„Herzlichen Glückwunsch!“
Matthäus 5, 3-10
Predigt Andreas Symank
Freie Evangelische Gemeinde Zürich
Helvetiaplatz
Zürich, 19.10.2003
Glücklich zu
preisen sind die, die arm sind vor Gott,
denn ihnen gehört das Himmelreich.
Glücklich zu
preisen sind die, die trauern,
denn sie werden getröstet werden.
Glücklich zu
preisen sind die Sanftmütigen,
denn sie werden die Erde als Besitz erhalten.
Glücklich zu
preisen sind die, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten,
denn sie werden satt werden.
Glücklich zu
preisen sind die Barmherzigen,
denn sie werden Erbarmen finden.
Glücklich zu
preisen sind die, die ein reines Herz haben,
denn sie werden Gott sehen.
Glücklich zu
preisen sind die, die Frieden stiften,
denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
Glücklich zu
preisen sind die, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden,
denn ihnen gehört das Himmelreich.
Die heutige Predigt ist eine
Wunschpredigt; jemand unter uns hat sich eine Predigt über die sogenannten
Seligpreisungen aus der sogenannten Bergpredigt gewünscht. Wie ein Wunschkonzert
funktioniert, wissen wir alle vom Radio. Manchmal muss der Moderator dabei ein
Lied auflegen, das er persönlich nie gewählt hätte. Ein bisschen so geht es mir
heute – ich hätte diesen Text nie gewählt. Allerdings nicht, weil er mir nicht
gefallen würde, ganz im Gegenteil: Er ist viel zu gut, zu gut für mich, zu
anspruchsvoll, zu tief, er redet von „Dingen, die zu groß und zu wunderbar für
mich sind“, wie es David in einem Psalm einmal ausdrückt (Psalm 131,1). Diesen
Worten Jesu kann meine Predigt nicht mal im Ansatz gerecht werden; ich kann sie
nicht im entferntesten ausschöpfen, auch nicht, wenn ich doppelt- und dreimal
so viel Zeit zur Verfügung hätte. Es ist keine Frage der Quantität, sondern der
Qualität.
Dazu kommt, dass ich nicht
recht wusste, wie ich das Ganze anpacken sollte. Wenn ich über jede einzelne
Seligpreisung etwas sagen würde – es sind immerhin acht! –, wäre das wohl etwas
eintönig und daher ermüdend; alle acht sind schließlich ganz gleichförmig
aufgebaut. Statt dessen habe ich ein paar Gedanken zusammengestellt, die mir
beim Lesen und Nachdenken gekommen sind und die die Seligpreisungen insgesamt
betreffen. Und ich kann nur hoffen, dass die Predigt demjenigen, der sich
diesen Text gewünscht hat, wenigstens ein paar Anregungen gibt und ihn
einigermaßen zufrieden stellt – und vielleicht sogar nicht nur ihn, sondern
auch noch den einen oder anderen unter all denen, die jetzt (wie beim Wunschkonzert)
einfach zuhören müssen, ob der gewählte Text (und das, was ich darüber sage)
ihnen nun gefällt oder nicht.
„Selig“??
Beginnen möchte ich mit
einer kleinen sprachlichen Anmerkung. Man redet gewöhnlich von den
„Seligpreisungen“. Von der Lutherbibel her haben wir alle die Formulierung im
Ohr: „Selig sind, die geistlich arm sind. Selig sind … Selig sind …“ Zu Luthers
Zeiten mag das okay gewesen sein; heutzutage drückt „selig“ nicht unbedingt das
aus, was hier gesagt werden soll. Erstens mal verwenden wir dieses Wort heute
so gut wie gar nicht mehr. Und zweitens bedeutet es – wenn wir es doch einmal
gebrauchen – bei uns etwas anderes als das, was hier gemeint ist.
·
Im
christlich-frommen Jargon sprechen wir schon mal vom „Seligwerden“; wir meinen
damit, dass jemand durch Jesus Christus gerettet wird – die Sünden werden ihm
vergeben, und er bekommt das ewige Leben geschenkt. Aber diese Bedeutung passt
in den Seligpreisungen nicht richtig. „Gerettet wird, wer sanftmütig ist“??
„Gerettet wird, wer trauert“?? Das ginge dann wohl doch zu weit. Da wäre noch
mancher Christ, ohne es überhaupt zu wissen!
·
In
bestimmten Redewendungen bedeutet „selig“ so viel wie „verstorben“: „mein seliger
Herr Papa“. Aber das ist eher scherzhaft als ernsthaft gemeint, und sowieso: In
den Seligpreisungen läge man damit total daneben.
·
In
der Katholischen Kirche denkt man an Heilige, die vom Papst „selig gesprochen“
werden. (Genau heute z. B. wird Mutter Teresa aus Kalkutta selig gesprochen!)
·
Und wenn wir eine poetische Ader haben, sagen wir vielleicht: „Als das
Kind sein Geschenk auspackte, hat es selig gelächelt“ (es war zutiefst
beglückt).
Nichts von alledem trifft
hier zu.
·
Man
könnte vielleicht übersetzen: „Gesegnet sind die, die …“ Nur wird mit
„gesegnet“ meist ein anderes griechisches Wort wiedergegeben.
·
Manche
übersetzen mit: „Glücklich sind die, die …“ Aber auch das kommt nicht ganz hin.
Überlegen Sie mal: „Glücklich sind die, die trauern!“ Nein, wer trauert, ist
nicht glücklich; entweder man lacht oder man weint. Es geht nicht darum zu
beschreiben, wie sich jemand fühlt. ob er glücklich ist oder niedergeschlagen.
„Jemand ist glücklich“ – das ist eine subjektive Feststellung, eine Aussage
über die innere Befindlichkeit. Aber darüber redet Jesus hier nicht. Er macht
eine objektive Feststellung, er sagt, wie der Betreffende objektiv
einzuschätzen ist.
Jemand muss aus beruflichen
Gründen zum ersten Mal von zu Hause fort. Fort von seiner Familie, fort von
Spielkameraden und Schulfreunden, fort von der bezaubernden stillen Landschaft,
die ihm so ans Herz gewachsen ist. Wenn man diesen Abschied subjektiv betrachtet,
dann ist da ein Kloß im Hals und ein zentnerschwerer Stein auf dem Herzen. Aber
wenn man den Abschied objektiv angeht, muss man sagen: Mensch, du hast es gut.
