , 15 ff. Experimente zur - , 14, 189 ff. - ohne Selektion, 31 ff., 188 präbiotische - , 9 ff.» 15 ff.» 193 ff. -sstrategie, 31 ff. - in Drsuppen, 193 ff. - durch Virusinfektion, 203 Evolutionsstrategie, 31 ff. Exon, 150 Exonucleasen, 159 Festphasenpolykondensation, 117 Festphasensynthese - v. Oligonucleotiden, 247 ff. - v. Proteinen, 247 ff. Fettamine, 259 (G), 14 Formaldehydharze Harnstoff - , 99 ff. Melamin - , 101 ff. Formbildung - d. Assoziation v. Mol., 235 - d. Diffusionssteuerung, 231, 239 ff. - d. dissipative Muster, 240 ff. - d. Kristallisation, 235, 237 - d. Montage, 233 - d. Selbstmontage, 235 ff. Formgebung - durch Bauen, 233 - durch Gießen, 233 - durch Montage, 233 Formprinzip, 226 ff. Formwerdung, 225 ff. Steuerung d. - d. Diffusion, 230 ff., 239 ff. FOX-"Zellen", 173 ff. Funktionelle Gruppen, 260 (G), 4 Rolle b. d. Polykondensation, 6 ff. Gameten, 140 -tetrade, 140 Gen, 260 (G) Bildungsmechanismen neuer - , 218 ff. Bildungswahrscheinlichkeit, 22 ff., 205 ff. Cooperationsfähigkeit v. - , 24 ff. Definition, 2, 23, 143 - und Enzym, 143 ff. Folge von vielen - , 25 ff. - Kartierung, 139 ff. - Maschinen, 284 redundante - , 210, 215, 221 ff. - Synthese, 243 ff. Team work bei - , 31 ff. - Technologie, 243 ff. - Transfer, 139 - Überlappung, 143, 150 - Verdoppelung, 221 ff. wirkverschiedene - , 24 Generatio spontanea, 17 Genetische Information, 137 ff. DNS als Träger von - , 137 ff. Genetischer Code, 260 (G), 142 ff. Aufklärung, 154 Degenerierung, 145 Universalität, 145 Genkarte, 139 - d. rH - Region v. T4, 139 - d. T4 - Phagen, 236 Genkartierung, 139 Genom, 260 (G), 270 (G), 141 - d. T4-Phagen, 236 Gentechnologie, 243 ff. Glykogen, 124 Grenzflächenpolykondensation, 260 (G), 116 ff. - in Ursuppen, 14 Großmutation, 35 ff., 2o4 ff. Guanin, 129 Hämoglobin Tertiärstruktur, 120 Haploider Chromosomensatz, 140 Hauptsätze der Thermodynamik, 271 (G) ff. - b. Polykondensation, 54 ff« Helix, 260 (G), 42 - Knäuel - Übergang, 1 58 Faltung d. - , 120 Histone, 171 Hydroxylamin (HONHj) - als Mutagen, 198 Hypercyclen, 16, 180, 193 ff-, 196 Hypothesen, 224 ff. Hypoxanthin, 198 Illegitimes Crossing over, 261 (G), 200 ff., 221 ff. Kettenverlängerung durch - , 34 Induktor, 121 ff. Industriemelanismus, 201 Insulin, 243 Festphasensynthese v. - , 247 ff. Schaf - , Sequenz, 247 - Synthese, 243 ff-, 245 ff. - Synthese n. MERRIFIELD, 247 ff. - Synthese n. ZAHN, 247 Interkinese, 140 Interphase, 261 (G), 140 Intron, 150 Inversion - b. illeg. Crossing over, 200 Iterative Kettenverlängerung, 155, 158 Katabolisches Operon, 122 Katalysator, 261 (G) Bio - , 119 ff. Kautschuk Synthese d. Natur - s, 125 Keimzelle Entst. d. Meiot. Teil., 140 Mutation in - n, 199 Kettenabbau, 261 (G), 126, 166 - b.SPIEGELMAN-Versuch, 192 ff. Kettenlänge