Du kannst dich weiterbilden. Du lernst die Hauptstadt kennen. Du kommst in
Kontakt mit vielen interessanten Leuten. Dein Horizont wird weit, dein Leben
wird reich. Mag sein, dass du dich unglücklich fühlst. Aber eigentlich bist du
zu beneiden. Du kannst dich glücklich preisen. Herzlichen Glückwunsch!
Entsprechend haben wir den
Ausdruck denn auch in der Neuen Genfer Übersetzung wiedergegeben: „Glücklich zu
preisen sind die, die …“
Eine Predigt wie ein Hamburger
Mich haben, als ich über
diesen Text nachdachte, vor allem zwei Dinge beschäftigt: die Frage nach dem
Reich Gottes und die Sache mit dem Lohn. Wir machen es jetzt so, dass ich Ihnen
diese beiden Stichworte wie ein Sandwich serviere: zuerst das Reich Gottes,
zuletzt den Lohn, und dazwischen ein paar grundlegende Beobachtungen zu den
Seligpreisungen. Hoffentlich schmeckt Ihnen diese Mahlzeit!
Erstes Stichwort: Gottes Reich
Es gibt in diesen acht
Seligpreisungen einen Ausdruck, der zweimal vorkommt, und das ist kein Zufall –
es handelt sich um den Schlüsselbegriff dieser Verse, und nicht nur dieser Verse,
sondern der ganzen Bergpredigt, an deren Anfang die Seligpreisungen stehen, und
überhaupt der gesamten Verkündigung von Jesus Christus. Der Begriff steht in
der ersten und in der letzten Seligpreisung: „Himmelreich“ – oder, was dasselbe
ist, „Reich Gottes“. Die anderen Evangelien sprechen immer vom Reich Gottes,
und auch Matthäus verwendet diesen Ausdruck gelegentlich; aber meist sagt er:
„Himmelreich“. Er schreibt sein Evangelium nämlich für Juden, und die Juden
vermieden es aus lauter Ehrfurcht vor Gott so weit wie möglich, seinen Namen auszusprechen.
Deshalb hat er „Reich Gottes“ durch „Himmelreich“ ersetzt (oder andersherum:
Lukas hat „Himmelreich“ durch „Reich Gottes“ ersetzt, weil er für nichtjüdische
Leser schrieb). Gemeint ist natürlich beide Male dasselbe. Der Himmel steht für
den, der im Himmel regiert, Gott.
Ein Kapitel vor der
Bergpredigt, in Matthäus 4, wird uns berichtet, wie Jesus zum ersten Mal
auftrat. Es heißt dort in Vers 17:
„Von da an
begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“
Und ein paar Verse (Vers 23)
weiter lesen wir:
„Jesus zog durch ganz
Galiläa; er lehrte in den Synagogen und verkündete die Botschaft vom Reich
Gottes.“
„Reich Gottes“ – das war
offensichtlich die Quintessenz von dem, was Jesus lehrte, der Inhalt und die
Zusammenfassung seiner Verkündigung. Mitten in der Bergpredigt stehen die berühmten
Worte, die wahrscheinlich die meisten von uns auswendig können:
„Es soll euch zuerst um
Gottes Reich und Gottes Gerechtigkeit gehen, dann wird euch das Übrige alles
dazugegeben“ (oder, wie wir es von Luther her gewohnt sind: „Trachtet zuerst
nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit …“). (Matthäus 6,33)
Wenn wir an das Neue
Testament denken, fällt uns gewöhnlich eher das Stichwort Evangelium ein oder Gnade,
aber kaum Reich Gottes. Irgendwie
steht dieser Gedanke für uns eher am Rand. Aber haben Sie sich schon mal
folgendes klar gemacht? Jedes Mal, wenn wir von Jesus als dem Herrn reden oder
wenn wir im Gebet zu ihm sagen: „Herr Jesus!“, haben wir damit auch das Thema
von Gottes Reich angesprochen, ob wir dran denken oder nicht. „Jesus, der
Herr“, d. h. Jesus, der Herrscher, und zu einem Herrscher gehört ein Herrschaftsgebiet,
und das Herrschaftsgebiet von Jesus ist Gottes Reich.
Was ist das denn nun genau,
das Reich Gottes? Was muss man sich darunter vorstellen?
·
Denken
wir zum Vergleich an das Reich eines Menschen, z. B. das Reich von Alexander
dem Großen. Sein Reich – das waren sämtliche Länder und Gebiete, über die er
herrschte. Ein riesiges Reich, das vom Nil bis zum Indus reichte, von Ägypten
bis Indien.
·
Oder,
ein etwas weniger großes, aber nicht weniger bedeutsames Reich: Der Gastgeber
führt den Besuch stolz durchs ganze Haus. Vor der Küchentür bleibt er stehen
und erklärt: „Das ist das Reich meiner Frau. Hier ist sie unumschränkte
Herrscherin.“ (Ich glaube, in diesem Reich wäre die Frau manchmal gar nicht so
unglücklich, wenn sie die Herrschaft mit ihrem Mann teilen könnte!)
·
Oder,
nochmals eine andere Art von Herrschaftsgebiet: Das „Reich der Töne“.
Damit meint man die Musik, jenes
unsichtbare Land, in dem Töne den Ton angeben.
Genauso verhält es sich mit
dem Reich Gottes. Gottes Reich umfasst alle Gebiete, über die Gott regiert.
Nun, Gott ist allmächtig. Gott ist allgegenwärtig. Gott ist „der vollkommene
und alleinige Herrscher, der König über alle Könige und der Herr über alle
Herren“ (1. Timotheus 6,15). Wie groß ist dann also sein Reich? Es ist nicht
weniger als die ganze Erde, das ganze Universum, die sichtbare und die
unsichtbare Welt! Ein gigantisches Reich! In Jesaja 66,1 sagt Gott: „Der Himmel
ist mein Thron, und die Erde ist mein Fußschemel.“ Man muss sich das mal ganz
plastisch vorstellen, dann begreift man etwas von den wahren Größen- und
Machtverhältnissen.
Mosaik von Jesus als dem
Guten Hirten; Kloster Varensell, Westfalen
Aber da gibt es doch noch
einen anderen Machthaber, den „Herrscher dieser Welt“, wie Jesus ihn nennt
(Johannes 12,31; 14,30; 16,11), den Gegenspieler Gottes, den „Teufel“ oder den
„Satan“. Paulus sagt, dass dieser andere Herrscher in denen am Werk ist, die
nicht bereit sind, Gott zu gehorchen (Epheser 2,2). Es gibt folglich auch noch
ein zweites Reich, und dazu gehören alle, die von Gott nichts wissen wollen und
sich lieber von ihrer Eigensucht beherrschen lassen.
Wie ist das denn dann?
Werden diese Leute von Gott regiert
oder vom Satan? Gehören sie zu Gottes
Reich oder zum Reich des Teufels? Gegenfrage: Kennt Gott alle Menschen, oder kennt er nur die Christen? Unsere spontane Reaktion wäre: Klar kennt er alle
Menschen. Erstens ist Gott allwissend, und zweitens hat er sie ja alle gemacht
und sorgt für sie alle. Aber jetzt geben Sie mal acht: Am Ende der Bergpredigt
schildert Jesus, wie er einmal am Tag des Gerichts das Urteil über uns sprechen
wird. Da wird es, sagt er, Menschen geben, zu denen wird er sagen: „Geht weg
von mir! Ich habe euch nie gekannt!“ (Matthäus 7,23) Nie gekannt? Natürlich hat
Jesus sie gekannt. Aber ihnen war nie daran gelegen, Jesus näher kennenzulernen,
und sie gaben ihm nie die Gelegenheit, sie
näher kennenzulernen. Sie wollten nichts mit ihm zu tun haben, wollten keine
persönliche Beziehung zu ihm aufzubauen. Und deshalb hat Jesus sie in gewissem
Sinn nie gekannt.
So ähnlich ist das auch mit Gottes Herrschaft. Natürlich herrscht Gott
über alle Menschen. Aber in einem tieferen Sinn herrscht er nur über die, die
ihm gehören. Das Interessante ist nun: Wenn Jesus vom Reich Gottes spricht, tut
er das immer nur in diesem zweiten, eingeschränkten, tieferen Sinn. Reich
Gottes – das ist nicht einfach die ganze Welt. Reich Gottes – das ist nicht überall
dort, wo Menschen Gottes Macht zu spüren bekommen. Nein, Reich Gottes ist dort,
wo ein Mensch sich bewusst und vorbehaltlos unter Gottes Herrschaft stellt.
Reich Gottes ist dort, wo jemand Gott freiwillig über seine Gedanken, seine
Gefühle, seine Wünsche und seine Handlungen regieren lässt.
Jesus Christus – der Himmelreichsbürger par excellence
Gibt es denn solche
Menschen? Die Bibel sagt doch: „Alle haben gesündigt, und in ihrem Leben kommt
Gottes Herrlichkeit nicht mehr zum Ausdruck.“ (Römer 3,23) Gibt es in Gottes
Reich also keinen einzigen Untertan? Doch, es gibt einen, einen einzigen: Jesus
Christus. Hören Sie einmal, was Jesus von sich selbst gesagt hat!
·
„Wer
von euch kann behaupten, ich hätte je eine Sünde begangen?“ (Johannes 8,46)
·
„Es
geht mir nicht um meinen eigenen Willen, sondern um den Willen dessen, der mich
gesandt hat.“ (Johannes 5,30)
·
„Meine
Nahrung ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat.“ (Johannes
4,34)
·
„Nicht
wie ich will, sondern wie du willst.“ (Matthäus 26,39)
·
„Ich
handle nicht allein, sondern in Übereinstimmung mit dem, der mich gesandt hat,
dem Vater.“ (Johannes 8,16)
·
„Der
Sohn kann nichts von sich selbst aus tun; er tut nur, was er den Vater tun
sieht.“ (Johannes 5,19)
·
„Ich
tue nichts von mir selbst aus, sondern sage das, was mich der Vater gelehrt
hat.“ (Johannes 8,28)
·
„Was
ich sage, ist nicht mein Wort; ihr
hört das Wort des Vaters, der mich gesandt hat.“ (Johannes 14,24)
Vielleicht denken Sie jetzt:
Dieser Jesus war ja fremdbestimmt; der muss wie eine Marionette gewesen sein,
wie ferngesteuert. Ich würde sagen: Jesus war sehr klug. Er holte sich Rat und
Kraft bei dem, der Rat und Kraft im Überfluss hat. Wenn ich mit dem Auto zum
ersten Mal nach Zürich reinfahre und den Hauptbahnhof suche, wie mach ich das
am besten? Ich werde mich hüten, nach Wegweisern Ausschau zu halten! Sobald ein
Schild auftaucht, blicke ich bewusst zu Boden. Schließlich will ich mich nicht
von anderen beeinflussen lassen. Meinen Weg suche ich mir noch immer selbst
(und es ist mir egal, ob ich mich dabei gehörig verfahre). Möglichst eigenständig, lautet meine Devise.
Ganz schön blöd, denken die Leute. Wo er doch so einfach von Wissen und
Erfahrung anderer profitieren könnte!
Nun, Jesus ließ sich
tatsächlich von niemand beeinflussen – außer von einem einzigen, von Gott. Und
deshalb war in der Person von Jesus das Reich Gottes sozusagen vollkommene
Wirklichkeit geworden. In seiner Person hatte Gott jemand, bei dem er seine
gute Herrschaft in perfekter Weise verwirklichen konnte.
In Lukas 17,20.21 wird uns
von einer ziemlich ungewöhnlichen Aussage Jesu berichtet. Die Pharisäer fragten
ihn, wann das Reich Gottes kommt. Darauf gab Jesus ihnen zur Antwort:
„Das Reich Gottes kommt
nicht so, dass man es an äußeren Anzeichen erkennen kann. Man wird auch nicht
sagen können: Seht, hier ist es! oder: Es ist dort! Nein, das Reich Gottes ist
mitten unter euch.“
Das Reich Gottes war mitten
unter ihnen! Wo war es denn? Es stand vor ihnen in der Person von Jesus
Christus! Wo er war, war Reich Gottes. Wo er wirkte, breitete sich Reich Gottes
aus. Wer sich ihm anschloss und sich wie er ganz der Herrschaft Gottes
unterstellte, wurde Mitglied des Reiches Gottes.
Darf ich an der Stelle
nochmals mit aller Deutlichkeit sagen: Zugang zu diesem Reich bekommt nur der,
der sich Jesus Christus anschließt. „Wenn jemand nicht von neuem geboren wird,
kann er nicht ins Reich Gottes hineinkommen.“ Das hat Jesus selbst gesagt, in
der berühmten Diskussion mit Nikodemus (Johannes 3,3.5) Von neuem geboren wird
man, wenn man sich von Jesus neues Leben, ewiges Leben schenken lässt. Gottes
Reich ist nur dort, wo Menschen ihr Leben Jesus Christus öffnen und sich auf
eine persönliche Beziehung mit ihm einlassen.