Einfl. d. Gleichgewichtskonst. auf d. - , 80 ff. Einfluß v. Gruppenverh. u. Umsatz, 78 ff. Einfl. v. monofunkt. Mbl. auf die - , 73 ff. - nverteilung, 89 ff. Einfl. v. Wasser auf d. - , 5 ff., 71 ff. Kettenstruktur Beweis für - , 53 - d. Makromoleküle, 41 ff- Ke ttenVerlängerung - v. DNS d. illeg. crossover, 34 ff., 221 ff. - v. DNS, Mechanismen, 218 ff. - v. DNS während der Evolution, 203 ff., 205 ff., 208 ff., 214 - b. Gentechnologie, 243 ff-, 244, 247 ff. iterative - , 155 - m. Ligase, 244 Mechanismen d. DNS - , 218 ff. - b. Polykondensation, 66 ff. - b. Polymerisation, 65 ff. - d. Umesterung, 72, 96 ff- - in Ursuppen d. Hypercyclus, 193 ff. Kevlar, 98 ff. Kleeblattstruktur, 146 ff. Koazervate, 261 (G), 173 Kolloidteilchen, 258 (G), 173 ff. 176 Kompetitive Hemmung, 121 Komplementär -e Basensequenz, 128 ff., 132 ff., 154 ff., 158 ff., 243 ff. - Moleküle, 262 (G), 129 - Strukturen, 129, 132 Konjugation, 139, 141, 201 Konstitution, 262 (G), 119 - sformeln v. Makromol.,43 ff• - = Primärstruktur v. DNS, 126 Koppelungsgruppen, 137 ff. KORNBERG-Enzym = DNS-Polymerase I, 129 ff., 164 ff. KORNBERG-Synthese, 129 ff. Krebs - als psychische Störung, 228 Kreuzungsversuche 137 ff. Kristallisation, 235 lineare - , 157 - Wachstum, 237 ff. KUHN-Modell, 180, 193 ff. Kunststoffe, 39 ff. Sekundärstruktur, 42 Strukturformeln, 43 ff. - Synthesen, 94 ff. WeltJahresproduktion, 40 Lac - Operon, 122 ff. Latex-Partikel, 258 (G) Gegensatz zu Zellen, 173 ff. s. a. Emulsionen Leben Entstehung d. Selbstorganisation 9 ff., 15 ff., 180, 193 ff., 196 Entwicklung d. - , 19 ff., 203 ff. geheimnisvolles - , 36 ff. , 242, 253 - aus dem Weltall, 18, 252 Leptotän, 140 Ligase, 164 ff., 244 - b. Gentechnologie, 244 Lyse, 200 Makromoleküle, 262 (G), I, 39 ff. Bedeutung u. Struktur, 39 ff. Bildungsweisen d. - , 4, 53 ff. Enzymatische Synthesen v. - , 119 ff. Naturstoffe, 41 Struktur, 42 Synthese d. Polykondensation, 66 ff. Synthese d. Polymerisation, 65 ff. Weltproduktion, 40 Matrizen-DNS, 129 ff-, 160 ff. Meiosis, 262 (G), 140 Meiotische Zellteilung, 262 (g), 140 Membran Zell - , 176 MENDEL, I - sehe Gesetze, 263 (G), 137 MERRIFIELD-Synthese, 247 ff. MESELSON und STAHL-Versuch, 135 ff. Messenger-RNS, 149 ff. Metaphase, 140 MILLER-Versuch, 9, 172 ff., 181 ff. Missing links, 30 Molekulargewicht, 263 (G), 80, 126, 166, 168 - u. Kettenlänge, 263 (G), 267 (G) MONOD - JAKOB - Mechanismus, 121 Monofunktionelle Gruppen, 1 Monomere Beispiele für - , 43 ff. Bifunktionelle - , 264 (G), 67 - typen, 68 ff. Montage - als Formbildung, 233 Selbst - , 2J5 ff. Murein, 176 Muster dissipative - , 240 ff. Konzentrations - , 259 Mutagene, 198 ff. Mutationen, 2 197 ff. Folgen von - , 201 „Groß 53 ff. sind stets Defekt - , 21, 28 - keine Basis f. Evolution, 16, 19, 52, 188, 