Aus eins mach viele
Jesus hat immer wieder
Bildergeschichten erzählt, um seinen Zuhörern zu erklären, wie es zugeht, wenn
Gott regiert. In Matthäus 13,31,32 steht folgendes Gleichnis:
„Mit dem Himmelreich ist es
wie einem Senfkorn, das ein Mann auf sein Feld sät. Es ist zwar das kleinste
aller Samenkörner. Aber was daraus wächst, ist größer als alle anderen
Gartenpflanzen. Ein Baum wird daraus, auf dem die Vögel sich niederlassen und
in dessen Zweigen sie nisten.“
Kleinste Anfänge und am Ende
riesige Ausmaße!
·
Am
Beginn des Reiches Gottes steht Jesus. „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe!“
„Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Das war, als Jesus auf der Erde
lebte.
·
Und
was geschah seither? Menschen kehrten um, schlossen sich Jesus an,
unterstellten sich Gottes Herrschaft. Aus ihnen baute Jesus eine neue
Gemeinschaft auf, seine Gemeinde. Das Reich Gottes ist gewachsen. Überall, wo
Christen sind, herrscht Gott;
überall, wo Gemeinde ist, ist Reich Gottes. So ist es gegenwärtig, zwischen
Jesu Auferstehung und Himmelfahrt und seiner Wiederkunft.
·
Und
dann? Wenn Jesus wiederkommt und einen neuen Himmel und eine neue Erde
errichtet, wird sein Reich endgültig ein universales Reich sein (1. Korinther
15,24-28). Dann werden alle Menschen und überhaupt alle Geschöpfe anerkennen,
dass Gott der Herr ist. „Vor Jesus werden sich einmal alle auf die Knie werfen,
alle, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind. Alle werden
anerkennen, dass Jesus Christus der Herr ist, und werden damit Gott, dem Vater,
die Ehre geben.“ (Philipper 2,10.11)
(Das bedeutet allerdings
nicht, dass alle dann Christen sind. Zum Christwerden gehört die Entscheidung;
zum Christsein gehört das Vertrauen, das Glauben ohne Schauen. Solange es noch
verschiedene Herrscher und verschiedene Reiche gibt, muss man sich entscheiden,
wem man dienen will. Aber am Ende der Zeit gibt es das Reich des Teufels nichts
mehr, es gibt nur noch Gottes Reich. Der Herr dieser Welt hat abgedankt; er
wurde von seinem Thron gestürzt. Niemand wird dann mehr überlegen müssen, zu
wem er halten soll – es gibt nur noch den einen Gott und den einen Herrn. Eine
Entscheidung für Gott und gegen die Götter, wie sie für den Glauben und die
Rettung grundlegend ist, ist dann hinfällig geworden.)
Niedergang und Aufschwung – die zwei Seiten einer Medaille
Kommen wir nochmals auf das
Hier und Heute zurück. Gegenwärtig gibt es nicht nur Gottes Reich, sondern
gleichzeitig auch das Reich von Gottes Gegenspieler, dem Satan. Die beiden
Reiche überschneiden sich.
·
Als
Jesus auf die Erde kam, war die Herrschaft des Teufels in vollem Gang, und sie
wird in Gang bleiben, bis Jesus auf die Erde zurückkehrt.
·
Als
Jesus auf die Erde kam, war das der Startschuss für den Aufbau von Gottes
Reich, und dieses Reich wächst und wächst, bis es bei Jesu Wiederkunft seine
volle Größe erreicht und vom Reich des Gegners nichts mehr übrig bleibt.
Christen sind also so etwas
wie Wanderer zwischen zwei Welten. Sie gehören bereits zu Gottes neuer, ewiger
Welt, aber sie leben noch in dieser alten, vergänglichen Welt. Sie gehören
bereits zu Gottes Reich, aber sie leben noch im Reich des Teufels. Sie sind,
wie Jesus einmal sehr prägnant gesagt hat, „in
der Welt, aber nicht von der Welt.“
(Johannes 17,11.14-18) Genau diese Spannung ist an den Seligpreisungen
abzulesen.
Gottes Reich ist anders
Denn jetzt muss noch etwas
über Gottes Reich gesagt werden, etwas Grundlegendes: Gottes Reich ist völlig
anders als alle irdischen Reiche. Jesus hat es selbst gesagt:
„Mein Reich
ist nicht von dieser Welt.“ (Johannes 18,36)
Gott hat andere Wertmaßstäbe
als wir. Gott geht anders vor als wir. Überlegen Sie mal, wie die Liste der
Seligpreisungen bei uns aussehen
würde – wenn es nicht heißen würde: „… denn ihnen gehört das Himmelreich“, sondern: „… denn ihnen
gehört die Welt“! Wen würden wir beglückwünschen? Die Reichen
natürlich, die Starken, die Gesunden, die Schönen, die Klugen, die Gebildeten,
die Angesehenen, die Selbstbewussten; ihnen gehört die Welt. Die Kämpfer für
ihr eigenes Recht, die Rücksichtslosen, die Ellenbogeneinsetzer, die Gewissenlosen,
die Skrupellosen, die Ohne-mit-der-Wimper-zu-zucken-Lügner, die
Nur-die-eigene-Meinung-Geltenlasser, die Alle-anderen-zum-Verstummen-Bringer.
Das sind die Typen, die in unserer Welt Karriere machen. Das sind die
Eigenschaften, die heimlich oder offen beklatscht werden.
Und Jesus? Wem gratuliert Jesus?
- Denen, die vor ihm wie Bettler dastehen, die „arm sind vor Gott“;
- denen, die traurig sind über das Leid in der Welt, über eigene und fremde
Sünde;
- den Sanftmütigen;
- denen, die sich wie ein Verhungernder oder Verdurstender danach sehnen, dass
es in dieser
Welt gerecht und richtig zugeht;
- den Barmherzigen;
- denen, die ein reines Herz haben;
- den Friedensstiftern;
- denen, die um Jesu willen beschimpft und verfolgt werden.
Tja, das ist wirklich eine
komplett andere Liste. Ich glaube, keiner von uns käme auf die Idee, solchen
Menschen „Herzlichen Glückwunsch!“ zuzurufen. Aber wissen Sie, was ich auch
glaube? Dass jeder von uns tief in seinem Innersten Jesus Recht gibt. Tief in uns
klingt hier eine Saite an, die uns sehnsüchtig macht: Ja, so müsste es unter
uns Menschen zugehen, dann sähe die Welt anders aus. Dann gäbe es Sanftmut
statt Gewalt, Erbarmen statt Egoismus, Selbstlosigkeit statt Selbstbehauptung,
Recht statt Unrecht, Reinheit statt Schmutz, Hingabe statt Treulosigkeit.
Und gleichzeitig ermutigt
Jesus damit alle, die sich um solche Eigenschaften bemühen und die versuchen,
sich so zu verhalten. „Herzlichen Glückwunsch!“ ruft er ihnen zu. Was ihr tut,
ist nicht umsonst. Haltet durch, auch wenn die Strömung euch manchmal mit sich
fortzureißen droht! Haltet euch nur zu mir; ich bin auch diesen Weg gegangen,
und ich statte euch mit allem aus, was ihr dazu braucht: Vergebung, neues
Leben, Mut, Klugheit, Kraft, Hoffnung und vor allem Liebe. „Glücklich zu
preisen sind die, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.“
So, das war’s, was ich Ihnen
zum Thema „Reich Gottes“ sagen wollte. Vielleicht haben Sie ab und zu gedacht:
Hat der Herr Symank sich nicht komplett verfahren? Was hat das alles noch mit
den Seligpreisungen zu tun? Aber spätestens jetzt ist deutlich geworden: Wir
befinden uns auf Kurs. In den Seligpreisungen geht es um nichts anderes als um
Gottes Reich. In der ersten Seligpreisung spricht Jesus davon, und in der
letzten Seligpreisung spricht Jesus davon. Mit diesem Kunstgriff macht er klar:
Alles, was dazwischen steht, handelt ebenfalls vom Reich Gottes.
Drei kleine Beobachtungen
Bevor wir uns noch das
andere Stichwort ansehen, den Lohn, möchte ich Sie daran erinnern, dass wir
dabei sind, ein Sandwich zu essen: Wir schieben – wie beim Hamburger – etwas
zwischen die beiden Brötchenhälften, drei kleine, aber grundlegende
Beobachtungen zu den Seligpreisungen.
Haben Sie beachtet, wie die
Seligpreisungen aufgebaut sind? Achtmal lobt Jesus ein bestimmtes Verhalten.
Das ist der erste Teil jeder Seligpreisung. Und achtmal zeigt er, wie Gott
dieses Verhalten belohnt. Das ist der zweite Teil jeder Seligpreisung.
(a) Die Schlusssätze: So wird es im Himmel sein!
Die acht zweiten Teile
beschreiben, wie wunderbar es im Reich Gottes zugeht: Im Reich Gottes werden
wir getröstet. „Gott wird alle Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben,
kein Leid und keine Schmerzen.“ (Offenbarung 21, 4) Im Reich Gottes wird die ganze
Erde uns gehören, und wir werden mit Gott zusammen über sie regieren und große,
verantwortungsvolle Aufgaben haben. Im Reich Gottes wird all unser Hunger
gestillt sein, der Hunger nach Gerechtigkeit, der Hunger nach Liebe, der Hunger
nach Reinheit. Im Reich Gottes gibt es keine Unbarmherzigkeit mehr, keinen
Hass, keine Gleichgültigkeit. Im Reich Gottes werden wir eine so tiefe und
umfassende Verbindung mit Gott haben, wie wir sie uns jetzt nicht mal erträumen
können. Wir werden Gott sehen und mit Gott sprechen! Im Reich Gottes wird
Frieden herrschen, weil die Bürger dieses Reiches Gottes Söhne und Töchter
sind; Gottes Charakter ist ihr Charakter geworden. Durch die acht Schlusssätze
entsteht mit wenigen Pinselstrichen ein großartiges Bild vom Reich Gottes.
Vieles von dem, was da beschrieben wird, beginnt bereits hier und heute. Aber
in vollem Umfang wird es erst Wirklichkeit, wenn Jesus wiederkommt.
(b) „arm vor Gott“: der Schlüssel zum Himmelreich
Die acht ersten Teile
beschreiben, wer sich für Gottes Reich eignet. Der einleitende allererste Satz
ist wie ein Türöffner. Wer „arm ist vor Gott“, dem schließt Jesus das Portal
zum Reich Gottes auf. „Arm vor Gott“ – damit sind natürlich nicht einfach die
Armen dieser Welt gemeint (obwohl sich Jesus um sie besonders gekümmert hat).
„Arm vor Gott“ bezeichnet den Menschen, der begriffen hat, dass er sich das
Himmelreich mit nichts verdienen kann und der daher alles von Gott erwartet.
Jesus hat mal eine Geschichte erzählt, die das besser als tausend Worte
veranschaulicht.
Zwei Männer gingen zum
Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer und der andere ein
Zolleinnehmer. Der Pharisäer stellte sich selbstbewusst hin und betete: „Ich
danke dir, Gott, dass ich nicht so bin wie die übrigen Menschen – ich bin kein
Räuber, kein Betrüger und kein Ehebrecher, und ich bin auch nicht wie jener
Zolleinnehmer dort. Ich faste zwei Tage in der Woche und gebe den Zehnten von
allen meinen Einkünften.“ Der Zolleinnehmer dagegen blieb in weitem Abstand
stehen und wagte nicht einmal, aufzublicken. Er schlug sich an die Brust und
sagte: „Gott, vergib mir sündigem Menschen meine Schuld!“ (Lukas 18,10-13)
Der Pharisäer ist – wie sein
Name schon sagt – ein Pharisäer. Er trägt die Nase hoch; er hält große Stücke
auf sich und seine frommen Leistungen; er ist sich absolut sicher, dass ihm der
Himmel offen steht. Mit einem Wort: Er ist „reich vor Gott“. Zumindest kommt er
sich reich vor (Offenbarung 3,17!). Der Zolleinnehmer ist das genaue Gegenteil.
Er versucht gar nicht erst, sein Unvermögen und seine Hilflosigkeit mit
irgendwelchen frommen Worten zu kaschieren, sondern streckt Gott offen und
ehrlich das einzige hin, was er hat: seine leeren Hände. „Vergib mir sündigem
Menschen meine Schuld!“ Der Zolleinnehmer ist „arm vor Gott.“
Die Geschichte ist noch
nicht ganz zu Ende; das i-Tüpfelchen fehlt noch.