205 ff. Kettenverlängerung durch - , 34 ff. - u. Polykondensation 21 ff., 252 positive - , 28 - Selektion, RECHENBERG-Si- mulation, 31 ff., 201 - Selektion in Ursuppen, 193 ff. Myoglobin Tertiärstruktur v. - , 120 Nachbarschaftshäufigkeiten bei KORNBERG-Synthese, 152 ff. Naturkautschuk Biosynthese d. - , 125 Naturwissenschaft Grenzen d. - , 57 Neodarwinismus, 264 (G) Irrtum des - , 188 nicks, 164 ff. Nitrosoguanidin - als Mutagen, 198 Nucleinsäuren s. unter DNS und RNS Nucleoside, 265 (G), 127 - mit seltenen Basen, 146 Nucleosidphosphorigsäureester, 248 Nucleotide, 126, 127, 129 - mit seltenen Basen, 146 - Sequenz, 16 ff., 119, 126, 129, 151, 205 ff., 245 ff. - Tripletts, 144, 148, 154 ff., 198 Nucleotidsequenz, 16 ff., 119, 126, 205 ff., 245 ff. - Änderung = Mutation, s. d. alternierende - , 151 ff., 219 ff. - u. gen. Inform., 142 ff. - Kopie d. Repl., 129 ff. maximal mögl. Zahl d. - , 205 ff. Nylon, 97 ff. OKAZAKI - Stücke, 164 Oligomere, 265 (G) DNS - , Codeaufklärung, 155 ff. Synthese v. - n. MERRIFIELD, 247 - in Ursuppen, 9 ff-, 181 ff., 185, 187, 189 ff. - als Zwischenstufe bei Gen- synthesen, 244 Oligonucleotide - b. d. Codeentzifferung, 155 ff. Synthese v. - ,189 ff-, 245 Verb. v. - m. Ligase, 244 - in Ursuppen, 9 ff., 181 ff., 185, 187 Ontogenese, 225 ff. Operon, 121 ff. Optische Aktivität, 175, 184 Ordnung, 56 ff. - in dissipat. Mustern, 141 ff. - u. Entropie, 55 ff. - u. Information, 142 ff. - in Kristallen, 241 ORGEL-Versuche, 191 Oxydative Kupplung, 108 Pachytän, 140 Paket-Modell, 180 Panspermie-Lehre, 18 Paramenische Doppelhelix, 161 Parasexuelle Prozesse, 141, 199, 203 Konjugation, 139, 199. 201 Transformation, 141 Permeation, 201 Perpetuum mobile, 10, 37 Phagen \ - Phage, 137 - Infektion, 199 ff., 203 RNS - , 145 T4-Phage, 139, 236 - als Versuchsobjekte, 242 16 ff., 181 ff. Hypercyclen-Modell, 16, 180, 193 ff., 196 Paket-Modell, 180 Poren-Modell, 180, 193 ff. Selektion, 16, 26, 211 ff. Beispiele für - , 201 - für Evolution nicht relevant, 31 ff., 188 Siebwirkung d. - , 26 Semikonservative Replikation, 129 ff. Ribose, 126, 127 Ribosomen, 151 RNS s. Ribonucleinsäure Saccharose, 124 Salpetrige Säure (HNOg) - als Mutagen, 198 Schnittserienrekonstruktion - n. BLECHSCHMIDT, 232 Seele, 227 Segregation (Aufteilung) - d. Erbguts, 137, HO Selektionsdruck, 193 Self-assembly, 235 ff. - des T4-Phagen, 237 Start d. - , 160 Thermodynamik d. - , 157 ff. Sephadex-Gel, 124 Sequenz, 270 (G), 16 ff., 119. 