„Ich sage euch“, fährt Jesus
fort, „der Zolleinnehmer war in Gottes Augen gerechtfertigt, als er nach Hause
ging, der Pharisäer jedoch nicht.“ (Lukas 18,14)
Der Pharisäer hatte keinen
Hunger und keinen Durst nach Gerechtigkeit; er war bereits satt, er war bereits
reich. Also gut, sagt Jesus, dann hast du ja schon alles, was du willst. Du
kannst gehen. Der Zolleinnehmer hingegen klopft an die Tür; er weiß, dass er
sich nicht selbst helfen kann, und er sucht die Hilfe bei Jesus. Sehr gut, sagt
Jesus, dir mache ich gern auf. Herzlich willkommen im Reich Gottes! „Glücklich
zu preisen sind die, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.“
(b) Die Kandidaten des Himmelreichs: keine wehleidigen Softies
Auf den ersten Blick bietet diese Beschreibung der
Himmelreichs-Kandidaten nicht gerade eine sehr begehrenswerte Palette von
Eigenschaften: arm, traurig, hungrig und durstig, friedlich und sanftmütig,
leidend und verfolgt! Hier scheinen sich alle klassischen Vorurteile gegenüber
Christen zu bestätigen: Christen sind armselige Schlucker, wehleidige
Softietypen, Duckmäuser, schüchtern und ängstlich, verzagt, verhuscht, sich
ständig für ihr bloßes Dasein entschuldigend. Hat Jesus so etwas propagiert?
Ist er selber so aufgetreten? Das genaue Gegenteil ist der Fall. Wenn jemand
stark war, dann er. Wenn jemand wütend werden konnte, dann er. Wenn jemand
selbstbewusst war, dann er.
·
„Glücklich zu preisen sind
die Sanftmütigen …“ Ja, Jesus war sanftmütig. „Lernt von mir, denn ich bin
sanftmütig und von Herzen demütig“, hat er einmal gesagt (Matthäus 11,29). Aber
das war nicht die Sanftmut des Ohnmächtigen, der weiß, dass er sowieso
unterliegt und deshalb lieber gleich klein beigibt. Das war nicht die Sanftmut
des Ahnungs- und Ideenlosen, der keine eigene Meinung hat und deshalb lieber
still in seiner Ecke hocken bleibt, statt sich am Streitgespräch zu beteiligen.
Jesus landete nicht am Kreuz, weil er sich nicht wehren konnte, sondern weil er sich nicht wehren wollte. Wie er im Garten Getsemane von den jüdischen Gegnern
gefangen genommen wird und Petrus das Schwert zieht, um ihm beizustehen, sagt
er zu ihm: „Steck dein Schwert zurück! Denn alle, die zum Schwert greifen,
werden durchs Schwert umkommen. Oder glaubst du nicht, dass ich meinen Vater um
Hilfe bitten könnte und dass er mir sofort mehr als zwölf Legionen Engel zur
Seite stellen würde?“ (Matthäus 26,52.53) Und wie er dann vor dem römischen
Gouverneur Pilatus steht, der das Todesurteil fällen wird, sagt er: „Das Reich,
dessen König ich bin, ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser
Welt, dann hätten meine Diener für mich gekämpft, damit ich nicht den Juden in
die Hände falle.“ (Johannes 18,36) Jesus ist nicht aus Schwäche gekreuzigt
worden. Er wollte diesen Weg gehen,
und dazu brauchte es übermenschlichen Mut und übermenschliche Kraft. Die
Sanftmütigen des Reiches Gottes sind aus Stärke sanftmütig, nicht aus Schwäche.
·
Genauso sind z. B. die Friedensstifter nicht einfach friedliche und
stille Leute, die ein zurückgezogenes Leben führen und keiner Fliege was zuleide
tun. Wer Frieden stiften will, kann sich nicht aus allem Streit raushalten, er
muss eingreifen, er muss die Streithähne trennen, er muss zurechtweisen und
zurechthelfen.
·
Genauso ist es auch, wenn Jesus sagt: „Glücklich zu preisen sind die
Barmherzigen,“ Barmherzigkeit ist nicht nur eine Eigenschaft; Barmherzigkeit
ist entschlossenes Handeln. Der barmherzige Samariter ist nicht deshalb ein
Vorbild, weil er so barmherzig von seinen Mitmen-schen dachte, sondern weil er anpackte, wo einer in Not
war, weil er sein eigenes Leben riskierte, um dem zu helfen, der ausgeplündert
und halbtot am Wegrand lag, weil er seinen Wein und sein Öl, sein Maultier,
sein Geld und seine Zeit investierte, um dem erbarmungswürdigen Opfer etwas
Gutes zu tun.
Zweites Stichwort: Die Belohnung
Sie merken: Wir nähern uns
dem Ende der Mahlzeit; nicht mehr lange, dann ist das Sandwich aufgegessen.
„Herzlichen Glückwunsch!“
sagt Jesus. „Es ist nicht umsonst, wenn du trauerst, wenn du barmherzig bist,
wenn du Frieden stiftest. Gott wird dich dafür belohnen!“ In den Seligpreisungen
geht es um Lohn. Gleich anschließend, in den Versen 11 und 12, spricht Jesus ausdrücklich
davon:
„Glücklich zu preisen seid
ihr, wenn man euch um meinetwillen beschimpft und verfolgt und euch zu Unrecht
die schlimmsten Dinge nachsagt. Freut euch und jubelt! Denn im Himmel wartet
eine große Belohnung auf euch.“
Das ganze Neue Testament ist
voll von diesem Gedanken.
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Im
ersten Korintherbrief gebraucht Paulus das Bild vom sportlichen Wettkampf und
fordert die Christen auf: „Lauf so, dass ihr den Preis bekommt!“ (1. Korinther
9,24)
·
Im
Philipperbrief schreibt er von sich selbst: „Ich laufe mit ganzer Kraft dem
Ziel entgegen, um den Siegespreis zu bekommen.“ (Philipper 3,14)
·
Und
am Ende seines Lebens sagt er: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe das
Ziel des Laufes erreicht, ich habe am Glauben festgehalten. Nun liegt der Siegeskranz
für mich bereit, die Gerechtigkeit, die der Herr, der gerechte Richter, mir an
jenem großen Tag geben wird – und nicht nur mir, sondern auch allen anderen,
die ihn lieben und auf seine Kommen warten.“ (2. Timotheus 4,7.8).
·
Jesus
selbst sagt im letzten Kapitel des letzten Buches der Bibel: „Ja, ich komme
bald und bringe jedem den Lohn mit, den er für sein Tun verdient hat.“
(Offenbarung 22,12)
Lohn ist nicht gleich Lohn
Manche Christen haben es
nicht gern, wenn man von Belohnung redet. Das ist doch irgendwie unmoralisch,
denken sie. Erstens sollte man Gott freiwillig dienen und nicht nur gegen
Bezahlung. Und zweitens ist es doch reine Gnade, dass wir gerettet werden. Wir
können uns den Himmel doch nicht verdienen!