126, 205 ff. - Änderung = Mutation, s. d. alternierende - in DNS, 131 ff., 219 ff. - analyse, 269 (G) Anzahl d. mögl. DNS - en, 205 ff. artspezifische - , 249 - und Information, 142 ff. - Kopierung d. Replikation, 129 ff. Silicone, 113 ff. Silikatglas, 112 Sonnenmasse = 10^ g , 186 Spiegelbildisomerie, 270 (G), 173, 184 SPIEGELMAN-Versuch, 192 ff. Stapelkräfte, 157 ff. Statistisches Knäuel, 42 Stöchiometrie, 271 (G) Struktureinheit, 271 (G), 53 ff. = Kettenbestandteil = Kettenbauteil, 43 ff., 66 ff. Gene als - , 205 ff. - d. DNS, 126 ff. - v. Proteinen, 267 (G), 144 Synapsis, 140 Telophase, 140 Template, 132, 160 ff. = Schablone = Matrize Tertiärstruktur, 272 (G) - v. Enzymen, 120 - v. Proteinen, 120 - b. Translation, 153 - d. t-RNS, 147 Thermodynamik, 271 (G) ff. - d. DNS-Replikation, 157 ff. - d. Polymersynthesen, 54 ff. Thymin, 129 Tierklassen Entstehung neuer - , 29 Transcription, 149 ff. Transfer DNS - , 139 Gen - , 139 Transformation, 141 Translation, 151 ff. - sfaktoren, 154 Triplett, 260 (G), 265 (g), 1, 145 Trisomie 21, 199 ff.» 228 Tritium-Markierung, 136 Übergang großer - , 29 ff«, 204 ff. Wahrscheinlichkeit für - , 216 Überspiralisierung, 171 Übertragung - v. Genen (DNS-Stücken), 141, 199 Ultrazentrifuge, 135 ff. Umesterungsreaktion, 272 (G) - b. illegitim, crossover, 221 ff. - b. Polykond., 70, 71 ff., 96 ff. Universum Anzahl der Atome » 10 , 179 Masse = 10^° g, 186 Uracil, 145 - Formel, 129 Uratmosphäre, 272 (G), 172 Uridin = Uracilribose, 127» 129 Ursuppe, 273 (G), 9 ff., 172 ff. Chemische Evolution in - , 9 ff., 13 ff., 181 ff. Copolymere in - , 11, 185 Entstehung v. Makromol. in - , 9 ff. , 182 ff. MILLER- Versuch, 9 Trennung d. Komponenten, 12, 190 Vernetzung - bei Polykondensation, 74 ff. Viren DNS-Übertr. b. - Infekt., 145» 203, 242 Viscositätsgesetz, 249 Vitalismus, 275 (G), 227 Wachstum embryonales - , 225 ff. Ketten - d. DNS (histor.) 172 ff., 203 ff. Kristall - , 237 ff. - v. Polymerketten, 53 ff. - - b. Polykondensation 66 ff. - - b. Polymerisation, 65 ff. Wärmebewegung - d. Moleküle, 257 (G), 54 ff., 154 Wahrscheinlichkeit, 274 (G) mathemat. - , 274 (G), 254 thermodynamische - , 56 - d. Entst. v. Makromol. in Ursuppen, 3 ff., 181 ff. - d. Entst. v. Proteinketten, 177 - einer Genbildung, 22 ff. , 205 ff. - einer Genfolge, 25 ff., 208 ff. - und Ordnung, 56 WALLACE, A.R. , I Wasserstoffbrücken Einfl. auf d. Festigkeit der DNS, 158 WATSON-CRICK-Modell, 128 Alternativen zu - , 166 ff. Würfelvergleich, 26, 221 ff., 254 Zelle Anzahl - im Körper, 167 DNS in der - , 167 ff. Entstehung in Ursuppen, 15 ff. Höherentwicklung, 19 ff. meiotische Zellteilung, 140 Organellen, 168 Schnitt-Modell, 168 - Differenzierung, 225 ff. - Kern, 168 - Wand, 176 Zytoplasma, 275 (G) Zellkern DNS-Gehalt, 168 ff. Modell, 168 ZHABOTINSKII- Reaktion, 274 (G) ff., 240 Zufall, 181, 216 Kriterium f. - , 181, 254 - u. Notwendigkeit, 254 Zwischenstufen - in d. Evolution, 29 ff. , 204 Zytogän, 140 Zellteilung, 170 formorientierte - , 229 meiotische - , 140 Zellwand, 17 6 „POLYKONDENSATION“ wurde geschrieben für alle, die sich