Wissen Sie, was ich glaube? Es gibt verschiedene Sorten Lohn. Es gibt
Lohn, der ist gerechtfertigt, und Lohn, der ist nicht gerechtfertigt. Ich will
versuchen, den Unterschied an einem nicht-religiösen Beispiel klarzumachen.
Ein Mann lernt eine
wohlhabende Frau kennen. Ihr Reichtum sticht ihm ins Auge, und er beschließt,
sich auf ihre Kosten ein angenehmes Leben zu machen. Er schar-wenzelt vor ihr
auf und ab, er macht ihr schöne Augen, und schließlich gibt sie seinem Werben
nach und willigt ein, ihn zu heiraten. Er hat genau kalkuliert, und die
Rechnung ist aufgegangen. Er hat den Lohn, den er haben wollte. Nicht weniger,
aber auch nicht mehr. Das, was die Ehe wirklich schön macht – die Liebe, die
Treue, die Hingabe –, wird er nie erleben. Er hat das Geld der Frau gewonnen,
aber nicht ihr Herz. Das Guthaben wird schrumpfen, und eines Tages steht er wieder
mit leeren Taschen da. Hätte er nicht das Geld geliebt, sondern die Frau, dann
hätte er jetzt ein Guthaben, das ständig anwächst, einen Lohn, der im wahrsten
Sinn des Wortes unberechenbar ist, eine Quelle des Reichtums, die immerzu und
immer stärker sprudelt.
Ein anderes Beispiel,
diesmal ein religiöses. Ein paar Verse weiter in der Bergpredigt sagt Jesus:
„Hütet euch, eure Frömmigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen! Sonst habt
ihr von eurem Vater im Himmel keinen Lohn mehr zu erwarten.“ (Matthäus 6,1).
Jesus macht auch gleich drei praktische Anwendungen.
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Die
erste Anwendung betrifft das Spenden von
Geld: „Wenn du zum Beispiel den Armen etwas gibst, lass es nicht vor dir her
mit Posaunen ankündigen, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den
Gassen tun, um von den Leuten geehrt zu werden. Ich sage euch: Sie haben ihren
Lohn damit schon erhalten. Wenn du den
Armen etwas gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut. Was
du gibst, soll verborgen bleiben. Dann wird dein Vater, der ins Verborgene
sieht, dich belohnen.“ (Matthäus 6,2-4).
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Die
zweite Anwendung betrifft das Beten:
„Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler, die sich zum Gebet gern in
die Synagogen und an die Straßenecken stellen, um von den Leuten gesehen zu
werden. Ich sage euch: Sie haben ihren Lohn damit schon erhalten. Wenn du beten willst, geh in dein Zimmer,
schließ die Tür, und dann bete zu deinem Vater, der auch im Verborgenen
gegenwärtig ist; und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird dich belohnen.“
(Matthäus 6,5.6)
·
Die
dritte Anwendung betrifft das Fasten:
„Wenn ihr fastet, setzt keine Leidensmiene auf wie die Heuchler. Sie vernachlässigen
ihr Aussehen, damit die Leute ihnen ansehen, dass sie fasten. Ich sage euch:
Sie haben ihren Lohn damit schon erhalten. Wenn du fastest, pflege dein Haar und wasche dir das Gesicht wie sonst
auch, damit die Leute dir nicht ansehen, dass du fastest; nur dein Vater, der
auch im Verborgenen gegenwärtig ist, soll es wissen. Dann wird dein Vater, der
ins Verborgene sieht, dich belohnen.“ (Matthäus 6,16-18)
Sie sehen: Mit der Liebe zu
Gott ist es wie mit der Liebe zu einer Frau. Bei beidem kann man so tun als ob;
bei beidem kann man tief in seinem Inneren ganz andere Absichten verfolgen. Wer
auf einen bestimmten Lohn aus ist, der bekommt diesen Lohn. Der Mitgiftjäger bekommt
die Mitgift – und damit hat sich’s. Der fromme Heuchler bekommt die Anerkennung
der Leute – und das war’s dann auch. Der wahre Lohn einer tiefen Gemeinschaft
mit dem Partner und der wahre Lohn einer tiefen Gemeinschaft mit Gott wird ihm
nie ausgezahlt werden. „Ich sage euch: Sie haben ihren Lohn damit schon
erhalten.“ Aber wer darauf aus ist, mit Gott eine echte Beziehung aufzubauen,
dem erwächst aus dieser Beziehung der größte denkbare Gewinn. Gott selbst ist
letztlich unser Lohn (1. Mose 15,1).
Was „Belohnung“ bedeutet
Wenn Jesus von Belohnung
spricht, macht er drei Dinge klar, mindestens drei:
(a) Es gibt einen Zusammenhang zwischen unserem Verhalten und Gottes Verhalten.
Es stimmt, Gottes Gnade können wir uns nicht verdienen; sie wird uns
einfach geschenkt. Aber unverdient heißt nicht willkürlich. Gott verteilt seine
Gnade nicht nach dem Gießkannenprinzip (so dass alle unterschiedslos etwas
davon abbekommen) und auch nicht mit Hilfe des Zufallsgenerators (mal trifft es
den, mal trifft es den). Nein, Gott gibt seine Gnade dem, der mit leeren Händen
zu ihm kommt (und der nicht den Versuch macht, sie woanders zu füllen). Gott
gibt sie dem, der seine geistliche Armut vor ihm eingesteht. Insofern ist das Geschenk
der Gnade eben doch auch eine Belohnung. Gott lässt sie nicht den erfahren, der
ihm davonläuft, sondern den, der sich unter sein Urteil beugt. „Glücklich zu
preisen sind die, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich.“
Natürlich fällt der Lohn viel viel großartiger aus, als wir es je verdient
hätten; es ist geradezu unverschämt groß, völlig unangemessen, verschwenderisch
– das ganze Himmelreich! Und doch ist dieser Lohn kein Zufall, sondern ist
Gottes Antwort auf unsere leeren Hände.
(b) Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem, was wir jetzt tun, und
dem, wie es uns in der Zukunft ergeht.
Paulus sagt:
„Jeder Mensch wird ernten,
was er gesät hat. Wer auf den Boden der menschlichen Selbstsucht sät, wird von
ihr den Tod ernten. Wer auf den Boden von Gottes Geist sät, wird von ihm das
unvergängliche Leben ernten.“ (Galater 6,7.8)
Der „Lohn“ ist sozusagen die
Frucht dessen, was wir hier säen. Wer ein Mädchen wirklich liebt und ihr
entsprechend begegnet, der gewinnt ihre Liebe – und das ist sein Lohn. Die Mitgift
ist etwas rein Äußerliches, ein bloßes Anhängsel. Der wirkliche Lohn erwächst
aus der Liebe selber. Wer ein reines Herz hat, darf Gott sehen – denn Gott ist
die Reinheit in Person. Der Lohn ist nicht irgendetwas Zufälliges, sondern
ergibt sich aus dem Verhalten und Charakter des Belohnten. Gott belohnt uns,
indem er etwas tut, das unserem Tun entspricht. Dem Barmherzigen erweist er
Barmherzigkeit, der Treue erfährt seine Treue, den, der sich wie ein Verhungernder
und wie ein Verdurstender nach Gerechtigkeit sehnt, macht er satt.
Als ich noch ein kleiner
Junge war, habe ich (wahrscheinlich in der Sonntagsschule, ich weiß nicht mehr
genau) eine Geschichte gehört, die mir damals großen Eindruck gemacht hat und
die ich eigentlich immer noch richtig gut finde. Ein junger, gläubiger Mann
heuert als Matrose auf einem großen Segelschiff an. Der Kapitän und die anderen
Seeleute, alles gottlose Kerle, machen sich darüber lustig, dass der Neue
regelmäßig in der Bibel liest und betet. Eines Tages hört der junge Matrose
in seiner Kajüte lautes Gegröle. Aha, denkt er, sie feiern wieder mal eines
ihrer wüsten Gelage. Aber als er an Deck geht, starren dort alle, mit
Fernrohren ausgerüstet, in die Luft. Und kaum erblickt ihn der Kapitän, da
brüllt er auch schon: „Wir haben jetzt eine Stunde lang den ganzen Himmel abgesucht,
aber keiner von uns hat auch nur ein Fitzelchen von Gott entdeckt!“ –
„Kapitän“, sagt der junge Mann, „in meiner Bibel steht: Nur die, die ein reines
Herz haben, werden Gott sehen.“
(c) Gott wartet darauf, uns loben zu können!
Gottes Anerkennung ist unser
Lohn. Der Lehrer freut sich, wenn der Schüler eine knifflige Rechenoperation
endlich begriffen hat, und lobt ihn dafür. Die Eltern sind glücklich, wenn ihr
Kind in einer kritischen Situation einen klaren Kopf bewahrt und Zivilcourage
beweist, und loben es dafür. Gibt es für ein Kind, für einen Schüler etwas
Schöneres, als von Vater und Mutter und Lehrer anerkannt zu werden? Gibt es für
einen Christen etwas Schöneres, als wenn am Ende seines Lebens Jesus zu ihm
sagt: „Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener gewesen … Komm herein
zum Freudenfest deines Herrn!“ (Matthäus 25,23)? Wenn Jesus vom Lohn redet,
deutet er an, wie sehr Gott darauf wartet, uns loben zu können, und wie
glücklich es ihn macht, wenn er uns belohnen kann. Ist das nicht beinahe
unbegreiflich? Womit haben wir das verdient?
Zum Schluss: Bin ich ein Stück Nacht, oder bin ich ein Stern?
Erinnern Sie sich noch an
das, was wir zu Anfang über das Reich Gottes sagten? Gottes Reich ist anders
als alle irdischen Reiche. Gottes Herrschaftsgebiet ist nicht ein bestimmtes
Land, weder die Schweiz noch Deutschland, weder die USA noch Israel. Gottes
Reich ist dort, wo Menschen sich freiwillig unter Gottes Herrschaft stellen.
Wenn Sie zu diesen Menschen gehören, sind Sie ein Teil von Gottes Reich. Paulus
schreibt im Philipperbrief:
„Wenn ihr als Kinder Gottes
mitten in dieser verdorbenen und heillosen Welt vorbildlich lebt, werdet ihr
unter euren Mitmenschen wie Sterne am Nachthimmel leuchten.“ (Philipper 2,15)
Sterne am Nachthimmel.
Lichter in einer dunklen Welt – ein großartiger Vergleich! Als ich noch ein
junger Mann war, saß ich mal spät abends mit einer Jungschargruppe an einem Lagerfeuer.
Es war eine wunderbare Nacht, mild und sternenklar. Wir lagen im Gras und bewunderten
all die großen und kleinen Lichter am Himmel. Als Abschluss hatte ich noch eine
kleine Andacht zu halten. Da kam mir dieser Vers in den Sinn, Philipper 2,15:
„Wir sollen unter unseren Mitmenschen wie Sterne am Nachthimmel leuchten.“
Wir sitzen hier unten, sagte ich, und schauen nach oben. Und zum Glück
gibt es hier und da einen Lichtpunkt; andernfalls wäre es jetzt stockfinster.
Stellen wir es uns mal andersherum vor. Wie mag es Gott gehen, wenn er vom
Himmel aus auf unsere Welt heruntersieht? Die Welt ist dunkel, dunkel wegen all
der Schuld, die die Menschen auf sich laden; dunkel, weil hier das „Reich der
Finsternis“ herrscht. Das muss Gott sehr traurig machen. Doch dann sieht er
einen Lichtpunkt und dann noch einen, einen hier, einen anderen dort, und es
werden immer mehr. Darüber freut sich Gott. Und die Frage an uns, die Frage an
mich ist: Bin ich solch ein „Stern am Nachthimmel“, bin ich ein Licht, das sich
von Gott hat anzünden lassen und das seine Umgebung hell macht? Wenn Gott von
seinem Thron auf die Erde sieht, was sieht er dort, wo ich lebe? Sieht er ein
Licht, oder bleibt alles dunkel? Bin ich ein Stück Nacht, oder bin ein Stern?
Es kann für mich kein schöneres Ziel geben, als Gott Freude zu machen.
Als Jesus Christus auf die
Erde kam, war er und nur er das Licht der Welt. Wer das Reich der Finsternis
verlässt und sich dem Licht anschließt, wird ebenfalls ein Licht für die Welt.
So entstehen Lichtpunkte, erst vereinzelt, dann immer mehr. Davon reden auch
die Seligpreisungen. Wer sie hört und auf ihre Botschaft eingeht, der wird ein
Brückenkopf Gottes, ein Repräsentant seines Reiches. Und das ist eine so
lohnende Sache, dass man ihm dazu nur gratulieren kann: „Herzlichen Glückwunsch!“