darüber informieren wollen, was man über die molekulare Basis des Lebens und seiner Entwicklung weiß und nicht weiß, um sich ein eigenes Urteil bilden zu können im Streit der Meinungen über das Für und Wider der Darwin-’schen Lehre, vor allem also für Lehrer und Schüler der gymnasialen Oberstufe, die in den Fächern Biologie, Chemie und Religion mit den Fragen der Lebensentstehung in Berührung kommen, darüberhinaus aber für alle, die mit Interesse die Diskussionen um diesen Fragenkomplex verfolgen. Leser, denen die Grundbegriffe der Naturwissenschaften weniger vertraut sind, finden die zum Verständnis des Textes unentbehrlichen Begriffe im Glossar (ab S. 255) erklärt. Professor Dr. rer. nat. Bruno Voll-I merl ist Ordinarius für Chemische jgr ...:■ Technik der Makromolekularen $1 Stoffe und Direktor dos Polymer-In- stituts der Universität Karlsruhe. Der *\ r'rv I gebürtige Westfale. Jahrgang 1920. besuchte das humanistische Gym-ISÄ &| nasium in Attendorn (Abitur 1939) und begann nach schwerer Verwun-düng im Kriegseinsatz sein Chemiestudium an der Universität Bonn. Diplom 1944 in Freiburg i. Br., Promotion 1946 T. Fl. Karlsruhe, Flabilitation 1950T. Fl. Karlsruhe. Anschließend 15 Jahre als Industrie-Chemiker bei BASF/Ludwigshafen, Rufe nach Berlin, Karlsruhe und Graz. Seit 1965 als o. Professor in Karlsruhe. Wissenschaftliche Tätigkeit: Erste Kontakte mit der makromolekularen Chemie bei Ff. STAUDINGER. Arbeiten über Polygalakturonsäure (Promotion, Flabilitation) bei F. A. FIENGLEIN, Arbeiten über Flochdrucksynthesen mit Kohlenoxyd und Aethylen bei W. REPPE. Ab 1953 Arbeiten über Synthesen makromolekularer Stoffe: Polystyrol, Polyacrylester, Vinylchlorid-Copolymerisate, Polyacrylnitril, Po-lyvinylaether, Polybutadien, Pfropfcopolymere, Polyester, Polyamide und Polyaether, die in zahlreichen Patenten und Publikationen ihren Niederschlag fanden. Arbeiten über Styrol-Acrylester-Acrylnitril-Pfropfcopolymere führten zur Entwicklung einer neuen Klasse von alterungsbeständigen, schlagfesten Kunststoffen (ASA-Polymere). In Karlsruhe folgten weitere Arbeiten über Polymersynthesen und -Reaktionen: Vernetzungsreaktionen, Filmbildung bei der Elektrotauchlackierung, Gaspermeation durch Polymer-Filme, Blockcopolymere, Mikrogele, makromolekulare Ringe und Catenane, sowie theoretische Untersuchungen über Gelstrukturen und Polymerlösungen. International bekannt wurde VOLLMERT besonders durch sein Lehrbuch: „Grundriß der Makromolekularen Chemie“, das zuerst 1962 bei Springer/Heidelberg erschienen, in mehrere fremde Sprachen, darunter auch Englisch und Chinesisch, übersetzt wurde und heute als eines der Standardwerke der makromolekularen Wissenschaft gilt. Neue deutsche Auflagen erschienen 1979, 1980 und 1982. ISBN 3-9800271-0-4